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OWi III: Widerruf der Rechtsmittelrücknahme der StA, oder: Gleiches Recht für alle

Und als letzte Entscheidung dann noch etwas zum Rechtsmittelverzicht. Es geht in dem OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.07.2025 – 1 ORbs 2 SsBs 13/25 – zwar um den Verzicht auf die Rechtsbeschwerde durch die Staatsanwaltschaft, die Ausführungen des OLG können aber auch für den Betroffenen Bedeutung erlangen und sie können auch auf andere Rechtsmittel angewendet werden.

Folgender Sachverhalt: Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt. Nachdem das AG die Akte mit dem Hauptverhandlungsprotokoll an die Staatsanwaltschaft versandt hatte, wo sie am 16.01.2025 einging, hat die Staatsanwaltschaft gemäß Verfügung vom 20.01.2025 Rechtsbeschwerde eingelegt, welche am 22.01.2025 beim AG einging. Das vollständige Urteil ging der Staatsanwaltschaft am 29.01.2025 zu. Nach Rücklauf der am 06.02.2025 wieder beim AG eingegangenen Akte enthielt diese die Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 30.01.2025, wonach auf Rechtsmittel verzichtet werde. In der Folge nahm sodann der zuständige Amtsrichter am 13.02.2025 fernmündlich Kontakt mit der zuständigen Sachbearbeiterin bei der Staatsanwaltschaft auf. Hierbei wurde von dieser mitgeteilt, dass es sich bei der Verfügung vom 30.01.2025 nicht um eine förmliche Rechtsmittelrücknahme handele und die Akte vielmehr „durchgegangen“ sei, da auf dem Aktendeckel die Einlegung der Rechtsbeschwerde nicht vermerkt gewesen sei. Keinesfalls habe die Rechtsbeschwerde durch den Standardzusatz „Ich verzichte auf Rechtsmittel.“ zurückgenommen werden sollen.

In der durch den Senat bei der Staatsanwaltschaft eingeholten dienstlichen Stellungnahme wurde die inhaltliche Richtigkeit des Vermerks des Amtsrichters bestätigt und zusätzlich ausgeführt:

„Das Verfahren 5888 Js 35958/24 war zum damaligen Zeitpunkt in Vertretung (das Dezernat 5888 Js war durch Pensionierung des Dezernenten seit Sommer 2024 vakant) mit bearbeitet worden. Im Zuge des erhöhten Aktenaufkommens ist diese Akte tatsächlich fehlerhaft bearbeitet und bei Eingang des Urteils die Standard-Rücksendung „mit Rechtsmittelverzicht“ im Text RP ausgewählt worden, statt die Anfertigung der jetzt erforderlichen Rechtsmittelbegründung durchzuführen. Eine Rücknahme des Rechtsmittels war nicht angedacht und hätte zudem der Rücksprache und Zustimmung der Abteilungsleitung bedurft. Nach dem Telefonanruf und Rücksendung der Akte wurde sodann das eingelegte Rechtsmittel begründet.“

Das OLG hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig angesehen:

„Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist unzulässig, da sie aufgrund des durch die Staatsanwaltschaft schriftlich erklärten Rechtsmittelverzichts wirksam zurückgenommen wurde (§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 1 StPO).

Der Inhalt der Erklärung in der Verfügung vom 30.01.2025 ist als Verzicht auf das Rechtsmittel unmissverständlich. Zwar bezieht sich nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut von § 302 Abs. 1 S. 1 StPO die Zurücknahme auf ein bereits eingelegtes Rechtsmittel, wohingegen es sich bei dem Verzicht um die verbindliche Erklärung handelt, ein Rechtsmittel nicht einlegen zu wollen. Gleichwohl schließt § 302 Abs. 1 StPO nicht aus, dass der Verzicht auf ein Rechtsmittel nach seiner vorherigen Einlegung geschieht. Der Verzicht beinhaltet somit als umfassenderer Begriff auch die Rücknahme eines bereits eingelegten Rechtsmittels, enthält also dessen Rücknahme und schließt die erneute Rechtsmitteleinlegung aus (vgl. Jesse in: LR-StPO, 26. Auflage, § 302 StPO, Rn. 3, 28, juris; BGH, Beschluss vom 01.07.1980 – 4 StR 347/80, zitiert nach Pfeiffer, in: NStZ 1982, S. 188 ff. (190), beck-online; Frisch in: SK-StPO, 6. Auflage, § 302 StPO, Rn. 2, Wolters Kluwer Online; s.a. Paul in: KK-StPO, 9. Auflage, § 302 StPO, Rn. 1, beck-online).

Ebenso bestehen keine Zweifel an der Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts. Zwar ist im Hinblick auf den – von der Staatsanwaltschaft als inhaltlich zutreffend bestätigten – Telefonvermerk des Amtsrichters davon auszugehen, dass die zuständige Sachbearbeiterin der Staatsanwaltschaft den Rechtsmittelverzicht irrtumsbedingt abgegeben hat. Dieser Irrtum ist jedoch unbeachtlich und weder dem Gericht noch dem Betroffenen zuzurechnen.

