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Terminsvertreter II: Gebühren des Terminsvertreters, oder: Teilweise ok, aber drei Beanstandungen

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Die zweite Entscheidung zum Terminsvertreter ist ganz frisch „rein gekommen“. Sie stammt vom LG Ulm. Das hatte im LG Ulm, Beschl. v. 12.03.2024 – 1 Qs 7/24 – über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Vor dem AG fanden am 12.06.2023 und 14.06.2023 Hauptverhandlungstermine gegen den Angeklagten statt, dem u.a. schwerer sexueller Missbrauch von Kindern vorgeworfen wurde. Der Vorsitzende hatte dem Angeklagten Rechtsanwalt R 1 als Verteidiger beigeordnet. Wegen dessen Verhinderung am 14.06.2023 bestellte er im Termin am 14.06.2023 Rechtsanwalt R 2 zum Verteidiger. Die Verfügung lautet wie folgt: „Herr Rechtsanwalt R 2 wird für die heutige Sitzung dem Angeklagten pp. als notwendiger Verteidiger wegen der Verhinderung des Rechtsanwalts R 1. zum heutigen Termin beigeordnet.“

Rechtsanwalt R 2 hat dann beantragt, ihm eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG, eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG, eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG, sowie Auslagen und USt festzusetzen. Nach Auffassung der Kostenbeamtin waren weder Grund- noch Verfahrensgebühr noch eine Kostenpauschale angefallen. Das hält das AG. Dagegen die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg. Dem Beschwerdeführer stehen neben der Terminsgebühr eine Grundgebühr sowie eine Verfahrensgebühr und darüber hinaus auch die Kostenpauschale zu.

1. Ob eine zeitlich befristete Bestellung zu einem weiteren Verteidiger oder eine auf einen Sitzungstag beschränkte Bestellung zum Vertreter vorliegt, hängt in erster Linie von der Formulierung der Verfügung des Vorsitzenden ab. Jedoch kann auch von Bedeutung sein, ob der zusätzlich bestellte Verteidiger gehalten ist, sich umfassend in den Verfahrensstoff einzuarbeiten und/oder eine zeitaufwendige den Termin vorbereitende Tätigkeit zu entfalten. In diesen besonderen Fällen liegt keine bloße Vertretung mehr vor. Dann können über die Terminsgebühr hinaus weitere Gebühren (Grundgebühr, Verfahrensgebühr) anfallen. Ob dies der Fall ist, ist gegebenenfalls im Verfahren über die Festsetzung der dem Verteidiger zustehenden Gebühr zu ermitteln. Sofern dies angezeigt ist, sind Stellungnahmen der beteiligten Rechtsanwälte und des Vorsitzenden einzuholen. Auf diese Weise können auch etwaige Veränderungen, die sich wider Erwarten nach der Bestellung des weiteren Verteidigers ergeben haben, berücksichtigt werden. Lediglich eine Vertretung des Pflichtverteidigers liegt beispielhaft in folgenden Fällen vor: Der zunächst bestellte Verteidiger ist in der letzten Stunde eines Termins verhindert und die Beweiserhebung betrifft weitgehend einen Mitangeklagten. Der Verteidiger ist an einem sogenannten „Schiebetermin“ verhindert, an dem lediglich Registerauszüge oder Urteile aus früheren Verfahren verlesen werden. In einem Verfahren gegen mehrere Angeklagten betrifft die Beweisaufnahme ganz überwiegend einen Mitangeklagten, nicht aber den vom bestellten Verteidiger vertretenen Angeklagten (OLG Stuttgart, Beschluss vom 03. Februar 2011 – 4 Ws 195/10, BeckRS 2011, 3142).

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Verfahren der Beschwerdeführer nicht als Vertreter des ursprünglich bestellten Verteidigers, sondern als zweiter Pflichtverteidiger anzusehen. Zwar spricht der Wortlaut der Verfügung lediglich für eine Beiordnung als Vertreter, jedoch besteht hier die Besonderheit, dass im Termin am 14. Juni 2023 die aussagepsychologische Sachverständige Dr. pp ihr Gutachten erstattete, eine weitere Zeugin vernommen wurde und die Plädoyers gehalten wurden. Angesichts dieses Umfangs der Hauptverhandlung kann nicht von einem bloßen Terminsvertreter ausgegangen werden.

Dies hat zur Folge, dass Rechtsanwalt Pp2. über die Terminsgebühr hinaus eine Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG und eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG sowie die Kostenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zustehen.

3. Die Kammer weist darauf hin, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 23. Januar 2023 (Az. 4 Ws 13/23) für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Bereits aus dem amtlichen Leitsatz dieser Entscheidung ergibt sich, dass diese sich allein zu den Gebühren verhält, die dem ausschließlich für die Vorführung und Vernehmung vor den zuständigen Richter (§ 115 Abs. 1 und Abs. 2 StPO) beigeordneten Verteidiger zustehen. Dass diesbezüglich die Oberlandesgerichte Stuttgart und Karlsruhe unterschiedliche Auffassungen vertreten, ist hinzunehmen. Maßgeblich für die im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart ansässigen Gerichte ist dabei die Rechts-auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart.

