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KCanG/BtM II: BGH zur Neufestsetzung von Strafen, oder: Keine analoge Anwendung der Regelungen

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich heute vorstelle, handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 04.12.2024 – 6 StR 542/24.

Das LG hat den Angeklagten wegen Zwangsprostitution in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei unter Einbeziehung von Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Der BGHh beanstandet die Gesamtstrafenbildung, weil das LG die für die einbezogenen Strafen wesentlichen Zumessungserwägungen nicht mitgeteilt hat. Bei der Sachlage sei eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Gesamtstrafenbildung nicht möglich.

So weit, so gut: Interessant wird der Beschluss mit der ergänzenden Stellungnahme des BGH zu der Antragsschrift des GBA – insoweit dann KCanG:

„Entgegen der Auffassung der Revision kommt eine Neufestsetzung der Strafen aus der früheren Verurteilung, die sich auf Handeltreiben mit Cannabis beziehen, nicht in Betracht. Der Hinweis auf Art. 316p EGStGB iVm Art. 313 Abs. 3 Satz 2 EGStGB verfängt nicht. Denn Art. 313 Abs. 3 Satz 2 EGStGB erweitert den Anwendungsbereich des Art. 313 Abs. 1 EGStGB auf Fälle, in denen der Angeklagte wegen tateinheitlicher Verwirklichung (§ 52 StGB) einer Strafvorschrift verurteilt wurde, „die aufgehoben ist oder die den Sachverhalt, welcher der Verurteilung zugrunde lag, nicht mehr unter Strafe stellt oder mit Geldbuße bedroht“, und sieht als Rechtsfolge die Neufestsetzung der Strafe vor (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 155, 192; OLG Köln, Beschluss vom 12. September 2024 – 2 Ws 553/24; BeckOK-StGB/Seel, 63. Ed., Art. 313 EGStGB Rn. 9). Die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht gegeben. Denn das Handeltreiben mit Cannabis ist nach wie vor strafbar (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 4 KCanG); zudem fehlt es an einer tateinheitlichen (Vor-)Verurteilung.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist für eine analoge Anwendung des Art. 316p iVm Art. 313 Abs. 3 Satz 2 EGStGB, der verfassungsrechtlich unbedenklich ist, kein Raum. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Frage, ob und in welchem Umfang der rückwirkende Erlass nicht vollstreckter Strafen und die Tilgung entsprechender Verurteilungen in Betracht kommt, wurde im Gesetzgebungsverfahren angesichts der damit einhergehenden Belastungen der Landesjustiz ausführlich erörtert (vgl. dazu einerseits den Gesetzentwurf der Bundesregierung in BT-Drucks. 20/8704, S. 134, 155 sowie andererseits die Stellungnahme des Bundesrats BT-Drucks. 20/8704, S. 192; vgl. ferner Engel ZRP 2024, 50). Vor diesem Hintergrund ist auszuschließen, dass der Gesetzgeber den Wortlaut der Vorschriften versehentlich zu eng gefasst und weitergehende Amnestieregelungen nicht im Blick hatte.

Gegen die vom Beschwerdeführer geforderte Neubemessung rechtskräftiger Strafen im Rahmen nachträglicher Gesamtstrafenbildung sprechen schließlich auch Sinn und Zweck des § 55 StGB. Grundgedanke der Vorschrift ist, dass Täter durch die getrennte Aburteilung von Taten, bei denen die Voraussetzungen der §§ 53, 54 StGB vorliegen, weder besser noch schlechter, sondern so gestellt werden, als wären alle Taten gemeinsam abgeurteilt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Dezember 1983 – 1 StR 148/83, BGHSt 32, 190, 193; Schäfer/
Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 1228 mwN). Die von der Verteidigung begehrte Neufestsetzung der Strafen würde hingegen zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Privilegierung von Mehrfachtätern führen, bei denen eine Entscheidung nach § 55 StGB vor Inkrafttreten des KCanG nicht getroffen worden ist.“

StPO III: Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung, oder: Analoge Anwendung der Wiederaufnahme?

