Schlagwort-Archiv: OLG Celle

Revision I: Revision des Insolvenzverwalters, oder: Revision/Rechtsmittel des Betreuers

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Heute gibt es dann einige Entscheidungen zur Rechtsmitteln. Die stammen weitgehend vom BGH.

Ich beginne hier mit zwei Entscheidungen zur Rechtsmittelberechtigung. Die Entscheidung des OLG Celle ist zwar nicht im Revisionsverfahren ergangen, die Ausführungen des OLG haben ggf. aber auch für die Revision Bedeutung.

Es handelt sich um folgende Entscheidungen:

Der Insolvenzverwalter ist grudnsätzlich nicht befugt, in eigenem Namen das Rechtsmittel der Revision einzulegen. Eine solche Befugnis kann sich nur dann ergeben, wenn er die Stellung eines Einziehungsbeteiligten oder Nebenbetroffenen erlangt hat (vgl. § 427 Abs. 1 Satz 1, § 438 Abs. 3).

1. Einem als gesetzlicher Vertreter bestellten Betreuer steht ein eigenes Recht zum Einlegen eines Rechtsmittels in einem Strafverfahren nur dann zu, wenn ihm die Vertretung des Betreuten in Strafverfahren ausdrücklich vom Betreuungsgericht als Aufgabenkreis übertragen wurde. Dies gilt auch nach der Reform des Betreuungsrecht und der damit verbundenen Stärkung des Enumerationsprinzips.

2. Die Übertragung des Aufgabenkreises „Rechts-/ Antrags- und Behördenangelegenheiten“ bewirkt ohne Bezug zu weiteren konkreten Aufgabenkreisen keine eigenständige Vertretungsbefugnis in Gerichtsverfahren nach § 1823 BGB.

 

 

StPO II: Noch einmal Klageerzwingungsantrag, oder: Keine bloße Aneinanderreihung von Akteninhalten

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Und als zweite Entscheidung dann der OLG Celle, Beschl. v. 05.06.2025 – 1 Ws 84/25 -, und zwar noch in einmal zu dem „Exoten“: Klageerzwingungsverfahren. Der Beschluss äußert sich – noch einmal – zu den Anforderungen an die Begründung des Antrags. Nach Auffassung des OLG entsprach der gestellte Antrag nicht den Anforderungen der Rechtsprechung in der Frage. Die sind – zugegeben – hoch, ob zu hoch, mag dahinstehen. Nur, wenn man sich schon ein Klageerzwingungsverfahren antut, dann sollte man die Anforderungen an die Antragsbegründung, die die OLG seit Jahren „rauf und runter beten“, auch beachten. Sonst kann/sollte man sich die Arbeit der Antragstellung gleich sparen.

Hier führt das OLG zur Verwerfung des Antrags noch einmal zur Begründung aus:

„1. Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muss die Antragsschrift nicht nur Angaben zur Fristwahrung und zur Verletzteneigenschaft des Antragstellers enthalten sowie den Gang des Ermittlungsverfahrens und den Inhalt der angefochtenen Bescheide der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft mitteilen, sondern insbesondere auch die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die sie belegenden Beweismittel angeben. Erforderlich ist dazu nach ständiger – verfassungsrechtlich unbedenklicher (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 28. November 1999 – 2 BvR 1339/98, NJW 2000, 1027; BVerfG, Beschluss vom 13. April 2016 – 2 BvR 1155/15; BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 2 BvR 2040/15) – Rechtsprechung der Oberlandesgerichte (z. B. Senatsbeschluss vom 17. März 2008 – 1 Ws 105/08, NJW 2008, 2202) eine aus sich selbst heraus verständliche, in sich geschlossene und vollständige Darstellung des Sachverhalts und der Beweismittel.

a) Die Darstellung muss so umfassend und vollständig sein, dass sie es dem Oberlandesgericht ermöglicht, allein aufgrund ihres Inhalts ohne zusätzliches Studium von Anlagen oder der Verfahrensakten eine Schlüssigkeitsprüfung dahin vorzunehmen, ob ein für die Erhebung der öffentlichen Klage hinreichender Tatverdacht vorliegt, also bei unterstellter Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen ein genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht. Die erforderliche Schilderung kann dabei nicht ganz oder teilweise durch eine Bezugnahme auf den Akteninhalt oder auf dem Antrag beigefügte Anlagen ersetzt werden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl. 2024, § 172 Rn. 27a ff. m. w. N.).

