Am Gebührenfreitag stelle ich heute zunächst das LG Koblenz, Urt. v. 27.11.2024 – 15 O 97/24, das nicht nur für Straf- und Bußgeldverfahren Bedeutung hat, sondern in allen Verfahren. Denn es geht um die Frage der „richtigen“ Form für eine Bonusvereinbarung, also eine Problematik aus § 3a RVG.
Die Klägerin, eine ehemalige Mandantin, verlangt von der beklagten Rechtsanwaltsgemein-schaft die (Rück)Zahlung von 23.800 EUR zuzüglich Zinsen. Die Beklagte hatte aufgrund eines Anwaltsvertrages für die Klägerin außergerichtlich Schadensersatz- und Schmerzensgeldan-sprüche aus einem Unfallereignis zum Nachteil der Klägerin geltend gemacht. Bei Mandatsertei-lung im Februar 2022 hatten die Parteien eine weitere schriftliche Vereinbarung geschlossen, die mit „Zusatzvereinbarung zur anwaltlichen Vergütung“ überschrieben war. Darin hieß es u.a.: „Die Parteien sind sich einig, dass im Falle des Erfolgs, die Frage einer zusätzlichen, über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Vergütung noch einmal besprochen wird.“ Über diese Vorgehensweise, insbesondere die Freiwilligkeit einer solchen Zahlung und auch deren übliche Höhe, war die Klägerin bereits mit E-Mail der Beklagten vom 12.01.2022 informiert.
In der Folge setzten die Beklagte zugunsten der Klägerin im Zuge außergerichtlich geführter Verhandlungen, die im Frühjahr 2023 zu einem erfolgreichen Abschluss kamen, einen Ver-gleichsbetrag in Höhe von 150.000 EUR durch. Nach Abschluss der Tätigkeit kam es zu einem vorher vereinbarten Telefonat zwischen den Parteien, in dem ausschließlich über die Zahlung einer freiwilligen zusätzlichen Vergütung gesprochen wurde. Der genaue Inhalt des Gesprächs war zwischen den Parteien streitig.
Mit Kostenrechnung vom 31.03.2023 stellte die Beklagte der Klägerin sodann eine „Erfolgsunab-hängige Vergütung, Vergütungsvereinbarung § 3a RVG, §§ 4, 3a RVG“ über einen Betrag in Höhe von 20.000 € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer, insgesamt somit 23.800 EUR in Rechnung. In einer Textnachricht an die Klägerin vom gleichen Tag bedankte sich die Beklagte für die „entgegenkommende und anerkennende Zahlung der zwischen uns besprochenen Zusatzver-gütung von 20.000 EUR netto“ und erteilte Abrechnung. Dabei zog sie von einem „geleisteten Abfindungsbetrag HUK Haftpflicht“ in Höhe von 150.000 EUR Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 23.800 EUR „gemäß anliegender Kostenrechnung“ ab. Den danach verbleibenden Zahlbe-trag in Höhe von 126.200 EUR kehrte die Beklagte sodann an die Klägerin aus.
Im April 2023 haben die Klägerin und im April 2024 der Klägervertreter mit Schreiben die 23.800 EUR zurückgefordert. Eine Zahlung durch die Beklagte erfolgte nicht. Die Klägerin hat dann Klage erhoben und hatte damit beim LG Erfolg:
„Die Beklagte ist gem. §§ 675, 667 BGB zur Herausgabe des einbehaltenen Fremdgeldes in Höhe von 23.800 € verpflichtet. Die von der Beklagten vorgenommene Verrechnung mit dem behaupteten Honoraranspruch hat nicht zum Erlöschen des Anspruchs der Klägerin geführt.
1. Zwischen den Parteien bestand ein Mandatsverhältnis. Auf den Anwaltsdienstvertrag finden nach § 675 BGB auch die Vorschriften der §§ 666, 667 BGB Anwendung. Der Anspruch der Klägerin auf Herausgabe des Geldes, das die Beklagte in Ausführung ihrer anwaltlichen Tätigkeit für die Klägerin erlangt hat, folgt aus § 667 BGB.
Unstreitig hat die Beklagte für die Klägerin Geld in Höhe von 150.000 € in Empfang genommen, von denen sie lediglich 126.200 € an die Klägerin weitergeleitet hat.
2. Der weitergehende Auszahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 23.800 € ist nicht erloschen. Der von Beklagtenseite geltend gemachte – und mit dem Auszahlungsanspruch der Klägerin verrechnete – Honoraranspruch in Höhe von 23.800 € ist nicht wirksam entstanden.
