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StPO I: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Voraussetzungen und Subsumtionsfehler

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Heute hier drei StPO-Entscheidungen, und zwar drei Entscheidungen zu Rechtsmitteln, davon zwei zur Berufung.

Zum Warmwetfrn gibt es das KG, Beschl. v. 31.07.2024 – 3 ORs 50/24 – zu Zulässigkeit der Berufungsbeschränkung in Strafsachen.

Das AG hat den Angeklagten wegen Raubs in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt.  Nach den Urteilsfeststellungen stieß der Angeklagte den Geschädigten „anlässlich einer verbalen Auseinandersetzung … von vorne, so dass dieser zu Boden ging“. Er entnahm der Brusttasche der Jacke des Geschädigten mindestens 365 Euro Bargeld und weitere Gegenstände. Ausführungen zur inneren Tatseite des Raubs fehlen. Der Angeklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt, die er in der Hauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das LG hat die Beschränkung für wirksam erachtet und den Angeklagten zu einer geringeren Strafe verurteilt. Seine Revision blieb erfolglos.

Das KG hat umfangreich begründet, warum die Beschränkung wirksam ist und setzt sich insbesondere auch mit der Wirksamkeit in den Fällen des Subsumtionsfehlers des Tatgerichts auseinander. Ich stelle hier wegen des Umfangs nur die Leitsätze ein. Die lauten:

1. Entscheidende Prüfsteine für die Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung sind der legitime Gestaltungswille des Angeklagten sowie das Gebot eines bewussten und verständigen Umgangs mit justiziellen Ressourcen („Prozesswirtschaftlichkeit“).

2. Es erscheint überfürsorglich und letztlich paternalistisch-etatistisch, wenn die Justiz im Bereich der Strafrechtspflege über den erklärten Willen des Angeklagten, eine für ihn nachteilige Entscheidung hinzunehmen, ohne dringenden Grund hinweggeht.

3. Die Berufungsbeschränkung ist nur unwirksam, wenn die erstinstanzlichen Feststellungen abschließend und nicht behebbar unklar, lückenhaft, widersprüchlich oder so dürftig sind, dass sich Art und Umfang der Schuld nicht in dem zur Überprüfung des Strafausspruchs notwendigen Maße bestimmen lassen.

4. Der dabei anzuwendende Prüfungsmaßstab ergibt sich nicht aus dem Revisionsrecht.

5. Nicht beschränkungshindernd ist im Grundsatz ein dem Tatgericht unterlaufener Subsumtionsfehler. Ein solcher liegt u.a. vor, wenn das tatsächlich festgestellte Tatverhalten den nicht angefochtenen Schuldspruch nicht trägt.

6. Von dem Grundsatz der Unbeachtlichkeit von Subsumtionsfehlern ist auch nicht abzuweichen, wenn der Schuldspruch einen höheren Strafrahmen vorgibt als das tatsächlich festgestellte Verhalten bei zutreffender Subsumtion (entgegen OLG Köln NStZ-RR 2000, 49).

OWi I: Wirksamkeit der Einspruchsbeschränkung, oder: Beschränkung noch nach rechtlichem Hinweis?

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Heute gibt es dann mal OWi-Entscheidungen. An der „Front“ ist es im Moment aber sehr ruhig, es gibt wenig Entscheidungen, über die man berichten kann.

Hier kommt dann als Opener der OLG Jena, Beschl. v. 02.09.2024 – 1 ORbs 371 SsBs 96/24 – zur Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid. Mit Bußgeldbescheid vom 06.07.2023 wurde dem Betroffenen vorgeworfen, auf der Bundesautobahn die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften um 46 km/h überschritten zu haben. Gegen ihn wurde deshalb eine Geldbuße von 320 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet. Der Bußgeldbescheid wurde am 12.07.2023 zugestellt. Hiergegen richtete sich der am selben Tage zunächst vollumfänglich erhobene Einspruch des Betroffenen.

Mit Verfügung vom 02.11.2023 wies das AG den Betroffenen nach Eingang der Akten bei Gericht darauf hin, dass wegen der Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Begehungsweise unter Erhöhung der Geldbuße und unter Ausdehnung des Fahrverbots in Betracht komme. Auf die Terminsanberaumung vom 29.11.2023 hin beantragte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 24.02.2024 „namens und in Vollmacht des Betroffenen“, diesen vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Zudem werde der gegen den Bußgeldbescheid eingelegte Einspruch auf die Rechtsfolge beschränkt.

Mit Beschluss vom 26.02.2024 wies das AG den Betroffenen darauf hin, dass die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen nach dortiger Auffassung unwirksam sein dürfte. Die Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) sei so untrennbar mit der Rechtsfolge, namentlich dem Fahrverbot, verbunden, dass sie nicht unabhängig voneinander betrachtet werden könnten. Eine Rechtsmittelbeschränkung sei regelmäßig unwirksam, wenn anstelle der im Bußgeldbescheid angenommenen Fahrlässigkeit tatsächlich eine vorsätzliche Begehungsweise in Betracht komme. Wolle der Betroffene dem entgehen, müsse er den Einspruch in Gänze zurücknehmen.