Dies bedeutet für den Antrag unter anderem, dass er zu den Umständen, die eine Anklageerhebung begründen könnten, auch diejenigen Umstände nicht verschweigen darf, die einen hinreichenden Tatverdacht zu Fall bringen könnten. Es müssen mithin regelmäßig auch solche im Ermittlungsverfahren gewonnenen Beweisergebnisse dargelegt werden, die einem hinreichenden Tatverdacht entgegenstehen können. Denn nur so wird der Senat in die Lage versetzt, ohne Rückgriff auf die Verfahrensakten zu beurteilen, ob bei unterstellter Richtigkeit der vorgetragenen Tatsachen hinreichender Tatverdacht besteht oder nicht (vgl. OLG Schleswig, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 1 Ws 203/12, NStZ 2013, 302; OLG Koblenz, Beschluss vom 21. Mai 2007 – 2 Ws 272/07, NStZ-RR 2007, 317. Siehe auch BVerfG, Beschluss vom 13. April 2016 – 2 BvR 1155/15; BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 2015 – 2 BvR 987/11, NJW 2015, 3500).

b) Ob der Antrag in diesem Sinne – durch Auslassung von entlastenden Ermittlungsergebnissen beziehungsweise Aussageinhalten – in relevantem Maße lückenhaft ist, hat der Senat allerdings grundsätzlich nicht unter eigener Auswertung des Akteninhalts, sondern im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Antragsschrift, namentlich der mit dieser zu referierende Bescheide der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft, zu beurteilen (BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 2 BvR 2040/15).

c) Im Hinblick auf den Zweck des Klageerzwingungsverfahrens, die sich aus dem Beschleunigungsgebot ergebenden Anforderungen sowie die damit verfolgten justizökonomischen Ziele gelten dabei die anerkannten und verfassungsrechtlich unbedenklichen Grundsätze zur begrenzten Zulässigkeit von Anlagenbezügen auch dann, wenn umfangreiche Schriftstücke oder Teile aus den Akten nicht als gesonderte Anlagen beigefügt, sondern – wie im vorliegenden Fall – direkt per Fotokopie oder auf andere technische Weise – in die Antragsschrift eingefügt werden.

Die Übertragung dieser Grundsätze auf eingefügte fotokopierte oder eingescannte Dokumente ist jedenfalls dann gerechtfertigt, wenn durch deren technische Einbindung lediglich erreicht wird, dass das Oberlandesgericht den für die Prüfung eines hinreichenden Tatverdachts relevanten Sachverhalt aus der formal einheitlichen Antragsschrift entnehmen muss  (vgl. Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 15.01.2016 – 1 Ws 181/15; OLG Hamm, Beschluss vom 16.12.2014 – III-1 Ws 521/14; OLG Celle, Beschluss vom 27.04.2010 – 2 Ws 102/10, jeweils juris; BVerfG Nichtannahmebeschluss v. 23.2.2021 – 2 BvR 1304/17, BeckRS 2021, 4125; OLG Hamm, Beschluss vom 14. März 2024 – 4 Ws 9/24 –, Rn. 7, juris; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 15.01.2016 – 1 Ws 181/15, juris), die tatsächlich aber keine eigenständige zusammenhängende Darstellung des Sachverhalts enthält, sondern lediglich Akteninhalte durch Einkopieren aneinanderreiht.

