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Terminsvertreter des verhinderten „Pflichti“, Topp, oder: Verhältnis Grundgebühr/Verfahrensgebühr, Flop

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Die Frage, welche Gebühren der Terminsvertreter des verhinderten Pflichtverteidigers erhält, gehört (auch) zu den „Never-Ending-Storys“ des Gebührenrechts. Jetzt hat sich dazu noch einmal das OLG Brandenburg im OLG Brandenburg, Beschl. v. 22.04.2025 – 1 Ws 152/24 – geäußert und seine Rechtsprechung aus einer früheren Entscheidung und die LG-Entscheidung den LG Neuruppin, Beschl. v. 25.03.2024 – 11 Qs 76/23 -, die ich hier auch vorgestellt hatte, bestätigt.

Nach dem Sachverhalt hat der Strafrichter in einem Strafverfahren gegen den Verurteilten wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem AG mit Einverständnis des Verurteilten den in unmittelbarer Nähe des AG kanzleiansässigen Rechtsanwalt R 2 für den Hauptverhandlungstag am 26.04.2022 als Pflichtverteidiger beigeordnet, nachdem der für das Verfahren bereits beigeordnete Pflichtverteidiger R 1 für diesen Tag seine Verhinderung angezeigt hatte. Gemäß Protokoll vom 26.04.2022 lautete der Beschluss dazu wie folgt: „Dem Angeklagten wird für den heutigen Hauptverhandlungstag Rechtsanwalt R 2 aus pp. als notwendiger Verteidiger beigeordnet.

Im Anschluss daran – die Beweisaufnahme war bereits im Hauptverhandlungstermin am 21.04.2022 geschlossen worden – wurden die Schlussanträge gestellt und dem Angeklagten wurde das letzte Wort erteilt. Sodann wurde das Urteil verkündet. Rechtsanwalt R 3 hat dann gegen Urteil ein unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt, ist aber im anschließenden Berufungsverfahren nicht als Verteidiger des Angeklagten aufgetreten.

Rechtsanwalt R 2 hat am 29.04.2022 die Festsetzung seiner gesetzlichen Gebühren beantragt. Er hat die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG und die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG nebst Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG und USt geltend gemacht.

Die Kostenbeamtin des AG hat am 02.06. 2022 nur die Terminsgebühr festgesetzt und das damit begründet, dass „nur ein Pflichtverteidigermandat abzurechnen“ sei, Rechtsanwalt R 2 hingegen „nur für den Termin am 26.04.2022 bestellt“ worden sein. Der Erinnerung hat sie nicht abgeholfen. Das AG hat diese am 08.12.2023 als unbegründet verworfen. Auf das Rechtsmittel des Rechtsanwalts R 2 hat der Einzelrichter der Strafkammer die Sache gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG der Kammer zur Entscheidung übertragen. Diese hat den AG-Beschluss aufgehoben und die Gebühren antragsgemäß festgesetzt.

Gegen diesen Festsetzungsbeschluss hat nun der Bezirksrevisor die zugelassene weitere Beschwerde eingelegt, mit welcher er beantragt, die Vergütung des Rechtsanwalts R 2 unter Wegfall der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG festzusetzen. Das Rechtsmittel hatte beim OLG keinen Erfolg. Ich beschränke mich hier auf den Leitsatz:

Dem wegen Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers (nur) für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete Verteidiger steht als Vergütung für seine Tätigkeit nicht nur die Terminsgebühr zu, sondern darüber hinaus auch die Grund- und ggf. eine Verfahrensgebühr zu.

Anzumerken ist Folgendes:

Die Entscheidung ist zutreffend. Das OLG bestätigt den LG Neuruppin, Beschl. v. 25.o3.2024 – 11 Qs 76/23, den wir in AGS 2024, 224 vorgestellt haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anmerkung zur Beschwerdeentscheidung des LG Neuruppin verwiesen (vgl. hier: Gebühren des Terminsvertreters des „Pflichti“, oder: Der Terminsvertreter verdient alle Gebühren).