Der wirksame Verzicht auf die Einlegung bzw. die Rücknahme eines Rechtsmittels kann als prozessuale Willenserklärung im Grundsatz auch dann nicht mehr widerrufen, wegen Irrtums angefochten oder sonst zurückgenommen werden, wenn der Betroffene – gleiches gilt für die Staatsanwaltschaft – ihn infolge eines Irrtums über seine Tragweite ausgesprochen haben sollte. Ein (Motiv-)Irrtum ist somit ohne Einfluss auf die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts bzw. dessen Rücknahme (vgl. BGH, Beschluss vom 21.06.1967 – 2 StR 290/67, in: GA 1969, S. 281; BGH, Beschluss vom 15.10.1981 – 1 StR 646/81, BeckRS 1981, 108353, Rn. 1; BGH, Beschluss vom 25.09.1990 – 4 StR 204/90, juris, Rn. 5 ff.; BGH, Beschluss vom 31.05.2005 – 1 StR 158/05, juris, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 29.11.1983 – 4 StR 681/83, juris, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 28.07.2004 – 2 StR 199/04, juris, Rn. 5 BGH, Beschluss vom 18.09.1996 – 3 StR 373/96, in: NStZ 1997, S. 148, beck-online; BGH, Beschluss vom 08.10.2015 – 2 StR 103/15, juris, Rn. 7; BGH, Beschluss vom 01.09.1988 – 4 StR 394/88, juris, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 10.11.2015 – 1 StR 520/15, juris, Rn. 3; BGH, Urteil vom 21.04.1999 – 5 StR 714/98, juris, Rn. 37; OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.1979 – 6 Ss OWi 2049/79, juris, Rn. 17).

Umstände, die der Wirksamkeit des Verzichts ausnahmsweise entgegenstehen könnten oder ein Festhalten an diesem als grob unbillig erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Weder bestehen Zweifel an der prozessualen Handlungsfähigkeit noch sind Umstände gegeben, aufgrund derer der Irrtum ausnahmsweise beachtlich sein könnte, wie beispielsweise bei einem aufgrund Täuschung hervorgerufenen Irrtums, einer unrichtigen Belehrung durch das Gericht, unzulässiger Willensbeeinflussung oder schwerwiegender Willensmängel (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24.08.2016 – 1 StR 301/16, juris, Rn. 9 ff.; BGH, Beschluss vom 24.07.2019 – 3 StR 214/19, juris, Rn. 23 ff.; BGH, Beschluss vom 29.11.1983 – 4 StR 681/83, juris, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 15.10.1981 – 1 StR 646/81, BeckRS 1981, 108353, Rn. 1; BGH, Beschluss vom 25.04.2001 – 5 StR 53/01, juris, Rn. 5; BGH, Urteil vom 21.04.1999 – 5 StR 714/98, juris, Rn. 37; BGH, Beschluss vom 05.12.2001 – 1 StR 482/01, juris, Rn. 3; BGH, Beschluss vom 22.08.2012 – 1 StR 170/12, juris, Rn. 13 f.; BGH, Beschluss vom 08.10.2015 – 2 StR 103/15, juris, Rn. 7; OLG Hamm, Beschluss vom 29.08.1979 – 6 Ss OWi 2049/79, juris, Rn. 17; KG, Beschluss vom 20.01.1999 – 1 AR 1551/984 Ws 303/98, juris, Rn. 3; OLG Hamm, Beschluss vom 07.02.1977 – 4 Ws 427/76, juris, Rn. 2; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.07.1981 – 2 Ws 334/81, in: NStZ 1982, S. 521, beck-online; OLG Frankfurt, Beschluss vom 05.05.1993 – 3 Ws 253/93, in: NStZ 1993, S. 507, beck-online).

Auch der Umstand, dass die Rücknahme des Rechtsmittels innerhalb der Staatsanwaltschaft der Rücksprache und Zustimmung der Abteilungsleitung bedurft hätte, steht der Wirksamkeit der Rücknahme nicht entgegen.

Der Rechtsmittelverzicht führt zum Verlust des Rechtsmittels.“

Rücknahme oder Widerruf einer Fahrlehrerlaubnis, oder: Wie berechnet sich der Gegenstandswert?

