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OWi II: Fahreridentifizierung anhand eines Lichtbildes, oder: Noch einmal ein Ordnungsruf an das AG

Im zweiten Posting dann der OLG Oldenburg, Beschl. v. 23.10.2023 – 2 ORBs 168/23 – mit einer Problematik, die früher ein Dauerbrenner war, heute allerdings in der Rechtsprechung keine große Rolle mehr spielt. Nämlich Fahreridentifizierung anhand eines Lichtbildes und Anforderungen an die Urteilsgründe.

Hier musste das OLG – trotz der Klärung dieser Frage in der Rechtsprechung – doch noch einmal eine AG „zur Ordnung rufen“. Das führt dann dazu, dass das OLG die Grundsätze der Rechtsprechung sehr schön zusammengefasst hat:

„Die Rechtsbeschwerde ist vom rechtsunterzeichnenden Einzelrichter zur Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung zugelassen worden, da die Urteilsgründe im Hinblick auf die Identifizierung des Betroffenen als Fahrzeugführer der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht gerecht werden.

Insoweit wird verwiesen auf die grundlegende Entscheidung BGHSt 41, 376 ff:

„Daraus folgt für die Anforderungen an die Urteilsgründe: Diese müssen so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen.

aa) Diese Forderung kann der Tatrichter dadurch erfüllen, dass er in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug nimmt. Aufgrund der Bezugnahme, die deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht sein muß (Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 42. Aufl. § 267 Rdn. 8; vgl. auch BayObLG NZV 1995, 163, 164), wird das Lichtbild zum Bestandteil der Urteilsgründe. Das Rechtsmittelgericht kann die Abbildung aus eigener Anschauung würdigen (Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 267 Rdn. 10) und ist daher auch in der Lage zu beurteilen, ob es als Grundlage einer Identifizierung tauglich ist (vgl. OLG Celle VM 1985, 53; OLG Stuttgart VRS 77, 365; OLG Karlsruhe DAR 1995, 337).

Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüber hinausgehende Ausführungen zur Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto – wie etwa ein (Front-) Radarfoto, das die einzelnen Gesichtszüge erkennen lässt – zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist. Es bedarf weder einer Auflistung der charakteristischen Merkmale, auf die sich die Überzeugung von der Identität mit dem Betroffenen stützt, noch brauchen diese Merkmale und das Maß der Übereinstimmung beschrieben zu werden. Solche Ausführungen wären auch überflüssig und ohne Wert: Die Überprüfung, ob der Betroffene mit dem abgebildeten Fahrer identisch ist, steht dem Rechtsmittelgericht ohnehin nicht zu und wäre ihm zudem unmöglich. Als Grundlage für die Überprüfung der generellen Ergiebigkeit des Fotos könnten Beschreibungen der Abbildung dem Rechtsmittelgericht keine besseren Erkenntnisse vermitteln, als sie ihm aufgrund der – durch die Bezugnahme ermöglichten – eigenen Anschauung zur Verfügung stehen.

Daraus, dass § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO eine Verweisung nur „wegen der Einzelheiten“ erlaubt, folgt nicht, dass der Tatrichter auch im Falle der Bezugnahme die abgebildete Person (nach Geschlecht, geschätztem Alter, Gesichtsform und weiteren, näher konkretisierten Körpermerkmalen) zu beschreiben habe. Mit der Beschränkung der Verweisungsbefugnis auf „die Einzelheiten“ will das Gesetz sicherstellen, dass die Schilderung des „Aussagegehalts“ der in Bezug genommenen Abbildung nicht ganz entfällt; die Urteilsgründe müssen aus sich selbst heraus verständlich bleiben (LR-Gollwitzer StPO 24. Aufl. § 267 Rdn. 11). In den hier zu beurteilenden Fallgestaltungen – Foto aus einer Verkehrsüberwachung – reicht es dazu aber aus, wenn das Urteil mitteilt, dass es sich bei dem in Bezug genommenen Lichtbild um ein – nach Aufnahmeort und -zeit näher bezeichnetes – Radarfoto (Foto einer Rotlichtüberwachungsanlage usw.) handelt, das das Gesicht einer männlichen oder weiblichen Person zeigt. Weitere Angaben sind, um den Verständniszusammenhang zu wahren, nicht erforderlich (OLG Stuttgart VRS 77, 365). Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die vom vorlegenden Oberlandesgericht angeführte Entscheidung vom 4. September 1979 – 5 StR 445/79 (bei Pfeiffer NStZ 1981, 296) – betrifft nicht den Fall einer Bezugnahme auf Lichtbilder gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO. Auch das Urteil vom 20. November 1990 – 1 StR 588/90 (BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 3 Verweisung 1) – verhält sich nicht dazu, wie der Begriff „Einzelheiten“ im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist.