Denn die Vereinbarung ist aufgrund Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 3a RVG nicht formwirksam zustande gekommen.a) Der geltend gemachte Zahlungsanspruch beruht nicht auf einer Schenkung. ….
b) Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich bei dem geltend gemachten Vergütungs-anspruch auch nicht um ein Erfolgshonorar.
Gemäß der Legaldefinition des § 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO ist ein Erfolgshonorar gegeben, wenn der Vergütungsanspruch eines Rechtsanwalts oder zumindest die Anspruchshöhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird. Vor-liegend ist keine Vergütung vereinbart worden, deren Entstehen von einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 BGB) eines – je nach Einzelfall näher definierten – Erfolges der anwaltlichen Tätigkeit abhängt.
Mit der Vereinbarung zu Beginn des Mandatsverhältnisses, über eine weitere Vergütung zu sprechen, ist noch keine Vergütungsvereinbarung getroffen worden. Die nach Erfolg der Tätigkeit von der Beklagten behauptete Vergütungsvereinbarung steht nicht mehr unter der auf-schiebenden Bedingung des Erfolgseintritts.
c) Bei dem von Beklagtenseite zur Aufrechnung gestellten Anspruch handelt es sich um eine dem § 3a RVG unterfallende Vergütung. Die fernmündliche Absprache der Parteien über diese Vergütung war jedoch formunwirksam.
aa) Die Parteien haben telefonisch eine zusätzliche Vergütung zugunsten der Beklagten vereinbart. Nach der Anhörung der Parteien ist das Gericht aufgrund der insoweit übereinstimmenden Angaben davon überzeugt, dass eine fernmündliche Absprache über die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung in Höhe von 23.800 € zugunsten der Beklagten zwischen der Klägerin und dem Partner G. der Beklagten getroffen worden ist.
Während die Klägerin schriftsätzlich den Abschluss einer Vereinbarung noch bestritten hatte, hat sie bei der Anhörung erklärt:
„In dem Telefonat selbst habe ich mich dann hinsichtlich der Zusatzvergütung unter Druck gesetzt gefühlt. Die Beklagtenseite sprach von einer Größenordnung von 10 oder 15 %. Dies erschien mir sehr viel, dennoch war ich durchaus bereit, der Beklagtenseite entgegenzukommen.
[…]
Noch am selben Abend habe ich dann meine in dem Gespräch abgegebene Erklärung widerrufen.“Diese Aussage der Klägerin, ihre im Gespräch abgegebene Erklärung später widerrufen zu haben, bezog sich nach Auffassung der Kammer eindeutig auf die Vereinbarung der Zusatzvergütung, die auch nach Schilderung der Klägerin Gesprächsinhalt war.
Dies wird durch die sachliche, in sich stimmige und glaubhafte Aussage des Partners G. der Beklagten bestätigt:
„In dem Telefonat habe ich dann letztlich eine Zahlung von 20.000,00 € zuzüglich Mehrwert-steuer vorgeschlagen. Die Klägerin sagte hierzu dann: „Ja“.
Auf meine weitergehende Frage, ob man so verfahren könne, dass dieser Betrag von dem an sie auszukehrenden Fremdgeld abgezogen und insoweit verrechnet werden könne, sagte die Klägerin ebenfalls „Ja“.“bb) Diese telefonische Vereinbarung war formunwirksam, da das Erfordernis des § 3a RVG – die Textform – mit dieser nicht erfüllt ist.
Bereits dem Wortlaut und Wortsinn nach liegt eine Vergütungsvereinbarung vor, da mit dieser Vereinbarung die Beklagte für ihre erbrachte anwaltliche Tätigkeit (wenn auch zusätzlich) entlohnt, mithin vergütet werden sollte. Die Beklagte spricht selbst in der von ihr vorformulierten „Zusatzvereinbarung zur anwaltlichen Vergütung“ vom 23.02.2022 (Anlage K2), in der Textnachricht vom 31.03.2023 (Anlage K 3), der Textnachricht vom 04.04.2023 (Anlage zur Klageerwiderung Bl. zu 16 GA) und der Kostenrechnung vom 31.03.2023 (Anlage K 4) stets von einer „Vergütung“.
Die getroffene Vereinbarung stellt eine Vergütungsvereinbarung i.S.d. § 3a RVG und insbesondere keine Gebührenvereinbarung gem. § 34 RVG, für die § 3a RVG nicht gilt, dar.