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze wird der Antrag diesen Grundsätzen nicht gerecht. Trotz des erheblichen Gesamtumfangs der 891 Seiten umfassenden Antragsschrift handelt es sich nicht um eine aus sich heraus verständliche und in sich geschlossene Darstellung, die es dem Senat ermöglicht, einen hinreichenden Tatverdacht zu beurteilen, ohne sich zuvor aus dem Gesamtkonglomerat der Antragsschrift den Sachverhalt eigenständig zusammenzustellen, der die Grundlage für die Prüfung des Tatverdachts gegen die Beschuldigten bilden könnte.“

Drei Entscheidungen zum elektronischen Dokument, oder: Signatur, Störung bei Gericht, StA-Berufung

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Und dann habe ich hier drei Entscheidungen zum beA und/oder dem elektronischen Dokument. Auch hier stelle ich nur die Leitsätze vor, und zwar:

Bei einfacher Signatur gem. § 130a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 ZPO muss die Namenswiedergabe so entzifferbar sein, dass sie von den Empfängern des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person als Verantwortlicher zugeordnet werden kann.

1. Die Störung des Intermediärs der Justiz stellt eine dem Verantwortungsbereich des Gerichts zuzuordnende Verhinderung des fristgerechten Zugangs von Schriftsätzen, die über das beA eingereicht werden müssen, dar.

2. Ist wegen einer technischen Störung auf Seiten der Justiz keine Kommunikation mit dem Gericht möglich, besteht wegen einer darauf beruhenden Fristversäumnis ein Wiedereinsetzungsgrund. Der Absender muss dann auch keine andere Art der Einreichung wählen.

3. Eine gesetzliche Pflicht zur fristgemäßen Ersatzeinreichung bei Vorliegen einer vorübergehenden technischen Störung lässt sich aus § 130 d S. 2 ZPO jedenfalls dann nicht ableiten, wenn die Störung – wie hier – nicht der Partei des Rechtsstreits, sondern dem Gericht zuzurechnen ist.

Werden die Akten – jedenfalls erstinstanzlich – elektronisch geführt werden, ist die Berufungseinlegungsschrift der Staatsanwaltschaft gemäß § 32b Abs. 3 Satz 2 StPO grundsätzlich als elektronisches Dokument zu übermitteln.

Vergütung des anthropologischen Sachverständigen, oder: Einordnung in die richtige Honorargruppe

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Und dann im zweiten Posting der schon etwas ältere OLG Celle, Beschl. v. 11.11.2024 – 2 Ws 302/24 – zur Vergütungshöhe beim anthropologischer Sachverständigen.

Folgender Sachverhalt: Das AG hat die frühere Angeklagte in einem gegen sie geführten Strafverfahren vom Tatvorwurf des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis freigesprochen. In dem Verfahren hatte das AG zwecks Feststellung, ob es sich bei der Fahrzeugführerin, die auf dem aktenkundigen Foto einer Geschwindigkeitsmessung abgebildet war, um die frühere Angeklagte handelte, einen anthropologischen Sachverständigen mit einem Vergleichsgutachten beauftragt. Nach Abschluss des Verfahrens reichte der Sachverständige eine Kostenrechnung hinsichtlich der von ihm erbrachten Leistungen ein. Das AG setzte die Vergütung des Sachverständigen gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf den geltend gemachten Gesamtbetrag i.H. von 1.653,94 EUR fest und legte hierbei einen Stundensatz i.H. von 120 EUR zugrunde. Die Höhe der Sachverständigenvergütung hat das AG gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 JVEG nach billigem Ermessen bestimmt und hat einen Stundensatz von 120 EUR als angemessen angesehen.

Dagegen hat die Bezirksrevisorin Beschwerde eingelegt. Sie hat einen Stundensatz von (nur) 90 EUR als angemessen angesehen. Das LG hat die Beschwerde der Bezirksrevisorin als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde des Bezirksrevisorin. Diese hatte – vorläufig – Erfolg:

„…..