Eine Übertragung des Verfahrens auf die Kammer gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG ist nicht veranlasst. Die mit der Entscheidung verbundenen Rechtsfragen sind durch das Oberlandesgericht Stuttgart für seinen Zuständigkeitsbereich geklärt. Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art liegen nicht vor.“

Anzumerken ist: Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend, die Begründung ist hingegen nicht zutreffend. Auch im Übrigen muss man dem LG widersprechen.

M.E. ist es nicht zutreffend, wenn das LG hinsichtlich der dem Pflichtverteidiger zustehenden Gebühren auf die Umstände des Einzelfalls abstellt (so allerdings auch OLG Hamm, RVGreport 2009, 309 = StRR 2009, 438). Das hatte hier für den (zusätzlichen) Pflichtverteidiger zwar keine Nachteile, da der Umfang der von ihm erbrachten Tätigkeiten auf jeden Fall dazu führen musste, dass ihm nicht nur die Terminsgebühr Nr. 4108 VV RVG, sondern auch Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG zu gewähren waren. In anderen Fällen, in denen der Umfang der erbrachten Tätigkeiten geringer ist, kann dieser Ansatz jedoch für den Pflichtverteidiger nachteilig sein. Dieser Ansatz ist zudem auch falsch, denn der „zusätzliche“ Pflichtverteidiger rechnet nach inzwischen wohl überwiegenden Meinung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab und ihm stehen Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG, die jeweilige gerichtliche Verfahrensgebühr und die jeweilige gerichtliche Terminsgebühr zu  (zu allem eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Teil A 2102 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; jüngst auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 27.02.2024 – 1 Ws 13/24 [S]). Die mit den Gebühren des Terminsvertreters zusammenhängenden Fragen werden in Rechtsprechung und Literatur immer wieder diskutiert. Von daher wäre es vielleicht angebracht gewesen, wenn der Einzelrichter der Strafkammer vielleicht dann doch mal einen Kommentar zu Rate gezogen hätte.

Hätte der Einzelrichter einen Kommentar zu Rate gezogen, würden sich ggf. auch die weiteren „Beanstandungen“ erübrigen.

Zu widersprechen ist der Aussage im „Hinweis des Gerichts“: „Maßgeblich für die im OLG Stuttgart ansässigen Gerichte ist dabei die Rechtsauffassung des OLG Stuttgart“. Das sehe ich nicht so, zumindest nicht so absolut – „ist“ – wie das LG. Zwar ist es sicherlich zutreffend, wenn sich die Instanzgerichte im Bezirk – schon wegen der Einheitlichkeit – der Rechtsprechung „ihres“ OLG anschließen. Aber eine (gesetzliche) Bindungswirkung, wovon offenbar das LG ausgeht, besteht nicht. Das wäre auch mehr als misslich, denn eine solche Bindungswirkung hätte zur Folge, dass sich die Rechtsprechung in einem OLG-Bezirk praktisch nie ändern würde/könnte, weil die Instanzgerichte ja immer so entscheiden, wie das OLG mal entschieden hat. Das OLG wäre nie in der Lage, seine Rechtsprechung/Auffassung an die eines Instanzgerichts, dass ggf. von seiner Rechtsprechung abgewichen ist, anzupassen. Dass das nicht sein soll, zeigt m.E. gerade das Rechtsmittelsystem des RVG, das ja eine weitere Beschwerde (§§ 56 Abs. 1, 33 Abs. 6 RVG) vorsieht.

Mit dem Vorstehenden korrespondiert ein weiteres Manko. Der Einzelrichter der Strafkammer meinte, selbst entscheiden zu können/müssen und die weitere Beschwerde nicht zulassen zu müssen. M.E. war das falsch. Vielmehr hätte die Sache auf die Kammer übertragen und die weitere Beschwerde zugelassen werden müssen. Denn die zugrunde gelegte Entscheidung des OLG Stuttgart stammt aus dem Jahr 2011. Seitdem hat es eine Flut von Entscheidungen anderen OLG gegeben, die die Frage, welche Gebühren dem „Vertreter“ des Pflichtverteidigers anders entschieden haben, als das OLG Stuttgart. Die Frage hat also nach wie vor „grundsätzliche Bedeutung“ (vgl. dazu § 33 Abs. 6 S. 1 RVG). So ist die Chance vertan, dass das OLG Stuttgart ggf. seine unzutreffende Rechtsauffassung im OLG Stuttgart, Beschl. v. 03.02.2011 – 4 Ws 195/10  aufgegeben und sich der zutreffenden herrschenden Auffassung in der Rechtsprechung angeschlossen hätte. Auch OLG sollen ja nicht gegen bessere Erkenntnis gefeit sein.