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Und als Letztes dann noch etwas aus dem Bereich der Strafvollstreckung, nämlich die Frage, ob die §§ 359 ff. StPO auf eine Widerrufsentscheidung nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB analog anwendbar sind. Das OLG Saarbrücken hat das im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 03.12.2024 – 1 Ws 236/24 – verneint:

„2. Es ist jedoch unbegründet, da die Strafvollstreckungskammer eine Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Widerrufsverfahrens zutreffend abgelehnt hat. Für die beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.

a) Die §§ 359 ff., 373a StPO lassen eine Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil oder Strafbefehl abgeschlossenen Strafverfahrens zu. Eine Wiederaufnahme des Widerrufsverfahrens ermöglichen die Vorschriften ihrem eindeutigen Wortlaut nach nicht.

b) Eine analoge Anwendung der eng auszulegenden Ausnahmevorschriften scheidet bereits deshalb aus, weil es an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt (so auch OLG Stuttgart, Beschlüsse vom 18. Dezember 1995 – 2 Ws 248/95 –, juris und vom 26. Januar 2001 – 2 Ws 16/2001 –, juris; OLG Zweibrücken NStZ 1997, 55; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschluss vom 6. Mai 1999 – 2 Ws 1/99 –, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Dezember 2003 – III-3 Ws 454/03 –, juris; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., Vor § 359 Rn. 5; vgl. auch OLG Celle, Beschluss vom 29. August 2012 – 2 Ws 130/12 –, juris; OLG Koblenz BeckRS 2016, 138014; a.A. OLG Oldenburg NJW 1962, 1169; OLG Düsseldorf MDR 1993, 67; Frister in: SK-StPO, 5. Aufl., Vor § 359 Rn. 22; offengelassen von BGH, Beschluss vom 14. Februar 2024 – 2 ARs 176/23 –, juris). Dass es im Interesse der materiellen Gerechtigkeit geboten sein kann, die Rechtskraft von Entscheidungen zu durchbrechen (vgl. hierzu Schmitt in: Meyer-Goßner, StPO, a.a.O., Rn. 1), hat der Gesetzgeber – wie sich aus den genannten Vorschriften ergibt – bedacht und die Regelungen der §§ 359 ff. 373 StPO ausdrücklich auf rechtskräftige Urteile und Strafbefehle beschränkt. Auch das mögliche Erfordernis der Durchbrechung der Rechtskraft von Beschlüssen ist ihm – wie sich aus den Vorschriften der §§ 174 Abs. 2, 211, 454a Abs. 2 StPO ergibt – nicht aus dem Blick geraten (so auch OLG Zweibrücken, a.a.O.). Dennoch hat er eine gesetzliche Regelung zur Ermöglichung einer Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Widerrufsverfahrens für den Fall der Wiederaufnahme des dem Widerruf zugrundeliegenden Strafverfahrens trotz der naheliegenden Problematik nicht getroffen, und zwar auch nicht nachträglich, nachdem in der Rechtsprechung eine analoge Anwendung der §§ 359 ff. StPO abgelehnt worden war (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart, a.a.O.; Hanseatisches OLG, a.a.O.). Diese Entscheidung des Gesetzgebers, dem allein es innerhalb der Grenzen des Willkürverbotes obliegt, das Spannungsverhältnis zwischen der mit der Rechtskraft einhergehenden Rechtssicherheit und dem Gebot materieller Gerechtigkeit in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (vgl. BverfGE 35, 41; Hanseatisches OLG, a.a.O.), ist hinzunehmen.

c) Eine analoge Anwendung der §§ 359 ff. StPO scheidet im Übrigen auch deshalb aus, weil der Fall einer rechtskräftigen, mit der tatsächlichen Sachlage nicht übereinstimmenden strafrechtlichen Verurteilung und der eines rechtskräftigen Widerrufs nicht gleich schwer wiegen und daher keine vergleichbare Sachlage vorliegt. Während es für eine Strafvollstreckung in erstgenanntem Fall aus nachträglich bekanntgewordenen Gründen bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung an einer tragfähigen Grundlage beruhte, ist Grundlage der Strafvollstreckung gegen den von der Widerrufsentscheidung betroffenen Verurteilten weiterhin seine nicht in Frage stehende rechtskräftige Ausgangsverurteilung (vgl. hierzu auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. Januar 2001 – 2 Ws 16/2001 –, juris).

