Schlagwort-Archive: Urteilsgründe

OWi III: Vorgaben für standardisiertes Messverfahren?, oder: Nachweis durch Messbeamten

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Und dann zur Abrundung des Tages noch der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.08.2023 – 2 ORbs 37 Ss 506/23 – zur Bedeutung des Messprotokolls für die Anwendung der Grundsätze des standardisierten Messverfahrens.

Dazu das OLG:

„Dabei kann letztlich dahingestellt bleiben, ob die zur Geltendmachung eines – aus einer angeblich fehlenden Unterzeichnung des Messprotokolls abgeleiteten – Beweisverwertungsverbots erforderliche Verfahrensrüge (BGH NStZ 2019, 171) in einer den Anforderungen der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise ausgeführt ist, wobei im Hinblick auf die erhobene Sachrüge auch die Ausführungen in den Urteilsgründen ergänzend zu berücksichtigen sind (BGH NStZ-RR 2013, 352 mw.N.). Denn die Beanstandung erweist sich ungeachtet der Frage, ob es über die geleisteten Unterschriften hinaus einer weiteren Unterzeichnung des Messprotokolls bedurft hätte, als jedenfalls unbegründet. Beim Messprotokoll handelt es sich um in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Verfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, die keine Vernehmung zum Gegenstand haben (OLG Hamm ZfS 2014, 651). Ob die beurkundete Durchführung der Ermittlungshandlungen tatsächlich stattgefunden hat, ist eine Frage der allgemeinen Beweiswürdigung. Dies kann sich aus der Urkunde selbst, aber auch aus anderen Umständen ergeben. Vorliegend hat sich das Amtsgericht durch die Vernehmung der die maßgeblichen Untersuchungshandlungen durchführenden Beamtin von der Richtigkeit der Eintragungen im Messprotokoll überzeugt. Dies ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.“

Verkehrsrecht III: Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Dichtes Auffahren des Hintermannes

Und als dritte Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 02.08.2023 – 3 ORbs 158/23 – 122 Ss 71/23. Am Aktenzeichen erkennt man, dass die Entscheidung ein OWi-Verfahren betrifft.

Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Die Polizei Berlin hat mit Bußgeldbescheid v gegen den Betroffenen wegen einer innerörtlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 38 km/h (erlaubt: 50 km/h) eine Geldbuße von 260 Euro verhängt und ein einmonatiges Fahrverbot angeordnet. Dagegen der Einspruch. Das AG hat dann in seinem Urteil nur eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 25 km/ für erwiesen angesehen. In der Beweiswürdigung heißt es insoweit:

„Auf dem Tatvideo ist zu erkennen, dass der Betroffene zunächst gleichbleibend mit einer Geschwindigkeit von etwa 75 Stundenkilometern auf der äußerst rechten Fahrspur fährt, als ein in der mittleren Fahrspur fahrendes Klein-fahrzeug in dem Moment in die rechte Fahrspur wechseln wollte, als sich der Betroffene mit seinem Fahrzeug auf Höhe dieses Fahrzeugs befand, musste das Kleinfahrzeug ruckartig in die mittlere Fahrspur zurücklenken und der Betroffene sein Fahrzeug kurz abbremsen. Dabei ist zu erkennen, dass das messende Polizeifahrzeug so dicht auf den vom Betroffenen geführten PKW auffährt, dass zwar noch das Kennzeichen zu erkennen ist, nicht jedoch der untere hintere Karosserieabschluss des Fahrzeugs des Betroffenen. Nach einem Abbremsen beschleunigte der Betroffene dann das Fahrzeug und fährt über die mittlere in die äußerst linke Fahrspur ein, wobei er das Fahrzeug stark beschleunigt. Ebenfalls ist auf dem Tatvideo zu erkennen, dass die Beschleunigung vom Messwert 1.540 bis 1.600 Meter andauert und der Betroffene sodann die von ihm gefahrene Geschwindigkeit verringert, ohne das Fahrzeug abzubremsen. Während des Spurwechsels von der äußerst rechten in die äußerst linke Fahrspur und eine kurze Fahrtstrecke auf der äußerst linken Fahrspur verringert sich der Abstand des hinterherfahrenden Fahrzeugs nicht. Erst als der Betroffene das Fahrzeug ohne Abbremsung des Fahrzeugs die Geschwindigkeit verringert und schließlich in die äußerste rechte Fahrbahn wechselt, wird der Abstand zum Polizeifahrzeug deutlich größer.“

Dagegen die Rechtsbeschwerder der Amtsanwaltschaft, die beim KG Erfolg hatte:

„1. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils enthalten keinerlei Ausführungen zur inneren Tatseite. Ob sich dies im hier gegebenen Fall einer innerorts fahrlässig begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung bereits als durchgreifender und zur Aufhebung des Urteils führender Rechtsfehler erweist, kann offenbleiben. Denn auch die Beweiswürdigung ist unzureichend.