Unter Zugrundelegung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs kann die Entscheidung des Landgerichts keinen Bestand haben.

a) Das Landgericht ist im Ausgangspunkt in Übereinstimmung mit der einhelligen Rechtsprechung (vgl. OLG Braunschweig, aaO; OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.02.2024 – 2 Ws 40/23 –, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 24.07.2023 – III 1 Ws 41/23 –, juris; KG, Beschl. v. 30.09.2016 – 1 Ws 37/16 –, juris; OLG Köln, Beschl. v. 04.08.2014 – 2 Ws 419/14 –, juris; jeweils mwN) zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Leistung eines Sachverständigen auf dem Gebiet der Anthropologie keiner der in Teil 1 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG genannten Sachgebiete und auch keiner der in Teil 2 der Anlage 1 aufgeführten Honorargruppen entspricht, so dass eine unmittelbare Anwendung der vom Gesetzgeber für diese Sachgebiete und Honorargruppen vorgesehenen Stundensätze nicht in Betracht kommt. Folgerichtig hat das Landgericht angenommen, dass die Vergütung der Leistungen eines anthropologischen Sachverständigen gemäß § 9 Abs. 2 JVEG nach billigem Ermessen zu bestimmen ist.

b) Das Landgericht ist indes im Rahmen der vorgenommenen Ermessensabwägung bzgl. der Höhe der Vergütung des im Ausgangsverfahren vom Amtsgericht Verden hinzugezogenen anthropologischen Sachverständigen rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass sich der zugrunde zu legende Stundensatz an dem vom Gesetzgeber für das Sachgebiet „grafische Leistungen“ in Teil 1 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG festgelegten Stundensatz zu orientieren hat.

Die Frage, wie der Stundensatz für die Vergütung eines anthropologischen Sachverständigen zu bestimmen ist, wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.

Teile der Rechtsprechung nehmen einen qualitativen Vergleich der Tätigkeit des anthropologischen Sachverständigen mit den Tätigkeiten in den in Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG aufgeführten Sachgebieten vor. Sie gehen dabei – wie auch das Landgericht im vorliegenden Fall – davon aus, dass die größten Überschneidungen mit dem Sachgebiet des „grafischen Gewerbes“ bestünden. Daher sei der für dieses Sachgebiet gesetzlich geregelte Stundensatz – aktuell 115 € – entsprechend anzuwenden (vgl. OLG Hamm, aaO; KG, aaO, unter Verweis auf die Rechtsprechung vor dem Inkrafttreten des 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes). Auf die Stundensätze der in Anlage 1 ebenfalls aufgeführten Honorargruppen M1 bis M3 könne nicht abgestellt werden. Denn anthropologische Vergleichsuntersuchungen würden weder medizinische Fachkenntnisse voraussetzen noch medizinische Fragestellungen zum Gegenstand haben. Die Honorargruppen M1 bis M3 seien jedoch nach dem Willen des Gesetzgebers ausschließlich medizinischen und psychologischen Sachverständigen vorbehalten (vgl. KG, aaO).

Das Oberlandesgericht Braunschweig hält eine einheitliche Vergütung für anthropologische Sachverständige hingegen für nicht möglich, da den von ihnen vorgenommenen Begutachtungen keine standardisierten Untersuchungsmethoden zugrunde liegen würden. Die zu erbringenden Leistungen würden von der jeweiligen Begutachtungsmaterie abhängen und ihr Umfang sowie ihr Schwierigkeitsgrad je nach den Umständen des Einzelfalls wesentlich voneinander abweichen. Es seien Fälle denkbar, in denen eine Zuordnung zu einem der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG aufgeführten Sachgebiete sachgerecht erscheine; ebenso aber auch Fälle, in denen eine Zuordnung zu einer der in der Anlage 1 genannten Honorargruppen M1 bis M3 gerechtfertigt sein könne (vgl. OLG Braunschweig, aaO).

Das Oberlandesgericht Köln knüpft hingegen an die Regelung in § 9 Abs. 2 S. 1 JVEG an, wonach Sachverständigentätigkeiten, die in keinem der in der Anlage 1 zu

§ 9 Abs. 1 S. 1 JVEG aufgeführten Sachgebieten aufgeführt sind, nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der außergerichtlich und außerbehördlich allgemein vereinbarten Stundensätze zu vergüten seien. Zwar gebe es für die Tätigkeiten von anthropologischen Sachverständigen keinen freien Markt. Es könne jedoch auf den von der Justiz herausgebildeten „internen Marktwert“ abgestellt werden. Für hauptberuflich tätige anthropologische Sachverständige sei der gesetzlich festgelegte Stundensatz für das in der genannten Anlage 1 aufgeführte Sachgebiet „grafisches Gewerbe“ zugrunde zu legen. Bei einer nur nebenberuflich ausgeübten Sachverständigentätigkeit sei hingegen auf die in Anlage 1 festgelegten Stundensätze für die Honorargruppen M1 bis M3 für medizinische und psychologische Sachverständige abzustellen (vgl. OLG Köln, aaO).