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Und im zweiten Posting dann der VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 24.09.2024 – 9 S 960/24. Es geht um den Gegenstandswert in einem Hauptsacheverfahren, in dem um die Erteilung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Fahrlehrerlaubnis gestritten worden ist. Der VGH sagt: Das geht nach dem (Netto-)Gewinn und der Gegenstandswert beträgt mindestens 15.000,– EUR:

„Gemäß § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Maßgebend ist dabei der Wert, den die Sache bei objektiver Beurteilung für den Antragsteller hat, nicht die Bedeutung, die er ihr subjektiv beimisst. Wertbestimmend ist demnach das wirtschaftliche „Angreiferinteresse“, das sich unmittelbar dem Antrag oder dem antragsbegründenden Vorbringen entnehmen lassen muss (vgl. BVerwG, Beschluss vom 07.09.2016 – 5 KSt 6.16 u.a. -, juris Rn. 2). Mit § 52 Abs. 1 GKG ist dem Gericht die Möglichkeit eingeräumt, den Wert des Streitgegenstands zu schätzen und sich dabei einer Schematisierung und Typisierung zu bedienen. Dementsprechend orientiert sich der Senat grundsätzlich an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18.07.2013 beschlossenen Änderung (im Folgenden: Streitwertkatalog), der die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und die Streitwertpraxis der Verwaltungsgerichtshöfe und Oberverwaltungsgerichte zusammenfasst (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 29.05.2024 – 6 S 1860/23 -, juris Rn. 7). Als Handreichung für eine möglichst einheitliche Wertfestsetzung in der gerichtlichen Praxis enthält der Streitwertkatalog zwar lediglich Empfehlungen. Angesichts der Tatsache, dass den Empfehlungen des Streitwertkatalogs eine Gesamtschau der bundesweiten Verwaltungsrechtsprechung zugrunde liegt, kommt ihnen jedoch zur Gewährleistung einer weitestmöglichen Gleichbehandlung besonderes Gewicht zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.09.2015 – 9 KSt 2.15 -, juris Rn. 4; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 27.04.2021 – 2 S 379/21 -, juris Rn. 8). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist gemäß § 52 Abs. 2 GKG ein Streitwert von 5.000,- EUR anzunehmen (sog. Auffangstreitwert).

Ausgehend davon bietet der Sach- und Streitstand ausreichende Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts, so dass ein Rückgriff auf den Auffangstreitwert nicht erforderlich ist. Der Streitwert in einem Hauptsacheverfahren, in dem um die Erteilung, die Rücknahme oder den Widerruf einer Fahrlehrerlaubnis gestritten wird, richtet sich grundsätzlich nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten (Netto-)Gewinns. Mindestens beträgt er aber 15.000,- EUR (aus der Vielzahl nicht veröffentlichter Entscheidungen des Senats: Senatsbeschluss vom 15.02.2021 – 9 S 78/21 – n.v.; ebenso Nds. OVG, Beschlüsse vom 12.03.2020 – 12 OA 31/20 -, juris Rn. 3, und vom 14.10.2016 – 7 ME 99/16 -, juris, Tenor und Rn. 11; nach Auffassung des OVG NRW bemisst sich das wirtschaftliche Interesse an Verfahren, in denen um eine Fahrlehrerlaubnis gestritten wird, stets nur nach dem aus der Fahrlehrertätigkeit zu erzielenden jährlichen Mindestnettogewinn in Höhe von 15.000,- EUR, vgl. Beschlüsse vom 17.11.2020 – 16 E 766/20 -, juris Rn. 5, vom 23.10.2014 – 16 E 1052/14 -, juris Rn. 5, und vom 26.06.2003 – 8 A 713/02 -, juris Rn. 17, vgl. auch OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 09.01.2012 – 6 B 11340/11 -, juris, Tenor und Rn. 20 <7.500,- EUR im Eilverfahren>). Dabei orientiert sich der Senat daran, dass der Streitwertkatalog, wenn es – wie beim Streit um eine Fahrlehrerlaubnis – um den Zugang zu einem Beruf geht (vgl. § 1 Satz 1 FahrlG; hierauf hinweisend Nds. OVG, Beschluss vom 12.03.2020 – 12 OA 31/20 -, juris Rn. 4), überwiegend eine Streitwertbemessung nach dem Jahresbetrag des erzielten oder erwarteten Gewinns, mindestens 15.000,- EUR, vorschlägt (vgl. Nrn. 14.1 „Berufsberechtigung, Eintragung, Löschung“, 36.2 „den Berufszugang eröffnende abschließende [Staats-] Prüfung, abschließende ärztliche oder pharmazeutische Prüfung“, 36.3 „sonstige berufseröffnende Prüfungen“, 54.1 „Gewerbeerlaubnis, Gaststättenkonzession“, 54.2.1 „Gewerbeuntersagung“ „ausgeübtes Gewerbe“ [zur Vergleichbarkeit des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis mit der Untersagung eines ausgeübten Gewerbes: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 21.10.2003 – 9 S 2037/03 -, juris Rn. 21] und 54.3.1 „Eintragung/Löschung in der Handwerksrolle“). Etwas anderes gilt, wenn lediglich der Umfang einer Fahrlehrerlaubnis (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 FahrlG) streitgegenständlich ist, es mithin nicht um den Zugang zum Beruf des Fahrlehrers geht.

Der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, wonach für den Widerruf der Fahrlehrerlaubnis analog Nr. 54.3.3 des Streitwertkatalogs betreffend die Gesellenprüfung 7.500,- EUR (und erst für den Widerruf der Fahrschulerlaubnis analog Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs betreffend die Gewerbeuntersagung 15.000,- EUR) anzusetzen seien (vgl. Beschlüsse vom 14.02.2022 – 11 CS 21.2961 -, juris Rn. 18, vom 19.10.2021 – 11 CS 21.1967 -, juris Rn. 27, und vom 16.03.2012 – 11 C 12.360 -, juris Rn. 9 f.), wird nicht gefolgt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof begründet seine Auffassung damit, dass die Fahrlehrerlaubnis nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 FahrlG unter anderem dann erteilt werde, wenn der Bewerber mindestens eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem anerkannten Lehrberuf oder eine gleichwertige Vorbildung besitze. Da ein Fahrlehrer nach dem Widerruf seiner Fahrlehrerlaubnis wegen seiner bereits abgeschlossenen Berufsausbildung seinem anerkannten Lehrberuf nachgehen könne, sei er insoweit mit einem unselbständigen Handwerker vergleichbar, der trotz des Nichtbestehens der Gesellenprüfung weiter seine Handwerkstätigkeit unselbständig ausüben dürfe (vgl. BayVGH, Beschluss vom 16.03.2012 – 11 C 12.360 -, juris Rn. 10). Diese Argumentation verfängt schon deshalb nicht, weil die Tätigkeit, der ein Fahrlehrer nach dem Widerruf seiner Fahrlehrerlaubnis aufgrund seiner Vorbildung nachgehen kann, – anders als beim unselbständigen Handwerker, der die Gesellenprüfung nicht bestanden hat – kein wesensähnliches Weniger im Verhältnis zum Beruf des Fahrlehrers ist, sondern einem anderen Beruf zugeordnet werden muss (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 12.03.2020 – 12 OA 31/20 -, juris Rn. 5). Außerdem ist kein überzeugender Grund ersichtlich, in Abweichung der dargestellten regelmäßigen Streitwertbemessung das wirtschaftliche Interesse an Verfahren, in denen um eine Fahrlehrerlaubnis gestritten wird, dem wirtschaftlichen Interesse an Verfahren, in denen um eine Gesellenprüfung gestritten wird, gleichzusetzen. Soweit der Senat hinsichtlich der Streitwertbemessung im Fall des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis vereinzelt dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gefolgt ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22.08.2023 – 9 S 936/23 – n.v.), hält er daran nicht fest.

Vor dem Hintergrund des Ausgeführten war vorliegend hinsichtlich des Widerrufs der Fahrlehrerlaubnis von einem Streitwert von 15.000,- EUR auszugehen. Dieser sich für das Hauptsacheverfahren ergebende Betrag war wegen der Vorläufigkeit der im Eilverfahren ergehenden Entscheidungen nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs zu halbieren (15.000,- EUR/2 = 7.500,- EUR).

Die Verpflichtung zur Rückgabe des Fahrlehrerscheins nach § 14 Abs. 4 FahrlG in Ziffer 3 der Entscheidung der Antragsgegnerin vom 05.02.2024 wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus (hinsichtlich § 47 Abs. 1 FeV etwa VG Braunschweig, Beschluss vom 16.06.2022 – 6 B 164/22 -, juris Rn. 51; VG Aachen, Beschlüsse vom 05.04.2018 – 3 L 392/18 -, juris Rn. 55 und vom 26.02.2018 – 3 L 1545/17 -, juris Rn. 68). Auch die Androhung unmittelbaren Zwanges in Ziffer 5 der Entscheidung vom 05.02.2024 bleibt bei der Streitwertbemessung analog Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs außer Betracht (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 25.08.2022 – 1 S 3575/21 -, juris Rn. 70, Beschluss vom 12.01.2005 – 6 S 1287/04 -, juris Rn. 27).

Streitwerterhöhend wirkt sich nach § 39 Abs. 1 GKG, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs hingegen aus, dass der Antragsteller ebenfalls beantragt hat, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die Kostenfestsetzung in Ziffer 6 der Entscheidung vom 05.02.2024 anzuordnen. Die Antragsgegnerin hat dort Verwaltungsgebühren in Höhe von 200,- EUR und Auslagen für die Zustellung der Entscheidung in Höhe von 3,45 EUR als Kosten festgesetzt. Hiervon ist nach Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs ein Viertel zum Streitwert hinzuzuaddieren (203,45 EUR/4 = 50,86 EUR). Die Kostenfestsetzung bleibt nicht nach § 43 Abs. 1 GKG bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt (entgegen Nds. OVG, Beschluss vom 12.03.2020 – 12 OA 31/20 -, juris Rn. 6). Kosten im Sinne des § 43 Abs. 1 GKG sind einerseits Aufwendungen, die zur Feststellung, Sicherung, Durchsetzung oder Abwehr des Anspruchs erbracht werden (wie etwa Reisekosten, Verdienstausfall, Gutachterkosten, Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens, Mahnkosten, Inkassogebühren), andererseits Aufwendungen im Zusammenhang mit dem dem Anspruch zugrundeliegenden Rechtsverhältnis (wie etwa Aufwendungen für eine Hinterlegung, eine Versteigerung, die Versendung der verkauften Ware, die Beurkundung des Kaufvertrags über ein Grundstück und dessen Auflassung sowie für die erfolglose Inanspruchnahme des Hauptschuldners bei nachfolgender Klage gegen den Bürgen). Verwaltungsgebühren, die dazu dienen, den Gebührenschuldner mit dem durch das Verwaltungsverfahren ausgelösten Verwaltungsaufwand kostenmäßig zu belasten, sind keine solche Kosten (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.2011 – 8 C 18.10 -, juris Rn. 1 hinter Rn. 27; Hess. VGH, Urteil vom 20.01.2021 – 6 A 2755/16 -, juris Rn. 35; Elzer in: Toussaint/ders., 54. Aufl. 2024, GKG § 43 Rn. 10). Das gilt auch für Verwaltungsauslagen (ebenso VG Würzburg, Urteil vom 03.07.2023 – W 8 K 22.1366 -, juris Rn. 45).

Entsprechend dem Ausgeführten ergibt sich ein Streitwert in Höhe von insgesamt 7.550,86 EUR.“

Bewährung I: Grund für Widerruf von Strafaussetzung, oder: Neue Straftaten und gröblicher Auflagenverstoß

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Heute gibt es drei Entscheidungen zu Bewährungsfragen. Da es sich aber um nichts wesentlich Neues handelt, gibt es jeweils nur die Leitsätze.

Den Opener macht der OLG Jena, Beschl. v. 30.01.2025 – 3 Ws 479/24 – zum Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung wegen neuer Straftaten und/oder gröblichem Auflagenverstoß.

Dazu sagt das OLG:;

1. Im Rahmen der Prüfung eines Bewährungswiderrufs nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB stehen neue Straftaten während der Bewährungszeit einer (nach wie vor) günstigen Legalprognose nicht entgegen.

2. Die Begehung eher geringfügiger neuer Straftaten durch einen mehrfach bewährungsbrüchigen Verurteilten können im Rahmen einer Gesamtbetrachtung ein solches Gewicht erlangen, dass sie einen Widerruf rechtfertigen.

3. Andererseits stehen Taten geringerer Schwere – auch etwaige leichtere Rückfalltaten – einer günstigen Sozialerwartung nicht stets entgegen.

4. Für einen Bewährungswiderruf müssen die frühere und neuere Tat in einem derartigen Zusammenhang stehen, dass gerade aus der neuerlichen Straffälligkeit der Rückschluss auf eine frühere Fehlprognose möglich ist.

5. Im Rahmen der Prüfung eines Bewährungswiderrufs nach § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB wird eine ungünstige Kriminalprognose umso eher anzunehmen sein, je mehr es der flankierenden Maßnahmen – in Gestalt der betreffenden Auflagen und Bewährungsaufsicht – bedurfte, um die Erwartung künftiger Straffreiheit begründen zu können.

6. Ein gröblicher oder beharrlicher Verstoß im Sinne der Vorschrift genügt nicht; maßgeblich ist, ob dieser zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten in einer die Gefahr weiterer Straftaten begründenden kausalen Beziehung steht.

Bewährung III: Kein Widerruf der Strafaussetzung, oder: Unwirksamer Verlängerungsbeschluss

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Und dann noch die dritte Entscheidung. Erneut OLG Hamm, und zwar der OLG Hamm, Beschl. v. 27.08.2024 – 3 Ws 295/24 – zum Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung. In dem Verfahren war die Strafaussetzung wiederrufen worden aufgrund einer Straftat, die in der verlängerten Bewährungszeit begangen worden war. Das OLG hat da beanstandet, weil der Verlängerungsbeschluss unwirksam war:

„1. Die sofortige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Widerrufsbeschlusses der 19. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 19. Juni 2024 und zur Zurückweisung des Widerrufsantrages der Staatsanwaltschaft Wuppertal vom 29. April 2024.

a) Gemäß § 57 Abs. 5 S. 1 StGB i. V. m. § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Straf- bzw. Strafrestaussetzung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

aa) Die am 11. Oktober 2023 begangene Tat, die Gegenstand der Verurteilung vom 15. Februar 2024 durch das Amtsgerichts Wuppertal war, kann den Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung nicht begründen. Die Tat lag tatsächlich außerhalb der Bewährungszeit. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 24. Mai 2022, mit dem die Verlängerung der am 21. September 2022 endenden Bewährungszeit bis zum 21. September 2024 angeordnet worden ist, erweist sich als rechtswidrig mit der Folge, dass die Bewährungszeit tatsächlich bereits mit Ablauf des 21. September 2022 endete. Die zeitlich deutlich später begangene Anlasstat vom 11. Oktober 2023 fiel nicht mehr in die Bewährungszeit und konnte demnach von der Strafvollstreckungskammer nicht als Widerrufsgrund herangezogen werden. Der Verlängerungsbeschluss vom 24.05.2022 war zu Unrecht ergangen, was im vorliegenden Widerrufsverfahren incident mit zu prüfen ist.