Terminsvertreter I: Gebühren aus Teil 4 Abschnitt 1 VV, oder: Aber keine Verfahrensgebühr?

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Am Gebührenfreitag stelle ich heute zwei Entscheidungen zu den Gebühren des Terminsvertreters vor. Beide Entscheidungen sind m.E. nur teilweise zutreffend.

Ich beginne mit dem OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.02.2024 – 1 Ws 13/24 (S). Ergangen ist der Beschluss in deinem vor einer Strafkammer geführten Strafverfahren gegen sechs Angeklagte wegen Verbrechen nach dem BtmG, In dem hat der Kammervorsitzende mit Einverständnis des Angeklagten B. Rechtsanwalt R für den Hauptverhandlungstag am 26.09.2022 als Pflichtverteidiger beigeordnet, nachdem der für das Verfahren beigeordnete Pflichtverteidiger für diesen Tag seine Verhinderung angezeigt hatte. In der Hauptverhandlung am 26.09.2022 wurde das Hauptverfahren gegen einen Mitangeklagten wegen dessen Verhandlungsunfähigkeit „auf unbestimmte Zeit“ abgetrennt,

Rechtsanwalt R hat beantragt seine Gebühren festzusetzen. Geltend gemacht worden sind eine Grundgebühr Nr. 4100 Verteidiger, eine Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG und eine Terminsgebühr Nr. 4114 VV RVG sowie Auslagen und Umsatzsteuer. Die Kostenbeamtin hat bei der Kostenfestsetzung die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr, jeweils nebst Umsatzsteuer, in Abzug gebracht . Auf die gegen diese Kostenfestsetzung erhobene Erinnerung des Rechtsanwalts R hat das LG  die Kostenfestsetzungsentscheidung dahingehend geändert, dass auch die beantragten Grund- und Verfahrensgebühr festzusetzen seien. Gegen diese Entscheidung hat dann der Bezirksrevisor, Beschwerde eingelegt, denn es darf ja nicht sein, was nicht sein kann. Und: Die Beschwerde hatte beim OLG teilweise Erfolg.

Ich lasse mal die Ausführungen des OLG zu den beiden zu den Gebühren des Terminsvertreters vertretenen Auffassungen weg. Das OLG schließt sich der (zutreffenden) h.M. an und führt aus:

„Dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen gerichtlichen Termin beigeordneten Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidigerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung eines Verteidigers lediglich als „Vertreter“ des bereits bestellten Verteidigers sieht die Strafprozessordnung nicht vor. Dies folgt bereits daraus, dass der bestellte Verteidiger eine Untervollmacht für die Verteidigung des Angeklagten einem anderen Rechtsanwalt nicht erteilen kann, auch nicht mit Zustimmung des Gerichts, weil die Bestellung zum Verteidiger auf seine Person beschränkt ist (vgl. BGH StV 1981, 393; BGH StV 2011, 650, BGH, Beschluss vom 15, Januar 2014, 4 StR 346/13, zit. nach juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2023, 2 Ws 13/23, zit. n. juris). Eine solche Vertretung in der Verteidigung ist nur dem entweder amtlich (§ 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO) oder vom Verteidiger selbst (§ 53 Abs. 2 Satz 1 oder 2 BRAO) bestellten allgemeinen Vertreter des Pflichtverteidigers möglich (BGH, Beschluss vom 15. Januar 2014, a.a.O.). Durch die Beiordnung eines Verteidigers für die Wahrnehmung eines Termins anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungsverhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer seiner Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine solche umfassende, eigenverantwortliche Verteidigung setzt auch eine Einarbeitung in den Fall voraus, ohne die eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich ist. Gerade für diese erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall entsteht die Grundgebühr. Eine Unterscheidung danach, welchen Aufwand diese Einarbeitung im Einzelfall erfordert (vgl. dazu OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Februar 2011, 4 Ws 195/10, NJOZ 2012, 213) verbietet sich schon deshalb, weil es sich bei den Gebühren des Pflichtverteidigers nach Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 zu § 2 Abs. 2 RVG um Festgebühren handelt, die grundsätzlich unabhängig von dem im Einzelfall erforderlichen Aufwand anfallen (ausf. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. Februar 2023, 2 Ws 13/23, zit. n. juris). Der Anspruch des wegen Verhinderung des zuvor bestellten Verteidigers zeitlich beschränkt bestellten weiteren Verteidigers scheitert auch nicht daran, dass die Gebühr aus VV Nr. 4100/4101 pro Rechtsfall nur einmal entsteht und auf Seiten des ursprünglich bestellten Pflichtverteidigers bereits entstanden ist; denn die Einmaligkeit der Gebühr pro Rechtsfall ist ausschließlich personen- und nicht verfahrensbezogen zu verstehen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.; Knaudt in BeckOK RVG, a.a.O. RVG VV Vorbemerkung, Rn. 20). Auch im Falle eines Pflichtverteidigerwechsels nach § 143a StPO steht die Grundgebühr sowohl dem zunächst bestellten Pflichtverteidiger als auch dem an seiner Stelle bestellten neuen Pflichtverteidiger zu.

c) Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze steht dem Beschwerdegegner für seine am 26. September 2022 erbrachte Pflichtverteidigertätigkeit die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 176,00 Euro, die Termingebühr nach Nr. 4114 VV RVG in Höhe von 282,00 Euro, die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,00 Euro, die Fahrtkosten nach Nr. 7003 VV RVG in Höhe von 33,60 E, das Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG, jeweils nebst gesetzlicher Umsatzsteuer, zu.