Ist das Foto – etwa aufgrund schlechterer Bildqualität (z.B. erhebliche Unschärfe) oder aufgrund seines Inhalts – zur Identifizierung eines Betroffenen nur eingeschränkt geeignet, so hat der Tatrichter zu erörtern, warum ihm die Identifizierung gleichwohl möglich erscheint. Dabei sind um so höhere Anforderungen an die Begründung zu stellen, je schlechter die Qualität des Fotos ist. Die – auf dem Foto erkennbaren – charakteristischen Merkmale, die für die richterliche Überzeugungsbildung bestimmend waren, sind zu benennen und zu beschreiben.

bb) Sieht der Tatrichter hingegen von der die Abfassung der Urteilsgründe erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale auflistet. Vielmehr muß er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. In diesem Fall muß das Urteil Ausführungen zur Bildqualität (insbesondere zur Bildschärfe) enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Rechtsmittelgericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung der Ergiebigkeit des Fotos ermöglicht wird. Die Zahl der zu beschreibenden Merkmale kann dabei um so kleiner sein, je individueller sie sind und je mehr sie in ihrer Zusammensetzung geeignet erscheinen, eine bestimmte Person sicher zu erkennen. Dagegen muß die Beschreibung um so mehr Merkmale umfassen, wenn die geschilderten auf eine Vielzahl von Personen zutreffen und daher weniger aussagekräftig sind. Umstände, die eine Identifizierung erschweren können, sind ebenfalls zu schildern.“

(BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95 –, BGHSt 41, 376-385, Rn. 21 – 26)

Das Amtsgericht hat betreffend die Identifizierung aber weder auf das Messfoto verwiesen, so dass es dem Senat nicht zugänglich ist, noch hat es das Foto in einer Art und Weise beschrieben, dass dem Senat allein anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei der Betrachtung des Fotos die Prüfung ermöglicht worden wäre, ob das Foto generell zur Identifizierung geeignet ist. Weder die Qualität des Messfotos, noch die Feststellung des Amtsgerichtes, auf dem Messfoto sei keine x-jährige Person zu erkennen, ist für den Senat damit überprüfbar. Der Hinweis auf das Messfoto auf Seite 4 Abs. 3 der Urteilsgründe ist im Zusammenhang mit den Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung erfolgt und angesichts der auch im Übrigen verwendeten Klammerzusätze „(Bl. …d.A.)“, die auch Urkunden betreffen, als Verweis ungeeignet.“

Die GStA hatte gemeint, es reiche ein Hinweis an das AG auf die ständige Rechtsprechung des OLG. Das sieht das OLG aber im Hinblick auf den BVerfG, Beschl. v. 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14 – anders. Daher Zulassung der Rechtsbeschwerde und (Teil)Aufhebung.

OWi II: Wer hat den Pkw gefahren?, oder: Anthropologisches Identitätsgutachten im Urteil

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Zu den Klassikern im Owi-Recht gehören Entscheidungen, die sich mit den Anforderungen an die Urteilsgründe in den Fällen der Identifizierung des bestreitenden Betroffenen als Fahrer zum Vorfallszeitpunkt anhand eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes befassen. Das habe ich dann mal wieder eine, nämlich den OLG Koblenz, Beschl. v. 31.05.2021 – 3 OWi 32 SsBs 97/21, der Stellung nimmt zum Umfang der Darlegungspflicht bei Verwertung eines anthropologischem Identitätsgutachten im Urteil. Dem OLG haben die Ausführungen des AG nicht gereicht:

„Zunächst lässt sich vorliegend die Sacheinlassung des Betroffenen dem Urteil noch hinreichend entnehmen. In der Beweiswürdigung wird darauf eingegangen, dass der Betroffene pauschal auf Dritte als potentielle Nutzer verwiesen, mithin die Fahrereigenschaft abgestritten hat.

Mit Blick auf die erfolgte Fahreridentifizierung hat das Tatgericht – insoweit rechtsfehlerfrei – auf das Lichtbild ausdrücklich gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. zwar einen geminderten Schärfe- und Kontrastgrad aufweist, es die einzelnen Gesichtszüge und -konturen der abgebildeten Person aber im Wesentlichen – mit Ausnahme von Haaransatz und Stirn des Fahrers, die nur teilweise zu sehen sind – erkennen lässt. Das Messbild ist daher trotz der benannten Einschränkungen in der Bildqualität zur Fahreridentifizierung geeignet. In Ansehung dieser Einschränkungen hat der Tatrichter sich auch nicht allein auf die Verweisung nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG beschränkt, sondern daneben Ausführungen dazu getätigt, welche Identifizierungsmerkmale er zur Beurteilung der Identität des Betroffenen mit dem abgebildeten Fahrzeugführer herangezogen hat. Daneben wurde nachvollziehbar zur Haltereigenschaft (Firma, hinter der der Betroffene steht) als hinzutretendes Indiz für die Fahrereigenschaft ausgeführt.

Ergänzend hat das Amtsgericht ein Sachverständigengutachten zu der Frage eingeholt, ob der Betroffene die Person auf dem genannten Messbild ist. Misst das Tatgericht – wie vorliegend – einem Sachverständigengutachten Beweisbedeutsamkeit bei, so muss es die Ausführungen des Sachverständigen in einer (wenn auch gerade in Bußgeldsachen nur gedrängt) zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen wenigstens insoweit wiedergeben, als dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner gedanklichen Schlüssigkeit erforderlich ist. Dies gilt insbesondere, wenn es sich, wie hier bei einem anthropologischen Identitätsgutachten, nicht um eine standardisierte Untersuchungsmethode (vgl. KG Berlin, Beschl. 3 Ws (B) 11/18 v. 26.01.2018 <Rn. 44 n. juris m.w.N.>), bei der sich die Darstellung im Wesentlichen auf die Mitteilung des Ergebnisses des Gutachtens beschränken kann (vgl. OLG Zweibrücken, Beschl. 1 OWI 2 Ss Bs 98/17 v. 29.01.2018 – BeckRS 2018, 3979 <Rn. 10 m.w.N.>), handelt. Erforderlich ist in diesem Fall vielmehr eine verständliche und in sich geschlossene Darstellung der dem Gutachten zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen, der wesentlichen Befundtatsachen und der das Gutachten tragenden fachlichen Begründung; die bloße Aufzählung der mit einem Lichtbild übereinstimmenden morphologischen Merkmalsprägungen eines Betroffenen reicht dagegen nicht aus (vgl. OLG Bamberg, Beschl. 3 Ss OWi 180/08 v. 20.02.2008 <Rn. 10 n. juris>; OLG Celle, Beschl. 222 Ss 124/02 (OWi) v. 17.07.2002 – NZV 2002, 472). Enthält das anthropologisches Sachverständigengutachten – wie im vorliegenden Fall – keine Wahrscheinlichkeitsberechnung, so muss das Urteil, da den einzelnen morphologischen Merkmalen jeweils eine unterschiedliche Beweisbedeutung zukommt, Ausführungen dazu enthalten, welchen der festgestellten Übereinstimmungen – gegebenenfalls in Kombination mit anderen festgestellten Merkmalen – eine besondere Beweisbedeutung zukommt, das heißt, welche Aussagekraft der Sachverständige den Übereinstimmungen zumisst und wie er die jeweilige Übereinstimmung bei der Beurteilung der Identität gewichtet hat (vgl. OLG Koblenz, Beschl. 2 OWi 6 SsBs 210/20 v. 31.08.2020; 2 OWi 6 SsBs 67/20 v. 25.03.2020; 1 OWi 6 SsBs 59/19 v. 29.04.2019; KG Berlin, a.a.O. <Rn. 45 n. juris m.w.N.>). Soweit der Sachverständige im Rahmen seiner Gutachtenerstattung zudem (weitere) Lichtbilder in sein Gutachten einbezogen hat, muss prozessordnungsgemäß (auch) auf diese verwiesen werden (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.).