Allerdings ist auf zwei Punkte betreffend die OLG-Entscheidung kritisch hinzuweisen:

Das OLG gewährt in seinem Beschluss vom 22.04.2025 dem Terminsvertreter auch die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG; in dem in Bezug genommenen OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.2.2024 – 1 Ws 13/24 (S), hatte es die hingegen nicht festgesetzt. Ich hatte bereits in der Anmerkung zu dem Beschluss des OLG darauf hingewiesen, dass die Ansicht des OLG zum Entstehen der Verfahrensgebühr (vgl. Vorbem. 4 Abs. 2 VV RVG) nicht zutreffend ist und das OLG das Zusammenspiel zwischen der Grundgebühr und der Verfahrensgebühr verkennt. Das zu erkennen, scheint schwierig zu sein 🙂 . Ich gehe aber hier nicht mehr darauf ein – die Frage ist „ausgeschrieben“.

Und: Warum hat es bis zur OLG-Entscheidung mal wieder so gedauert. Der ursprüngliche Festsetzungsantrag datiert vom 29.04.2022. Die Kostenbeamtin hat am 02.06.2022 festgesetzt und der Erinnerung des Rechtsanwalts am 10.6.2022 nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Strafrichter beim AG Neuruppin zur Entscheidung vorgelegt. Der entscheidet dann am 08.12.2023 (sic!). Das LG hat LG Neuruppin hat am 25.03.2024 entschieden und dann dauert es mehr als ein Jahr, bis das OLG endgültig entscheidet. Die Zeitabläufe bei der Kostenbeamtin und beim LG sind m.E. nicht zu beanstanden. Alles andere ist aber in meinen Augen nicht hinnehmbar. Der Strafrichter lässt sich 18 Monate Zeit und der OLG-Senat dann auch noch mal 12 Monate. Man weiß nicht, woran es gelegen hat, aber sicherlich nicht an der Schwierigkeit der zu entscheidenden Rechtsfrage, zu der das OLG ja auch bereits Stellung genommen hatte. M.E. muss das schneller gehen – und geht es ja auch, wie Kostenbeamtin und LG bewiesen haben. Es geht immerhin um Lohn für für den Staat erbrachte Tätigkeiten. Ich möchte den Aufschrei nicht hören, wenn sich der Dienstherr bei der Überweisung der Gehälter im öffentlichen Dienst auch so lange Zeit nehmen würde.

Pflichtverteidiger „nur“ für Hafttermin bestellt, oder: Grund-, Verfahrens- und Terminsgebühr

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Im zweiten Posting dann hier ein weiterer, recht frischer Beschluss zur Frage, welche Gebühren für den Pflichtverteidigers entstehen, der „nur“ für eine Haftbefehlsverkündung bestellt worden ist. Die Frage ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Mit dem LG Regensburg, Beschl. v. 14.01.2025 – 10 Qs 5/25 – hat sich jetzt aber ein weiteres Gericht der Auffassung angeschlossen, die nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abrechnet und Grund -, Verfahrens- und Terminsgebühr gewährt:

„1. Die Beschwerde ist begründet, da Vergütung der Beschwerdeführerin sich mangels Anwendbarkeit nicht nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG richtet, sondern nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG (a) und die Beschwerdeführerin daher Anspruch auf die Vergütung in beantragter Höhe hat (b).

a) Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG ist hier nicht anzuwenden, da durch die Bestellung der Beschwerdeführerin als Pflichtverteidigerin für den Vorführtermin am 16.08.2024 ein Verteidigungsverhältnis im Sinne des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG begründet wurde. Die Vergütungsvorschriften zu „Einzeltätigkeiten“ sind gem. der Vorbemerkung 4,3 Abs. 1 in Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG hierzu subsidiär.

Das OLG Köln führt in seinem Beschluss vom 24.01.2024, Az. 3 Ws 50/23, hierzu folgendes aus:

…..

Die überzeugende Argumentation des OLG Köln im zitierten Beschluss macht sich das Gericht zu eigen.