Hingegen ist die Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG für das Betreiben der Geschäfte einschließlich der Information im vorliegenden Fall nicht angefallen. Eine in den Geltungsbereich der Verfahrensgebühr fallende Tätigkeit hat der Pflichtverteidiger nicht entfaltet. Zwar wird mit der Verfahrensgebühr die Tätigkeit des Pflichtverteidigers im Strafverfahren des ersten Rechtszuges nach Abschluss des vorbereitenden Verfahrens abgegolten. Ausgenommen sind davon aber Tätigkeiten, für die besondere Gebühren vorgesehen sind, wie z.B. die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und die Termingebühr für die Hauptverhandlung Nr. 4114 VV RVG (vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Februar 2014, 4c Ws 2/14, zit. n. juris m.w.N.). Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 12. Verhandlungstag am 26. September 2022 ergibt sich, dass an diesem Tage keine Beweisaufnahme durchgeführt worden ist, für die eine Einarbeitung in das bisherige Beweisergebnis oder das Entwerfen einer Verteidigungsstrategie erforderlich gewesen wäre. Dem Protokoll über die 20 Minuten dauernde Hauptverhandlung ist lediglich die Beiordnung von vier Pflichtverteidigern für den Verhandlungstag sowie die Abtrennung des Verfahrens gegen den Mitangeklagten pp wegen Verhandlungsunfähigkeit „auf unabsehbare Zeit“ zu entnehmen…..“

Der Entscheidung ist – wie gesagt – teilweise zuzustimmen, teilweise aber auch zu widersprechen.

Zuzustimmen ist der grundsätzlichen Aussage des OLG zu den für den Terminsvertreter entstehenden Gebühren. Es ist zutreffend, wenn sich das OLG der insoweit herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur anschließt (vgl. dazu auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, Vorbem. 4.1 VV Rn 5 mit weiteren Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur).

2. Aber: Das war es dann aber auch schon. Denn nicht folgen kann man m.E. dem OLG hinsichtlich seiner Begründung, warum eine Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG nicht entstanden sein soll. Zwar beschränkt das OLG seine Ausführungen auf den vorliegenden Fall, wenn es mit „im vorliegenden Fall“ formuliert. Aber unabhängig davon sind die Ausführungen nicht zutreffend. Denn die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG ist auf jeden Fall entstanden. Das OLG übersieht nämlich, dass nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG und jeweilige Verfahrensgebühr immer nebeneinander entstehen (vgl. zur Grundgebühr Burhoff AGS 2022, 433 m.w.N.). Dabei kommt es auf den Umfang der jeweiligen Tätigkeit beim Pflichtverteidiger, mit dem wir es hier zu tun haben, nicht an. Denn er erhält unabhängig vom Umfang der von ihm erbrachten Tätigkeiten Festgebühren, die mit Erbringung der ersten Tätigkeit für den Mandanten entstehen. Und das OLG irrt bzw. wählt den falschen Ansatz, wenn es für die Frage des Entstehens der Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG allein darauf abstellt, was in dem Termin am 26.09.2022 geschehen ist. Das ist unerheblich, da diese Tätigkeiten durch die Terminsgebühr Nr. 4112 VV RVG abgegolten werden. Alle übrigen Tätigkeiten werden aber durch Grundgebühr- bzw. Verfahrensgebühr abgegolten. Und das ist eben nicht nur, wie das OLG offenbar meint, die Vorbereitung auf eine Beweisaufnahme, sondern jede zusätzliche Tätigkeit die vom Rechtsanwalt  erbracht wurde. Ausreichend sind eine Gespräch mit dem eigentlichen Pflichtverteidiger über die Übernahme der Vertretung im Termin, ein Gespräch mit dem Mandanten, das im Zweifel vor der dem Hauptverhandlungstermin geführt worden ist, usw. Dass es sich dabei um nur geringe Tätigkeiten handelt, ist wegen der Festgebührencharakter der Pflichtverteidigergebühren ohne Bedeutung. Daher hätte hier die Verfahrensgebühr Nr. 4112 VV RVG auch festgesetzt werden müssen. Die Entscheidung des LG war zutreffend. Dort hatte man offenbar mal in einen Kommentar geschaut. 🙂

Was verdient der „Vertreter“ des Pflichtverteidigers?, oder: Wird er „fürstlich entlohnt“?