Beide Begriffe lassen sich systematisch klar voneinander unterscheiden: Danach verwendet das Gesetz den Begriff „Vergütungsvereinbarung“ dann, wenn eine höhere oder eine niedrigere als die gesetzlich festgelegte Vergütung zwischen Anwalt und Mandant vereinbart werden soll. Im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG fehlt es jedoch an gesetzlich festgelegten Gebühren, so dass die von § 34 Abs. 1 Satz 1 RVG geforderte primäre Vereinbarung des Honorars zwischen Anwalt und Mandant folgerichtig als „Gebührenvereinbarung“ vom Gesetzgeber bezeichnet wird (Mayer in Gerold/Schmidt/Mayer, 26. Aufl. 2023, RVG § 34 Rn. 4, v. Seltmann in BeckOK RVG § 3a, Rn. 14, 65. Edition, Stand: 01.12.2021).Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe – die im Übrigen auch die Beklagte ausweislich ihrer Ausführungen im Schriftsatz vom 06.12.2024 unter Rz. 25 – 27 zugrundelegt – ist hier eindeutig eine Vergütungsvereinbarung gegeben, da bereits eine gesetzlich festgelegte Vergütung – nämlich die Geschäftsgebühr – entstanden ist, die die Beklagte auch erhalten hat. Die Beklagte spricht zudem selbst in ihrer Zusatzvereinbarung vom 23.02.2022 (Anlage K 2) von einer „über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Vergütung“ und hat in ihrer Nachricht vom 04.04.2023 an die Klägerin ausdrücklich dargelegt, dass die gesetzlichen Gebühren nicht aus-reichend seien. Für eine „Gebührenvereinbarung“ iSd § 34 RVG ist somit kein Raum. Es geht allein um eine Erhöhung der gesetzlichen (Geschäfts-)Gebühr mittels Vergütungsvereinbarung.
Von der Einschlägigkeit des § 3a RVG ist die Beklagte im Übrigen wohl selbst ausgegangen, denn mit Kostenrechnung vom 31.03.2023 (Anlage K 4) hat die Beklagte eine „Erfolgsunabhängige Vergütung, Vergütungsvereinbarung § 3a RVG, §§ 4, 3a RVG“ in Rechnung gestellt.Der Einwand der Beklagten, dass die Textform weder vertraglich noch gesetzlich vorgesehen ist, geht daher fehl.
Die Möglichkeit einer formfreien Vereinbarung ergibt sich auch nicht aus der von Beklagten-seite zitierten Rechtsprechung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf stellt in der zitierten Entscheidung (AGS 2006, 480) in diesem Zusammenhang lediglich fest: „Kein unzulässiges Erfolgshonorar liegt hingegen vor, wenn Rechtsanwalt und Mandant nach Erledigung des Mandats vereinbaren, dass das ursprünglich vereinbarte Honorar erhöht wird (honorarium; vgl. nur Hartung/Holl, a.a.O., § 49 b Rn. 34 m.w.N.).“ Nähere Ausführungen hierzu, insbesondere zur Frage der Formbedürftigkeit einer solchen Vereinbarung, hat das Oberlandesgericht nicht ge-macht, da dort die Vereinbarung über das Honorar vor Erledigung des Mandats erfolgte und so weitere Ausführungen hierzu nicht erforderlich waren.
Auch dem in Bezug genommenen Aufsatz von Rechtsanwältin Dr. Jessica Blattner (AnwBl. 2012, 562- 571) lässt sich eine Aussage dahingehend, dass die Vereinbarung einer zusätzlichen Vergütung nach Erledigung des Mandats ohne Einhaltung einer Form möglich wäre, nicht entnehmen.
Allein die Kommentierung des § 3a RVG in dem RVG-Kommentar Hartung/Schons/Enders durch den Beklagtenvertreter Sch. (dort § 3a Rn. 32, 3. Aufl. 2017) stellt die Behauptung auf, dass es erst recht ohne Einhaltung von irgendwelchen Formalien möglich sein müsse, mit dem Mandanten nach Abschluss des Mandats einen wie auch immer gestalteten Zuschlag oder Bonus zu vereinbaren.
Dieser Auffassung vermag sich das Gericht nicht anzuschließen. Die Vereinbarung unterfällt, wie dargelegt, § 3a RVG. Überzeugende Gründe, die es rechtfertigen würden, von der gesetz-lichen Vorgabe der Textform abzuweichen, sind nicht dargetan oder ersichtlich.