2. So stehen die Feststellungen im Widerspruch zu den erhobenen Beweisen. Während es bei den Feststellungen heißt, der Betroffene habe die zulässige Geschwindigkeit „um 25 Stundenkilometer“ überschritten, heißt es bei der Beweiswürdigung, der Betroffene habe, ausgehend von einer Geschwindigkeit von 75 km/h, noch „weiter beschleunigt“ (UA S. 3). Bei den Feststellungen, jedenfalls aber bei der Beweis-würdigung, müsste sich somit der über 75 km/h liegende Wert finden, den das Amtsgericht für objektiv erwiesen erachtet. Dies gilt auch für den Fall, dass das Amtsgericht diesen Wert für „nicht vorwerfbar“ (UA S. 4) hält. Denn nur, wenn die vom Betroffenen tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit mitgeteilt wird, kann das Rechtsbeschwerdegericht die Würdigung des Tatrichters überprüfen, ob der Wert auch „vorwerfbar“ ist.

3. Auch bleibt gänzlich unklar, auf welcher Grundlage das Amtsgericht zum Ergebnis gekommen ist, dass der Betroffene die zulässige Geschwindigkeit um – nur – 25 km/h überschritten hat. Aus der Beweiswürdigung ergibt sich, dass der Betroffene von einem Polizeifahrzeug verfolgt worden ist; offenbar ist die Geschwindigkeit also durch Nachfahren bestimmt worden.

a) Das Amtsgericht teilt nicht mit und nimmt für seine schriftlichen Urteilsgründe da-mit nicht in Anspruch, dass die Geschwindigkeit durch ein zugelassenes und geeichtes Messgerät bestimmt worden ist. Dem Urteil ist weder die Bezeichnung eines bestimmten Messverfahrens zu entnehmen noch die Veranschlagung eines bei diesem Messverfahren angezeigten Toleranzabzugs. Die Beweiswürdigung kann damit auch die Vereinfachungen, die für standardisierte Messverfahren gelten (vgl. zuletzt BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2023 – 2 BvR 1167/20 – [juris]), nicht beanspruchen. Die Beweise müssen somit in einer Weise dargelegt und gewürdigt werden, die es dem Rechtsbeschwerdegericht erlaubt, die Überzeugungsbildung des Tatgerichts nachvollziehen (vgl. Senat DAR 2015, 99). Dies ist hier nicht geschehen.

b) Die Beweiswürdigung enthält schon keine Angaben zur Messstrecke. Zwar ist der rechtlichen Würdigung zu entnehmen, dass es eine „Gesamtmessstrecke von ca. 1.600 Metern“ (UA S. 4) gegeben habe. Allerdings enthält das Urteil keine konsistenten Angaben zu dem vom verfolgenden Polizeifahrzeug während des gesamten Messvorgangs eingehaltenen Abstand (vgl. zum sog. Verfolgungsabstand grundlegend Senat DAR 2015, 99). Die Beweiswürdigung enthält lediglich eine kurze Sequenz dazu, dass das Polizeifahrzeug einmal dicht aufgefahren sei und dass sich der Abstand später „nicht verringert“ habe (UA S. 3). Zur Höhe des festgestellten Bruttowerts, also dem auf dem Tachometer des Polizeifahrzeugs abgelesenen Wert, verhält sich das Urteil ebenso wenig wie zum abgezogenen Toleranzwert. Auch ver-schweigt das Urteil, ob der Tacho des verfolgenden Fahrzeugs geeicht war, was in aller Regel von Bedeutung für den zu veranschlagenden Toleranzabzug ist. Die An-forderungen an einen durch Nachfahren gewonnen Nachweis der Geschwindigkeit verfehlt das Urteil damit auf ganzer Linie.

4. Fehl geht auch die im Rahmen der rechtlichen Würdigung dargestellte Überlegung, eine – möglicherweise tatsächlich festgestellte, aber im Urteil nicht belegte – Geschwindigkeitsüberschreitung von 38 km/h sei dem Betroffenen „nicht vorzuwerfen“, weil „diese lediglich über eine Geschwindigkeit [gemeint offenbar: Strecke] von nicht einmal 200 Metern bei einer Gesamtmessstrecke von ca. 1600 Metern andauerte“ und der Betroffene sich bedrängt gefühlt habe (UA S. 5). Möchte das Amtsgericht hier andeuten, der Betroffene sei mit der erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitung um 38 km/h wegen dichten Auffahrens des nachfolgenden Polizeifahr-zeugs gerechtfertigt oder entschuldigt, so hat es nicht nur das äußere Geschehen aufzuklären und darzustellen, sondern auch die subjektive Seite mitzuteilen und zu erörtern. Denn einen Rechtssatz, eine Annäherung des nachfolgenden Fahrzeugs erlaube eine – zumal drastische – Missachtung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, gibt es nicht. Hält das Amtsgericht eine Geschwindigkeitsüberschreitung gleich-wohl für „nicht vorwerfbar“, so hat es die konkreten Umstände in tatsächlicher Hin-sicht darzustellen und in rechtlicher Hinsicht einzuordnen. Dies gilt umso mehr, als hier wohl die Überschreitung um 25 km/h für „vorwerfbar“ gehalten wird, nicht aber die überschießenden 13 km/h. Im Übrigen lassen weder die Feststellungen noch die Beweiswürdigung einen örtlichen, zeitlichen oder gar inneren Zusammenhang zwischen einem „dichten“ Auffahren des Polizeifahrzeugs und der erheblichen Geschwindigkeit des Betroffenen erkennen.“