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Im zweiten Posting geht es u.a. auch um die Vernehmungstermingebühr, und zwar im Zusammenhnag mit der Frage: Welche Gebühren entstehen für den Verteidiger, der nur für einen Hafttermin beigeordnet worden ist. Ist das nur eine Einzeltätigkeit oder ist das voller Auftrag mit der Folge, dass nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG abgerechnet wird.

Dazu habe ich hier jetzt drei Entscheidungen: Zwei machen es richtig, eine macht es falsch.

Zunächst die beiden richtigen, nämlich der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.02.2023 – 2 Ws 13/23 – und der LG Tübingen, Beschl. v. 06.02.2023 – 9 Qs 25/23.

Hier die Leitsätze:

    1. Der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, beschränkt sich nicht nur auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 VV RVG.
    2. Der Haftzuschlag nach Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG entsteht auch dann, wenn der Beschuldigte zunächst nur vorläufig festgenommen wurde.

Auch der notwendige Verteidiger, der nur für einen Tag bzw. Termin bestellt ist, ist für diesen begrenzten Zeitraum umfassend mit der Wahrnehmung der Verteidigerrechte und -pflichten betraut. Daher kommt auch angesichts einer zeitlichen Begrenzung der Beiordnung eine gebührenrechtliche Einstufung der Tätigkeit als Einzeltätigkeit nicht in Betracht.

Ich zitiere wegen der Begründung aus den überzeugenden Ausführungen des OLG Karlsruhe – so habe ich übrigens schon immer argumentiert:

„b) Nach anderer, vom Senat für zutreffend erachteter Auffassung, beschränkt sich der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin, einen Haftprüfungstermin oder den Termin zur Haftbefehlseröffnung als Verteidiger des Beschuldigten/Angeklagten bestellt worden ist, nicht auf die Terminsgebühren, sondern umfasst alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (vgl. OLG Karlsruhe NJW 2008, 2935; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.10.2008 – 1 Ws 318/08 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 23.03.2006 – 3 Ws 586/05 -, juris; OLG Köln, Beschluss vom 26.03.2010 – 2 Ws 129/10 -, BeckRS 2010, 16664; OLG Bamberg, NStZ-RR 2011, 223; OLG München, a.a.O.; OLG Nürnberg, a.a.O.; OLG Saarbrücken, a.a.O.; OLG Jena, Beschluss vom 14.04.2021 – (S) AR 62/20 -, BeckRS 2021, 9651).

Denn dem anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen gerichtlichen Termin beigeordneten Verteidiger ist für den in der Beiordnung bezeichneten Verfahrensabschnitt die Verteidigung ohne jede inhaltliche Beschränkung mit sämtlichen Verteidigerrechten und -pflichten übertragen. Eine Beiordnung eines Verteidigers lediglich als „Vertreter“ des bereits bestellten Verteidigers sieht die StPO nicht vor. Dies folgt bereits daraus, dass der bestellte Verteidiger eine Untervollmacht für die Verteidigung des Angeklagten einem anderen Rechtsanwalt nicht erteilen kann, auch nicht mit Zustimmung des Gerichts, weil die Bestellung zum Verteidiger auf seine Person beschränkt ist (vgl. BGH StV 1981, 393; StV 2011, 650 und Beschluss vom 15.01.2014 – 4 StR 346/13 -, juris). Eine solche Vertretung in der Verteidigung ist nur dem entweder amtlich (§ 53 Abs. 2 Satz 3 BRAO) oder vom Verteidiger selbst (§ 53 Abs. 2 Satz 1 oder 2 BRAO) bestellten allgemeinen Vertreter des Pflichtverteidigers möglich (BGH, Beschluss vom 15.01.2014, a.a.O.). Durch die Beiordnung eines Verteidigers für die Wahrnehmung eines Termins anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers wird vielmehr ein eigenständiges, öffentlich-rechtliches Beiordnungs-verhältnis begründet, aufgrund dessen der bestellte Verteidiger während der Dauer seiner Bestellung die Verteidigung des Angeklagten umfassend und eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Eine solche umfassende, eigenverantwortliche Verteidigung setzt auch eine Einarbeitung in den Fall voraus, ohne die eine sachgerechte Verteidigung nicht möglich ist. Gerade für diese erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall entsteht aber die Grundgebühr. Eine Unterscheidung danach, welchen Aufwand diese Einarbeitung im Einzelfall erfordert (so das OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.02.2011 – 4 Ws 195,10 -, NJOZ 2012, 213) verbietet sich schon deshalb, weil es sich bei den Gebühren des Pflichtverteidigers nach Anlage 1 Teil 4 Abschnitt 1 zu § 2 Abs. 2 RVG um Festgebühren handelt, die grundsätzlich unabhängig von dem im Einzelfall erforderlichen Aufwand anfallen. Der Anspruch des wegen Verhinderung des zuvor bestellten Verteidigers (zeitlich beschränkt) bestellten weiteren Verteidigers scheitert auch nicht daran, dass die Gebühr aus VV Nr. 4100/4101 pro Rechtsfall nur einmal entsteht und auf Seiten des ursprünglich bestellten Pflichtverteidigers bereits entstanden ist; denn die Einmaligkeit der Gebühr pro Rechtsfall ist aus-schließlich personen- und nicht verfahrensbezogen zu verstehen (vgl. Knaudt in BeckOK RVG, a.a.O. RVG VV Vorbemerkung, Rn. 20). Auch im Falle eines Pflichtverteidigerwechsels nach § 143a StPO steht die Grundgebühr sowohl dem zunächst bestellten Pflichtverteidiger als auch dem an seiner Stelle bestellten neuen Pflichtverteidiger zu.