(1) In der Rechtsprechung unbestritten ist, dass Verstöße gegen Auflagen und Weisungen gemäß § 56b StGB und § 56c StGB im Rahmen des Bewährungsverfahrens nur dann zum Widerruf der Strafaussetzung führen können, wenn sie rechtlicher Nachprüfung standhalten. (MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl. 2020, StGB § 56f, beck-online; Hubrach in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 56f StGB, Rn. 18; OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2017 – III-3 Ws 301/17; KG Berlin, Beschluss vom 30. Oktober 2020 – 5 Ws 198-199/20 -, jeweils juris). Denn nach dem Rechtsstaatsprinzip können derart einschneidende Entscheidungen nur auf rechtlich einwandfreier Grundlage getroffen werden (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 12. Februar 1993 – 1 Ws 73 – 75/93 -, juris). Das Gericht ist deshalb im Widerrufsverfahren gehalten, von Amts wegen prüfen, ob die erteilten Weisungen und Auflagen überhaupt rechtlich zulässig sind, auch wenn der Verurteilte die Weisung nicht angefochten oder beanstandet hatte (OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. März 2010 – 3 Ws 241/10 -, juris; OLG Zweibrücken, a.a.O.).

(2) Dieselben Grundsätze gelten, wenn das Gericht für die Widerrufsentscheidung auf Widerrufsgründe in Form von begangenen Auflagen- bzw. Weisungsverstößen oder Straftaten (§ 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 StGB) zurückgreift, die nur deshalb „formal“ in die Bewährungszeit fallen, weil diese zwischenzeitlich – in unzulässiger Weise – verlängert worden ist. Dies ist anerkannt insbesondere in Fällen, in denen die Bewährungszeit unrechtmäßiger Weise über das gesetzlich in § 56f Abs. 2 S. 2 StGB vorgesehene Höchstmaß hinaus verlängert worden ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14. Juni 2000 – 2 Ws 147-149/2000 -, juris).

(3) Nichts anderes kann aufgrund der vergleichbaren prozessualen Ausgangssituation gelten, wenn zwar nicht die gesetzliche Höchstfrist überschritten worden ist, der formell wirksame Verlängerungsbeschluss hingegen aus anderen Gründen einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält. Ein Verlängerungsbeschluss, der auf keiner bzw. einer rechtswidrigen Grundlage beruht, kann keine Basis für einen Widerruf der Strafaussetzung sein. Es wäre nämlich unverhältnismäßig, insbesondere mit dem Freiheitsgrundrecht eines Verurteilten nicht vereinbar, die Strafaussetzung zu widerrufen, obwohl die materiellen Voraussetzungen für einen Bewährungswiderruf nicht gegeben sind. (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 06. Oktober 2011 – 1 Ws 151/11, beck-online in einem Fall, in dem die zur Verlängerung führende „Anlasstat“ nicht strafbar war vgl. aus Hurbach in LK-StGB, 13 Auflage, § 56f, Rn. 46). Dafür, dass inzident im Rahmen der Widerrufsentscheidung auch die Zulässigkeit einer vorherigen Verlängerungsentscheidung zu prüfen ist, spricht schließlich aber auch, dass der Verlängerungsbeschluss jederzeit bereits auf die einfache – fristungebundene – Beschwerde des Verurteilten gemäß § 453 Abs. 2 StPO der Aufhebung unterliegt. Einem Widerruf der Strafaussetzung wegen einer innerhalb der unzulässig verlängerten Bewährungszeit begangenen Verfehlung im Sinne der § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 StGB ist damit von vornherein die Grundlage entzogen. Zugunsten des Beschwerdeführers dürfte jedenfalls in entsprechender Anwendung des Rechtsgedankens des § 300 StPO und im Sinne eines effektiven Rechtsschutzes davon auszugehen sei, dass er (spätestens) mit seiner sofortigen Beschwerde gegen die Widerrufsentscheidung zugleich auch eine Überprüfung der zugrundeliegenden Verlängerungsentscheidung im Rahmen einer notfalls zugleich eingelegten einfachen Beschwerde begehrt, so dass eine Inzidentprüfung der Zulässigkeit der Verlängerungsentscheidung auch aus diesem Grunde zwingend erscheint.

bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe erweist sich im vorliegenden Fall der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 24. Mai 2022, mit dem die am 21. September 2022 endende Bewährungszeit um weitere 2 Jahre, mithin bis zum 21. September 2024, verlängert worden ist, als rechtswidrig. Denn die Verlängerungsentscheidung beruht ausschließlich auf der durch Urteil des Amtsgerichts Castrop-Rauxel vom 26. August 2021 festgestellten Straftat vom 30. Dezember 2019. Ebenjenen Verlängerungsgrund hatte die Strafvollstreckungskammer allerdings bereits in ihrem zuvor gefassten Verlängerungsbeschluss vom 04. November 2021 herangezogen.