Der Verteidiger ist dem entgegengetreten. Das AG verurteilte den Betroffenen dann dennoch  wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung um 46 km/h außerorts bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h zu einer Geldbuße von 640 Euro. Daneben verhängte es ein Fahrverbot für die Dauer von 2 Monaten.

Dagegen die Rechtsbeschwerde, die Erfolg hatte. Das OLG hat das Urteil des AG im Schuldspruch aufgehoben und im Rechtsfolgenausspruch dahingehend abgeändert, dass gegen den Betroffenen wegen der im Bußgeldbescheid vom 06.07.2023 rechtskräftig festgestellten fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts eine Geldbuße von 320 Euro verhängt und ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat angeordnet wird.

Das hat das OLG umfangreich begründet. Da die angeprochenen Fragen alle nicht neu sind, verweise ich wegen der Einzelheiten der Begründung auf den verlinkten Volltext und stelle hier nur die Leitsätze der OLG-Entscheidung ein, nämlich:

1. Die horizontale Beschränkung eines Einspruchs auf die Rechtsfolgen ist zulässig, soweit der Bußgeldbescheid die in § 66 OWiG niedergelegten Voraussetzungen erfüllt, die Erklärung des Betroffenen zweifelsfrei und unbedingt erfolgt, im Fall der Vertretung eine wirksame Ermächtigung zur Abgabe der Einspruchsbeschränkung vorlag und die Erklärung dem erkennenden Richter vor Erlass einer erstinstanzlichen Entscheidung vorliegt.

2. Ein etwaig erteilter richterlicher Hinweise betreffend die Schuldform (hier: mögliche Verurteilung wegen einer Vorsatz-Tat) steht dem nicht entgegen, selbst wenn der Bußgeldbescheid keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Schuldform enthält, die vorgesehene Rechtsfolge sich aber innerhalb des Regelrahmens der Bußgeldkatalogverordnung bewegte und die vorgeworfene Schuldform (hier: Fahrlässigkeit) hieraus abgeleitet werden kann.

Eins habe ich dann aber doch noch, nämlich << Werbemodus an>> den Hinweis auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl. 2024, und auf Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, die man hier bestellen bzw. vorbestellen kann. In beiden Werken sind die vom OLG angeprochenen Fragen behandelt. <<Werbemodus aus>>.

 

OWi II: Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs, oder: Keine (ausdrücklichen) Angaben zur Schuldform

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Und weiter geht es dann mit dem OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.08.2024 – 2 ORbs 83/24 – zur Wirksamkeit der Beschränkung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid.

Dazu meint das OLG:

„1. Die vom Senat aufgrund der zulässig erhobenen Sachrüge von Amts wegen durchzuführende Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. Dezember 2020 – 7 Rb 24 Ss 986/20; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, § 352, Rn. 4) ergibt, dass das Amtsgericht zu Recht von einer wirksamen Beschränkung des Ein-spruchs nach § 67 Abs. 2 OWiG ausgegangen ist, sodass die tatsächlichen Feststellungen des Bußgeldbescheides zum Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen sind.

Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden. Damit ist auch eine Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch möglich, da der Bußgeldbescheid den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG entspricht. Die Feststellungen im Bußgeldbescheid zur Tat sind hinrei-chend konkretisiert und stellen eine ausreichende Grundlage für die Rechtsfolgenbemessung dar. Die wirksame Erklärung der Einspruchsbeschränkung des Betroffenen erfolgte durch sei-nen dazu gemäß § 67 Abs. 1 Satz 2 OWiG, § 302 Abs. 2 StPO ermächtigten Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. Mai 2024.

Der Wirksamkeit der Beschränkung steht nicht entgegen, dass der Bußgeldbescheid – wie hier lediglich keine ausdrücklichen Angaben zur Schuldform enthält, sofern -wie-hier –die Verfol-gungsbehörde ihrer _Tatahndung_ – gegebenenfalls unter Berücksichtigung der für eine tatein-heitliche oder tatmehrheitliche Verwirklichung nach §§ 19, 20 OWiG zu beachtenden Zumes-sungskriterien – offensichtlich die Regelsätze der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) zu Grun-de gelegt hat. Die Beträge des Bußgeldkatalogs in Abschnitt 1 gehen von fahrlässiger Bege-hung und gewöhnlichen Tatumständen aus (vgl. § 1 Abs. 2 BKatV). Setzt die Verwaltungsbe-hörde für einen dem Bußgeldkatalog (§ 1 BKatV) entsprechenden Tatbestand ohne weiteres die dort vorgesehene Regelgeldbuße fest oder legt sie diese bei der Verwirklichung mehrerer Tat-bestände ihrer Entscheidung zu Grunde, gibt sie damit zu erkennen, dass sie dem Betroffenen lediglich fahrlässiges Handeln zur Last legt (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 19. Oktober 2007 – 3 Ss OWi 1344/07; OLG Köln, Beschluss vom 17. Juli 2018 – 1 RBs 197/18; OLG Hamm, Beschluss vom 16. Januar 2021 – 2 RBs 141/11, jeweils m.w.N.).“

Wegen der Ausführungen des OLG zum Fahrverbot komme ich auf die Entscheidung noch einmal zurück.