Der Senat schließt sich der vom OLG Frankfurt vertretenen Ansicht an, wonach sich die Höhe des Stundensatzes für einen gerichtlich hinzugezogenen anthropologischen Sachverständigen an den für die in der Anlage 1 aufgeführten Honorargruppen M1 bis M3 gesetzlich geregelten Stundensätzen für medizinische und psychologische Sachverständige zu orientieren hat. Das OLG Frankfurt stützt sich insoweit zutreffend auf den in den Gesetzesmaterialien zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers. Er habe ausdrücklich empfohlen, den Stundensatz für einen Anthropologen aus den Honorargruppen M1 bis M3 zu entnehmen, wobei im Hinblick auf die von den Umständen des Einzelfalls abhängigen unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade anthropologischer Vergleichsgutachten für die Auswahl der konkreten Honorargruppe ein Spielraum verbleibe (vgl. OLG Frankfurt, aaO, unter Hinweis auf BT-Drs. 17/11472, S. 355). Dieser Erwägung tritt der Senat bei. Der Ansicht des OLG Frankfurt ist auch deshalb der Vorzug zu geben, weil es für die gemäß § 9 Abs. 2 S. 1 JVEG nach billigem Ermessen zu bestimmende Vergütung von Sachverständigentätigkeiten, die von keinem der in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG aufgeführten Sachgebiete erfasst werden, nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht primär auf die Qualifikation oder auf die Vergleichbarkeit der konkreten Tätigkeit mit den Tätigkeiten anderer Sachverständiger ankommt, sondern auf die marktübliche Vergütung der Tätigkeit. Denn der Gesetzgeber hat die Stundensätze für die Sachverständigen aus den in der genannten Anlage 1 aufgeführten Sachgebieten auf der Basis einer umfangreichen Marktanalyse und in dem Bestreben neu bestimmt, ihre Stundensätze an die marktüblichen Vergütungen anzupassen (vgl. LG Hannover, Beschl. v. 25.06.2015 – 46 Qs 43/14 –, juris, unter Hinweis auf BT-Drs 17/11472, S. 145). Da es für die Tätigkeiten medizinischer oder psychologischer Sachverständiger jedoch keinen freien Markt gibt, hat der Gesetzgeber eigens für sie die Honorargruppen M1 bis M3 gebildet. Es erscheint daher folgerichtig, sich bei der Bestimmung der angemessenen Vergütung eines anthropologischen Sachverständigen, für dessen Tätigkeit es ebenfalls keinen freien Markt gibt, an den Honorargruppen M1 bis M3 zu orientieren und die konkrete Höhe im Einzelfall anhand von Art, Umfang und Schwierigkeitsgrad der jeweils erbrachten Leistung zu bestimmen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Empfehlung des Gesetzgebers, bei der Vergütung anthropologischer Sachverständiger auf die Stundensätze der Honorargruppen M1 bis M3 zurückzugreifen, sachgerecht (vgl. LG Hannover, aaO).

c) Im Ergebnis der vorstehenden Ausführungen erweist sich die vom Landgericht für die Vergütung von anthropologischen Sachverständigen generell befürwortete und auch im vorliegenden Streitfall vorgenommene schematische Zugrundelegung des in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 S. 1 JVEG für das Sachgebiet „grafisches Gewerbe“ vorgesehenen Stundensatzes als rechtsfehlerhaft. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Die Sache war zu neuer Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen. Denn zu der gemäß