Hier ist es zudem so, dass der spätere Verurteilte zum Zeitpunkt der Bestellung der Beschwerdeführerin zur Pflichtverteidigerin nicht anderweitig anwaltlich vertreten war. Der Beschwerdeführerin oblag also insbesondere die rechtliche Einordnung des Sachverhalts, der dem späteren Verurteilten zur Last gelegt wurde, eine Prüfung des im Haftbefehl angenommenen Haftgrundes sowie eine Beratung des damaligen Beschuldigten, ob Angaben zur Sache gemacht werden sollen. Die Tätigkeit eines in diesem Verfahrensstadium für die Vertretung des Beschuldigten lediglich für den Vorführungstermin bestellten Pflichtverteidigers unterscheidet sich damit faktisch nicht von derjenigen eines umfassend bevollmächtigten Wahlverteidigers bzw. zeitlich unbeschränkt bestellten Pflichtverteidigers.
Nichts anderes ergibt sich daraus, dass sich die Pflichtverteidigerbestellung im vorliegenden Fall auf einen Vorführungstermin im Sinne des § 115a StPO bezieht. Zwar ist die Entscheidungsbefugnis des Richters im Sinne des § 115a StPO beschränkt und er darf den Haftbefehl im Regelfall wieder aufheben noch außer Vollzug setzen. Allerdings sieht § 115a Abs. 2 Satz 4 StPO im Falle von nicht offensichtlich unbegründeten Einwendungen des Beschuldigten oder sonstigen Bedenken des Richters gegen die Aufrechterhaltung der Haft die Pflicht zur Rücksprache mit dem zuständigen Gericht oder der zuständigen Staatsanwaltschaft vor, die im Ergebnis zu einer Aufhebung oder Außervollzugsetzung des Haftbefehls führen kann. Das zeigt, dass die Tätigkeit des Verteidigers auch in einem solchen Termin eine wichtige grundrechtssichernde Funktion erfüllt.

Die von dem Amtsgericht und der Bezirksrevisorin zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23.01.2023, Az. 4 Ws 13/23, in der eine Vertretung durch einen Pflichtverteidiger beschränkt auf einen Anhörungstermin gem. § 115 StPO als Einzeltätigkeit im Sinne von Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG qualifiziert wird, beruht auf einem nicht gänzlich vergleichbaren Sachverhalt: im dortigen Fall war der Beschuldigte bereits durch einen von ihm bevollmächtigten Rechtsanwalt verteidigt, der lediglich zu dem anberaumten Vorführungstermin verhindert war. Dieser Umstand war für das OLG Stuttgart auch entscheidungserheblich: „Jedenfalls in einem solchen Fall handelt es sich bei der Vertretung des Beschuldigten im Rahmen der Haftvorführung nach § 115 StPO um eine Einzeltätigkeit.“ (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 23. Januar 2023 — 4 Ws 13/23

Unbeschadet der zeitlichen Begrenzung der Beiordnung kommt eine gebührenrechtliche Einstufung der von der Beschwerdeführerin entfalteten Tätigkeit als Einzeltätigkeit im Sinne des Teils 4 Abschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG mithin nicht in Betracht (vgl. auch OLG Nürnberg, Beschluss vom 13.11.2014 — 2 Ws 553/14 juris).
Dass die Staatskasse im Ergebnis nun doppelt mit einer Verfahrensgebühr belastet wird, beruht auf der unzulässigerweise auf den Termin vom 16.08.2024 beschränkten Beiordnung der Beschwerdeführerin. § 140 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. §§ 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 143 StPO sieht eine Pflichtverteidigerbestellung für das gesamte Verfahren vor, die mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens oder durch Aufhebung mit gesonderten Beschluss endet. Gerade für die hier gegenständliche Konstellation einer Vorführung bei dem nächsten Amtsgericht trifft § 143a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StPO eine Regelung zum Verteidigerwechsel, die eine zeitlich beschränkte Beiordnung entbehrlich macht. Da gegen den Beiordnungsbeschluss kein Rechtsmittel eingelegt wurde, ist er rechtskräftig und der Vergütung der Beschwerdeführerin zugrunde zu legen.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Sie entspricht der inzwischen wohl h.M. in der Rechtsprechung.

Aber ein kleiner Wermutstropfen bleibt. Es ist m.E. nämlich zu bedauern, dass der entscheidende Einzelrichter die Entscheidung nicht auf die Kammer übertragen hat. Das wäre nach § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 8 S. 2 RVG möglich gewesen, denn danach ist die Übertragung auf die Kammer eben auch wegen „grundsätzliche Bedeutung“ zulässig. Die dürften Verfahren mit der entschiedenen Problematik wegen der immer noch herrschenden teilweisen Uneinigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung aber haben. Damit wäre dann der Weg frei gewesen für die Zulassung der weiteren Beschwerde und damit ggf. für eine Entscheidung des OLG Nürnberg, das sich zu der entschiedenen Frage schon länger nicht mehr geäußert hat.

