Schlagwort-Archive: OLG Celle

Verkehrsunfall PkW und alkoholisierter Fußgänger, oder: Hinterbliebengeld beim Tod eines Erwachsenen

Bild von Dorothe auf Pixabay

Und dann heute im „Kessel Buntes“ zwei (zivilrechtliche) Entscheidungen aus dem Verkehrsrecht.

Ich starte mit dem OLG Celle, Urt. v. 18.12.2024 – 14 U 119/24. Es nimmt zu einem Verkehrsunfall zwischen einem Fahrzeug und einem alkoholisiertem Fußgänger sowie zur Bemessung des Hinterbliebenengeldes beim Tod eines erwachsenen Kindes Stellung.

Dem Verfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:  Die Klägerin verlangt von den Beklagten ein weiteres Hinterbliebenengeld und weitere anteilige Beerdigungskosten aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 11.07.2021. An dem Tag befand sich der Sohn der Klägerin, der Geschädigte B. B., gegen 4:33 Uhr mit einer BAK von über 2,0 Promille auf der Landesstraße außerhalb geschlossener Ortschaften zwischen zweiten Orten. Er kollidierte mit dem vom Beklagten zu 1. geführten Fahrzeug, welches bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversichert ist. Der Sohn der Klägerin verstarb noch am Unfallort. Das gegen den Beklagten zu 1 geführte Strafverfahren wurde gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1.200 EUR eingestellt. In diesem Strafverfahren wurde zuvor ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben.

Die Klägerin verlangt ein Hinterbliebenengeld von 12.000 EUR  sowie 75% der Beerdigungskosten in Höhe von 7.226,16 EUR, mithin 5.419,62 EUR .

Die Klägerin ist der Auffassung, den Beklagten zu 1 treffe ein Verschulden an dem Unfall. Zum Unfallzeitpunkt sei es insbesondere schon so hell gewesen, dass der Beklagte zu 1 ihren Sohn hätte sehen können bzw. müssen. Der Unfallort sei zudem durch eine Laterne beschienen, die zur früheren Erkennbarkeit ihres Sohnes beigetragen habe.

Die Beklagten meinen, infolge des groben Verschuldens des Geschädigten hafteten sie nicht. Die Betriebsgefahr des vom Beklagten zu 1 gefahrenen Fahrzeugs trete hinter dem Verschulden des Geschädigten zurück.

Das LG hat der Klage teilweise stattgegeben. Es hat die Klage in Höhe von 5.742,05 EUR für begründet gehalten, nachdem es u.a. Beweis erhoben hat über den Unfallhergang durch Verwertung gem. § 411a ZPO des im Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachten. Das LG hat der Klägerin von ihren geltend gemachten Ansprüchen 1/3 aufgrund des der Klägerin zuzurechnenden Mitverschuldens des Geschädigten zugesprochen, wobei es ein Hinterbliebenengeld in Höhe von 10.000 EUR, anstatt der begehrten 12.000 EUR, angesetzt hat.

Es hat dabei dem Beklagten zu 1 den Verschuldensvorwurf gemacht, dass er in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußweges seine Geschwindigkeit nicht reduziert habe. Der Bremsvorgang bei Fußgängern, welche – wie hier – unvorhergesehen die Straße überqueren, sei daher zu lang gewesen. Hauptsächlich habe der Geschädigte den Unfall aber selbst verschuldet, weil er die Straße überquert habe, ohne auf das bevorrechtigte Fahrzeug der Beklagten zu achten.

Die Klägerin wendet sich gegen das landgerichtliche Urteil und meint, die Kammer habe es fehlerhaft unterlassen, eine lichttechnische Untersuchung einzuholen. Die Unfallstelle sei durch eine Laterne beleuchtet gewesen. Der Beklagte zu 1 hätte den Geschädigten, der zudem ein weißes Oberhemd unter seinem Jackett und weiße Turnschuhe getragen habe, früher erkennen müssen. Der Beklagte zu 1 hätte den Geschädigten lange vor der Kollision sehen und abbremsen müssen. Er hätte den Unfall verhindern können.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie berufen sich auf das Sachverständigengutachten, in dem festgestellt worden sei, dass der Sohn der Klägerin frühestens innerhalb des Lichtkegels des Abblendlichtes für den Beklagten zu 1 erkennbar gewesen sei. Das schließe eine noch frühere Erkennbarkeit aus. Damit sei es nicht gerechtfertigt, dem Beklagten zu 1 eine verspätete Abwehrreaktion anzulasten.

Das OLG hat den Sachverständigen dann in der mündlichen Verhandlung noch einmal vernommen. Es hat die Berufung dann zurückgewiesen.

Wegen der Einzelheiten der umfangreichen Begründung verweise ich auf den verlinkten Volltext. Ich stelle hier nur die Leitsätze ein, und zwar.

1. Das Überschreiten einer Fahrbahn erfordert von einem Fußgänger erhöhte Sorgfalt. Da eine Fahrbahn in erster Linie dem Fahrzeugverkehr dient, hat der Fahrzeugführer grundsätzlich Vorrang.

2. Ein Fahrzeugführer muss nicht allein in Kenntnis eines am Fahrbahnrand befindlichen Fußweges seine Geschwindigkeit reduzieren.

3. Bei der Festsetzung der Hinterbliebenenentschädigung darf nicht lediglich eine schematische Bemessung vorgenommen werden. Es ist die konkrete seelische Beeinträchtigung des betroffenen Hinterbliebenen zu bewerten (im Anschluss an BGH, Urt. v. 23. Mai 2023 – VI ZR 161/22).

4. Die Bemessung des Schmerzensgeldes in den sog. Schockschadensfällen ist dagegen nur eingeschränkt als Vergleichsgröße heranziehbar, weil der Anspruch auf Hinterbliebenengeld (im Unterschied zum Schmerzensgeld) gerade keine Rechtsgutsverletzung voraussetzt (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.2022 – VI ZR 73/21).

StGB III: Nochmal etwas zur Corona-Pandemie, oder: Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse

Bild von iXimus auf Pixabay

Und im dritten Posting dann Nachbereitung/ strafrechtliche Aufbereitung der Corona-Pandemie. An der Stelle ist es mit der Veröffentlichung von Entscheidungen recht ruhig geworden. Der Beschluss des OLG Celle stammt auch schon aus 2022, ist aber erst jetzt veröffentlich worden. Ich will den OLG Celle, Beschl. v. 16.11.2022 – 2 Ss 137/22 – aber der Vollständigkeit halber hier doch noch – zumindest mit seinem Leitsatz – vorstellen.

Behandelt wird das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse. Das AG hatte den Angeklagten im April 2022 wegen mehrerer Fälle verurteilt. Nach den Feststellungen stellte der  als Kinder- und Jugendarzt tätige Angeklagte in der Zeit vom 01.08.2020 bis zum 05.05.2021 insgesamt 29 Gesundheitszeugnisse aus, die die darin benannten Personen von der durch verschiedene Landes-Verordnungen angeordneten Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, befreien sollten und die jeweils mit einem Arzt-Stempel versehen und vom Angeklagten unterzeichnet waren. Der Erstellung der Gesundheitszeugnisse lag jeweils keine vorherige Begutachtung oder körperliche Untersuchung der Personen zugrunde, obwohl dem Angeklagten bewusst war, dass eine solche zuvor durchzuführen gewesen wäre. Nach den Feststellungen des AG hatten sich die in den 29 Gesundheitszeugnissen aufgeführten Personen zuvor an den Angeklagten mit dem Ziel gewandt, eine entsprechende Befreiung von der Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, zu erlangen; sie zeigten die ausgestellten Gesundheitszeugnisse nach deren Anfertigung durch den Angeklagten in Schulen sowie bei Kontrollen durch die Polizei an öffentlichen Orten vor.

Zur Beweiswürdigung hatte das AG ausgeführt, der Angeklagte habe die Erstellung der 29 Gesundheitszeugnisse eingeräumt, indes die Rechtsauffassung vertreten, es handele sich nicht um Gesundheitszeugnisse, weil er in allen 29 Fällen lediglich allgemein die nach seiner Auffassung stets mit dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung einhergehende Beschränkung der vitalen Atmungsfunktion dargelegt habe. Zum Inhalt der Gesundheitszeugnisse hat das AG im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzend festgestellt, dass der Angeklagte die Gesundheitszeugnisse anfänglich mit „Befreiung“ und bei Kindern und Jugendlichen mit „Fachärztliches Attest“ überschrieben habe; seit einer ihm bekannten Entscheidung des OVG Münster vom 24.09.2020 habe der Angeklagte die im Folgenden ausgestellten Gesundheitszeugnisse mit „Attest“ überschrieben und diesem jeweils eine Anlage beigefügt, die u.a. folgenden Wortlaut hatte: „Die Beschwerden, die von (Name) nachvollziehbar geäußert werden, weisen ohne Zweifel auf eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Stoffwechsels durch das Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) hin (…).“

Rechtlich hat das Amtsgericht die festgestellten Tathandlungen als Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses in 29 Fällen gem. § 278 StGB in der Fassung bis einschließlich zum 23.11.2021 gewertet.

Dagegen die Sprungrevision des Angeklagten, die mit der Sachrüge Erfolg gehabt hat. Das OLG Moniert, dass es auf der Grundlage der knappen Feststellungen des AG-Urteils zum Inhalt der erstellten Gesundheitszeugnisse nicht beurteilen kann, ob diese inhaltlich unrichtig sind.

Hier dann die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Ein ärztliches Attest über die medizinische Kontraindikation des Tragens eines Mund-Nasen-Schutzes enthält die konkludente Erklärung des Arztes, dass eine körperliche Untersuchung der genannten Person stattgefunden hat und ist daher i.d.R. unrichtig, wenn die für die Beurteilung erforderliche Untersuchung nicht durchgeführt wurde.

2. Ist eine körperliche Untersuchung im Einzelfall unterblieben, soll das Attest aber gleichwohl „richtig“ sein, muss sich das Unterbleiben der Vornahme einer körperlichen Untersuchung aus dem Attest selbst ergeben.

OWi I: Unklare/widersprüchliche Feststellungen, oder: Keine Bezugnahme auf ein Messvideo

Bild von Mahesh Patel auf Pixabay

Und heute dann ein paar OWi-Entscheidungen. Alles nichts Weltbewegendes, sondern alles Fragen, zu den bereits mehrfach bzw. oft Stellung genommen worden ist. Ist im Moment im OWi-Bereich leider so. Richtige Knaller gibt es nicht. Es ist alles schon zig-mal durchgekaut.

Hier dann zunächst der OLG Celle, beschl. v. 14.10.2024 – 3 ORbs 117/24 – zu den Urteilsgründen bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung. Das OLG hat das AG-Urteil – auch auf Antrag der GStA – aufgehoben, weil die Feststellungen widersprüchlich und lückenhaft waren:

„Der Rechtsbeschwerde konnte ein zumindest vorläufiger Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben. Die Generalstaatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Zuschrift hierzu ausgeführt:

„Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen dieses Urteil hat bereits mit der erhobenen Sachrüge Erfolg. Auf die darüber hinaus erhobene Verfahrensrüge kommt es daher nicht an.

Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist unklar und widersprüchlich. Während die Höchstgeschwindigkeit den Feststellungen (UA S, 3) zufolge mittels Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf 80 km/h beschränkt war, ist den Ausführungen zur Beweiswürdigung (UA S. 4) zu entnehmen, dass der Zeuge pp. bekundet habe, die Höchstgeschwindigkeit sei auf 100 km/h beschränkt gewesen. Ob es sich hierbei um ein bloßes Schreibversehen handelt, ist den Urteilsgründen auch im Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen. Das Messvideo kann hierzu ebenfalls nicht herangezogen werden, weil es insoweit an einer wirksamen Bezugnahme nach §§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO, 46 Abs. 1 OWiG fehlt (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 07.04.2022 — 2 Ss (OWi) 49/22 -, juris Rn. 8).“

Dem tritt der Senat bei.“

Das ist übrigens kein „vorläufiger“ Erfolg, sondern in diesem Rechtsgang ein „endgültiger“.

Vergleichsmaßstab, Staatsschutz, Existenzgefährdung, oder: Ausreichende Begründung des „Pauschiantrags“

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und hier im zweiten Posting dann drei OLG-Entscheidungen, in denen Pauschvergütungen nach § 51 RVG bewilligt worden sind. Das ist ja zumindest schon mal erfreulich. Über deren Höhe wird man allerdings streiten können.

Es handelt sich um folgende Entscheidungen, von denen ich allerdings nur die Leitsätze einstelle:

1. Der Vergleichsmaßstab für die Prüfung eines besonderen Verfahrensumfangs gemäß § 51 RVG ist ausnahmsweise ein durchschnittliches Verfahren aus dem gesamten Spektrum aller erstinstanzlichen Verfahren, wenn ein Staatsschutzverfahren bereits im ersten Hauptverhandlungstermin eingestellt worden ist.

2. Zur Erforderlichkeit einer (ausreichenden) Begründung des Pauschgebührantrags.

1. Zur Beurteilung von besonderem Umfang und besonderen Schwierigkeit in einem Staats-schutzverfahren.

2. Macht der Pflichtverteidiger im Hinblick auf die Gewährung einer Pauschgebühr eine wirt-schaftliche Existenzgefährdung geltend, muss er zu den konkreten Auswirkungen des Verfah-rens auf seinen Kanzleibetrieb nachvollziehbar vortragen.

1. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt eine Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen – auch überdurchschnittlichen Sachen – in exorbitanter Weise abheben.

2. Zur besonderen Schwierigkeit eines Strafverfahrens, das wegen der aufgeworfenen Rechtsfragen insbesondere zur Verwertbarkeit sowie der tatsächlichen, durch Sachverständigengutachten zu bewertenden Umstände auch besonders schwierig war.