Und dann – unschön für den Betroffenen – noch:

„5. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben, und die Sache ist zu neuer Ver-handlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Informatorisch teilt der Senat mit, dass die Messung hier offenbar mit einem als standardisiert anerkannten Messverfahren (ProVida mit Auswertung durch ViDistA, vgl. Senat VRR 2022, Nr. 3 [Volltext bei juris]) vorgenommen wurde und die festgestellte Durchschnittsgeschwindigkeit über 271 Meter 88 km/h betrug. Bereits bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40% kommt, sofern nicht besondere Umstände eine ab-weichende Wertung veranlassen, regelmäßig nur Vorsatz in Betracht (ständige Rspr. des Senats, vgl. zuletzt VRR 2019, Nr. 8 [Volltext bei juris] m. Anm. Krenberger, jurisPR-VerkR 2/2020 Anm. 5).“

StGB III: Widerstand durch Festkleben auf der Straße, oder: Das hätte das KG gern in den Urteilgründen

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Ich hatte heute Morgen zwar geschrieben, dass es heute drei StGB-Entscheidungen vom BGH gibt. Nun, ist dann doch nicht so. Ich habe das Programm umgestellt.

Ich bin nämlich im Laufe des Tages auf den KG, Beschl. v. 16.08.2023 – 3 ORs 46/23 – 161 Ss 61/23 – gestoßen und möchte den dann doch heute sofort bringen. Denn es geht um eine Frage, die die Gerichte ja in der letzten Zeit vermehrt beschäftigt hat. Und dazu gibt es bisher wenig obergerichtliche Rechtsprechung, nämlich zur Frage des Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte bei Festkleben auf Fahrbahn. Dazu dann also jetzt das KG:

Das AG hat die Angeklagte am 12.01.2023 wegen „gemeinschaftlich begangener“ Nötigung in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu einer zu einer Geldstrafe verurteilt. Das AG istvon folgenden Feststellungen ausgegangen:

„Nach den getroffenen Feststellungen beteiligte sich die ledige Angeklagte, die Studentin ist und eine Halbwaisenrente in unbekannter Höhe bezieht, von 8:00 bis 9:40 Uhr auf dem Autobahnzubringer A 111 im Bereich K.-Damm/H.Damm in B. an einer Straßenblockade der Gruppierung „Aufstand der letzten Generation“, bei der sich sie und drei weitere Personen aufgrund eines zuvor gefassten gemeinsamen Tatplans auf die Fahrbahn der viel befahrenen Straße setzten, um so die auf der Straße befindlichen Fahrzeugführer bis zur Räumung der Blockade durch Polizeibeamte an der Fortsetzung ihrer Fahrt zu hindern. Wie von ihr beabsichtigt, kam es aufgrund der Blockade bis zu deren Auflösung zu einer erheblichen Verkehrsbeeinträchtigung in Form eines ca. 60 Minuten andauernden Rückstaus zahlreicher Fahrzeuge über mehrere hundert Meter. Zur Erschwerung der erwarteten polizeilichen Maßnahmen zur Räumung der Blockade befestigte sie zeitgleich ihre rechte Hand mit Sekundenkleber auf der Fahrbahn, so dass die Polizeibeamten sie erst nach Lösung des Klebstoffs, die eine bis eineinhalb Minuten in Anspruch nahm, von der Straße tragen konnten.“

Das KG hat aufgehoben. Ihm reicht die Beweiswürdigung des AG nicht:

 „Auf der Grundlage dieses Maßstabs erweist sich das angefochtene Urteil als lückenhaft. Denn ihm ist nicht zu entnehmen, worauf das Amtsgericht seine Annahme gestützt hat, die Angeklagte habe sich auf der Fahrbahn festgeklebt, um die erwartete polizeiliche Maßnahme zur Räumung der Blockade zu erschweren (UA S. 2). Dies ist weder den mitgeteilten Zeugenaussagen noch dem mitgeteilten Inhalt des Geständnisses zu entnehmen. Dass es glaubhaft sei, weil es dem “aktenkundigen Ermittlungsergebnis” (UA S. 3) entspreche, und die Angeklagte es „uneingeschränkt“ abgelegt habe (UA S. 6), führt zu keiner anderen Betrachtung, weil das bloße Abgleichen des Geständnisses mit der Aktenlage keine hinreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung darstellt (vgl. BGH NStZ 2023, 57 m.w.N.). Als allgemeinkundig kann der Umstand, die Angeklagte habe sich festgeklebt, um die Räumung durch die Polizei zu erschweren, nicht angesehen werden (zur Allgemeinkundigkeit vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2018 –  3 StR 508/17 -. juris; LG Berlin, Urteil vom 18. Januar 202 – (518) 237 Js 518/22 Ns (31/22) -, juris). Dazu hätte es weiterer Ausführungen bedurft.“