Aber: Man kann nicht alles haben.

Nochmals: „Pflichti“ nur für Haftbefehlstermin, oder: Nehmt zur Kenntnis – Zug fährt in die richtige Richtung

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Heute ist „Gebührenfreitag“. Und den eröffne ich heute mit dem AG Schweinfurt, Beschl. v. 27.12.2024 – 6 Ds 2 Js 9719/23 – zu den Gebühren des Pflichtverteidigers, der dem Beschuldigten nur für die Vertretung in einem Termin zur Eröffnung eines Haftbefehls beigeordnet worden ist. Der bekommt „alles“:

„Die vom Verteidiger beantragten Gebühren sind vollständig begründet.

Die Grundgebühr nach Nr. 4100 und 4101 fällt an, für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106, 4107 entsteht für den ersten Rechtszug, also das Betreiben des Geschäfts, einschließlich der Information. Es ist strittig, ob diese Gebühren auch bei einem Pflichtverteidiger anfallen, der bloß die Vertretung im Termin zur Eröffnung des Haftbefehls wahrnimmt und im sonstigen Verfahren nicht mehr als Verteidiger auftritt (zum Streitstand siehe Knaudt in BeckOK RVG 65. Edition, Stand 01.09.2024, RVG VV 4100 Randnr. 1.1. zu den Nachweisen der verschiedenen Gerichtsentscheidungen). Die befürwortende Ansicht erscheint jedoch überzeugender. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich der Pflichtverteidiger in den Einzelfall einarbeiten muss, auch wenn er nur in einem einzelnen Termin auftritt (siehe dazu OLG Bamberg, Beschluss vom 21.12.2010, Az.: 1 WS 700/10). Wenn der Verteidiger sich nicht in den Einzelfall einarbeiten würde, wäre eine vernünftige Vertretung in dem Termin schlichtweg nicht möglich. Auf diese Weise würde der Sinn der Vertretung durch einen Pflichtverteidiger ausgehöhlt.

Weitergehend ist auch die Pauschale für Post- und Telekommunikation nach Nr. 7002 anzusetzen. Alleine die Teilnahme am Haftbefehlseröffnungstermins bedarf einer vorherigen Kommunikation per Telekommunikation. Insofern ist der Gebührentatbestand erfüllt. Eine Begründung, warum dies nicht der Fall sein sollte, ist nicht ersichtlich. Daher kann der Verteidiger die Grundgebühr, die Verfahrensgebühr, jeweils mit Zuschlag, sowie die Pauschale für Post- und Telekommunikation abrechnen (siehe dazu OLG Zweibrücken, Beschluss vom 07.06.2023, Az.: 1 WS 105/23).

….“

Folgende Anmerkung: Bitte lieber Vertreter der Staatskassen, die ihr ggf. mitlest, nehmr zur Kenntnis, dass der (Gebühren)Zug zu der Problematik in die auch hier vom AG gewählte Richtung fährt. Und die ist richtig, auch wenn es euch nicht gefallen mag. Das haben euch ja in der letzten Zeit genügend Gericht, auch OLGs, bescheinigt. Von daher habe ich wenig Verständnis, wenn mir Kollegen berichten, dass sie immer noch um diese Gebühren kämpfen und den Weg durch alle Instanzen gehen müssen, damit entsprechend abgerechnet wird. Also nehmt die Entwicklung hin. Man kann nicht immer gewinnen – zum Glück.

Und eine weitere Bitte: Wenn ich gegen Kostenfestsetzungsanträge Stellung nehmt und/oder eure Rechtsmittel begründet: Bitte führt nicht nur Uraltrechtsprechung an, die die Frage vor Jahren mal anders entschieden hat, über die aber inzwischen die Entwicklung hinweg gegangen ist. Sondern zitiert auch die neue Rechtsprechung und setzt euch mit ihr auseinander. Alles andere ist unseriös und sollte der Staatskasse nicht würdig sein.