3. Bei der Zuerkennung einer Pauschgebühr hat sich das OLG – vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalles – grundsätzlich an den Höchstgebühren, die ein Wahlverteidiger für den entsprechenden Verfahrensabschnitt geltend machen könnte, zu orientieren.

Folgendes ist anzumerken:

Ob das OLG Celle richtig liegt, kann man m.E. bezweifeln. Maßgeblich sind für eine Pauschgebühr doch die Umstände des jeweiligen Verfahrens. Die sind maßgeblich und nicht irgendwelche anderen Staatsschutzverfahren. Damit hat hier zwar nur ein Hauptver-handlungstermin stattgefunden. Aber das reduziert doch die grundsätzliche Einarbei-tungszeit des Pflichtverteidigers nicht. Daher passt die Argumentation, worauf in anderen „Staatsschutzverfahren“ abgestellt wird, nicht.

Ob die Entscheidung des OLG München richtig ist, kann man – wie leider so oft – ohne genaue(re) Kenntnis der konkreten Umstände des Verfahrens nicht beurteilen. Für mich nicht verständlich ist allerdings, warum das OLG nicht eingehender zur Frage der Gewährung einer Pauschgebühr für Sitzungstage, an denen nicht der Pflichtverteidiger, sondern andere Rechtsanwälte teilgenommen hatten, Stellung nimmt. Die angeführte Begründung, ein Son-deropfer sei hier weder in der Person des Pflichtverteidigers, noch in den Personen der ande-ren Rechtsanwälte erkennbar, ist nichts sagend und lässt m.E. die Einzelheiten außer Betracht. Dies gilt um so mehr, weil ja aufgrund der Abtretung etwaiger Gebührenansprüche der Vertre-ter an den Pflichtverteidiger dieser im Zweifel die Terminsgebühren, um die es geht, als gesetz-liche Gebühren geltend gemacht hat und sich nun auf die Pauschgebühr anrechnen lassen muss, ohne dass die fraglichen Termine in die Berechnung der Pauschgebühr einfließen.

Auch OLG Schleswig lässt sich nicht abschließend beurteilen, da sich im Grunde überhaupt keine Einzelheiten des Verfahrens aus dem Beschluss entnehmen lassen.

Zutreffend ist es allerdings, wenn das OLG Celle und das OLG München auf eine ausreichende(re) Begründung des Pauschgebührantrags abstellen. Ohne die geht es nicht. Das ist übrigens ja auch in dem OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 02.07.2024 – 2 ARs 12/24 – und dem dazu ergangenen BVerfG, Beschl. v. 08.08.2024 – 1 BvR 1680/24 -, die ich heute morgen vorgestellt habe (vgl. Keine Pauschgebühr für den entbundenen Pflichti?, oder: OLG Frankfurt und BVerfG irren mal wieder) angeklungen.

 

 

Haft I: Verspätete Vorführung ==> Aufhebung des HB?, oder: Zwar rechtwidrig, aber Aufhebung nicht zwingend

entnommen wikimedia.org
Urheber Sebastian Terfloth User:Sese_Ingolstadt

Heute gibt es hier dann einen Hafttag.

Den beginne ich mit dem OLG Celle, Beschl. v. 26.09.2024 – 2 Ws 257/24 – zur Frage, ob die verspätete Vorführung eines Beschuldigten (§ 115 StPO) zur Aufhebung des Haftbefehls führt. Die Frage ist ja in Rechtsprechung und Literatur nicht unstreitig. Das OLG sagt: Das ist nicht zwingend. Es hat seine Auffassung umfangreich begründet. Ich verweise wegen der Einzelheiten auf den verlinkten Beschluss. Hier stelle ich nur den Leitsatz ein. Der lautet:

Die gegen §§ 115 Abs. 1 und 2, 115a Abs. 1 StPO verstoßende Vorführung des auf Grund eines bestehenden Haftbefehls vorläufig festgenommenen Beschuldigten vor das ortsnächste Amtsgericht anstelle des zuständigen Gerichts sowie die anschließende Unterlassung der vom Beschuldigten beantragten und nach § 115a Abs. 3 StPO gebotenen unverzüglichen Vorführung vor das zuständige Gericht und ihre Nachholung erst nach längerer Zeit (hier: über 2 Monate) führen nicht zwingend zur Aufhebung des Haftbefehls. Je nach Lage des Einzelfalls kann es bei fortbestehendem dringenden Tatverdacht, weiterhin anzunehmendem Haftgrund und Verhältnismäßigkeit im Übrigen ausreichen, die Rechtswidrigkeit der vom Beschuldigten seit der Verhaftung bis zur Nachholung der Vorführung vor das zuständige Gericht erlittenen Untersuchungshaft festzustellen und die vorausgegangenen Verfahrensverstöße durch die nachgeholte Vorführung für die Zukunft als geheilt anzusehen.