Ein Bewährungsverstoß, der in der Vergangenheit bereits Anlass für eine gerichtliche Maßnahme nach § 56f Abs. 2 StGB war, ist indessen „verbraucht“ und steht daher als alleinige Grundlage für eine spätere Entscheidung nicht mehr zur Verfügung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Juli 1996 – 3 Ws 552/96 -, juris), es sei denn, er ist – was hier aber nicht der Fall ist – erst nachträglich bekannt geworden (vgl. Hubrach in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 56f StGB Rn. 45 mit Verweis u. a. auf OLG Karlsruhe Beschluss vom 09. März 2020 – 3 Ws 34/20-, juris). Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 24. Mai 2022 erweist sich deshalb als rechtswidrig und konnte eine Verlängerung der Bewährungszeit tatsächlich nicht bewirken.

Da die Bewährungszeit vor diesem Hintergrund bereits am 21. September 2022 endete, konnte der mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vom 19. Juni 2024 ausgesprochene Widerruf nicht auf die deutlich später, nämlich am 11. Oktober 2023 begangene und damit außerhalb der Bewährungszeit liegende Straftat gestützt werden.

b) Soweit die Strafvollstreckungskammer in ihrem angefochtenen Beschluss zur Begründung des Widerrufs ergänzend auf ein weiteres laufendes Strafverfahren Bezug nimmt, in dem am 11. Dezember 2023 gegen die Beschwerdeführerin Anklage beim Amtsgericht Wuppertal erhoben worden ist, kann hierauf ein Widerruf der Strafaussetzung nicht gestützt werden, weil kein Widerrufsgrund vorliegt. Zum einen ist das Strafverfahren nach Angaben der Bewährungshelferin in ihrem Bericht vom 07. Juni 2024 bereits am 27. Mai 2024 nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Zum anderen betraf die Anklage einen Diebstahlvorwurf vom 03. August 2023, der mithin ebenfalls außerhalb der Bewährungszeit liegt.

2. Die Strafvollstreckungskammer wird nach Maßgabe der obigen Ausführungen nunmehr zu prüfen haben, ob anderweitige – ggfls. noch nicht aktenkundige – Widerrufsgründe bestehen oder aber die zur Bewährung ausgesetzte Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Wuppertal vom 26. August 2015 aufgrund der abgelaufenen Bewährungszeit nunmehr gemäß § 56g Abs. 1 StGB erlassen ist.“

Bewährung I: Widerruf der Strafaussetzung, oder: Wenn es die Anlassentscheidung so nicht gibt

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Den Reigen von Bewährungsentscheidungen, die ich heute vorstelle, eröffne ich mit dem OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 09.10.2023 – 7 Ws 155/23. Es geht um den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB nach einer Exequaturentscheidung.

Folgender Sachverhalt:

„Das Amtsgericht in Stadt1/Kroatien (Az. Kov-111/2020-22) hat den Beschwerdeführer mit Urteil vom 29. April 2020, rechtskräftig seit dem 16. Juli 2020, wegen „Beihilfe zur unerlaubten Drogenproduktion und zum unerlaubten Drogenverkehr“ verurteilt, weil er im November 2019 am Anbau von Cannabis beteiligt war. Das Gericht hat auf eine Freiheitsstrafe von elf Monate erkannt, die durch „Arbeit für gemeinnützige Zwecke“ ersetzt wurde, wobei „ein in der Haft verbrachter Tag mit zwei Stunden Arbeit ersetzt“ wurde, was nach dem Urteilsspruch 660 Stunden abzuleistende Arbeit entspricht. Ferner hat das Gericht bestimmt, dass diese Arbeit nach der Zustimmung des Beschwerdeführers vor der Probationskommission für gemeinnützige Zwecke in einer von der Kommission festgelegten Frist, die nicht kürzer als einen Monat und nicht länger als zwei Jahre betragen darf, zu erbringen ist. Für den Fall, dass der Beschwerdeführer die Arbeit für gemeinnützige Zwecke durch eigene Schuld ganz oder teilweise nicht erbringt, ist schließlich bestimmt, dass das Gericht die Vollstreckung der ausgesprochenen Strafe in Ganzheit oder teilweise anordnen wird.

