Als drittes Posting dann noch der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 11.02.2025 – 2 Ws 19/25 – zu den Folgen einer nicht erkannten Unwirksamkeit der Zustellung für das Rechtsmittelverfahren
Ergangen ist der Beschluss in einem Widerrufsverfahren. Die Ladung zu der mündlichen Anhörung, zu der der Verurteilte dann nicht erschien ist, war dem Verurteilten im Weg der Ersatzzustellung durch Einlegung in den Briefkasten zugestellt worden. Die Zustellung des Widerrufsbeschlusses erfolgte in der gleichen Weise am 13.09.2024. In einer E-Mail an das AG vom 12.10.2024 teilte der Verurteilte mit, dass sich seine Wohnanschrift bereits am 01.01.2024 geändert habe. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 28.10.2024 legte der Verurteilte sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss ein und beantragte, ihm gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dazu wurde unter Vorlage des Mietvertrags vorgetragen, dass der Verurteilte bereits seit 01.01.2024 in Ludwigshafen wohnhaft sei und er deshalb den Widerrufsbeschluss nicht erhalten habe. Vielmehr habe er von dem Widerruf erst durch die Ladung zu Strafantritt am 22.10.2024 erfahren. Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag abgelehnt und die sofortige Beschwerde als unzulässig verwrofen. Hiergegen legte der Verurteilte sofortige Beschwerde ein. Mit Erfolg:
„Die sofortige Beschwerde ist, soweit sie sich gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heidelberg vom 2.8.2024 richtet, gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Ihr kann auch ein (vorläufiger) Erfolg in der Sache nicht verwehrt bleiben.
1. Zwar geht der Angriff gegen die Versagung der Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fehl, weil gar kein Fall der Säumnis vorliegt (vgl. MK-Valerius, StPO, § 44 Rn. 7 m.w.N.). Denn die am 13.9.2024 (vermeintlich) bewirkte Zustellung des Widerrufsbeschlusses vom 2.8.2024 war unwirksam, weshalb die Rechtsmittelfrist dadurch nicht in Gang gesetzt wurde.
a) Gemäß §§ 37 Abs. 1 StPO, 180 Satz 1 ZPO kann an einen Zustellungsempfänger, der in seiner Wohnung nicht angetroffen wird, die Zustellung durch Einlegung des zuzustellenden Schriftstückes in einen zur Wohnung gehörenden Briefkasten bewirkt werden. Diese ist jedoch nur wirksam, wenn der Zustellungsempfänger unter der Zustellanschrift wohnhaft ist. Eine Wohnung in diesem Sinn sind aber nur Räumlichkeiten, die der Adressat tatsächlich für eine gewisse Dauer in der Weise zum Wohnen nutzt, dass er dort seinen räumlichen Lebensmittelpunkt hat (OLG Frankfurt NStZ-RR 2003, 174). Der Senat hat dazu den vorgelegten Mietvertrag zum Anlass genommen, bei der Vermieterin – einer kommunalen Wohnungsgesellschaft – Nachfrage zu halten, die das Ergebnis erbracht haben, dass dem Verurteilten tatsächlich ab dem 1.1.2024 eine Mietwohnung in Ludwigshafen zum Gebrauch überlassen worden war, für die in der Folge auch Mietzinszahlungen erfolgten. Danach kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Verurteilte zum Zeitpunkt der Zustellung des Widerrufsbeschlusses am 13.9.2024 noch unter der Zustellanschrift in Dossenheim wohnhaft war.
b) Dass der Verurteilte im Bewährungsbeschluss angewiesen worden war, jeden Wohnungs- und Aufenthaltswechsel unverzüglich mitzuteilen, vermag an der sich hieraus ergebenden Unwirksamkeit der Zustellung nichts zu ändern. Denn der Gesetzgeber hat in §§ 37 Abs. 1 StPO, 179 ZPO nur der Annahmeverweigerung rechtliche Bedeutung zugemessen, dem sonstiges pflichtwidriges Verhalten des Zustellungsempfängers nicht gleichgestellt ist (OLG Koblenz ZfS 2005, 363).
2. Gleichwohl kann derjenige, der wie ein Säumiger behandelt wird, obwohl er gar nicht säumig ist, im Ergebnis nicht schlechter gestellt sein, als ein Säumiger, den an der Säumnis kein Verschulden trifft (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1981, 471; BayObLG NJW 1972, 1097). Nachdem der angefochtenen landgerichtlichen Entscheidung mit der Feststellung der Unwirksamkeit der Zustellung des amtsgerichtlichen Widerrufsbeschlusses der Boden entzogen ist, unterliegt er deshalb der Aufhebung. Da der Senat bezüglich der Widerrufsentscheidung selbst nicht entscheidungsbefugt ist, muss das Landgericht, an das die Sache deshalb zurückzuverweisen ist, darüber erneut auf der geänderten tatsächlichen Grundlage entscheiden. Da sich erst danach beurteilen lässt, ob das Rechtsmittel des Verurteilten endgültig Erfolg hat, ist dabei auch über die Kosten des Rechtsmittel mit zu befinden.“