Diesen Anforderungen wird das angegriffene Urteil nicht gerecht.

Das Amtsgericht beschränkt sich letztlich auf die Bezugnahme einer schlichten Aufzählung derjenigen Merkmale, bezüglich derer es selbst Übereinstimmungen zwischen dem Betroffenen und dem Messbild festgestellt hat. „Auch aufgrund“ dieser Merkmale (“gesamte Kopf- und Gesichtsform, die weit auseinanderstehenden Augen, die relativ breite Nasenwurzel, die insgesamt relativ gerade Nase mit rundlicher Nasenspitze und etwas weiter nach unten gezogener linker Nasenhälfte sowie mittelgroßen, hinten geraden, oben runden Ohren“) soll die Sachverständige nach den Urteilsausführungen zu der Einschätzung gelangt sein, dass die Person auf dem Messbild „sehr wahrscheinlich“ mit dem Betroffenen identisch sei. Hiernach bleibt schon offen, wie viele bzw. ob die Sachverständige weitere Merkmale („auch“) benannt hat und wenn ja welche, die eine – wie hohe (weitere) – Übereinstimmung begründen oder auch solche, die eher dagegen sprechen. Darüber hinaus verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, mit welchem Gewicht die Sachverständige die einzelnen benannten Merkmale in die Gesamtbewertung der Identitätswahrscheinlichkeit eingestellt hat. Es kann nicht nachvollzogen werden, ob die Sachverständigen das Wahrscheinlichkeitsprädikat allein aufgrund der Anzahl der als übereinstimmend identifizierten Merkmale vergeben hat oder ob und weshalb einzelne Merkmale von besonderer Individualität und damit Aussagekraft gewesen sind. Im Übrigen verhält sich das Urteil zu dem von der Sachverständigen im Rahmen zu Vergleichszwecken gefertigten und im Rahmen ihrer Begutachtung als Anlage zum Protokoll gereichten Lichtbild des Betroffenen nebst digitaler Ausschnittsvergrößerung des Messbildes nicht, insbesondere erfolgt hierauf keine Bezugnahme gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG. Dem Beschwerdegericht ist es nach alledem nicht möglich, die Schlüssigkeit des von der Sachverständigen gefundenen Ergebnisses nachzuprüfen…“

OWi II: Zur Identifizierung geeignetes Lichtbild, oder: Verdeckter Stirnbereich

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Die zweite Entscheidung, die ich vorstelle, befasst sich noch einmal mit den Anforderungen an ein zur Identifizierung des Fahrers ausreichendes Lichtbild. – letztlich auch ein verkehrsrechtlicher Dauerbrenner. Im KG, Beschl. v. 18.06.2019 – 3 Ws (B) 186/19 – nimmt das KG (kurz) Stellung zur Geeignetheit eines Lichtbildes, auf dem der Stirnbereich der abgebildeten Person durch eine Kappe verdeckt war.

Dem AG hatte das Bild genügt, dem KG genügt es auch:

Ob ein Lichtbild die Feststellung zulässt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist, hat dem folgend allein der Tatrichter zu entscheiden (BGH NJW 1979, 2318). Der freien Beweiswürdigung durch den Tatrichter sind indessen auch hinsichtlich der Identifizierung eines Betroffenen Grenzen gesetzt. So kann sich die Überzeugungsbildung hinsichtlich der Identifizierung durch Vergleich mit dem Erscheinungsbild des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen anhand eines unscharfen oder das Gesicht des Fahrers nur zu einem geringen Teil abbildenden Fotos als willkürlich erweisen (vgl. BGH NJW 1996, 1420). Die Urteilsgründe müssen vor diesem Hintergrund so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (vgl. BGH NJW 1996, 1420). Insoweit reicht die deutlich und zweifelsfrei (BGH NStZ-RR 2016, 178) zum Ausdruck gebrachte Bezugnahme auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in den Urteilsgründen aus, um dem Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen, die Abbildung aus eigener Anschauung zu würdigen.