Pflichti III: Rechtsmittelbefugnis des Pflichtverteidigers, oder: Kein Rechtsmittel gegen Willen des Mandanten

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Und im letzten Pflichti-Posting Entscheidungen dann noch etwas vom OLG Zweibrücken, und zwar OLG Zweibrücken, Beschl. v. 17.07.2024 – 1 Ws 168/24 – zur Rechtsmittelbefugnis des Pflichtverteidigers.

Ergangen ist die Entscheidung in einem Verfahren über die Fortdauer der Unterbringung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus. Diese ist von der StVK angeordnet worden. Dagegen hat der Verteidiger sofortige Beschwerde eingelegt. Mit am gleichen Tag eingegangen Schreiben hat der Verteidiger mitgeteilt, der Untergebrachte habe ihm telefonisch mitgeteilt, er habe Rechtsmittelverzicht erklärt, wobei der Rechtsmittelverzicht auch von seinem Verteidiger innerhalb der Rechtsmittelfrist abgegebene strafprozessuale Erklärungen umfassen solle. Das LG hat die Sache dem OLG zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vorgelegt. Sie hatte keinen Erfolg:

„2. Der Untergebrachte hat mit seinem Schreiben vom 28.05.2024 (Blatt 1694 V-Heft) nach § 302 Abs. 1 Satz 1 StPO wirksam auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen Beschluss der Großen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 15.04.2024 verzichtet.

a) In dem vorgenannten Schreiben kommt der Wille des Untergebrachten, auf Rechtsmittel gegen den vorbezeichneten Beschluss zu verzichten, eindeutig zum Ausdruck; er erstreckt seine Verzichtserklärung auch auf „eventuell eingelegte Rechtsmittel“ seines Verteidigers.

An der Wirksamkeit des Verzichts des Untergebrachten auf die Einlegung von Rechtsmittel bestehen keine Zweifel. Der Untergebrachte muss bei Abgabe einer Rechtsmittelverzichtserklärung dazu in der Lage sein, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung erkennen. Dies wird selbst durch eine – hier allerdings nicht vorliegende – Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen. Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Verzichtserklärung erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Untergebrachte nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen (BGH, Beschluss vom 20.02.2017 ? 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487; zur Rechtsmittelrücknahme: Senat, Beschluss vom 24.05.2022 – 1 Ws 83/22, BeckRS 2022, 12794). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Es sind vielmehr keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dem Verurteilten im Hinblick auf seinen geistigen Zustand die genügende Einsichtsfähigkeit für seine Prozesserklärung und deren Tragweite gefehlt hätte. Vielmehr belegen seine auch in der Vergangenheit gestellten Eingaben, dass der Untergebrachte sehr wohl in der Lage ist, für seine Interessen einzutreten und dabei die Bedeutungen seiner Erklärungen zu erkennen. Auch das am 03.06.2024 bei der Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz eingegangene Schreiben der Untergebrachten zeigt, dass er über die genügende Einsichtsfähigkeit in die von ihm abgegebenen Prozesserklärungen verfügt. Mit diesem Schreiben schildert der Untergebrachte in sachlicher Weise ihm in der Vergangenheit gewährte Lockerungen und regte dann mit verständlicher Begründung erneut die Gewährung von Vollzugslockerungen an (Blatt 1697 bis Blatt 1704 V-Heft). Auch die Ausprägung der Anlasserkrankung des Untergebrachten – eine mit einer Alkoholabhängigkeit (ICD-10: F10.2) kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen, antisozialen und schizoiden Persönlichkeitsanteilen (ICD-10: F61.1) – lässt nicht den Schluss zu, dass er nicht in der Lage ist, die Bedeutung seiner Prozesserklärungen zu erfassen.

Danach ist der vom Untergebrachten erklärte Verzicht auf die Einlegung der sofortigen Beschwerde bindend. Der Rechtsmittelverzicht ist als Prozesserklärung grundsätzlich unwiderruflich und unanfechtbar und führt zum Verlust des Rechtsmittels.

b) Dem steht nicht entgegen, dass der Verteidiger an der durch ihn gegen den Beschluss des Landgerichts eingelegten sofortigen Beschwerde festhält.

Mit Wirksamwerden des Rechtsmittelverzichts durch Eingang der Erklärung beim zuständigen Gericht kann der Verteidiger kein Rechtsmittel mehr einlegen (BGH, