Schlagwort-Archive: nachträgliche Gesamtstrafenbildung

Gebühren in der Strafvollstreckung, oder: Wenn LG (doch) irren….

Bild von SilviaP_Design auf Pixabay

Die zweite RVG-Entscheidung des Tages kommt vom LG Osnabrück. Gebührenrechtliche Entscheidungen des LG Osnabrück führen bei mir immer zu „Zweifeln“.

Bei dem LG Osnabrück, Beschl. v. 02.06.2020 – 2 Qs 26/20 – war das aber zunächst nicht so. Das OLG hat über die Gebühren des Pflichtverteidigers im nachträglichen Gesamtstrafenverfahren nach § 460 StPo entschieden. Es hat Gebühren des Pflichtverteidigers festgesetzt. Das hatte ich beim ersten Blick auf die Entscheidung „wohlwollend“ zur Kenntnis genommen. Aber: Der zweite Blick hat dann doch zu Kopfschütteln geführt. Denn das LG hat für die vom Verteidiger auch eingelegte Beschwerde nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit festgesetzt, was falsch ist:

„Die zulässige Beschwerde ist in der Sache überwiegend nicht begründet.

Dem Pflichtverteidiger Rechtsanwalt pp. sind für sein Tätigwerden im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung eine Gebühr nach Nr. 4205 VV RVG in Höhe von 162 und für sein Tätigwerden im Rahmen der sofortigen Beschwerde gegen die Nachtragsentscheidung nach Nr. 4301 Nr.1 VV-RVG eine Gebühr in Höhe von 128 nebst 2 x Post- und Kommunikationspauschale in Höhe von je 20 € nach Nr. 7002 VV-RVG und 19 % Umsatzsteuer auf 330 zu erstatten. Im Übrigen ist seine Gebührenabrechnung gemäß seinem Schriftsatz vom 15.10.2019 überhöht und die Beschwerde des Bezirksrevisors begründet.

Zuletzt hat das Oberlandesgericht Bamberg mit Beschluss vom 11.06.2019 – 1 Ws 265/19 – einem Verteidiger für seine Tätigkeit im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung eine Vergütung nach Nr. 4204, 4205 VV-RVG zugesprochen (Anschluss an OLG Brandenburg, Beschluss vom 05.07.2018 – 2 Ws 106/18 – ). Zur Begründung wird auf den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg – Bl. 182 bis 184 d.A. – verwiesen. Das entspricht im Ergebnis der Entscheidung der Kammer mit deren Beschluss vom 23.06.2015 – 2 Qs/120 Js 50865/09 – 36/15 -. Letztlich bringt die Gesetzessystematik eindeutig zum Ausdruck, dass die Frage der Vergütung des (Pflicht)verteidigers für einzelne Verfahrensabschnitte unabhängig von der Frage der Fortwirkung seiner Bestellung zu beurteilen ist. Zur Begründung wird auf die Ausführungen in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg unter II. 2. b) bis e) verwiesen. Danach steht dem Pflichtverteidiger die Erstattung einer Gebühr nach Nr. 4205 VV-RVG für sein Tätigwerden im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO zu. Soweit er gegen die Nachtragsentscheidung sofortige Beschwerde eingelegt hat, steht ihm eine Gebühr nach Nr. 4302 Nr.1 VV-RVG in Höhe von 128 € zu.“

Dazu zwei Anmerkungen:

1. Die Diskussion über die Gebühren Pflichtverteidigers im nachträglichen Gesamtstrafenverfahren dürfte/müsste m.E. nach Einführung des § 143 Abs. 1 StPO, der die Bestellung ja ausdrücklich auch auf das nachträgliche Gesamtstrafenverfahren erstreckt, erledigt sein.

2. Man sollte als LG die Vorbem. 4.2 VV RVG kennen. Danach entsteht im Bereich der Strafvollstreckung auch im Beschwerdeverfahren eine Verfahrensgebühr Nr. 4204, 4205 VV RVG. Raum für eine Einzeltätigkeit ist nicht. Dem steht schon Vorbem. 4.3 Abs. 1 VV RVG entgegen. Und zudem die allgemeine Überlegung: Wenn nicht eine besondere Beschwerdegebühr entsteht/entstehen würde, ist/wäre die Tätigkeit durch die Verfahrensgebühr für das „Erkenntnisverfahren“ nach Nr. Nr. 4204, 4205 VV RVG abgegolten.

Nikolaustag II: Nachträgliche Gesamtstrafenbildung, oder: Pflichtverteidigervergütung

Und als zweite Entscheidung dann ein Beschluss des OLG Bamberg. Ja, richtig gelesen. Etwas Positives vom OLG Bamberg, man – zumindest ich – glaube es kaum.

Ich stelle hier nämlich den OLG Bamberg, Beschl. v. 11.06.2019 – 1 Ws 265/19 – vor. Entschieden hat das OLG über die Pflichtverteidigervergütung für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen der nachträglichen Gesamtstrafenbildung. Insoweit besteht Streit, ob die ursprüngliche Pflichtverteidigerbestellung die Tätigkeiten noch umfasst. Die h.M. bejaht das.

Das OLG Bamberg – zutreffend auch. Hier dann der amtliche Leitsatz der Entscheidung:

„Einem Verteidiger steht für seine Tätigkeit im Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach §§ 460, 462 StPO eine Vergütung nach Nrn. 4204, 4205 VV-RVG zu (Anschluss an OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.07.2018 – 2 Ws 106/18 = JurBüro 2019, 23 = AGS 2018, 494). Etwas anderes folgt insbesondere nicht daraus, dass sich die schon frühere Beiordnung als Pflichtverteidiger regelmäßig auf das Verfahren über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung erstreckt.“

Nachträgliche Gesamtstrafenbildung II: Die Gebühren des Verteidigers, oder: Was macht das OLG?

Ich hatte vorhin den LG Cottbus, Beschl. v. 20.04.2018 – 23 KLs 24/14  – vorgestellt (dazu Nachträgliche Gesamtstrafenbildung I: Welche Gebühren verdient der Verteidiger des Erkenntnisverfahrens?). 

Ich denke, niemand ist überrascht, wenn er nun erfährt, dass der Vertreter der Staatskasse natürlich ins Rechstmittel gegangen ist und Beschwerde eingelegt hat. Alles andere wäre eine Überraschung gewesen. Aber: Das hat auch etwas Gutes. Denn nun liegt eine OLG-Entscheidung zu der Problematik vor, nämlich der OLG Brandenburg, Beschl. v. 05.07.2018 – 2 Ws 106/18. Und der sieht es genauso wie das LG Cottbus und ich. Sehr schön:

„Das Landgericht hat mit Recht die vom Pflichtverteidiger geltend gemachte Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 4204 für die Tätigkeit im Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung als erstattungsfähig bewertet.

Das Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung erfasst die Fälle, in denen die nach § 55 StGB grundsätzlich zwingend gebotene Gesamtstrafenbildung im Erkenntnisverfahren unterblieben ist (Meyer Goßner/Schmitt, 61, § 460 Rn. 1). Das Gesetz ordnet dieses Verfahren ausweislich der Stellung von § 460 StPO im 7. Buch, 1. Abschnitt, der Strafprozessordnung systematisch der „Strafvollstreckung“ zu, was es rechtfertigt, die für das Vollstreckungsverfahren geltende Vergütungsregelung heranzuziehen. Dies entspricht auch der herrschenden, in der Kommentarliteratur vertretenen Auffassung (BeckOK RVG, v. Seltmann/Knaudt, RVG VV 4204 Rn. 3; Stollenwerk in: Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht 2. Aufl. VV RVG Nr. 4200-4207 Rn. 11; Kremer in: Riedel/Sußbauer, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz 10. Aufl. RVG [VV 4204] Rn. 4; Burhoff StRR 2010, 93). Die vom Landgericht Bonn hierzu vertretene abweichende Auffassung, die in dem dort zu Grunde liegenden Einzelfall auch nicht entscheidungserheblich geworden ist (Beschluss vom 13. März 2017 — 29 Qs 5/17, zitiert nach juris), vermag aus den von der Strafkammer in dem angefochtenen Beschluss zutreffend dargestellten Gründen nicht zu überzeugen.“

Das macht das Argumentieren in diesen Fällen sicherlich leichter.

Und: Das OLG bestätigt inzidenter auch, dass die Pflichtverteidigerbestellung aus dem Erkenntnisverfahren für das Verfahren der nachträglichen Gesamtstrafenbildung fortgilt. Wird häufig übersehen.