Das Amtsgericht hat diesen Maßstäben entsprechend durch genaue Bezeichnung der Seitenzahlen in der Akte die in Bezug genommenen Lichtbilder zum Inhalt des Urteils gemacht. Ferner hat es sich hinreichend mit der Ergiebigkeit der Lichtbilder auseinandergesetzt, indem es sowohl die Qualität der Aufnahmen in Bezug auf deren Schärfe als auch den Umstand gewürdigt hat, dass das Gesicht der auf den Fotos erkennbaren männlichen Person durch das Tragen einer Kappe im Stirnbereich zum Teil verdeckt war. Dies berücksichtigend kommt das Gericht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu der Überzeugung, dass die Lichtbilder den Betroffenen zeigen, was es unter Darlegung und Beschreibung verschiedener Identifikationsmerkmale  (wie Gesichtszüge, Gesichtsform, Ausformung und Verlauf der Augenbrauen, Erscheinungsbild der Mund- und Nasenpartie) ausführlich begründet. Allein der Umstand, dass der Stirnbereich auf dem Foto durch eine Kappe verdeckt ist, führt nicht zur generellen Ungeeignetheit des Bildes zur Fahreridentifizierung (vgl. Senat, Beschluss vom 6. August 2018 – 3 Ws (B) 168/18 -, juris m.w.N.). Die zum Inhalt der Urteilsurkunde gemachten Lichtbilder erweisen sich auf dieser Grundlage als zur Identifizierung geeignet, sodass Zweifel dahingehend, dass das Tatgericht anhand der Lichtbilder einen Vergleich auf Übereinstimmung der darauf abgebildeten Person mit dem äußeren Erscheinungsbild des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen vorzunehmen vermochte, nicht bestehen.“

„Ein sehr unscharfes, kontrastarmes und grob gekörntes Messfoto..“, oder: Das reicht nicht

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Ich habe den Eindruck, dass im Moment im straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren neben den Akteneinsichtsfragen und den sich mit standardisierten Messverfahren befassenden Entscheidungen die Fragen der Fahreridentifizierung anhand eines Lichtbildes eine große Rolle spielen. Dazu gibt es nämlich eine doch recht große Anzhal von Entscheidungen, die veröffentlicht/diskutiert werden. Dazu gehört auch der KG, Beschl. v. 01.08.2017 – 3 Ws (B) 158/17- 162 Ss 88/17 -, der sich mit der Frage befasst: Wann ist ein Lichtbild eigentlich ein gutes = zur Identifizierung geeignetes Lichtbild.

Das AG hatte in seiner Entscheidung zur Beweiswürdigung, soweit sie sich auf die Fahrereigenschaft des Betroffenen bezog, auf Lichtbileder vom Betroffenen Bezug genommen und ausgeführt:

„Der Betroffene macht zu seiner Fahrereigenschaft keine Angaben. Die Inaugenscheinnahme des Fotos auf Bl. 2 und 4 der Akte im Termin ergab eindeutig, dass der Betroffene die Person ist, die das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen XY am Tattag zur Tatzeit am Tatort geführt hat. Die markante schmale Mundpartie, die etwas abstehenden Ohren und das Kinn ließen sich zweifelsfrei dem Betroffenen zuordnen. Auf die beiden im Termin in Augenschein genommenen Lichtbilder Bl. 2 und 4 der Akte wird gem. § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wegen der Einzelheiten verwiesen.“

Die Gründe des angefochtenen Urteils werden diesen Anforderungen nicht gerecht. Weil das Amtsgericht auf die in der Akte befindlichen Messfotos gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG Bezug genommen hat, kann der Senat aus eigener Anschauung die zum Inhalt der Urteilsurkunde gemachten Lichtbilder würdigen und beurteilen, ob diese überhaupt zur Identifizierung geeignet sind und, sofern Zweifel an der Eignung bestehen, ob das Tatgericht zutreffend die Identität des Betroffenen mit der auf dem Lichtbild abgebildeten Person festgestellt hat.