d) Zu einer unbilligen Härte führt das gewonnene Ergebnis im konkreten Fall nicht. Abgesehen davon, dass es dem Verurteilten unbenommen gewesen wäre, den am 24. Mai 2024 erlassenen Widerrufsbeschluss fristgerecht anzufechten und die bereits am 28. August 2024 erfolgte Wiederaufnahme des Verfahrens im erst durch die Senatsentscheidung vom 7. Oktober 2024 abgeschlossenen Beschwerdeverfahren geltend zu machen, ist derzeit offen, ob die Staatsanwaltschaft die Vollstreckung trotz der erfolgten Wiederaufnahme des dem Widerrufsbeschluss zugrundeliegenden Strafverfahrens vor Abschluss des Wiederaufnahmeverfahrens, in dem Hauptverhandlungstermin bereits für den 9. Januar 2025 bestimmt ist, weiterbetreiben wird. Sollte dies der Fall sein, bliebe dem Verurteilen die Möglichkeit, gegenüber der Vollstreckungsbehörde (vgl. hierzu Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 458 Rn. 7 m.w.N.) Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Strafvollstreckung zu erheben (vgl. hierzu auch Graalmann-Scheerer in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 458 Rn. 6; Appl in: Engländer/Zimmermann in: MüKo-StPO, 2. Aufl., § 359 Rn. 32; KK-StPO, 9. Aufl., § 359 Rn. 14a). Letztlich steht dem Verurteilten auch der Gnadenweg weiter offen, da ein bereits gestellter Gnadenantrag des Verurteilten lediglich unter Hinweis auf die zum Zeitpunkt der (vorläufigen) Gnadenentscheidung noch nicht ausgeschöpften weiteren Rechtsmittelmöglichkeiten zurückgewiesen wurde.

Teilnahme des Verteidigers am Anhörungstermin, oder: OLG sagt: Doch Vernehmungsterminsgebühr

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Und heute dann Gebührenrecht.

Und ich beginne mit einem OLG Brandenburg-Beschluss. Dabei handelt es sich um die Rechtsmittelentscheidung zu dem LG Potsdam, Beschl. v. 12.08.2024 – 25 KLs 5/23, über den ich im September 2024 berichtet habe (vgl. hier: Teilnahme des Verteidigers am Anhörungstermin, oder: Keine Vernehmungsterminsgebühr).

Es ging um die Frage, ob die Teilnahme des Verteidigers an einem Anhörungstermin zur vorübergehende Unterbringung zur Vorbereitung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 81 StPO mit eine Vernehmungsterminsgebühr gemäß Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG honoriert wird. Das LG Potsdam hatte das verneint. Das OLG Brandenburg hat das jetzt im OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.01.2025 – 1 Ws 136/24 (S)  – auf das Rechtsmittel des Verteidigers anders gesehen und die Gebühr festgesetzt:

„Die Teilnahme an einem Anhörungstermin zur Erörterung der ob wiederholten Nichterscheinens zur gerichtlich angeordneten Exploration bei dem Sachverständigen erwogenen vorübergehenden Unterbringung zur Vorbereitung des Gutachtens gemäß 81 StPO unterfällt dem Tatbestand von Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG.
Grundsätzlich werden Termine außerhalb der Hauptverhandlung nicht zusätzlich vergütet, sondern sind vielmehr durch die jeweilige Verfahrensgebühr mit abgegolten, die sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt umfasst (vgl. hierzu und dem Folgenden: OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. August 2011, Az.: 1 Ws 89/11).
Den gebührenrechtlichen Regelungen in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses sind nur zwei Ausnahmetatbestände zu entnehmen; namentlich die hier in Rede stehende Nr. 4102 VV RVG und Nr. 4141 VV RVG. Mit diesen Regelungen sollte im Verhältnis zur früher geltenden BRAGO die anwaltliche Tätigkeit, insbesondere die des Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren, grundsätzlich besser honoriert werden, und der Verteidiger zur Mitwirkung durch Teilnahme an derartigen Terminen animiert werden, da sich der Gesetzgeber hiervon eine verfahrensabkürzende Wirkung versprach (vgl hierzu BT-Drucksache 15/1971, S. 222; Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV, Rn. 2).
Aus dieser gesetzgeberischen Intention folgt auch die (weitere) Voraussetzung für die Auslösung des Gebührentatbestandes Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG, namentlich das Verhandeln, was hier unstreitig auch seitens des Landgerichts in seinem angefochtenen Beschluss für das Verhalten des Verteidigers am 29. August 2023 positiv festgestellt wurde. Dabei sieht Nr. 4102 in Satz 1 Nr. 3 VV RVG ihrem Wortlaut nach die zusätzliche Vergütung bei außerhalb der Hauptverhandlung stattfindenden Verhandlungen „über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung“ vor. Dass hier der Wortlaut der amtlichen Überschrift des § 126a StPO durch den Gesetzgeber gewählt wurde, wurde auch durch das Landgericht als Begründung dafür herangezogen, dass nur die einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG unterfällt, nicht aber die Unterbringung nach § 81 StPO. Indes ist Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG keine Bezugnahme auf die Paragraphen der 112 ff. und 126a StPO zu entnehmen. Und auch wenn in der Literatur dies teils derart in Bezug genommen wird (vgl. Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV RVG, Rn. 6: „Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft (§§ 115, 118 StPO) oder der einstweiligen Unterbringung (§ 126 i.V.m. §§ 115, 118 StPO)“; textliche Hervorhebung dient der Verdeutlichung), so findet die Unterbringung über die Wiedergabe des Gesetzestextes hinaus in großen Teilen der Kommentarliteratur zu Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG keine Erwähnung (vgl. Bischof/ Jungbauer/ Bräuer/ Hellstab/ Klipstein/ Klüsener/ Kerber, RVG Kommentar, 9. Auflage, Nr. 4100 – 4103 W, Rn. 78; Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 25 Auflage, VV 4102, 4103, Rn. 12), ohne dass dortseits die Anwendung auf eine (einstweilige) Unterbringung in Abrede gestellt werden dürfte. Die Überschriften, denen Ausführungen zu Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG in der Kommentarliteratur nachfolgen, sprechen von „Termine(n) in Untersuchungshaft – und Unterbringungssachen“ (Ahlmann/ Kapischke/ Pankatz/ Rech/ Schneider/ Schütz, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 11. Auflage 2024, Rn. 12), von „(Haftprüfungs)Termin(en) außerhalb der Hauptverhandlung“ (Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV, Rn. 6) oder „Teilnahme an Haftprüfungsterminen“ (Gerold/ Schmidt, RVG Kommentar, 25 Auflage, VV 4102, 4103, Rn. 12) und halten damit den exakten Terminus unter Verwendung der Begrifflichkeiten „Untersuchungshaft“ und „einstweilige Unterbringung“ nicht ein. Vielmehr erfolgt danach zusammenfassend eine Unterteilung in „Haft“ und „Unterbringung“. Zudem gilt mit einem Selbstverständnis die Verhandlung zu § 230 StPO außerhalb der Hauptverhandlung als von der Regelung Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG umfasst (LG Berlin, Beschluss vom 08. November 2010, Az. 524 – 58/09; Gerold/ Schmidt, RVG Kommentar, 25. Auflage, VV 4102, 4103, Rn. 13; Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV, Rn. 32). Folgt man der landgerichtlichen Annahme, dass der Gesetzeswortlaut eng begrenzt nur die exakt dem Wortlaut entsprechenden freiheitsentziehenden Maßnahmen der StPO inkludiert, wäre die praktizierte (direkte) Anwendung der Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG auf Verhandlungen zu § 230 StPO contra legem, da es sich bei § 230 StPO um keine Untersuchungshaft handelt, sondern vielmehr um eine Haft zur Verfahrenssicherung, die auch nicht den Anforderungen des § 112 StPO unterliegt. Ferner führt die unstreitige Anwendung auf Verhandlungen zu § 230 StPO außerhalb der Hauptverhandlung dazu, dass der – aus Sicht des Senats ob der Definition von „einstweilig“ als „vorläufig, vorübergehend“ ohnehin kritisch zu bewertenden Annahme -, dass nur die einstweilige – und damit „grundsätzlich bis auf Weiteres angeordnete“ Unterbringung nach § 126a StPO von Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG umfasst sei, hingegen nicht die – maximal sechswöchige – Unterbringung zur Vorbereitung der Begutachtung nach § 81 StPO, der Boden entzogen wird. Denn die Hauptverhandlung ist im Falle der Vollstreckung des Haftbefehls nach § 230 StPO in angemessener Frist durchzuführen, die sich im zeitlichen Rahmen der Dauer der Unterbringung nach § 81 StPO bewegt, wohingegen die zeitliche Parallele von § 126a StPO zu §§ 112 ff. StPO zu ziehen sein dürfte. Unter besonderem Augenmerk auf die eingangs benannte Intention des Gesetzgebers, den Verteidiger zu einer verfahrensabkürzenden Mitwirkung zu animieren, dürfte diese – wie der vorliegende Fall zudem deutlich macht – auch im Anwendungsbereich des § 81 StPO erfüllen, da der Verteidiger durch seine Verhandlung im Anhörungstermin am 29. August 2023 die Unterbringung nach § 81 StPO ob der erwirkten Mitwirkung des Verurteilten zur Exploration obsolet werden ließ.
Die ebenfalls durch das Landgericht argumentativ herangezogene – nicht unstreitige – Tatsache, dass der zu Begutachtende anders als bei § 126a StPO i.R.v. § 81 StPO nicht anzuhören sei, führt zu keiner anderen gebührenrechtlichen Wertung, da es nicht auf die entfaltete Tätigkeit des Probanden für die Entstehung des Vergütungstatbestandes ankommt, sondern auf die des Verteidigers, der im Übrigen auch bei § 81 StPO zwingend anzuhören ist.

2. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die landgerichtlichen Ausführungen zur fehlenden Analogiefähigkeit von Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG uneingeschränkt geteilt werden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des hiesigen Oberlandesgerichts (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12. Januar 2023, Az. 2 Ws 156/22).“

Mich überzeugt das nicht. Verteidiger wird die Entscheidung allerdings freuen und sie werden ihrem Kollegen dankbar sein, dass er die Frage der Anwendbarkeit der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG auf den hier stattgefundenen Anhörungstermin bis zum OLG getragen hat, obwohl in der Praxis sicherlich nicht häufig solche Anhörungstermine stattfinden werden. Mich lässt die Entscheidung bzw. die Begründung der Auffassung des OLG allerdings ein wenig ratlos zurück. Ich verstehe nämlich nicht so richtig, was das OLG hier macht: Ist es eine erweiternde Auslegung oder ist es doch eine Analogie, die das LG ja ausdrücklich abgelehnt hatte, was vom OLG ebenso ausdrücklich gebilligt wird. Dann also eine „versteckte Analogie“, versteckt nämlich unter dem Deckmantel der Auslegung? Die überzeugt mich aber auch nicht, denn der Wortlaut, dem die OLG sonst gern erhebliche Bedeutung beimessen, spricht nun mal eindeutig von „einstweiliger Unterbringung“. Hier soll also der Wortlaut dann keine Bedeutung haben? Nun ja, nehmen wir es hin. Es gibt Schlimmeres.

KCanG III: Neufestsetzung der Strafe nach dem KCanG, oder: Mildere Strafe ==> Nachträgliche Strafmilderung?

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Und dann noch der OLG Hamm, Beschl. v. 20.08.2024 – 5 Ws 230/24. Gestritten wird um eine Neufestsetzung von Einzel- und Gesamtstrafen. Das hatte die Strafkammer Recht abgelehnt. Das OLG sagt: Zu Recht.

„Die Strafkammer hat eine Neufestsetzung der im Urteil des Landgerichts Hagen vom 22. November 2021 festgesetzten Einzel- und Gesamtstrafen zu Recht abgelehnt.

Der Anwendungsbereich des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB ist nicht eröffnet. Die mit der Einführung des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) zum 1. April 2024 geschaffene Regelung des Art. 316p EGStGB sieht eine Verweisung auf Art. 313 EGStGB ausdrücklich nur für solche Fälle vor, die nach dem neuem Recht des KCanG weder strafbar noch mit Bußgeld bedroht sind. Das abgeurteilte Verhalten des Angeklagten ist dagegen auch nach der Einführung des KCanG noch strafbar (§ 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 KCanG). Allein der Umstand, dass das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge nach der neuen Gesetzeslage im Vergleich zu der in dem Urteil des Landgerichts Hagen noch zur Anwendung gelangten Strafvorschrift (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) mit einer geringeren Strafe bedroht ist, führt nicht zu einer nachträglichen Strafmilderung (vgl. BGH, Urt. v. 23. Mai 2024 – 5 StR 68/24 -, BeckRS 2024, 13152; OLG Jena, Beschl. v. 25. Juni 2024 – 1 Ws 204/24 -, BeckRS 2024, 16416; OLG Brandenburg Beschl. v. 21. Mai 2024 – 2 Ws 54/24 -, BeckRS 2024, 12707; LG Karlsruhe, Beschl. v. 15. Mai 2024 – 20 StVK 228/24 -, BeckRS 2024, 10817; AG Köln, Beschl. v. 16. Mai 2024 – 583 Ds 135/22 -, BeckRS 2024, 12051).

Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB liegen nicht vor. Da es sich bei den genannten Normen um Ausnahmevorschriften handelt, ist bei der Annahme einer Analogie grundsätzlich Zurückhaltung geboten, zumal diese die Abänderung rechtskräftiger Entscheidungen ermöglichen. Gemessen daran vermag der Senat eine für den Analogieschluss erforderliche planwidrige Regelunglücke weder dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, noch dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 155) zu entnehmen (so im Ergebnis auch LG Karlsruhe a.a.O.; a.A. BeckOK StGB/Seel, 62. Ed., Art. 316p EGStGB, Rn. 2). Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Einführung des KCanG keine eigenständige Amnestieregelung schaffen wollen, sondern mit dem Verweis in Art. 316p EGStGB die bereits 1974 in Kraft getretenen Regelungen des Art. 313 EGStGB zur Anwendung gebracht. Hierzu war bereits höchstrichterlich anerkannt, dass diese Regelungen keine Fälle erfassen, in denen die Strafandrohung durch das neue Gesetz lediglich gemildert wird (BGH, Urt. v. 16. August 1977 – 1 StR 390/77 -, BeckRS 1977, 233). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber bei der Einführung des KCanG diesbezüglich von der bestehenden Rechtslage abweichen wollte. Aus einer allgemein geänderten Risikobewertung des Gesetzgebers in Bezug auf den Umgang mit Cannabis (vgl. BeckOK StGB/Seel a.a.O.) lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten.“

KCanG II: Neufestsetzung der Strafe nach dem KCanG, oder: Geringere Strafe, Urteilsfeststellungen, JGG

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Und im zweiten Posting dann drei OLG-Emtscheidungen zur Neufestsetzung der Strafe. Das ist der Bereich, in dem derzeit bei den OLG „die Musik spielt“. Ich stelle aber auch hier nur die Leitsätze vor, und zwar:

1. Allein der Umstand, dass das Handeltreiben mit Marihuana in nicht geringer Menge nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Nr. 4 KCanG im Vergleich zu § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit einer geringeren Strafe bedroht ist, führt nicht zu einer nachträglichen Strafmilderung nach Art. 316p, 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB.

2. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des Art. 313 Abs. 3 und Abs. 4 EGStGB liegen nicht vor.

1. Für die Entscheidung nach Art. 316p i.V.m. Art. 313 Abs. 5 EGStGB über einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der auf die Neufestsetzung von Strafen abzielt, besteht nicht eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, sondern des Gerichts des ersten Rechtszugs.

2. Art. 313 Abs. 3 EGStGB regelt – schon mit Blick auf den ausdrücklichen Verweis auf § 73 StGB a.F., der Vorgängernorm des § 52 StGB, den der Gesetzgeber des Art. 316p EGStGB erklärtermaßen im Blick hatte (vgl. BT-Drs. 20/8704, S. 155) – Fälle der tateinheitlichen Verwirklichung mehrerer Tatbestände, wobei der einen dieser Tatbestände ausfüllende Sachverhalt als solcher nach neuer Rechtslage nicht mehr gesondert sanktionsbedroht ist.

1. Die Feststellung, ob eine Tat im Sinne des Art. 313 Abs. 1 Satz 1 EGStGB nicht mehr strafbar ist, ist allein anhand der Urteilsfeststellungen zu treffen.

2. Steht nach den Urteilsfeststellungen die fehlende Strafbarkeit einer einer Einheitsjugendstrafe zugrundeliegenden Tat nach neuem Recht nicht fest, ist eine Neufestsetzung der Einheitsjugendstrafe nach Art. 313 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Art. 313 Abs. 4 Satz 1 EGStGB, § 66 JGG nicht veranlasst.