Die unterschiedliche Situation zu Beginn und nach Abschluss des Mandats vermag entgegen der Auffassung der Beklagten ein Abweichen von der Formvorschrift nicht zu begründen. Zwar ist die Situation zu Beginn eines Mandatsverhältnisses, wenn der Mandant dem Rechtsanwalt hilfesuchend, gegebenenfalls auch in Not gegenübersteht und von diesem abhängig ist, eine andere als nach Abschluss des Mandats, wenn seine Angelegenheit geregelt ist, er das Ergebnis und auch die Leistung des Rechtsanwalts kennt und von diesem nicht mehr abhängig ist. Dies macht jedoch nach Überzeugung der Kammer ein Abweichen von der gesetzlichen Regelung, die hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit keinerlei Einschränkung in Bezug auf den Zeitpunkt der Vereinbarung enthält, jedoch nicht erforderlich oder gar zulässig. Die Schutzbedürftigkeit des Mandanten mag nach Abschluss des Mandats geringer sein, sie entfällt jedoch nicht vollständig. Dabei ist zu berücksichtigten, dass nach wie vor eine Überlegenheit des Rechts-anwalts besteht. Dieser führt solche Verhandlungen über zusätzliche Vergütungen im Zweifel nicht nur in dem einen Fall, sondern häufiger, ggf. auch regelmäßig. So hat auch der Beklagtenvertreter bei der Anhörung erklärt, dass er solche Gespräche seit über 40 Jahren erfolgreich führe. Dieser vermittelte zudem den Eindruck, auch in dieser Hinsicht äußerst versiert zu sein. Zudem kann bei einer solchen Verhandlung auch ein gewisser Zwang entstehen, wenn – wie auch vorliegend – neben der Betonung der Freiwilligkeit einer solchen zusätzlichen Vergütung, zugleich auch darauf abgestellt wird, dass man sich darauf verlasse, dass der Mandant zu seinem Wort (der Bereitschaft nach erfolgreichem Abschluss über eine Zusatzvergütung zu sprechen) stehe (so in der Textnachricht vom 12.01.2022, vgl. Textnachricht vom 04.04.2023 (Anlage zur Klageerwiderung Bl. zu 16 GA)). So hat die Klägerin, die bei ihrer Arbeit mit Juristen zusammenarbeitet, sich bei diesen informiert hatte und sich selbst als nicht ganz unbedarft bezeichnete, erklärt, dass sie sich – trotz einer gewissen Bereitschaft, die gute Arbeit zusätzlich zu vergüten – gedrängt gefühlt habe.
Vor diesem Hintergrund erscheint dem Gericht der mit der Textform einhergehende Schutz-zweck, nämlich die Warnung durch (zusätzliche) textliche Abfassung, die i.R.d. ein Innehalten und zusätzliches Überdenken mit sich bringen dürfte, auch in dieser Situation durchaus angebracht. Gleiches gilt für die mit der textlichen Abfassung einhergehende Beweisfunktion.
Schließlich beinhaltet die Textform keine erheblichen Hürden, so dass diese von den Parteien einfach und schnell eingehalten werden kann. Auch aus diesem Grund sieht das Gericht ein (praktisches) Bedürfnis für ein Abweichen von dieser nicht.
Das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, dass Mandaten aus Verärgerung, dass die Beklagte nicht auf ihr Wort vertraue, sondern eine Vereinbarung in Textform fordere, sodann zur Leistung einer zusätzlichen Vergütung nicht mehr bereit wären, überzeugt das Gericht nicht. Hier dürfte im Übrigen ein Hinweis auf die gesetzliche Lage geeignet sein, Ärger zu vermeiden.
cc) Die Klägerin verstößt dadurch, dass sie sich auf die Formunwirksamkeit beruft, nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)…..“
M.E. hat das LG umfassend und zutreffend begründet, warum der Beklagten der geltend ge-machte Bonusanspruch, mit dem aufgerechnet worden war, nicht zustand. Man mag das Ver-halten der Klägerin, die sich ja mündlich mit der Bonuszahlung einverstanden erklärt hat, auch wenn sie sich vielleicht wegen des Erfolges gedrängt gefühlt hat, als unschön/unfair empfinden, andererseits hatte es aber die Beklagte in der Hand, für eine formwirksame Vereinbarung zu sorgen. Das Einhalten der Textform (§ 126b BGB) ist nun wahrlich keine Kunst. Ich kann daher nur dringend raten, darauf eben nicht nur zu achten, wenn man dem Tätigwerden mit dem Mandanten eine Vergütungsvereinbarung schließt, sondern auch, wenn nachträglich Bonuszahlungen vereinbart werden.