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Mal wieder Rahmengebühren im Bußgeldverfahren, oder: Einen Schritt vor, einen Schritt zurück

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Und dann im zweiten Postung mal wieder eine Entscheidung zur Bemessung der Rahmengebühren im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren. Leider hat das LG Hamburg im LG Hamburg, Beschl. v. 27.08.2025 – 615 Qs 83/25 – dazu falsch entschieden.

Es hat sich um ein ganz „normales“Bußgeldverfahren gehandelt. Es ging um den Vorwurf einer außerorts begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung und eine Geldbuße in Höhe von 150,00 EUR. Der Verteidiger hat sich bei der Verwaltungsbehörde legitimiert und Akteneinsicht beantragt. Gegen den Bußgeldbescheid hat er dann Einspruch eingelegt und an die beantragte Akteneinsicht erinnert. Er hat dann angeregt der Verteidiger, das Verfahren einzustellen, da der Fahrer auf den inzwischen beigezogenen Hochglanzbildern nicht erkennbar sei; zudem sei der Messrahmen verzogen, so dass die Geschwindigkeitsermittlung ggf. gutachterlich dahingehend zu überprüfen sei, ob sie entsprechend der Vorgaben der Bauartzulassung der physisch-technischen Bundesanstalt erfolgt sei.

Die Bußgeldbehörde hat die Sache an die Staatsanwaltschaft abgegeben, welche die Akte gem. § 69 OWiG beim zuständigen AG vorgelegt hat. Das AG hat das Verfahren nach Einholung der Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt, weil die Betroffene auf den Messbildern nicht zu erkennen sei, und hat die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse auferlegt.

Der Verteidiger hat dann unter Vorlage einer Abtretungserklärung der Betroffenen Kostenfestsetzung in Höhe von 806,82 EUR beantragt. Der Vertreter der Staatskasse hat die Bemessung der Gebühren in der Rahmenmitte moniert. Es handele sich um eine alltägliche Verkehrsordnungswidrigkeit ohne nennenswerte juristische Probleme, die vom Sachverhalt einfach zu erfassen gewesen sei. Der Aktenumfang sei im Zeitpunkt der Akteneinsicht mit 38 Seiten gering gewesen und die erste Einarbeitung daher denkbar einfach gelagert und von erheblich unterdurchschnittlicher Anforderung gewesen.

Das AG hat die aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen der Betroffenen abweichend vom Antrag des Verteidigers – bis auf die Nr. 5115 VV RVG – jeweils unter der Mittelgebühr festgesetzt. Dagegen das Rechtsmittel des Verteidigers. (Natürlich) Ohne Erfolg:

„Die gemäß §§ 464b S. 3 u. S. 4, 304 Abs. 3 StPO i.V.m. §§ 46 Abs. 1 OWiG, 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1. Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt in Verfahren, für welche die VV-RVG eine Rahmengebühr vorsieht, die Höhe der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Sind, wie im vorliegenden Fall, aufgrund der Einstellung des Verfahrens die notwendigen Auslagen des Betroffenen von der Staatskasse zu erstatten, ist eine gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG vom Rechtsanwalt getroffene Bestimmung der Gebührenhöhe nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Unbillig ist der Gebührenansatz nach herrschender, von der Kammer geteilter Ansicht dann, wenn die beantragte Gebühr um mehr als 20 % über der angemessenen Höhe liegt (BGH, NJW-RR 2007, 420, 421).

a) Dies ist vorliegend der Fall. Zu Recht hat das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf die von dem Verteidiger geltend gemachten Gebühren Nr. 5100, Nr. 5103 und Nr. 5109 als unbillig angesehen. Die Kostenfestsetzung dieser Gebühren durch das Amtsgericht Hamburg-Bergedorf ist unter Berücksichtigung der Bewertungsmerkmale des § 14 RVG nicht zu beanstanden. Die in § 14 RVG genannten Kriterien rechtfertigen nicht die Festsetzung der jeweils beantragten Mittelgebühr.

Nach dem Vergütungsverzeichnis des RVG a.F. bemisst sich in Bußgeldverfahren für Wahlverteidiger die Gebühr Nr. 5100 aus einem Rahmen von 33,- € bis 187,- € (Mittelgebühr 110,- €), die Gebühr Nr. 5103 aus einem Rahmen von 33,- € bis 319,- € (Mittelgebühr 176,- €) und die die Gebühr Nr. 5109 aus einem Rahmen von 33,- € bis 319,- € (Mittelgebühr 176,- €). Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ist grundsätzlich zunächst einmal die Mittelgebühr (LG Saarbrücken, Beschluss vom 09.07.14, Az. 2 Qs 30/14; LG Düsseldorf, Beschluss vom 04.08.06, Az. I Qs 83/06; LG Kiel, zfs 2007, 106; LG Stralsund, zfs 2006, 407). Bei der einzelnen Gebührenbestimmung innerhalb der Gebührenrahmen ist dann jedoch auf die Gesamtumstände und die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen (vgl. LG Saarbrücken a.a.O.).

Danach ist vorliegend von einer unterdurchschnittlich schwierigen Angelegenheit sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht auszugehen. Bei dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung und der Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 150,00 € ohne Festsetzung eines Fahrverbots handelt es sich um eine ganz alltägliche und einfach gelagerte Verkehrssache. Die von dem Verteidiger geltend gemachte Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG a.F. entsteht mit der erstmaligen Einarbeitung in den Sachverhalt. Rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten sind nicht ersichtlich. Die erstmalige Einarbeitung war angesichts des überschaubaren Akteninhalts von 38 Seiten zum Zeitpunkt der Akteneinsicht und angesichts des einfach gelagerten Vorwurfs von unterdurchschnittlicher Anforderung, sodass sie keine Mittelgebühr rechtfertigt. Die Festsetzung von 85,00 €, was noch deutlich über der Mindestgebühr liegt, trägt diesem Aufwand zutreffend Rechnung.

Die Kammer hat dabei in besonderem Maße berücksichtigt, dass die bereits bei der ersten Akteneinsicht in der Akte befindlichen Fotos von derart schlechter Qualität waren, dass ganz offenkundig eine Identifizierung allein anhand dieser Fotos nicht möglich gewesen wäre. Das Aufzeigen dieses Umstands als „durchschnittliche Schwierigkeit“ für eine anwaltliche Tätigkeit zu werten, ist gänzlich fernliegend.