Und dann gibt es noch folgende „Anmerkungen“:

„3. Da bereits der unter 1. dargelegte Rechtsfehler zur Aufhebung des Urteils führt, kam es zwar auf das weitere Rügevorbringen der Angeklagten nicht mehr an, der Senat merkt aber dazu folgendes an:

a) Auch die auf die Verwerflichkeitsprüfung beziehende Beweiswürdigung erweist sich als lückenhaft. Das Amtsgericht hat seine Schlussfolgerung (durch wörtliche – kommentarlose – Wiedergabe einer etwa sechs Monate vor Beginn der Hauptverhandlung verfassten staatsanwaltlichen Verfügung), die Tat der Angeklagten sei verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB, auf die “teilweise Dringlichkeit der blockierten Transporte” und auf den Umstand gestützt, dass die Aktion unangekündigt gewesen sei (UA S. 5). Unklar bleibt allerdings, auf welcher tatsachenbegründeten Beweiswürdigung diese Schlussfolgerung beruht; auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Feststellungen dazu enthält das Urteil nicht. Diese ergeben sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe.

Zwar stützt sich das Amtsgericht zur Begründung der Höhe des einzelnen Tagessatzes auf lückenhafte Feststellungen. Denn es hat ausgeführt, die Höhe des einzelnen Tagessatzes gemäß § 40 Abs. 2 StGB geschätzt zu haben, verschweigt aber, auf welcher tatsächlichen Grundlage es die Schätzung vorgenommen hat; die Mitteilung, die Angeklagte sei Studentin und beziehe eine Halbwaisenrente, lässt keine konkreten Rückschlüsse auf die Höhe des Einkommens zu. Allerdings hält es der Senat für ausgeschlossen, dass die als Studentin in L. lebende Angeklagte über ein unter 600,- Euro liegendes Einkommen verfügt, weswegen sie dieser Rechtsfehler nicht beschwert……

5. Zur weiteren Sachbearbeitung weist der Senat auf Folgendes hin:

„a) Grundsätzlich kommt eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 Abs. 1 StGB auch dann in Betracht, wenn sich der Täter bereits vor Beginn der Vollstreckungshandlung auf der Fahrbahn mit Sekundenkleber o.ä. festklebt, um die von ihm erwartete alsbaldige polizeiliche Räumung der Fahrbahn nicht nur unwesentlich zu erschweren.

aa) Das Festkleben auf der Fahrbahn, um das Entfernen von dort zu verhindern oder zu erschweren, kann als Gewalt im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB qualifiziert werden; es ist in seiner physischen Wirkung dem Selbstanketten (vgl. dazu BVerfGE 104, 92; OLG Stuttgart NStZ 2016, 353) vergleichbar. Hier wie dort liegt eine durch tätiges Handeln bewirkte Kraftentfaltung vor, die gegen den Amtsträger gerichtet und geeignet ist, die Durchführung der Vollstreckungshandlung zu verhindern oder zu erschweren (vgl. BGHSt 18, 133, 134; NStZ 2023, 108; 2013, 336). Dass Polizeibeamten das durch Festkleben entstandene physische Hindernis durch Geschicklichkeit – hier unter Verwendung eines Lösungsmittels – zu beseitigen in der Lage sind, steht dem Merkmal der Gewalt nicht grundsätzlich entgegen und nimmt dem Vollstreckungsbeamten nicht ohne weiteres die körperliche Spürbarkeit (vgl. zu diesem Merkmal BGHSt 65, 36 m.w.N.) des Widerstands (a.A. LG Berlin, Beschluss vom 20. April 2023 – 503 Qs 2/23 -, juris). Ob das Festkleben im konkreten Einzelfall als gewaltsamer Widerstand gegen eine Diensthandlung im Sinne von § 113 Abs.1 StGB zu qualifizieren ist, bedarf allerdings der Abwägung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. zu § 240 StGB Senat DAR 2022, 393). Hierbei sind auch Umfang und Dauer der zur Überwindung des Hindernisses erforderlichen Mittel in den Blick zu nehmen und vom Tatgericht zumindest in Grundzügen – wie es das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung noch ausreichend getan hat – darzulegen. Der Umstand, dass die Polizeibeamten nach den getroffenen Feststellungen eine bis eineinhalb Minuten benötigten, um die Angeklagte von der Fahrbahn zu lösen, ist ein gewichtiges Indiz, dass im vorliegenden Fall für die Annahme von Gewalt im Sinne von § 113 Abs. 1 StGB spricht.