Die kroatischen Behörden haben die deutschen Behörden unter Vorlage des Urteils und Beifügung einer „Bestätigung aus Anhang I, Rahmenbeschluss 2008/947 / JI des Europarats vom 27. November 2008 für die Anerkennung von Bewährungsentscheidungen“ um die Anerkennung der Bewährungsentscheidung des vorgenannten Urteils ersucht. In dieser Bestätigung ist unter Ziff. 5) ausgeführt, dass der Beschwerdeführer während des Verfahrens fünf Monate in Untersuchungshaft verbracht habe, was bedeute, dass er noch sechs Monate Haft verbüßen und dementsprechend noch 360 Stunden für das Gemeinwohl arbeiten müsse.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main hat mit Datum vom 27. September 2021 das Vorliegen von Bewilligungshindernissen gemäß § 90c IRG verneint und am selben Tag Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 90g Abs. 1, 90h Abs. 1 IRG gestellt.

Auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung der Staatsanwaltsanwaltschaft Frankfurt am Main vom 27. September 2021 traf das Landgericht Frankfurt am Main – Strafvollstreckungskammer – nach Anhörung des Beschwerdeführers mit Datum vom 15. Dezember 2021 die Exequaturentscheidung. Der Ausspruch lautete dahin, dass die Freiheitsstrafe von elf Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Stadt1 vom 29. April 2020, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, vollstreckbar ist. Zudem wurde bestimmt, dass Teile der Sanktion, die in Kroatien bereits vollstreckt worden sind, anrechenbar seien. Es wurde eine Bewährungszeit von zwei Jahren festgesetzt, innerhalb welcher der Beschwerdeführer 660 Stunden gemeinnützige Arbeit nach näherer Weisung des für die Überwachung der Bewährung zuständigen Gerichts abzuleisten habe. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer ist seit dem 30. Dezember 2021 rechtskräftig.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13. Mai 2022 [Az. 5/26 KLs 5702 Js 230083/21 (3/22)] wegen der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Das Urteil gegen den in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Frankfurt am Main geständigen Angeklagten ist seit dem 8. Februar 2023 rechtskräftig.

Aufgrund dieser erneuten Verurteilung des Beschwerdeführers hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 12. Juni 2023 die mit der Exequaturentscheidung gewährte Strafaussetzung zur Bewährung gemäß § 56f Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB widerrufen. Dabei stellte die Strafvollstreckungskammer – im Anschluss an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. November 2022 (Az. 2 Ws 57/22) – darauf ab, dass die Bewährungszeit – obschon die Exequaturentscheidung nach der Begehung der erneuten Tat ergangen ist – bereits mit der Rechtskraft des Urteils des Amtsgerichts Stadt1, also seit dem 16. Juli 2020, zu laufen begonnen habe und die Tatbegehung damit innerhalb der Bewährungszeit liege.

Gegen diesen, der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main am 16. Juni 2023 zugestellten Beschluss, richtet sich deren sofortige Beschwerde, die beim Landgericht Frankfurt am 19. Juni 2023 einging.

Zur Begründung führt die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main in der Beschwerdeschrift aus, dass im vorliegenden Verfahren lediglich die Überwachung der Bewährungszeit, jedoch nicht die Vollstreckung der Strafe aus dem kroatischen Urteil übernommen worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main folgt der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main im Ergebnis und beantragt, den angegriffenen Beschluss aufzuheben. Insofern führt die Generalstaatsanwaltschaft aus, dass die Exequaturentscheidung vom 15. Dezember 2021 inhaltlich zwar unzutreffend gewesen sei, der Beschluss aber in Rechtskraft erwachsen sei. Allerdings sei die Strafvollstreckungskammer, unabhängig davon, ob die Überwachung der alternativen Sanktionen oder fälschlich die Überwachung einer tatsächlich nicht verhängten Strafaussetzung zur Bewährung für vollstreckbar erklärt worden sei, jedenfalls nicht befugt gewesen, in eigener Zuständigkeit eine Widerrufsentscheidung zu treffen. Gemäß § 90k Abs. 1 IRG wäre nämlich allenfalls die Überwachung der vermeintlichen Bewährungsmaßnahme (oder alternativen Sanktion) übernommen worden, nicht aber eine Bewährungsstrafe als solche. Demgemäß obliege dem überwachenden Gericht nicht die Entscheidung über das Schicksal der Strafaussetzung zur Bewährung. Nach § 90k Abs. 3 Nr. 3 IRG habe das Gericht, wenn es im Rahmen der Überwachung selbst einen Grund zum Widerruf sieht, von der weiteren Überwachung abzusehen und gemäß § 90k Abs. 4 S. 1 Nr. 1, S. 2 IRG den Urteilsstaat zu unterrichten.“

Und das Rechtsmittel hat beim OLG Erfolg. Das sagt:

Wurde eine bedingte Freiheitsstrafe im Rahmen einer rechtskräftigen Exequaturentscheidung für vollstreckbar erklärt, obschon eine solche nach dem ausländischen Urteil tatsächlich nicht verhängt worden war, kommt ein Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung jedenfalls dann nicht gemäß § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht, wenn der Verurteilte die neue Straftat vor der Exequaturentscheidung begangen hat.