Entsprechend begegnet auch die durch das Amtsgericht vorgenommene Festsetzung der Verfahrensgebühren zu Nr. 5103 VV RVG a.F. und Nr. 5109 VV RVG a.F. keinen Bedenken, sondern trägt dem geringen Aufwand zutreffend Rechnung. Die Kammer hat dabei hinsichtlich der Gebühr zur Nr. 5109 VV RVG a.F. in besonderem Maße berücksichtigt, dass das Verfahren nahezu unmittelbar nach Eingang beim Amtsgericht aufgrund der schlechten Bildqualität eingestellt worden ist, ohne dass in diesem gerichtlichen Verfahren eine anwaltliche Tätigkeit ersichtlich geworden ist.“

Dazu ist anzumerken: Der vom LG gewählte Ausgangspunkt: Mittelgebühr, ist zutreffend. Das entspricht der m.E. überwiegenden – zutreffenden – Auffassung in der Rechtsprechung der LG und AG (vgl. zuletzt LG Köln, Beschl. v. 21.03.2025 – 110 Qs 51/24). Zutreffend ist es auch, wenn das LG darauf hinweist, dass für die konkrete Gebührenbestimmung innerhalb der Gebührenrahmen jedoch auf die Gesamtumstände und die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen ist. Das ist richtig (s. dazu auch LG Köln, a.a.O.), aber das LG argumentiert dann m.E. widersprüchlich, wenn es dann dennoch von einer unterdurchschnittlich schwierigen Angelegenheit sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht ausgeht und das mit dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung und der Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von (nur) 150,00 EUR ohne Festsetzung eines Fahrverbots begründet, weshalb nur eine „alltägliche und einfach gelagerte Verkehrssache“ vorliegen soll. Richtig, aber: Das ist doch gerade das, was die straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldsachen „auszeichnet“: Es handelt sich um Feld-Wald-Wiesen-Fälle ohne Besonderheiten, die eine Erhöhung oder eine Ermäßigung der Mittelgebühr rechtfertigen würden, so dass sie dem Durchschnitt oder dem „Normalfall“ entsprechen, weshalb eben die Mittelgebühr angemessen ist (so auch zutreffend LG Köln, a.a.O.). Das LG macht mit seiner Argumentation nach einem richtigen Schritt vorwärts, sogleich wieder einen zurück. Da wäre es ehrlicher gewesen, sofort zu sagen, dass in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Mittelgebühr nicht der Ausgangspunkt für die Gebührenbemessung ist.

Im Übrigen ist anzumerken. Es wäre schön, wenn auch Beschwerdekammern gelegentlich die Fundstellennachweise aktualisieren würden. Nachweise aus den Jahren 2006 oder 2007 sind bei der Flut der Rechtsprechung, die es seitdem zu der Problematik: Mittelgebühr in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren, gegeben hat, nicht unbedingt erste Adresse.

Richtige Gebührenbemessung im OWi-Verfahren I, oder: Mittelgebühr, Durchschnitt, Einkommen

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Und heute dann am RVG-Tag zwei LG-Entscheidungen, beide äußern sich zur Bemessung der Rahmengebühren im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren. Das ist ja ein Bereich, in dem die LG gern wortreich zur Sache Stellung nehmen, häufig allerdings falsch. In der hier zunächst vorgestellten Entscheidung LG Duisburg, Beschl. v. 04.02.2025 – 69 Qs 48/24 – geht es aber noch so einigermaßen.

Folgender Sachverhalt: Gegen den Betroffenen war wegen einer innerörtlichen Geschwindigkeitsüberschreitung ein Bußgeldbescheid über 115,00 EUR ergangen. Außerdem drohte die Eintragung eines Punktes im Fahreignungsregister.

Mit Schriftsatz vom 22.08.2023 hat der Verteidiger des Betroffenen seine Bestellung angezeigt, Einspruch eingelegt, Akteneinsicht sowie die Einstellung des Verfahrens beantragt. Nachdem eine Begründung des Einspruchs nicht erfolgte, ist das Verfahren an das AG abgegeben worden. Dort nahm der Verteidiger für den Betroffenen unter dem 16.11.2023 Stellung. Er wies insbesondere, darauf hin, dass das verwendete Messgerät nicht in standardisierter Weise, eingesetzt worden sei. Mit Schriftsatz vom 07.02.2024 regte der Verteidiger an, die Hauptverhandlung auszusetzen. Das AG hat mit Schreiben vom 08.02.2024 dann die Staatsanwaltschaft um Mitteilung gebeten, ob einer Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG zugestimmt werde; es nahm Bezug auf den Schriftsatz des Verteidigers vom 16.11.2023. Nach Zustimmung der Staatsanwaltschaft hat das AG das Verfahren am 12.04.2024 nach § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse auferlegt.

Der Verteidiger hat die Festsetzung der Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen beantragt. Er hat die Festsetzung der Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG, der Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG, der Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG und der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG nebst Auslagenpauschalen Nr. 7002 VV RVG beantragt. Geltend gemacht worden sind jeweils die Mittelgebühren. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Betroffene niedergelassener Zahnarzt mit eigener Praxis und dringend auf die Fahrmöglichkeit angewiesen sei. Seine Praxis sei 70 km entfernt von seinem Wohnort. Ob in der eigenen oder in einer Gemeinschaftspraxis, im Schnitt erreiche der monatliche Verdienst selbständiger Zahnärzte in Deutschland über 20.000,00 EUR brutto. Der durchschnittliche Reinertrag einer Zahnarztpraxis in Deutschland liege laut dem Statistischen Bundesamt bei etwa 281.000 EUR/Jahr. Der Betroffene fahre ein Oberklassefahrzeug der Marke Tesla. Das Einkommen sei daher deutlich überdurchschnittlich. Zudem sei der Betroffene Jäger mit Jagd- und Waffenschein. Die regelmäßige Zuverlässigkeitsprüfung vertrage sich nicht mit Eintragungen im Fahreignungsregister. Die Verteidigung gegen standardisierte Messverfahren sei besonders schwierig und selten erfolgreich. Die Verteidigung habe hier sachverständige Tätigkeit leisten müssen.

Das AG hat die zu erstattenden notwendigen Auslagen abweichend festgesetzt. Es hat für die Grundgebühr gemäß Nr. 5100 VV RVG nur 66,00 EUR, für die Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG ebenfalls nur 66,00 EUR und für die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG nur 99,00 EUR festgesetzt.

Dagegen hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt und darauf hingewiesen, dass das Mandat wegen der Besonderheiten beim Betroffenen auch erheblichen Besprechungsbedarf erfordert habe und gerade nicht ein einmaliges vermeintlich kurzes Gespräch. Viele Betroffene, so auch gerade hier; hätten ein Interesse an Erläuterung des. Ablaufs eines solchen Verfahrens, der Möglichkeiten, der Strategie, der Erläuterung, warum es sich gerade bei Handlasermessungen lohne, es auf eine Verhandlung mit Beweisaufnahme ankommen zu lassen. Dazu hätten hier mehrere ausführliche Telefonate stattgefunden. Die Besprechungen und der Erstkontakt seien telefonisch oder per E-Mail erfolgt. Da der Betroffene keine Rechtschutzversicherung gehabt habe, sei ein überdurchschnittlicher Beratungsaufwand erforderlich gewesen, weil hier eine ausführliche Darlegung der Höhe und Struktur der anfallenden Gebühren und das Gebührenregime des RVG habe erläutert werden müssen. Außerdem habe ein Telefonat stattgefunden, da der Betroffene um genaue Darlegung gebeten habe, wie der Verteidiger die Aussichten einschätze und was es mit dem Gerätetest auf sich habe. Der Verteidiger habe u.a. die Ausgestaltung des Bußgeldverfahrens sowie die Rechtsmittelmöglichkeiten erläutert. Mit „15 Minuten Monolog“ sei dies nicht getan gewesen. Nach der Ladung habe ein weiteres Telefonat über die Möglichkeiten der Entbindung vom persönlichen Erscheinen stattgefunden. Der Betroffene sei zudem wegen seiner Eigenschaft als Jäger besorgt gewesen.