A.A. ist der OLG Stuttgart, Beschl. v. 23.01.2023 – 4 Ws 13/23 – mit folgendem Leitsatz:

Der einem Beschuldigten für die Haftprüfung beigeordnete Rechtsanwalt verdient nur eine Gebühr für eine Einzeltätigkeit.

Anzumerken ist Folgendes:

OLG Karlsruhe und LG Tübingen machen es es richtig, OLG Stuttgart falsch. Dazu ist nichts weiter zu sagen. Als Verteidiger muss man dann darauf achten, alle Gebühren geltend zu machen, also auch die Verfahrensgebühr, da die nach der Anm. zur Nr. 4100 VV RVG immer neben der Grundgebühr entsteht. Also auch in diesen Fällen.

Ob es sich dann aber schon – wie das LG Tübingen meint – „vorliegend um eine „geradezu fürstliche und vom Gesetzgeber sicher nicht gewollte Honorierung der Tätigkeit des Rechtsanwalts“ handelt, ist in meinen Augen mehr als zweifelhaft. Ich frage mich bei solchen Formulierungen auch immer, was das soll? Denn, wenn das dort entscheidende Mitglied der Strafkammer, der Pflichtverteidiger werde „geradezu fürstlich entlohnt“, dann ist ihm zu erwidern, dass gerade die Frage der ausreichenden Honorierung des Pflichtverteidigers höchst fraglich und sicherlich nicht unter Berücksichtigung der Festbetragsgebühren „fürstlich“ ist. Im Übrigen hätte es dem Mitglied der Strafkammer ja frei gestanden, als Rechtsanwalt/Verteidiger tätig zu werden. M.E. sind solche Formulierungen daher mehr als überflüssig.

Terminsvertreter des Pflichtverteidigers, oder: Welche Gebühren verdient der Terminsvertreter?

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Und dann zum Wochenschluß – vor dem morgigen „Kessel Buntes“ – dann noch Gebührenrecht.

Ich beginne mit dem OLG Jena, Beschl. v. 14.04.2021 – (S) AR 62/20 -, der sich zu einer Pauschgebühr (§ 51 RVG) verhält. In dem Zusammenhang hat das OLG zu der Frage Stellung genommen, welche Gebühren der als Terminsvertreter des Pflichtverteidigers beigeordnete Rechtsanwalt abrechnen kann.

Dem Angeklagten war Rechtsanwalt RA 2 als Pflichtverteidiger beigeordnet. Außerdem hatte Rechtsanwalt RA 1 beantragt, als (zweiter) Pflichtverteidiger für den damaligen Angeklagten beigeordnet zu werden, was LG und OLG aber abgelehnt hatten. RA 1 war bereits in Vorbereitung der am 02.12.2015 begonnenen Hauptverhandlung für den damaligen Angeklagten – in Absprache mit dem bereits am 19.05.2015 beigeordneten Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt RA 2 – tätig. Im Zeitraum der Hauptverhandlung wurde dann RA 1 an 33 der 45 Hauptverhandlungsterminen  dem Angeklagten jeweils „für den heutigen Termin als Pflichtverteidiger beigeordnet“.

Der Angeklagte ist frei gesprochen worden. Der Rechtsanwalt RA 1 hat beantragt, ihm gemäß § 51 RVG eine Pauschgebühr in Höhe der Höchstgebühr eines Wahlverteidigers zu gewähren. Der Bezirksrevisor hat vorgeschlagen, den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller, der nur vertretungsweise für einzelne Hauptverhandlungstermine bestellt worden sei, habe ohnehin nur Anspruch auf die Terminsgebühren; für eine Erhöhung dieser bestehe kein Anlass. Das OLG hat eine Pauschgebühr in Höhe von 13.890,-  EUR bewilligt:

„Entgegen der Stellungnahme des Bezirksrevisors vom 02.02.2021 hat der Antragsteller vorliegend nicht ausschließlich einen Anspruch auf die Terminsgebühren.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob der wegen der Abwesenheit des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordnete Verteidiger als Vergütung für seine Tätigkeit als sogenannter „Terminsvertreter“ nur die Terminsgebühren erhält, weil er lediglich als Vertreter des die Verteidigung insgesamt führenden Pflichtverteidigers beigeordnet worden ist, oder ob diesem weiteren Pflichtverteidiger eine (volle) Vergütung nach Abschnitt 1 des Teiles 4 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG zusteht. Dass der auf diese Weise beigeordnete Pflichtverteidiger ausschließlich einen Anspruch auf die Terminsgebühr hat, haben u.a. das Kammergericht (StraFo 2008, 349 und NStZ-RR 2011, 295), das OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.02.2011, 4 Ws 195/10, bei juris) und das OLG Celle (Beschluss vom 10.06.2006, 2 Ws 258/06, bei juris) entschieden. Auch Hartmann (Kostengesetze, 49. Auflage, RVG VV 4100, 4101 Rn. 2) spricht sich dafür aus.

Die gegenteilige Auffassung wird u.a. von den Oberlandesgerichten Hamm (AGS 2007, 37), Karlsruhe (NJW 2008, 2935), Düsseldorf (Beschluss vom 29.10.2008, III-1 Ws 318/08, bei juris), München (zuletzt Beschluss vom 27.02.2014, 4c Ws 2/14, bei juris), Köln (Beschluss vom 26.03.2010, 2 Ws 129/10, bei juris) Saarbrücken (a.a.O.), Bamberg (a.a.O.) und Nürnberg (Beschluss vom 13.11.2014, 2 Ws 553/14) vertreten. Der Senat hat sich dieser – inzwischen wohl überwiegenden (so auch OLG Saarbrücken, a.a.O.) – Auffassung, an der er auch weiterhin fest-hält, bereits mit Beschluss vom 08.12.2010 (a.a.O.) ausdrücklich angeschlossen und dabei aus-geführt, dass sich die anwaltliche Vergütung im Einzelfall nach den durch die anwaltliche Tätigkeit konkret verwirklichten Gebührentatbeständen bemisst. In der Kommentarliteratur wird diese Auffassung von Burhoff (Gerold/Schmidt, RVG 24. Auflage, VV 4100, 4101 Rn. 5 und VV 4106, 4107 Rn. 6; siehe Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage, Nr. 4100 VV RVG Rn. 8) vertreten….“

Dazu: Die Entscheidung ist m.E. richtig.

Folgende Anmerkung: Für mich nicht nachvollziehbar ist der Pauschgebührbetrag von 13.890,-  EUR. Das OLG errechnet für die Pauschgebühr einen Gesamtbetrag von 13.888,00 EUR, den rundet es dann auf 13.890,00 EUR, also um 2 EUR (!!), auf. Warum man, wenn man schon aufrundet, nicht auf 14.000 EUR oder zumindest auf 13.900 EUR aufrundet, erschließt sich nicht. Es handelt sich doch um eine Pauschgebühr. 🙂

Gebühren des Terminsvertreters, oder: Immer wieder falsch

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, ist dann der LG Koblenz, Beschl. v. 06.07.2020 – 4 KLs 2050 Js 3517/17. Auch er entscheidet eine Problematik, die immer wieder umstritten ist. Nämlich die Frage: Welche Gebühren verdeint der sog. Terminsvertreter.

Das LG sagt: Nur die Terminsgebühr:

„In der Sache bleibt die Erinnerung jedoch ohne Erfolg. Dem Erinnerungsführer stehen die von ihm geltend gemachte Grundgebühr nach der Nr. 4101, 4100 VV RVG in Höhe von 192,00 € nebst darauf entfallender Mehrwertsteuer nicht zu, sondern nur die bereits festgesetzte Terminsgebühr nebst Auslagen sowie die darauf entfallende Mehrwertsteuer. Denn der Erinnerungsführer war zum Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 nicht als weiterer (dritter) Verteidiger, sondern als Vertreter der an diesem Tag verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden.

Ob und inwieweit einem wegen der Abwesenheit des Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin beigeordneten Verteidiger über die Terminsgebühr hinaus eine Vergütung für seine Tätigkeit als so genannter „Terminsvertreter“ nach Abschnitt 1 des Teils 4 des Vergütungsverzeichnisses zusteht, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet.

Teilweise wird vertreten, dass der Vergütungsanspruch des Verteidigers, der anstelle des verhinderten Pflichtverteidigers für einen Hauptverhandlungstermin als Verteidiger beigeordnet worden ist, sich nicht auf die Terminsgebühr beschränkt, sondern alle durch die anwaltliche Tätigkeit im Einzelfall verwirklichten Gebührentatbestände des Teils 4 Abschnitt 1 des Vergütungsverzeichnisses in Anlage 1 zu ‚§ 2 Abs. 2 RVG umfasst (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 10. November 2014 — 1 Ws 148/14, Rn. 12 ff., juris; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Juli 2008 — 3 Ws 281/08, Rn. 6, juris; OLG Bamberg, Beschluss vom 21. Dezember 2010 — 1 Ws 700/10, Rn. 9, juris).

Nach anderer Auffassung hat die Landeskasse jedenfalls in den Fällen, in denen die Beiordnung des Rechtsanwalts als bloßer Terminsvertreter für einen Hauptverhandlungstermin erfolgt ist und der originär bestellte Verteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient hat, nur noch die Terminsgebühr nebst Umsatzsteuer zu erstatten (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, juris; OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, juris; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 —1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris).

Dieser letztgenannten Auffassung ist zu folgen, denn der Anspruch als ersatzweise bestellter Pflichtverteidiger kann nicht höher sein als er in der Person des vertretenen Rechtsanwalts angefallen wäre, wenn dieser selbst zum Termin erschienen wäre, oder wenn der Rechtsanwalt ohne Beiordnung als Vertreter des bestellten Rechtsanwalts gemäß § 5 RVG aufgetreten wäre (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online; KG Berlin, Beschluss vom 29. Juni 2005 — 5 Ws 164/05, juris; OLG Rostock, Beschluss vom 15. September 2011 — 1 Ws 201/11, Rn. 46 f., juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 17. September 2012 — 3 Ws 93/12, Rn. 15, juris). Die Vorschrift des § 5 RVG, die die Vertretung von Rechtsanwälten gebührenrechtlich regelt, nimmt die Vertretung eines Pflichtverteidigers gerade nicht aus dem Regelungsbereich aus (OLG Celle, Beschluss vom 19. Dezember 2008 — 2 Ws 365/08, Rn. 14, juris). Hat der originär bestellte Pflichtverteidiger die Gebühren für die vorgelagerte Tätigkeit schon verdient, hat die Landeskasse dem Vertreter allenfalls noch die Terminsgebühr zu erstatten. Lässt sich ein Verteidiger in einem Hauptverhandlungstermin durch einen and Verteidiger vertreten, kann dies nicht dazu führen, dass Grund- und Verfahrensgebühr mehrfach entstehen. Anderenfalls könnte ein Pflichtverteidiger, der sich an verschiedenen Sitzungstagen durch verschiedene Vertreter vertreten lässt, zahlreiche Gebührentatbestände entstehen lassen, ohne dass dafür ein sachlicher Grund bestünde (OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2012 — 2 Ws 759/12, BeckRS 2012, 22226, beck-online). Dies würde sich in unangemessener Weise zum Nachteil des Angeklagten, der im Falle seiner Verurteilung die Verteidigergebühren zu tragen hat (§ 465 Abs. 1 StPO), oder zum Nachteil der Staatskasse, die zunächst für die Pflichtverteidigervergütung aufzukommen hat (§ 55 Abs. 1 RVG), auswirken (LG Hannover, Beschluss vom 19. Oktober 2015 — 33 Qs 51/15, juris).

Im vorliegenden Fall war deswegen zu berücksichtigen, dass der Erinnerungsführer am Haupt-verhandlungstag des 22.07.2019 nicht als (dritter) Verteidiger, sondern als bloßer „Terminsvertreter“ für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp1. und pp2. beigeordnet worden war. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des Beiordnungsbeschlusses, wonach der Erinnerungsführer ausdrücklich „für den Hauptverhandlungstermin am 22.07.2019 für die an diesem Tage verhinderten Rechtsanwältinnen pp.1 und pp2. bestellt“ worden ist. Die ausdrückliche Nennung des Hauptverhandlungstermins am 22.07.2019 unterstreicht, dass nur eine Vertretung gewollt war und kein (weiterer) dauerhafter Pflichtverteidiger bestellt werden sollte.

Auch der übrige Zusammenhang stützt diese Auslegung des Beschlusses. Für die originären Verteidigerinnen war der Erinnerungsführer nach vorheriger Ankündigung nur für die Hauptverhandlung am 22.07.2019 erschienen. Zu den neun weit Verfahrensterminen erschien zumindest jeweils eine der bestellten Verteidigerinnen pp1. oder pp2., was weiterhin belegt, dass der Erinnerungsführer nur in die Vertretung der bereits bestellten Verteidigerinnen eingewiesen werden sollte: Eine solche Beiordnung als sogenannter „Terminsvertreter“ ist verfahrensrechtlich zulässig und hat dann gebührenrechtlich zur Folge, dass nur ein Pflichtverteidiger-mandat abzurechnen ist (OLG Oldenburg, Beschluss vom 13. Mai 2014 — 1 Ws 195/14, Rn. 17, juris).“

M.E. falsch, aber: Wen interessiert das? Der Kollege Tsioupas aus Frankfurt, der mir den Beschluss geschickt hat, will weiter ins Rechtsmittel. Ich meine, er wird beim OLG Koblnez (!) keinen Erfolg haben. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.