Vielleicht hilft der Appell. Ich hoffe es. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

StA nimmt ihre Berufung vor Begründung zurück, oder: Ignorante/falsche Entscheidung des LG Karlsruhe

daumen

Und im zweiten Posting dann den LG Karlsruhe, Beschl. v. 20.06.2024 – KO 3 Qs 20/24. In der Entscheidung geht es mal wieder um die Problematik/Frage: Gebühren(erstattung( für den Rechtsanwalt, wenn die StA ihr Rechtsmittel vor Begründung zurücknimmt, der Verteidiger aber schon tätig geworden ist.

Die gibt es – so auch das LG Karlsruhe mal wieder – nicht:

„Allein streitig war im vorliegenden Fall die Frage, inwieweit auch Gebühren für das Berufungsverfahren erstattungsfähig sind, nachdem die am 08.12.2023 eingelegte Berufung der Staatsanwaltschaft Karlsruhe am 16.01.2024 zurückgenommen wurde, ohne dass in der Zwischenzeit eine Begründung erfolgt war. Im Ergebnis handelte es sich bei den hierfür geltend gemachten Kosten nicht um notwendige Auslagen.

Dabei verkennt die Kammer nicht, dass diese Frage in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist. Während große Teile der Literatur die Meinung vertreten, dass jedes Tätigwerden des Verteidigers in diesem Verfahrensstadium notwendig ist, besteht in der Rechtsprechung jedenfalls für die Revision überwiegend Einigkeit, dass ein Handeln des Verteidigers vor Eingang der Revisionsbegründung nicht angezeigt ist (vgl.: OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.02.2021, Az.: 2 Ws 246/20 m. w. N.). Der letztgenannten Auffassung schließt sich die Kammer an, da in diesem Verfahrensstadium ein Tätigwerden des Verteidigers zwecklos ist. Für eine sachgerechte und sinnvolle Tätigkeit besteht in dieser Zeit regelmäßig keine Veranlassung, eine Beratung kann sich allenfalls auf hypothetische Angriffsziele des Rechtsmittels beziehen. Allein das subjektive Bedürfnis des Verurteilten nach einer Beratung lässt eine solche nicht als notwendig erscheinen.

Diese Maßstäbe gelten auch für die Berufung. Die Kammer hält insoweit an ihrer Auffassung aus dem Beschluss vom 26.03.2012, Az.: 3 Qs 22/12 KO, fest. Zwar sieht § 344 StPO eine Begründungspflicht nur für das Rechtsmittel der Revision vor, während das Rechtsmittel der Berufung nach S 317 StPO eine Begründung nicht zwingend vorsieht. Gleichwohl ist die Staatsanwaltschaft nach Nr. 156 Abs. 1 RiStBV zur Begründung eingelegter Berufungen verpflichtet, ihre Einlegung und Begründung sind dem Verteidiger zuzustellen. Daher ist es einem Angeklagten grundsätzlich auch bei der Berufung zumutbar, auf die Rechtsmittelbegründung zu warten, um erst anschließend mit seinem Verteidiger die notwendigen Maßnahmen zur Verfolgung seiner Interessen zu ergreifen (so auch: OLG Stuttgart, a. a. O. m. w. N.).“

Mich überzeugt das nicht – hat es übrigens noch nie. Natürlich ist ein Handeln des Verteidigers als Beistand des Angeklagten gerade auch in diesen Fällen „angezeigt“. Denn gerade in diesen Fällen wird beim Verteidiger ja Rat gesucht, wie es weitergeht. Und den gen Rat gibt es dann kostenlos? Nein, das ist falsch. Ich weiß auch nicht, warum LG und OLG diese falsche Ansicht dauernd wiederholen. Die sind doch dort alle so schlau, jedenfalls tut man so.

Und hier ist/war es m.e. besonders frech. Denn hier hatten wir – so die Mitteilung der Kollegin, die mir die falsche Entscheidung geschickt hat – folgende „Zwischengeschehen“.

„Hintergrund war Folgendes: Mein Mandant, dem ich als PfV beigeordnet war, wurde erstinstanzlich freigesprochen. Die StA wollte eine Verurteilung wegen Betrugs zu 2 J 10 M und die Einziehung iHv 181.500 EUR. Nach dem Freispruch kündigte die StA lauthals an, Rechtsmittel hiergegen einlegen zu wollen. Das LG würde dieses Urteil sicher nicht halten, hieß es.