bb) Ebenso wenig steht einer Strafbarkeit nach § 113 Abs. 1 StGB entgegen, dass die Widerstandshandlung (hier durch Festkleben auf der Fahrbahn) bereits vor Beginn der Vollstreckungshandlung (Entfernen der Demonstranten von der Fahrbahn) vorgenommen wurde. Zur Verwirklichung des objektiven Tatbestands genügt es, wenn der Täter gezielt eine Widerstandshandlung vornimmt, die bei Beginn der Vollstreckungshandlung noch fortwirkt (vgl. BGHSt 18, 133; OLG Stuttgart NStZ 2016, 353). Um ein gezieltes Verhalten des Täters vom bloßen Ausnutzen eines bereits vorhandenen Hindernisses abzugrenzen, muss allerdings in derartigen Fallgestaltungen der Wille des Täters dahin gehen, durch seine Tätigkeit den Widerstand vorzubereiten (vgl. BGH a.a.O.). Das Tatgericht hat deshalb dahingehende Feststellungen zu treffen, ob sich der Täter (zumindest auch) festgeklebt hat, um sich der von ihm erwarteten polizeilichen Räumung zu widersetzen.

c) Um den Schluss ziehen zu können, dass eine Nötigung verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB ist, bedarf es einer einzelfallbezogenen Würdigung aller Tatumstände. Das kommentarlose Einrücken von Textpassagen – hier einer etwa sechs Monate vor der Hauptverhandlung verfassten staatsanwaltlichen Verfügung – genügt dem nicht und ist vielmehr geeignet, das Vertrauen der Bürger in das Bemühen der Gerichte um Gewährung von Einzelfallgerechtigkeit nachhaltig zu beschädigen.

Um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Verwerflichkeit zu ermöglichen, hat das Tatgericht in den Urteilsgründen eine tragfähige Entscheidungsgrundlage darzulegen. Das Gericht wird zumindest folgende Gesichtspunkte zu beachten und dazu die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben:

  • Ankündigung der geplanten Blockade/ Anmeldung der Demonstration,

  • Dauer der Blockade,

  • eine präzise Beschreibung des Tatorts, wobei hinsichtlich der Einzelheiten auch gemäß 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf Lichtbilder, Tatortskizzen, Kreuzungspläne und dergleichen mehr verwiesen werden kann,

  • Art und Ausmaß der Blockade, insbesondere die Länge des Staus, sowie etwaige Ausweichmöglichkeiten für die Kraftfahrer vor der blockierten Fahrbahn,

  • die Motive der Angeklagten, insbesondere auch dazu, warum sie sich festgeklebt hat,

  • Zweck/Zielrichtung der Demonstration.“

OWi III: Kein Fahrverbot nach langem Zeitablauf, oder: Wenn man beim OLG die Akten nicht gelesen hat

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Und als dritte Entscheidung dann noch etwas vom OLG Frankfurt am Main. nämlich den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 24.07.2023 – 3 Ss OWi 1316/22.

Vorab: Ergangen isz der Beschluss nach einem – vorsichtig ausgedrückt – ein wenig unüblichen Verfahrensverlauf, der der einsendende Kollege wie folgt schildert:

„Zum Hintergrund 2-3 Sätze.

Die GStA schloss sich in ihrer Stellungnahme dem Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag der Verteidigung an.

Das OLG FfM verwarf sodann die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Zur Begründung verwies es auf die überzeugenden Ausführungen der GStA in ihrer Stellungnahme (die aber eben die Aufhebung des Urteils beantragt hatte). Eine weitere Begründung gab es nicht.

Ich erhob sodann Gehörsrüge, mit dem Argument, dass die Entscheidung des OLG FfM und ihre Begründung widersprüchlich seien, da die GStA gerade nicht die Verwerfung der Rechtsbeschwerde beantragt hatte, sondern der Rechtsbeschwerde Erfolg attestierte.

Hierauf erging ein Berichtigungsbeschluss des OLG FfM. Die Rechtsbeschwerde „blieb“ als unbegründet verworfen. Der Hinweis auf die Stellungnahme der GStA wurde ersatzlos gestrichen und der Zurückweisungsbeschluss wurde dann (eben) überhaupt nicht begründet. Der Berichtigungsbeschluss wurde erlassen, da der ursprüngliche Beschluss unter einer offensichtlichen Unrichtigkeit litt, der jederzeit korrigiert werden könnte.

Ich erhob erneut Gehörsrüge, da nunmehr der Zurückweisungsbeschluss des OLG FfM gar keine Begründung mehr enthielt.

Das OLG FfM hat der Gehörsrüge dann stattgegeben und auf die Rechtsbeschwerde das angefochtene Urteil aufgehoben und zurückverwiesen.“

Kommentar: Da hatte wohl jemand die Akten nicht gelesen und ist nach dem Motteo verfahren: Das machen wir doch immer so. Das Verwerfen :-). Warum man dann aber nicht sofort die Kurve bekommt…… Denn:

Das OLG hat schließlich das AG-Urteil, das den Betroffenen wegen einer 2019 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 480,- EUR verurteilt und ein Fahrverbot von zwei Monaten verhängt hat, im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben:

„Die Rechtsbeschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 30. Januar 2023 verworfen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs.

Der Antrag auf Nachholung des rechtlichen Gehörs ist begründet, da der Senat seine Entscheidung vom 30. Januar 2023 nicht begründet hatte, obwohl die Generalstaatsanwaltschaft auf die erhobene Sachrüge hin beantragt hatte, den Rechtsfolgenausspruch aufzuheben und die Sache zu neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bad Hersfeld zu verweisen.

Der Senat hat daher in der Sache neu entschieden.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 341 StPO) und fristgerecht begründete (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat – wie aus dem Tenor ersichtlich —hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs einen vorläufigen Erfolg. Im Übrigen ist die Rechtsbeschwerde unbegründet……

3. Hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs deckt das Urteil auf die Sachrüge hin einen Rechtsfehler auf. Die Urteilsgründe leiden an einem Erörterungsmangel:

Das Amtsgericht hat sich im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung in seinen Urteilsgründen nicht damit auseinandergesetzt, ob ein Fahrverbot trotz des Zeitablaufes zwischen Tatbegehung und Urteil von mehr als zwei Jahren noch seinen erzieherischen Zweck erfüllen kann. Auf diesen Erörterungsmangel beruht das Urteil.

a) Nach allgemeiner Auffassung kann grundsätzlich als gerechtfertigt angesehen werden, von der Verhängung eines Fahrverbotes abzusehen, wenn die Tat lange zurückliegt, die Verzögerung nicht dem Betroffenen anzulasten ist und der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat (siehe BayObLG Beschluss vom 09.10.2003 —1 ObOWi 270/03, juris Rn. 10; OLG Bamberg, Beschluss vom 16.07.2008 — 2 Ss OWi 835/08, juris Rn. 10 f.; OLG Celle, Beschluss vom 23.12.2004 – 211 Ss 145/04 (OWi), juris Rn. 18 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 08.02.2005 —Ss (OWi) 32/05, juris Rn. 17; OLG Hamm, Beschluss vom 24.01.2012 — III-3 RBs 364/11, juris Rn. 9; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 31.03.2014 — Ss (B) 18/2014 (15/14 OWi), juris Rn. 17).

Grundlage dieser Argumentation ist, dass das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion hat und als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.11.1991 —4 StR 366/91, juris Rn. 30, BGHSt 38,125; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 30.12.2020 — 1 OLG 53 Ss-OWi 630/20), deren Verhängung bei langer Verfahrensdauer wegen des Zeitablaufes allein oder zusammen mit anderen Umständen nach der gebotenen Einzelfallprüfung als nicht mehr geboten angesehen werden könnte.

b) Aus den Urteilsgründen geht hervor, dass die Tat am 21.10.2019 begangen wurde und das Urteil am 19.07.2022 ergangen ist; die Tat liegt somit deutlich mehr als zwei Jahre zurück. Den Urteilsgründen ist aber eine Prüfung, ob das Fahrverbot wegen dem Zeitablauf ganz zu entfallen hat, oder ob es lediglich zu mildern ist oder ob andere Umstände nach wie vor die Notwendigkeit der Verhängung eines Fahrverbotes erforderlichen machen, nicht zu entnehmen. Andere Umstände können auch darin zu sehen sein, dass ein Betroffener bzw. sein Verteidiger durch sein prozessuales Verhalten zu einem erheblichen Teil zu einer Verfahrensverzögerung beigetragen hat, indem er etwa mehrfach eine Verlegung des Hauptverhandlungstermins veranlasst oder Verfahrensakten nicht rechtzeitig zurückgibt und darin eine Verzögerungstaktik liegt. Denn in diesem Fall hat der Betroffene die lange Verfahrensdauer selbst zu vertreten und es ist ihm verwehrt, sich bei der Prüfung der Frage eines Absehens von der Verhängung eines Fahrverbotes auf den langen Zeitablauf zu berufen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.11.2014 — 2 Ss-OWi 1030/14; OLG Frankfurt am Main -2 Ss-OWi 48/06-; Brandenburgisches Oberlandesgericht a.a.O.; OLG Hamm NZV 2004, 600).

Der Erörterungsmangel zwingt zur Aufhebung des Fahrverbotes. Anders als in der aufgehobenen Entscheidung folgt der Senat nunmehr im Verfahren nach § 33a StPO der Auffassung des 2. Strafsenates, wonach es dem Rechtsbeschwerdegericht im Ordnungswidrigkeitsverfahren versagt ist, eigenständig die Ursachen für eine lange Verfahrensdauer festzustellen, sondern es der Darlegung in den Urteilsgründen bedarf (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.11.2014 — 2 Ss-Owi 1030114). Da keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen worden sind, konnte der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden.

c) Aufgrund der Wechselwirkung zwischen der — vom Amtsgericht festgesetzten erhöhten – Geldbuße und dem Fahrverbot war das angefochtene Urteil im gesamten Rechtsfolgenausspruch aufzuheben.“

OWi I: Hier mal wieder Fortbildung durch das OLG, oder: Die Grundsätze der Lichtbildidentifizierung

Heute will ich dann mal wieder drei OLG-Entscheidungen zu OWi-Fragen vorstellen, die bei mir in den letzten Tagen eingetrudelt sind. Alle drei Entscheidungen enthalten aber nichts Neues, sondern behandeln Fragen, die in der Rechtsprechung der OLG schon länger geklärt sind.  Was mich bei solchen Entscheidungen immer wundert, ist der Umstand, dass diese „alte“ Rechtsprechung offenbar aber nicht bei allen AG angekommen bzw. dort bekannt ist, ich will nicht behaupten, dass man sie kennt, aber nicht beachtet.

Ein „schönes“ Beispiel ist der gleich die erste Entscheidung, der OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.07.2023 – 1 ORBs 77/23. Das AG hat den Betroffenen wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 600,00 EUR verurteilt und ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die beim OLG Erfolg hat. Dem OLG reichen die Ausführungen des AG zur Täteridentifizierung nicht:

„Das zulässige Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge (jedenfalls vorläufig) Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die zugleich erhobene Verfahrensrüge nicht bedarf. Das Urteil unterliegt der Aufhebung, weil die Beweiswürdigung zur Identität des Betroffenen mit dem bei Begehung des Verkehrsverstoßes abgelichteten Fahrzeugführer lückenhaft ist und deshalb revisionsrechtlicher Überprüfung nicht standhält.

1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts soll der Betroffene am mit einem PKW der Marke pp. statt der mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach Abzug der an-zurechnenden Toleranz mit einer Geschwindigkeit von 172 km/h befahren haben. Seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen stützt das Amtsgericht auf folgende Erwägungen:

„Auf den Lichtbildern Seiten I, II und 1 ist das vom System PoliScan Speed gemachte Foto zu sehen, auf dem der PKW und der Fahrzeugführer gut zu erkennen sind. Der Auswerterahmen des Messgeräts liegt ordnungsgemäß auf der Front des Fahrzeuges auf und erfasst sowohl das Kennzeichen, als auch einen Teil der Fahrbahn. Auf der Ausschnittsvergrößerung, auf der der Fahrzeugführer zu erkennen ist, war der Betroffene zwanglos als Fahrzeugführer zu erkennen. Hohe Stirn, rundes Gesicht, relativ große Ohren sind die Kennzeichen, die der Fahrzeugführer aufweist, aber auch der Betroffene. Der Betroffene war für den erkennenden Richter so eindeutig zu identifizieren, dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu nicht bedurfte.“

Zur Sache selbst heißt es im Rahmen der Beweiswürdigung weiter:

„Nach dem in der Hauptverhandlung verlesenen Messprotokoll Blatt 3 der Akten, wurde die Messstelle ordnungsgemäß eingerichtet und es ergaben sich keine Be-sonderheiten. Nach der Übersicht der zur Tatzeit geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung auf der variablen Anzeige Blatt 4 der Akten waren zur Tatzeit 100 km/h an der Messstelle erlaubt, wie auch sonst die gesamte Zeit, was die Frage aufwirft, welchen Sinn eigentlich die variable Anzeige hat. Das Gerät war jedenfalls geeicht., Blatt 5 der Akten, in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen. Eine Dienstanweisung zur Einrichtung der Messstelle gab es auch, Blatt 6 der Akten, in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen. Die Standorte der Verkehrszeichen ergeben sich aus der Aufstellung Blatt 7 der Akten, in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen, danach gab es ein Verkehrszeichen in Höhe des Kilometers 90.3 und in Höhe des Kilometers 89,2, der Standort des Messgeräts, war dann in Höhe des Kilometers 87.982. Das ist in Ordnung.”

2. Die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen lassen nicht in der erforderlichen Weise erkennen, ob das Amtsgericht sich rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Betroffenen überzeugt hat.

a) Zwar hat über die Frage der Identifizierung eines Betroffenen als die auf dem Messfoto abgebildete Person allein der Tatrichter zu entscheiden. Indes müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Messfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (BGHSt 41, 376, 382).

Zur Erfüllung dieser Anforderungen kann der Tatrichter in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG wegen der Einzelheiten verweisen. Die Verweisung muss deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (BGH a. a. 0.; OLG Düsseldorf NZV 1994, 202; Thür. OLG NZV 2008, 165). Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüberhinausgehende Ausführungen zur konkreten Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto — weil es die einzelnen Gesichtszüge erkennen lässt — zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist (BGHSt 41, 376, 383; Thür. OLG a.a.O.).