Das reichte dem KG im Hinblick auf die von ihm angeführte Rechtsprechung zur erforderlichen Qualität von Lichtbildern nicht:

Die beiden in Bezug genommenen Lichtbilder weisen eine sehr schlechte Qualität auf. Das Lichtbild Bl. 4 der Akte stellt eine Ausschnittvergrößerung des Lichtbildes Bl. 2 der Akte dar. Die Abbildungen sind sehr unscharf und kontrastarm. Auch auf der Ausschnittvergrößerung sind nur flache und kaum erkennbare Gesichtskonturen abgebildet. Die Körnung der Aufnahme ist grob und die Stirnpartie der abgebildeten Person ist durch eine Spiegelung auf der Windschutzscheibe teilweise verdeckt. Die Erwägungen des Amtsgerichts, weshalb es dennoch von der Fahrereigenschaft des Betroffenen ausgegangen ist, erschöpfen sich in der allgemein gehaltenen Benennung von Merkmalen des Betroffenen, die auf den vorgenannten Lichtbildern nicht erkennbar sind. Dies gilt zunächst, soweit das Amtsgericht auf eine „markante schmale Mundpartie“ abstellt. Die Mundpartie ist auch auf der Ausschnittvergrößerung nur schemenhaft und die Form der Lippen ist nicht erkennbar. Auch die Einschätzung des Amtsgerichts, der Betroffene könne anhand der „etwas abstehenden Ohren“ wiedererkannt werden, ist nicht nachvollziehbar. Das rechte Ohr der abgebildeten Person ist selbst in der Vergrößerung nur als konturloser heller Fleck sichtbar. Weshalb das Amtsgericht, ohne dies näher zu begründen, zwischen der Kinnpartie der abgebildeten Person und dem Betroffenen eine Übereinstimmung erkannt haben will, wird in den Urteilsgründen nicht mitgeteilt und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Auf ein von der Polizeibehörde u.U. zur Verfügung gestelltes Vergleichsfoto wird in den Gründen des Urteils nicht Bezug genommen.“

Unabhängig von der Qualität: Die vom AG angeführten Merkmale „Die markante schmale Mundpartie, die etwas abstehenden Ohren und das Kinn….“ sind m.E. schon so „fleischlos“, dass man damit kaum einen Menschen beschreiben kann.

Und: <<Werbemodus an>>: Zu der Problematik ausführlich in Burhoff (Hrsg.) Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Auflage, 2018. Kommt Ende Oktober/Anfnag November 2017. Vorbestellen kann man hier. <<Werbemodus aus>>

Fahreridentifizierung mittels anthropologischer Begutachtung, oder: „Wortreich“

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Zum Abschluss des heutigen Tages dann noch der Hinweis auf den OLG Bamberg, Beschl. v. 29. 12. 2016 – 3 Ss OWi 1566/16 – betreffend die Anforderungen, die an das amtsgerichtliche Urteil gestellt werden, wenn der Amtsrichter zur Täteridentifizierung auf ein anthropologisches Gutachten zurückgreift. Wie fast immer bei OLG Bamberg-Entscheidungen reicht der Hinweis auf den Leitsatz des OLG. Der ist – wie auch fast immer – „wortreich“ 🙂 :

„Beruht die Überzeugung des Tatgerichts von der Fahrereigenschaft des Betroffenen ohne weitere eigene Erwägungen auf der Übernahme von Darlegungen eines anthropologischen Sachverständigen, müssen im Urteil die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und fachbezogenen Ausführungen des Sachverständigen derart wiedergegeben werden, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit unabdingbar ist. Hierzu zählen Angaben, auf wie viele und welche konkreten übereinstimmenden medizinischen Körpermerkmale sich der Sachverständige bei seiner Bewertung bezogen, wie er die Übereinstimmungen ermittelt, auf welches biostatische Vergleichsmaterial sich die von ihm vorgenommene Wahrscheinlichkeitsberechnung gestützt und welche Beweisbedeutung er den einzelnen Merkmalen beigemessen hat (u.a. Anschluss an OLG Bamberg, Beschl. v. 20.02.2008 – 3 Ss OWi 180/08 = NZV 2008, 211 = VRS 114, 285 m.w.N.).“

Wenn man den Leitsatz und den mit Zitaten „gespickten Beschluss so liest, ist man – jedenfalls ich – über die Formulierung des OLG: „Das AG durfte sich deshalb nicht damit begnügen, lediglich – wenn auch wortreich – das Ergebnis der anthropologischen Begutachtung mitzuteilen, ….“ ein wenig amüsiert 🙂 🙂 .