Nachdem die Begründung des Urteils vom AG pp. kam, habe ich ein Schreiben dorthin geschickt und gegenüber der StA die Rücknahme der Berufung anheim gestellt. Dass die StA tatsächlich zurücknehmen würde, hätte ich niemals erwartet.

Dem Mandanten ging der A… auf Grundeis, insbesondere wegen der drohenden Einziehung. Dementsprechend erfolgte naturgemäß auch eine Beratung, wie das Ganze nun weitergeht.

Tatsächlich nahm die StA aber die Berufung nach meinem Schreiben zurück.“

Das war also nicht ein „sachgerechte und sinnvolle Tätigkeit“? Man versteht die Ignoranz der Kammer nicht. Sie ist in meinen Augen frech, zumal die Begründung mit keinem Wort auf den Verfahrensverlauf eingeht. Man hätte auch schreiben können: Gibt es nicht, haben wir immer schon so gemacht. Dann wäre man noch schneller mit „ander Leuts“ Einnahmen „fertig gewesen“.

Gebühren des Terminsvertreters des „Pflichti“, oder: Der Terminsvertreter verdient alle Gebühren

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Und dann noch einmal etwas zum Terminsvertreter des Pflichtverteidigers, und zwar den LG Neuruppin, Beschl. v. 25.03.2024 – 11 Qs 76/23.

Folgender – bekannter 🙂 – Sachverhalt:

Dem Verurteilten ist mit Beschluss des AG Rechtsanwalt R1 als Pflichtverteidiger bestellt worden. In der Folgezeit wurde die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Strafrichter an drei Verhandlungstagen durchgeführt, wobei Rechtsanwalt R1 an den ersten beiden Verhandlungstagen als Verteidiger mitwirkte. Nachdem am Morgen des dritten Verhandlungstages eine Mitteilung beim AG eingegangen war, dass Rechtsanwalt R1 erkrankt und daher an einer Terminsteilnehme verhindert sei, zog der Strafrichter den – in unmittelbarer Nähe des AG kanzleiansässigen – Rechtsanwalt R2 hinzu und beschloss zu Verhandlungsbeginn – nach Anhörung des Vertreters der Staatsanwaltschaft, des Angeklagten und des Rechtsanwalts selbst – wie folgt: „Dem Angeklagten wird für den heutigen Hauptverhandlungstag Rechtsanwalt pp. aus pp. als notwendiger Verteidiger beigeordnet.“

Unmittelbar anschließend erfolgte sodann – die Beweisaufnahme war bereits am vorigen Hauptverhandlungstag geschlossen worden, auch waren anschließend bereits sämtliche Schlussanträge gehalten worden und dem Angeklagten das letzte Wort erteilt worden – die Urteilsverkündung.

Rechtsanwalt R 2 hat die Festsetzung seiner Vergütung beantragt und die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr Nr. 4106 W RVG und die Termingebühr Nr. 4108 VV RVG nebst Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG) und Umsatzsteuer beantragt. Die Rechtspflegerin des AG hat lediglich die Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer festgesetzt. Gegen diese Festsetzung hat Rechtsanwalt R 2 Erinnerung eingelegt, die der Strafrichter als unbegründet verworfen hat. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Rechtsanwalts R 2 hatte, nachdem der Einzelrichter die Entscheidung auf die Kammer übertragen hat, beim LG Erfolg. Nach Auffassung des LG waren die Gebühren so wie von Rechtsanwalt R 2 beantragt, festzusetzen.

Und da wir die Problemati schon zog-mal hatte, hier nur der Leitsatz, der lautet:

Aus der im Bestellungsbeschluss betreffend die Pflichtverteidigerbestellung vorgenommenen Beschränkung der Bestellung „für den heutigen Hauptverhandlungstag“ ergibt sich nicht, dass dem als Pflichtverteidiger bestellten Rechtsanwalt für seine Tätigkeit lediglich die für den Hauptverhandlungstag angefallene Terminsgebühr zustünde.

Rest bitte selbst nachlesen. Mit der Begründung kann man übrigens etwas anfangen, denn Beschluss ist zutreffend.