§ 9 Abs. 2 S. 1 JVEG zu treffenden Ermessensentscheidung über die Festsetzung der Vergütung von Sachverständigentätigkeiten, die von keinem der in der Anlage 1 aufgeführten Sachgebiete erfasst werden, ist das Landgericht berufen.“

Solche Entscheidungen tangieren den Angeklagten/Betroffenen einmal im Hinblick auf die Frage, in welcher Höhe ggf. eine Sachverständigenvergütung für ein eingeholtes Privatgutachten erstattet wird (dazu u.a. LG Chemnitz, Beschl. v. 3.7.2018 – 2 Qs 241/18; LG Wuppertal Beschl. v. 8.2.2018 – 26 Qs 214/17 ; AG Konstanz, Beschl. v. 22.05.2024 – OWi 52 Js 22028/22). Ist der Angeklagte/Betroffene hingegen verurteilt und sind ihm gem. § 465 StPO die Kosten des Verfahrens auferlegt worden, ist die Höhe von Sachverständigenvergütung für den Angeklagten/Betroffenen von Bedeutung, wenn er von der Staatskasse auf „Erstattung“ von dieser gezahlter Sachverständigenhonorare in Anspruch genommen wird. Daher sollte man als Rechtsanwalt/Verteidiger immer auch solche Entscheidungen wie die des OLG Celle und die dort erwähnte Rechtsprechung anderer OLG im Auge haben, um ggf. damit argumentieren zu können.

Revision III: Rügen in Zusammenhang mit Sky-ECC-Chat, oder: Verspätete Absetzung des Urteils

Und dann habe ich in diesem Posting noch einmal etwas zur Begründung der Revision, und zwar ausreichende Begründung von Verfahrensrügen (des Verteidigers.

Dazu weise ich zunächst hin auf den BGH, Beschl. v. 09.10.2024 – 2 StR 182/24 – , in dem es u.a. auch um die ausreichende Begründung von Verfahrensrügen in Zusammenhang mit Sky-ECC-Chats geht. Dazu der BGH:

„Mit ihren Verfahrensbeanstandungen kann die Revision nicht durchdringen.

1. Die Rüge, die frühzeitige Vernehmung des Ermittlungsführers der Polizei verstoße „gegen §§ 250, 261 StPO sowie den Grundsatz Fair Trial“, ist unbegründet. Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen steht im pflichtgemäßen richterlichen Ermessen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 58 Rn. 4; KK-StPO/Bader, 9. Aufl., § 58 Rn. 3, jeweils mwN). Dieses ist hier offensichtlich nicht verletzt.

2. Soweit die Revision eine „Aufklärungsrüge hinsichtlich Verwertbarkeit der Chat[s] aus SKY ECC“ erhebt, kann dahinstehen, ob die nur auszugsweise Wiedergabe eines Ablehnungsbeschlusses oder das Fehlen eines in diesem Ablehnungsbeschluss in Bezug genommenen Anwaltsschriftsatzes zur Unzulässigkeit der Rüge führt. Die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Aus den Gründen des Beschlusses der Strafkammer vom 5. Juni 2023, mit dem sie den Antrag auf „Vervollständigung der Chats“ und auf Beiziehung der „originalen“ Rohdaten zur Akte abgelehnt hat, musste sich die Strafkammer nicht zu weiteren Ermittlungen dazu gedrängt sehen, ob die französischen Behörden verfahrensrelevante Daten zurückhalten und diese auf erneute Aufforderung zu erlangen gewesen wären. Anhaltspunkte dafür, dass einzelne für das Verfahren relevante Chats aus den „Originaldaten“ zurückgehalten oder inhaltlich verändert worden waren, sind auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens nicht ersichtlich. Eine sachgerechte Verteidigung war dem Angeklagten möglich.

3. Zu der „Aufklärungsrüge hinsichtlich Übersetzungen der verschiedenen Chats“ und der „Rüge der fehlerhaften Bescheidung des Beweisantrags hinsichtlich Eurojust und Kenntnis der deutschen Vertreter bzgl. franz. Verfahren SKYECC“, befindet sich zwar eine ausreichend lesbare Revisionsbegründung in der Hauptakte, so dass § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügt ist.

Ohne Rechtsfehler hat die Strafkammer aber den Antrag auf Neuübersetzung der SkyECC-Chats zurückgewiesen. Wie das Landgericht die Überzeugung vom Übereinstimmen der Übersetzung mit den fremdsprachigen Chatnachrichten gewann, blieb ihm nach Maßgabe der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) überlassen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. November 2018 – 3 StR 339/18; vom 13. Februar 2019 – 2 StR 485/18, Rn. 10). Die von der Revision angeführten „exemplarischen Übersetzungsfehler“ boten keinen Anlass für die Beiziehung weiterer Übersetzer, zumal die Strafkammer den Einwänden der Verteidigung auch durch Einvernahme der beteiligten Dolmetscher nachgegangen war.

Die Bewertung des Antrags auf Einvernahme deutscher Vertreter bei Europol und Eurojust als Beweisermittlungsantrag ist ebenso rechtsfehlerfrei wie die Annahme des Landgerichts, dass auch die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) vor dem Hintergrund der bereits erhobenen Beweise deren Einvernahme nicht gebiete.

4. Auch soweit die Revision eine fehlerhafte Bescheidung eines Beweisantrags „hinsichtlich der Kenntnis des deutschen Vertreters“ bei Eurojust rügt, befindet sich eine ausreichend lesbare Revisionsbegründung in der Hauptakte. Die Rüge ist gleichwohl unzulässig, weil die Revision versäumt, mit der Rüge den vom beanstandeten Ablehnungsbeschluss in Bezug genommenen weiteren Beschluss der Strafkammer vorzulegen (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Die Rüge wäre auch unbegründet, da die Strafkammer zu Recht von einem Beweisermittlungsantrag ausgegangen ist, dem nachzugehen die Aufklärungspflicht nicht drängte.

5. Die Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO wegen der Verwertung von SkyECC-Chats ist unzulässig. Die Revision versäumt es, die zur Begründung des – in einem Verwertungswiderspruch geltend gemachten – Verwertungsverbots in Bezug genommenen Dokumente (ein Haftbefehl, der aufgehoben worden sein soll, die Europäischen Ermittlungsanordnungen, ein französischer Beschluss „vom 16.12.2020″) vorzulegen. Damit sind die den geltend gemachten Verstoß enthaltenden Tatsachen nicht so vollständig und so genau dargelegt, dass dem Senat allein auf Grund dieser Darlegung die Prüfung möglich wäre, ob der Verfahrensmangel festzustellen ist, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen sind oder bewiesen werden.“

Und als zweite Entscheidung dann noch der auch nicht mehr ganz „taufrische“ OLG Celle, Beschl. v. 25.11.2024 – 2 ORs 127/24 – zur ausreichenden Begründung der Revision, mit der eine Verletzung des § 338 Nr. 7 geltend gemacht wird, also verspätete Absetzung des Urteils. Dazu das OLG:

1. Die Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 7 i.V.m. § 275 Abs. 1 S. 2 StPO ist in der Regel zulässig erhoben, wenn der Beschwerdeführer das Datum der Urteilsverkündung, die Zahl der Haupt-verhandlungstage, den Fristablauf und den Eingang der schriftlichen Urteilsurkunde bei der Geschäftsstelle mitteilt.

2. Solange die Akten noch in Papierform geführt werden, geschieht die von § 275 Abs. 1 S. 5 StPO verlangte Dokumentation des Eingangs der vollständigen Urteilsgründe üblicherweise durch den Vermerk der Geschäftsstelle auf der Urteilsurschrift; angesichts dessen bedarf es für eine den Anforderungen gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügende Verfahrensrüge der Verlet-zung der Urteilsabsetzungsfrist über die Benennung des Eingangsvermerks der Geschäftsstelle hinaus nur dann der Mitteilung eines aktenkundigen richterlichen Vermerks, wenn dieser sich zu dem Umstand verhält, dass das unterschriebene Urteil „auf den Weg zur Geschäftsstelle“ verbracht wurde und insoweit einen vom Eingangsvermerk abweichenden, früheren Zeitpunkt benennt.