Sieht der Tatrichter hingegen von der die Abfassung der Urteilsgründe erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er – wie hier – die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale auflistet. Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. Das Urteil muss dann Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere ldentifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Rechtsbeschwerdegericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung dessen Ergiebigkeit ermöglicht wird (BGHSt 41, 376, 384 f.).

b) Gemessen an diesen Grundsätzen genügt das Urteil den Darlegungserfordernissen nicht. Es enthält weder eine wirksame Bezugnahme auf die in den Akten befindliche Kopie des Radarfotos im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG noch eine Beschreibung, die dem Senat die Prüfung ermöglicht, ob diese Kopie für eine Identifizierung geeignet ist.

c) Die Bezugnahme auf ein Radarfoto muss in den Urteilsgründen deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (BGHSt 41, 376, 382). Das muss nicht in *der Weise geschehen; dass die Vorschrift des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO angeführt und ihr Wortlaut verwendet wird, obwohl sich dieses Vorgehen als die kürzeste und deutlichste Form der Verweisung aufdrängt (Senat NZV 2007, 254, 255); OLG Hamm NStZ-RR 1998, 238 jeweils m.w.N.). Den Gründen muss aber eindeutig zu entnehmen sein, dass nicht nur der Vorgang der Beweiserhebung beschrieben, sondern durch die entsprechenden Ausführungen das Foto zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht werden soll (Senat a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.).

Hier verweist das angefochtene Urteil weder ausdrücklich auf § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, noch verwendet es den Wortlaut dieser Vorschrift. Den Gründen kann auch sonst nicht entnommen werden, dass das Foto durch Bezugnahme Teil der Urteilsurkunde sein soll. Die bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten — hier: „Seiten 1, II und 1″ — reicht dazu in der Regel nicht aus (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. [2023], § 267 Rn. 8 m.w.N.). Zwar mag im Einzelfall aus der Angabe der Blattzahl darauf geschlossen werden können, dass der Tatrichter das Rechtsmittelgericht dazu auffordern wollte, sich durch die Betrachtung der an entsprechender Stelle zu findenden Abbildung einen eigenen Eindruck zu verschaffen, weil die Angabe der Fundstelle sonst keinen Sinn machen würde (so BGH Beschluss vom 28. Januar 2016 — 3 StR 425/15). Ein solches Bewusstsein kann dem Tatrichter aber nicht unterstellt werden, wenn — wie im angefochtenen Urteil — auch die Fundstellen einer Vielzahl in der Hauptverhandlung verlesener Urkunden angegeben werden, die keinesfalls durch Bezugnahme Bestandteil der Urteilsgründe werden können.

d) Die Ausführungen zum Vergleich des Betroffenen mit der auf dem Lichtbild abgebildeten Person sind für den Senat nicht nachvollziehbar, weil sie sich in einer Aufzählung dreier wenig markanter, vom Tatrichter für übereinstimmend erachteter physiognomischer Merkmale erschöpfen, im Übrigen aber weder Aufschluss über die Bildqualität geben noch die erforderliche ausführliche Beschreibung der auf dem Foto erkennbaren IdentifizierungsMerkmale der abgelichteten Person enthalten.

Aufgrund dieser nur lückenhaften Ausführungen vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Verurteilung des Betroffenen zu Recht erfolgt ist.“

Also kleine Fortbildung des OLG in Sachen Identifizierung anhand eines Lichtbildes. Und zur Ablehnung von Beweisanträgen wegen Verspätung legt das OLG dann noch einen drauf:

„4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich ergänzend darauf hin, dass auch die mit der Verfahrensrüge beanstandete Behandlung des Beweisbegehrens rechtlichen Bedenken begegnet.

Die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 77 Abs. 2 Nr. 2, § 244 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 StPO hat auch im Bußgeldverfahren durch begründeten Gerichtsbeschluss zu erfolgen, wobei sich die Begründung nicht auf eine Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken darf (BGH Beschl. v. 24.10.1979, NStZ 1981, 96 [Pf/M]; OLG Köln VRS 74, 372; 75, 119; VRS 88, 203). Mindestvoraussetzung ist, dass der Antragsteller über die zur Ablehnung führenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts aufgeklärt und dadurch in die Lage versetzt wird, die weitere Verfolgung seiner Rechte entsprechend einzurichten. (st. Rspr., vgl. etwa BGHSt. 19, 24, 26 = NJW 1963, 1788; BGH NStZ 1983, 568; OLG Düsseldorf NJW 1970, 625; OLG Köln VRS 39, 70; KG VRS 39, 434; OLG Koblenz VRS 52, 206). Darüber hinaus muss die Begründung auch so beschaffen sein, dass sie im Falle der Rechtsbeschwerde dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung der Entscheidung ermöglicht (BGHSt. 2, 284, 286 = NJW 1952, 714; BayObLG DAR 1974 187 [Rü]).

Bei der Zurückweisung eines Beweisantrages wegen verspäteten Vorbringens (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) ist im Beschluss zu begründen, weshalb nach Auffassung des Gerichts für die späte Antragstellung kein verständiger Grund vorliegt. Zur rechtlichen Überprüfung des Beschlusses ist in der Begründung auch mitzuteilen, in welchem Verfahrensstadium der Antrag gestellt worden ist. Schließlich muss der Beschluss darlegen, dass und weshalb eine Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde und dass diese Folge bei rechtzeitigem Vorbringen vermieden worden wäre.“

Vielleicht hat es ja geholfen…..