Das Rechtsmittel des Verteidigers hatte Erfolg. Das LG führt – ich sage ja: wortreich 🙂 – aus:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Bei den Rahmengebühren bestimmt sich nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG die im Einzelfall festzusetzende Vergütung nach Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der. Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber, seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie den sonstigen Gesamtumständen des Falls. Die in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. vorgesehenen Gebührenrahmen stellen den Rahmen für die Vergütung der Bearbeitung sämtlicher Bußgeldsachen dar. Dabei erfasst die „Rahmenmittelgebühr“ nach der Gesetzeslage den durchschnittlichen Fall. Was ein durchschnittlicher Fall ist, ist jeweils nach den Gesamtumständen und Besonderheiten des konkreten Einzelfalls festzustellen. Auch bei Verkehrsordnungswidrigkeiten kann nicht in sämtlichen Fällen von vorneherein schematisch davon ausgegangen werden, dass ein unterdurchschnittlicher Fall vorliegt.

Zwar wird in einfach gelagerten Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten eine Festsetzung der anwaltlichen Vergütungsansprüche im unteren Drittel des zur Verfügung stehenden Gebührenrahmens erfolgen, wenn unter strikter Beachtung der Umstände des Einzelfalls und unter Zugrundelegung der Gebührenbemessungskriterien aus § 14 RVG davon auszugehen ist, dass insgesamt eine Angelegenheit von unterdurchschnittlicher Bedeutung vorliegt. Dies wird in einfach gelagerten Verfahren der Regelfall sein.

Bei der Beurteilung, ob ein „durchschnittlicher Fall“ vorliegt, ist auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen sowie eine Gesamtabwägung vorzunehmen: Wenn sämtliche der gemäß § 14 Abs. 1. Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers, als durchschnittlich einzuordnen sind, gilt damit die Mittelgebühr. Sie ist aber wegen der vorzunehmenden Gesamtabwägung auch anzusetzen, wenn erhöhende und vermindernde Bemessungskriterien etwa gleichgewichtig sind oder wenn ein Bestimmungsmerkmal ein solches Übergewicht erhält, dass dadurch das geringere Gewicht einzelner oder mehrerer anderer Merkmale kompensiert wird.

Die im vorliegenden Kostenfestsetzungsantrag durch den Beschwerdeführer vorgenommene Bestimmung der Gebühren in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr bewegt sich im Hinblick auf die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG noch innerhalb der zuzubilligenden Toleranzgrenze von 20 % und ist daher gegenüber der Staatskasse verbindlich:

1. Grundgebühr gemäß Nr: 5100 VV RVG

Die Gebühr entsteht für sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Rahmen der erstmaligen Einarbeitung in den Rechtsfall und hat einen Gebührenrahmen von 33,00 € bis 187,00 €. Durch sie wird- lediglich die erste Entgegennähme der Information und Sichtung des Sachverhalts und Verfahrensstoffes vergütet. Hiervon ist auch ein etwaiges erstes Mandantengespräch umfasst.

Zutreffend ist, dass die Kammer vielfach entschieden hat, dass Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten, die auf einem Geschwindigkeitsverstoß beruhen, wegen ihrer statistischen Häufigkeit in der Regel routinemäßig und ohne, wesentlichen Zeitaufwand vom Rechtsanwalt bearbeitet werden. Berücksichtigt man, dass der Gebührenrahmen alle Arten von Ordnungswidrigkeiten, also auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens geahndet werden und oft mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind, erfasst, ist der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit in Verkehrsordnungswidrigkeiten in de( Regel als unterdurchschnittlich anzusehen.

Die Kammer vertritt – in ihrer ständigen Rechtsprechung – die Auffassung, dass allein der Umstand, dass für die verfahrensgegenständliche Verkehrsordnungswidrigkeit die Eintragung eines oder mehrere Punkte im Punktesystem vorgesehen ist, nicht per se die besondere Bedeutung des Verfahrens für den Betroffenen, begründet, sondern nur dann, wenn mit dem/den anzuordnenden Punkt/en unmittelbare Auswirkungen auf den Bestand der Fahrerlaubnis des Betroffenen verbunden sind. Bei der Bedeutung der Sache für den Betroffenen war jedoch neben den verkehrsrechtlichen Konsequenzen auch noch von Bedeutung, ob die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit Auswirkungen auf seine Zuverlässigkeit im Sinne von § 5 Absatz 2 WaffG und § 17 BJagdG haben, sodass im vorliegenden Einzelfall im Vergleich zu anderen Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten — die Bedeutung der Angelegenheit dadurch größer war. Bei Zugrundelegung dieses weiteren Umstandes dürfte die Festsetzung des Verteidigers noch nicht unbillig sein.

2. Verfahrensgebühr (Verwaltungsbehörde) gemäß Nr. 5103 VV RVG

Die Gebühr nach Nr. 5103 VV RVG entsteht für sämtliche Tätigkeiten des Verteidigers vor der Verwaltungsbehörde und hat einen Gebührenrahmen von 33,00 € bis 319,00 €.

Der Beschwerdeführer hat vorgetragen, dass in diesem Stadium zumindest zwei ausführliche Beratungen stattgefunden hätten, die jedenfalls mit einem „15 Minuten Monolog“, nicht erledigt gewesen seien. Zwar hat der Beschwerdeführer keine konkrete. Minutenanzahl nennen können, jedoch hat er Angaben zu dem Beratungsinhalt gemacht, die es der Kammer erlaubt haben, sich einen Eindruck vom Umfang der Mandantengespräche zu machen. In einem telefonischen Beratungsgespräch sei eine ausführliche Darlegung der Höhe und Struktur der anfallenden Gebühren und das Gebührenregime des RVG erläutert worden. Zudem habe er erläutert, dass in vielen Fällen auch bei einer Verfahrenseinstellung keine Kostenerstattung erfolge. In diesem Verfahrensabschnitt hat ein weiteres Beratungsgespräch stattgefunden, da der Betroffene um genaue Darlegung bat, wie der Beschwerdeführer die Aussichten einschätze und was es mit dem Gerätetest auf sich habe. Neben der Bedeutung der Sache für den Betroffenen (s.o.) ist die erfolgte Festsetzung noch nicht unbillig.

3. Verfahrensgebühr (Amtsgericht) gemäß Nr. 5109 VV RVG

Durch die Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 VV RVG werden sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts vor dem Amtsgericht abgegolten, soweit hierfür keine gesonderten Gebühren vorgesehen sind. Sie hat einen Gebührenrahmen von 33,00 bis 319,00 €.

Der Umfang (der zeitliche Aufwand) und die Schwierigkeit (die Intensität der Arbeit) der anwaltlichen Tätigkeit wären vorliegend als noch durchschnittlich zu bewerten. Nach der Ladung hat zwischen dem Beschwerdeführer und dem Betroffenen ein weiteres Telefonat über die Möglichkeiten der Entbindung vom persönlichen Erscheinen stattgefunden. Der Betroffene sei wegen seiner Eigenschaft als Jäger besorgt gewesen. Zur Vorbereitung der Hauptverhandlung hat der Beschwerdeführer den Schriftsatz vom 16.11.2023 gefertigt und dazu eine Rechtsprechungsrecherche durchgeführt. Zudem hat ein Telefonat mit dem Vorsitzenden stattgefunden. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer zu prüfen hatte, ob und welche Auswirkungen die vorgeworfene Ordnungswidrigkeit auf die Zuverlässigkeit des Betroffenen im Sinne von § 5 Absatz 2 WaffG und § 17 BJagdG hatte. All diese Tätigkeiten berechtigen dazu, bereits von-einer durchschnittlichen Angelegenheit zu sprechen.“

Anzumerken ist:

Alles in allem ist gegen das Ergebnis – für alle Gebühren Mittelgebühren – nichts einzuwenden, zumal man auch nicht übersehen darf, welchen Aufwand der Verteidiger im Kostenfestsetzungsverfahren hat betreiben müssen. Unklar bleibt allerdings – jedenfalls für mich – von welchem grundsätzlichen Ansatz das LG nun in Bußgeldverfahren ausgeht. Will man wirklich in der Regel die Rahmengebühren nur im unteren Drittel des Rahmenbereichs bemessen? Das wäre m.E. verfehlt und würde in vielen Fällen die oft gerade in Bußgeldverfahren umfangreichen Tätigkeiten der Verteidiger für schwierige Mandanten nicht angemessen honorieren. Unklar bleibt der Ansatz des LG hier für mich deshalb, weil das LG andererseits an mehreren Stellen die Bedeutung der Umstände des Einzelfalls betont, auf die es maßgeblich ankommen soll. Das wäre dann allerdings zutreffend und würde der wohl überwiegenden Meinung der Rechtsprechung in dieser Frage entsprechen.

Im Übrigen: Das hier die Mittelgebühren angemessen waren, lag m.E. auf der Hand. Das ergab sich allein schon daraus, dass zumindest alles Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zumindest durchschnittlich waren. Die Vermögensverhältnisse des Betroffenen, zu den das LG nicht näher ausführt, waren sicherlich sogar überdurchschnittlich. Von daher war der Ansatz von nur 66 EUR für die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG und von 99 EUR für die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG durch das AG mehr als unangemessen.

Rahmengebühren I: Bemessung im OWi-Verfahren, oder: Mittelgebühr ist der richtige Ansatz

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Und heute dann – wahrscheinlich für viele der letzte Arbeitstag vor Weihnachten -, da Freitag ist, natürlich Gebührenentscheidungen. Und da das Fest des Friedens naht, will ich heute dann zwei „schöne“ Entscheidungen vorstellen. In beiden Beschlüssen geht es um die Bemessung der Rahmengebühren, und zwar einmal im Bußgeldverfahren und einmal im Strafverfahren.

Ich beginne mit dem Bußgeldverfahren, und zwar mit dem AG Viechtach, Beschl. v. 27.11.2024 – 6 II OWi 242/24. Die Entscheidungen des AG Viechtach sind ja wegen des Sitzes der Zentralen Bußgeldstelle in Viechtach von erheblicher Bedeutung.

Gegen war den Betroffenen – der Fahrlehrer ist – eine Geldbuße von 100,00 EUR verhängt worden. Ein Punkt im Fahreignungsregister, bei Vorliegen keiner Voreintragung, war angedroht. Nach Verjährungseintritt wurde das Verfahren eingestellt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen wurden der Staatskasse nicht auferlegt. Dagegen dann der erfolgreiche Antrag auf gerichtliche Entscheidung.

Der Verteidiger macht dann seine Gebühren geltend. Er setzt Mittelgebühren an. Davon werden Absetzungen gemacht. Das AG sieht das dann anders und setzt in der vom Verteidiger geltend gemachten Höhe fest:

„Nach wohl herrschender Meinung ist in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren die Höhe des verhängten Bußgeldes nicht entscheidend für die Gebührenbestimmung nach § 14 RVG (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, Randnr. 54 zu § 14 RVG), womit auch bei Bußgeldern im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens (hier 60,00 bis 5000,00 Euro) zunächst von einer Mittelgebühr auszugehen ist. Allerdings ist bei der Gebührenbestimmung zu beachten, dass dieser Mittelgebühr der allgemeine Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche zu Grunde zu legen ist, nicht nur ein Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten (vgl. LG Landshut, Beschluss vom 19.01.2017, 3 Qs 14/17, juris).

„Eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit ist keineswegs gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche“, LG Landshut, a.a.O.

Die weit überwiegende Anzahl der Verkehrsordnungswidrigkeiten beinhaltet alltägliche Verkehrsübertretungen, die in großer Zahl auftreten und zu deren Verfolgung und Ahndung in allen Verfahrensabschnitten überwiegend automatisiert bzw. standardisiert gearbeitet wird – auch auf Seiten der Verteidiger. Diese Massenverfahren weisen weder einen komplizierten Sachverhalt auf, noch ist zu ihrer Bearbeitung ein umfangreicher Zeit- oder Begründungsaufwand erforderlich. Deshalb scheint es insbesondere mit Blick auf die Höhe der Verteidigergebühren in Strafsachen für nicht gerechtfertigt, für ein durchschnittliches Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren die allgemeine Mittelgebühr anzusetzen. Auch die große Anzahl dieser Verfahren rechtfertigt dies nicht. Die Mittelgebühr ist auf den allgemeinen Durchschnittsfall in der Gesamtbetrachtung aller Ordnungswidrigkeitenbereiche zugeschnitten.

Die Verteidigergebühr ist nach den Bemessungskriterien des § 14 RVG zu bestimmen. Maßgebend sind demnach,

– Umfang der anwaltlichen Tätigkeit,
– Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit,
– Bedeutung der Angelegenheit,
– Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers

Die Bestimmung der Gebühren durch den Rechtsanwalt ist für Dritte, die die Gebühr zu ersetzen haben, nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 3 RVG).

Die Höhe der im Bußgeldbescheid verhängten Geldbuße sagt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten in der Regel nicht viel über die Bedeutung der Angelegenheit aus, da die Geldbußen meistens im unteren Bereich angesiedelt sind. In erster Linie werden bei Verkehrsordnungswidrigkeiten Einsprüche gegen Bußgeldbescheide eingelegt wegen den mit der Geldbuße verbundenen Punkten im Fahreignungsregister im Hinblick auf ein zukünftig drohendes Fahrverbot oder Fahrerlaubnisentzug durch die Verwaltungsbehörde, wegen eines verhängten Fahrverbots oder zur Abwehr oder Vorbereitung zivilrechtlicher Schadensersatzansprüche. Von Bedeutung ist insbesondere auch, ob d. Betr. beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

Diese Besonderheit der Verkehrsordnungswidrigkeiten rechtfertigt es nicht, grundsätzlich von einer geringen Bedeutung auszugehen. Hätte der Gesetzgeber dies beabsichtigt, hätte er bei der den Gebührenrahmen jeweils bestimmenden Höhe der Geldbußen stärker differenziert und nicht, wie geschehen, Geldbußen von 60 bis 5000 Euro in einem Gebührentatbestand zusammengefasst. Bei der Beurteilung der Bedeutung einer Angelegenheit ist vielmehr der Besonderheit der Angelegenheit und der besonderen Umstände Rechnung zu tragen, die gerade für die Bedeutung dieser Angelegenheit ausschlaggebend sind. Abzustellen ist somit bei Verkehrsordnungswidrigkeiten auf die drohenden Punkte im Verkehrszentralregister, eine etwaige Vorbelastung, ein drohendes Fahrverbot bzw. Fahrerlaubnisentzug und etwaige Schadensersatzansprüche sowie das Angewiesensein d. Betr. auf die Fahrerlaubnis.

Bei der Einordnung des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sind u.a. die Kriterien des Aktenumfangs, der Anzahl und Dauer der Besprechungen mit Mandanten, Sachverständigen und Dritten, der Notwendigkeit der Einarbeitung in Rechtsmaterie, einschließlich des ggfs. notwendigen Studiums von Rechtsprechung und Literatur, Zahl und Umfang der Schriftsätze, auswärtige Beweisaufnahmen, Auswertungen von Beiakten oder Sachverständigengutachten zu berücksichtigen.

Die von der Rechtsprechung entwickelte 20%-Toleranzgrenze ist nicht grundsätzlich und generell anwendbar. Voraussetzung ist in jedem Fall die Ausübung des billigen Ermessens durch den Rechtsanwalt. Unterbleibt dies, ist für die 20%-Toleranzgrenze kein Platz (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, § 14 Rdnr. 52-59, beck-online).

Für den vorliegenden Fall gilt unter Berücksichtigung dieser Umstände folgendes:

Die Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen ist im Hinblick auf seine Tätigkeit als Fahrlehrer und der damit der Möglichkeit einer Eignungsprüfung bei mehreren Verstößen als durchschnittlich anzusehen.

Der Verteidiger hat vorliegend lediglich einen Formular-Einspruch eingelegt und Akteneinsicht beantragt. Zudem musste der Anwalt – zurecht – Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Auslagenentscheidung der Behörde einlegen und begründen.

Angaben zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen wurden nicht gemacht.

Angesichts dieser Umstände stellt sich im vorliegenden Einzelfall der Antrag des Rechtsanwalts als im Rahmen des zulässigen dar.“

Lassen wir, da Weihnachten vor der Tür steht, dahin stehen, ob der Ansatz des AG, dem der Beschluss des LG Landshut vom 19.1.2017 (3 Qs 14/17) zugrunde liegt, zutreffend ist. Denn das AG kommt letztlich zur zutreffenden Abwägung, wenn es von dem Mittelgebühren des RVG auch für die Abrechnung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren ausgeht und dann die jeweiligen Umstände des Einzelfalls abwägt (zur „richtigen“ Gebührenbemessung im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, 6. Aufl. 2021, Vorbem. 5 VV Rn 54 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Von daher sind der Ansatz der Mittelgebühr bei der Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und ein höherer Ansatz als die Mittelgebühr bei der Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG nicht zu beanstanden und zutreffend. Der Ansatz der Mittelgebühr bei der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 5115 VV RVG folgt aus dem Gesetz.

Angemessene Gebühren im Bußgeldverfahren?, oder: Gebührenrechtliche Diaspora in Osnabrück

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Und als zweite Entscheidung dann der LG Osnabrück, Beschl. v. 17.11.2023 – 15 Qs 39/23 – schon etwas älter, aber leider jetzt erst eingegangen. Auch unschön, wie meist vom LG Osnabrück.

Gestritten wird um die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG, insoweit waren 176,00 EUR geltend gemacht und um die Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG, insoweit hatte die Rechtsanwältin  280,50 EUR als angemessen angesehen. Festgesetzt hat der AG, das der Bezirksrevisorin gefolgt ist, für die Verfahrensgebühr Nr. 5109 VV RVG 120,00 EUR und für die Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG 130,00 EUR. Das LG ist dem gefolgt:

„Mit dem Bezirksrevisor ist die Kammer der Auffassung, dass die vom Verteidiger geltend gemachten und auch vom Amtsgericht Osnabrück festgesetzten Gebühren (Verfahrensgebühr Nr. 5109 und Terminsgebühr Nr. 5110 VV RVG) im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 4 RVG unbillig hoch und damit unverbindlich sind.

Die Gebühren waren jeweils nur in der festgesetzten Höhe gerechtfertigt. Nach § 14 RVG bestimmt ein Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände. Solche sind v. a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers.

Zunächst ist festzustellen, dass die Gebührenfestsetzung unabhängig von der Kostenstruktur und des Kostendeckungsgrades des Anwalts erfolgt. Das anwaltliche Gebührenrecht ist gerade so konzipiert, dass es Fälle geben kann, in denen die Vergütung nicht kostendeckend ist, was aber dadurch ausgeglichen wird, dass im Gegensatz dazu in anderen Fällen im Hinblick auf den Arbeitsaufwand eine unverhältnismäßig hohe Vergütung erfolgt (ständige Rechtsprechung des LG Osnabrück, vgl. nur LG Osnabrück, Beschluss vom 21.03.2012 -15 Qs 12/12; zur Mischkalkulation auch OLG München, Urteil vom 11.11.2004 – 1 U 4066/04 zum damals geltenden § 12 BRAGO). Dies findet seine Stütze in der Vorschrift des § 14 RVG selbst, in dem der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit als eines der beispielhaft benannten Kriterien zur Bestimmung der Gebühr genannt ist. Die Vorschrift räumt dem Rechtsanwalt das Recht; aber auch die Pflicht ein, sämtliche persönlichen und sachlichen Umstände miteinander im Einzelfall abzuwägen und die Gebühr nach billigem Ermessen zu bestimmen (v. Seltmann in BeckOK RVG, 35. Edition, § 14 Rn. 6).

1. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 VV RVG war in Höhe von lediglich 120 Euro anzusetzen. Für diese Gebühr gilt ein vorgegebener Gebührenrahmen von 33 bis 319 Euro für Geldbußen zwischen 60 und 5.000 Euro mit bzw. ohne Verhängung eines Fahrverbots.
Der vorliegende Fall ist unter Abwägung aller nach § 14 RVG maßgeblichen Kriterien als unterdurchschnittlich einzustufen.

Verfahrensgegenstand war hier eine Verkehrsordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße in Höhe von 200 Euro. Die indirekte Heranziehung der Höhe der Geldbuße unter dem Gesichtspunkt der Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer stellt auch keine unzulässige „Doppelverwertung“ dar, da gerade die Höhe der finanziellen Belastung durch« den Bußgeldbescheid eines der ausschlaggebenden Kriterien dafür ist, welche Bedeutung die Angelegenheit für den Beschwerdeführer hat.

Auch im Übrigen ist die Bedeutung der Angelegenheit für den Beschwerdeführer als unterdurchschnittlich anzusehen. Insbesondere drohte ihm kein Fahrverbot. Punkte waren für ihn bislang nicht beim Kraftfahrt-Bundesamt eingetragen.

Auch der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist hier als unterdurchschnittlich anzusehen. Die Akte umfasste bis zum Akteneinsichtsgesuch der Verteidigerin 66 Seiten. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer bereits selbst Einspruch gegen den Bußgeldbescheid eingelegt, den Einspruch mit Schreiben vom 27.03.2022 damit begründet, die Geschwindigkeitsüberschreitung nicht begangen zu haben und nicht die im Bußgeldbescheid abgebildete Person zu sein, und mit Schreiben vom 30.05.2022 eine Kopie seines Passbildes zwecks Einholung eines Sachverständigengutachtens an das Amtsgericht Osnabrück übersandt. Als die Verteidigerin sich mit Schriftsatz vom 30.09.2022 zur Akte meldete und um Akteneinsicht bat, war bereits eine Bewertung der Qualität des Messbildes durch den Sachverständigen Prof. Dr. med. Huckenbeck erfolgt und ein Hauptverhandlungstermin anberaumt. Mit weiterem Schriftsatz vom 06.10.2022 übersandte die Verteidigerin eine Vollmacht und mit Schriftsatz vom 02.11.2022 beantragte sie die Einstellung des Verfahrens gemäß § 47 Abs. 2 OWiG. Diesen Antrag begründete sie damit, dass der Bruder des Beschwerdeführers zugegeben habe, das Tatfahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt zu haben. Dessen Vernehmung wurde beantragt und angekündigt, diesen als präsenten Zeugin zum Hauptverhandlungstermin mitzubringen. Es wurde ferner beantragt, ein mitgesandtes Bild vom Personalausweis des Zeugen im Hauptverhandlungstermin in Augenschein zu nehmen und dem Sachverständigen vorzulegen. Dieser Vortrag wurde mit Ausführungen zu Unterscheidungsmerkmalen zwischen den Brüdern untermauert. Schließlich wurde darauf hingewiesen, dass die Aussagekraft eines anthropologischen Gutachtens im Hinblick auf Betroffene, die keiner mitteleuropäischer Ethnie angehörten, beschränkt sei, und die Mutter des Beschwerdeführers und des Zeugen von den Philippinen stamme. Ein konkreter Zeitaufwand für die Tätigkeit im amtsgerichtlichen Verfahren einschließlich der Vorbereitung der Hauptverhandlung ist nicht dargelegt. Angesichts des Aktenumfangs und des Akteninhalts ist – auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 02.11.2022 -ein noch unterdurchschnittlicher Zeitaufwand zu schätzen.

Auch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage ist als einfach gelagert anzusehen. Letztlich ging es um die Frage, ob der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt der Fahrer war. Daran ändert auch der Umstand, dass ein anthropologisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens ist in Verkehrsordnungswidrigkeiten mit anwaltlicher Verteidigung inzwischen nahezu Standard geworden. Ein gerichtliches Verfahren, in welchem lediglich die Frage der Fahrereigenschaft mit Hilfe eines Sachverständigen geklärt werden muss, stellt deshalb an die Tätigkeit des Verteidigers nur unterdurchschnittliche Anforderungen (vgl. LG Flensburg, Beschluss vom 27.08.2015 – 1 Qs 40/15, BeckRS 2016, 9578; LG Detmold, Beschluss vom 03.02.2009 – 4 Qs 172108, BeckRS 2009, 7360; LG Potsdam, JurBüro 2013, 640).

In einer Gesamtschau aller für die Bestimmung der Gebühr zu berücksichtigenden. vorgenannten Kriterien ist die Angelegenheit insgesamt als unterdurchschnittlich zu werten. Die Verteidigerin hat mit Abrechnung der Mittelgebühr den Ermessensspielraum überschritten, so dass das Gericht befugt ist, die billige Gebühr festzusetzen. 120 Euro, wie von der Bezirksrevisorin vorgeschlagen und vom Amtsgericht festgesetzt, erscheinen angemessen.

2. Aufgrund des Vorgenannten ist auch die Terminsgebühr gemäß Nr. 5110 VV RVG lediglich mit 130 Euro festzusetzen. Für diese Gebühr gilt ein vorgegebener Gebührenrahmen von 44 bis 517 Euro für Geldbußen zwischen 60 und 5.000 Euro mit bzw. ohne Verhängung eines Fahrverbots.

Auch hier gelten die obigen Ausführungen zur Bedeutung der Angelegenheit für .den Beschwerdeführer und zur Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage fort.

Der Hauptverhandlungstermin am 09.11.2022 begann um 09:55 Uhr und endete bereits 15 Minuten später um 10:10 Uhr. Auch wenn die Verhandlungsdauer alleine nicht über die Gebührenhöhe entscheidet, ist sie ein nicht unbedeutender mitbestimmender Faktor. Schließlich entgilt die Termingebühr auch langandauernde, sich über einen ganzen Tag hinziehende, Hauptverhandlungen. Eine solche könnte nicht mehr vernünftig in den Gebührenrahmen eingeordnet werden, wenn bereits kurze Hauptverhandlungen, die – wie hier – auch keine schwierigen Besonderheiten aufweisen, die Mittelgebühr auslösen würden. Es wurde lediglich bis 10:05 Uhr ein Sachverständiger vernommen, der zu dem Ergebnis kam, dass nicht der Beschwerdeführer, sondern sein Bruder auf dem Messfoto abgebildet war. Unter Beachtung der Termindauer und der vorgenannten Umstände ist die Festsetzung der Termingebühr durch das Amtsgericht mit 130. Euro mehr als angemessen anzusehen.“

Könnte man manches zu sagen. Tue ich aber nicht. Lohnt sich beim LG Osnabrück eh nicht. Das ist dort eine gebührenrechtliche Diaspora. 130 EUR für einen Termin? Ohne weitere Worte.

Auch im Bußgeldverfahren Rahmenmittelgebühren, oder: AG Paderborn erklärt es dem Rechtsschutz

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Und als zweite – schöne – AG Entscheidung stelle ich das AG Paderborn, Urt. v. 07.12.2021 – 51a C 113/21 – vor. Schön älter, aber es lohnt m.E. der Hinweis auf diese Entscheidumg. Ergangen ist das Urteil in einem „Freistellungsrechtsstreit“ gegen eine Rechtsschutzversicherung, die mal wieder mit § 14 RVG im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren Probleme hatte. Das AG erklärt der RSV, wie es geht:

„2. Dem Kläger steht – unter Berücksichtigung der von Seiten der Beklagten bereits erfolgten Zahlungen in Höhe von insgesamt 743,75 € – weiterhin die Freistellung von einer Grundgebühr gemäß Nr. 5100 RVG-VV in Höhe von noch 25,00 €, einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5103 RVG-VV in Höhe von noch 75,00 €, einer Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5109 RVG-VV in Höhe von noch 45,00 €, einer Terminsgebühr gem. Nr. 5110 RVG-VV in Höhe von noch 70,50 € und Steueranteilen in Höhe von weiteren 40,95 € zu. Soweit der Kläger weiter eine Auslagenpauschale in Höhe von 40,00 €, Kopierkosten in Höhe von 8,00 € und eine Aktenversendungspauschale in Höhe von 12,00 € erstattet verlangt hat, ist bereits vorprozessual Erfüllung eingetreten.

a) Die Rahmengebühr nach § 14 RVG – wie sie hier mit Rücksicht auf die Gebührentatbestände im Streit steht – ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. AG Hamburg-Harburg, Beschluss vom 03. Juni 2021 – 621 OWi 128/21 -, Rn. 12, juris).

Hiernach war im vorliegenden Fall jeweils die Mittelgebühr festzusetzen. Nach zutreffender Ansicht ist bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. AG München, Urteil vom 02. Dezember 2019 – 213 C 16136/19 -, Rn. 4, juris).

Unter der Geltung der BRAGO war streitig, ob in Bußgeldverfahren wegen alltäglicher Verkehrsordnungswidrigkeiten die Mittelgebühr oder lediglich nur im unteren Bereich des jeweiligen Rahmens liegende Gebühren als angemessen angesehen werden können. Unter der Geltung des RVG ist jedoch nach weit überwiegender Rechtsprechung bei straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich der Ansatz der Mittelgebühr als Ausgangspunkt gerechtfertigt (vgl. AG München Endurteil v. 2.12.2019 – 213 C 16136/19; AG Landstuhl Beschluss vom 8.4.2020 – 2 OWi 186/20; AG Trier Beschluss vom 8.12.2020 – 35a OWi 58/20). Insbesondere wird die Mittelgebühr in der Regel als gerechtfertigt angesehen, wenn ein Fahrverbot in Frage steht oder Eintragungen in das Verkehrszentralregister (vgl. AG Frankenthal AGS 2005, 293 f, AG Viechtach AGS 2007, 83f, AG Pinneberg AGS 2005, 552 f; AG Trier Beschluss vom 8.12.2020 – 35a OWi 58/20; AG Hamburg-Harburg, Beschluss vom 03. Juni 2021 – 621 OWi 128/21 -, Rn. 13, juris). Dies ist hier der Fall. In dem Bußgeldbescheid wurde gegen den Betroffenen ein Bußgeld in Höhe von 90,00 € festgesetzt. Diese Festsetzung zieht die Eintragung von einem Punkt im Fahreignungsregister nach sich.

b) Die gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände waren sämtlich durchschnittlicher Art – mithin die Bedeutung der Angelegenheit war üblich, Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren durchschnittlich und auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers haben keine andere Bewertung gefordert. Vorliegend war lediglich ein Bußgeld von 90,00 Euro (samt Eintragung eines Punktes) Gegenstand des Bußgeldbescheides. Diese drohende Rechtsfolge entspricht jedoch durchaus dem Durchschnitt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten.

aa) Die Bedeutung der Angelegenheit war üblich.

Dieses Merkmal bestimmt sich nach der tatsächlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und persönlichen Bedeutung für den Auftraggeber. Maßstab ist sein persönliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse am Ausgang der Angelegenheit im Hinblick auf den von ihm erhofften Erfolg. Deshalb sind insbesondere Auswirkungen auf die berufliche oder persönliche Stellung des Auftraggebers, die grundsätzliche Bedeutung der Angelegenheit für ihn über den Einzelfall hinaus oder eine sonstige vom Auftraggeber zum Ausdruck gebrachte Bedeutung in der Bewertung zu berücksichtigen.

Hierbei erachtet das Gericht neben dem wirtschaftlichen Interesse des Auftraggebers auch dessen ideelles Interesse als besonders maßgeblich. Der Vorwurf des Begehens einer Ordnungswidrigkeit muss – sofern der Betroffene meint, die Ordnungswidrigkeit nicht begangen zu haben – angreifbar sein. Der Rechtsanwalt, welcher insoweit eingehend mit dem Kläger beraten hat, kennt die Umstände der Mandatsbearbeitung, die nicht sämtlich aktenkundig sein müssen, besser als ein Außenstehender, weshalb das Gericht die Angaben des Prozessbevollmächtigten, dass die Angelegenheit für den Kläger von Interesse war, zugrunde legt.

Darüber hinaus wurde dem Kläger mit dem Bußgeldbescheid eine Buße von 90,00 € auferlegt, welche die Eintragung eines Punktes im Register zur Folge hatte. Das Gericht geht mit der Vorlage des Schreibens vom 13.01.2021 davon aus, dass der Anwalt die Auskunft aus dem Fahreignungsregister eingeholt hat und diese für den Kläger einen Gesamtpunktestand von einem 1 Punkt auswies. Auch wenn der Kläger in diesem Falle bereits Voreintragungen hatte, so gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Entzug der Fahrerlaubnis drohte und die Entscheidung noch weiter reichende Konsequenzen privater und beruflicher Natur für den Kläger gehabt hätte. Daher ist die Bedeutung der Angelegenheit zumindest auch durchschnittlich.

bb) Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit waren durchschnittlich.

Bei der dem Vorfall rechtlich zugrunde liegenden Materie – der Vorwurf eines Rotlichtverstoßes nach der StVO – handelt es sich um eine durchschnittliche, keinen hervorgehobenen rechtlichen Anforderungen entsprechende Angelegenheit, wie sie in einem derartigen Tätigkeitsgebiet aufgrund der Häufigkeit und Alltäglichkeit gehäuft vorkommt. Auch ist die Auseinandersetzung mit diesem Verstoß, welcher auf eingehenden und auch für den Laien verständlichen tatsächlichen Sachverhalten beruht, keiner gesonderten höherwertigen technischen Beurteilung zugänglich, so wie z.B. anderweitig die Durchdringung sachverständiger Messgutachten.

Auch der vorliegende Umfang der Tätigkeit war durchschnittlich. Der Umfang bezeichnet den zeitlichen Aufwand, den der Rechtsanwalt bei sorgfältiger Führung des Mandates verwenden muss und tatsächlich aufgewandt hat. Maßgeblich sind z. B. die Dauer von Besprechungen und der Umfang der zu erarbeitenden Unterlagen, aber auch der Zeitraum, über den das Mandat geführt worden ist. Maßstab für die Bewertung sind vergleichbare Mandate.

So erfolgte nach Erlass des Bußgeldbescheids lediglich die standardisierte Einlegung des Einspruchs. Eine rechtlich fundierte Einlassung erfolgte schriftlich weder im Bußgeldverfahren noch im gerichtlichen Verfahren. Die Anforderung der Akte und die Einholung einer Auskunft aus dem Fahreignungsregister sind Standard in jeglichen Bußgeldverfahren. Dies gilt ebenso für die Besprechung des Verfahrens mit der Mandantschaft und daraus erfolgende fernmündliche Anfragen und Gespräche.

Das Gericht geht anhand der von der Klägerseite eingereichten Fotos davon aus, dass eine Ortsbesichtigung durch den Prozessbevollmächtigten mit dem Kläger stattgefunden hat, bei welchen Fotos angefertigt wurden. Die Dauer des Ortstermins wurde weiterhin von der Beklagtenseite bestritten. Die Feststellung der Dauer ist jedoch nicht entscheidungserheblich. Denn auch die Durchführung eines Ortstermins in diesem Verfahren ändert nichts an dem als durchschnittlich zu bewertenden Umfang der Tätigkeit. Überdies war die Durchführung eines Ortstermins, soweit der Kläger selbst auch Lichtbilder gefertigt hat, für den Prozessbevollmächtigten nicht erforderlich. Denn die Entscheidung wird letztlich auch aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung und der dieser lediglich zugrunde liegenden Fotos und den sich daraus ergebenden Winkeln und Lichtverhältnissen gebildet. Insoweit wäre es ausreichend und angemessen gewesen, wenn auch die anwaltliche Tätigkeit sich auf die von dem Kläger bereits gefertigten Fotos erstreckt hätte.

Auch Dauer und Umfang der Hauptverhandlung sowie die rechtliche Schwierigkeit dessen waren durchschnittlich. Die genaue Dauer des Hauptverhandlungstermins war zwischen den Parteien weiter streitig. Jedoch wurde durch die Klägerseite eingeräumt, dass diese ggf. auch unter einer Stunde gedauert haben könnte. Jedenfalls sofern sich die Dauer etwa in diesem zwischen den Parteien zumindest unstreitigen und darüber hinaus streitigen Rahmen befindet, ist eine genaue Feststellung der Dauer, da eine erheblich über diesen Umfang bestehende Dauer seitens des Klägers nicht behauptet wurde, nicht erforderlich. Denn das Gericht stuft diesen Zeitraum in den vorgetragenen Varianten in jedem Fall als durchschnittlich ein. Die Vernehmung der – üblicherweise bei einem solchen Verstoß vorliegenden – zwei Polizeibeamten als Zeugen entspricht dem grundsätzlichen Ablauf einer Hauptverhandlung in einem derartigen Verfahren. Nachfragen und Vorhalte – auch unter Zuhilfenahme von Fotos und Skizzen – sind übliche Verhandlungsmethodik und weder nach dem Umfang noch der rechtlichen Komplexität an höheren Maßstäben zu messen.

cc) Auch die Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers rechtfertigen vorliegend keine anderweitige Beurteilung.

Konkrete Anhaltspunkte für die Vermögensverhältnisse des Betroffenen sind der Akte nicht zu entnehmen. Hierzu macht der Prozessbevollmächtigte keine konkreten Angaben. Die Beklagtenseite geht von einem unterdurchschnittlichen Einkommen des Klägers aus. Jedoch selbst bei Zugrundelegung eines unterdurchschnittlichen Einkommens rechtfertigt dies nicht, im Sinne des § 14 RVG von der Mittelgebühr abzuweichen. Denn bei der vorliegenden Buße von 90,00 € und einem Punkt, welcher ohne unmittelbare führerscheinrechtliche Konsequenzen verbunden ist, stellt die Sache auch an ein unter dem Durchschnitt liegendes Einkommen keine besonderen Anforderungen wirtschaftlicher, beruflicher oder privater Natur.

c) Nach alledem sind als Grundgebühr gem. Nr. 5100 VV eine Mittelgebühr von 110,00 €, eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 5103 VV in Höhe von 176,00 €, eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 5109 VV in Höhe von 176,00 € und eine Terminsgebühr gem. Nr. 5110 VV in Höhe von 280,50 € zuzüglich Nebenkosten (40,00 € Auslagenpauschale, 8,00 € Kopierkosten, 12,00 € Aktenversendungspauschale und hierauf entsprechende Steueranteile) als billig zu bewerten.

d) Soweit der Kläger jedoch in Teilen über diese Mittelgebühr hinausgehende Beträge verlangt, so kann er eine Freistellung hierfür aufgrund der dem Anwalt hier insoweit zuzubilligenden Toleranzgrenze von 20% fordern.

Übt der Rechtsanwalt sein Ermessen pflichtgemäß aus, billigt ihm die Rechtsprechung einen Toleranzspielraum von bis zu 20% zu (Hartung/Schons/Enders Rn. 23; Gerold/Schmidt/Mayer Rn. 12 f.). Liegt die von dem Rechtsanwalt bestimmte Gebühr noch innerhalb des Toleranzrahmens, ist sie nach der Rechtsprechung noch nicht unbillig (OLG Düsseldorf Rpfleger 2002, 330; OLG Hamm Rpfleger 1999, 565; OLG Koblenz NJW 2005, 918; OLG Köln JurBüro 1994, 30; OLG München AnwBl 1992, 455; OLG Zweibrücken MDR 1992, 196; SG Freiburg MDR 1999). Bei der Prüfung, ob ein Gebührenansatz innerhalb des Toleranzrahmens liegt, sind die gesamten Gebühren für einen Verfahrensabschnitt heranzuziehen (OLG Koblenz NJW 2005, 918) (vgl. BeckOK RVG/v. Seltmann, 53. Ed. 1.9.2021, RVG § 14 Rn. 13).

Demnach waren die für die jeweiligen Verfahrensabschnitte unter der Toleranzgrenze von 20% liegenden Überschreitungen nicht als unbillig zu bemessen.“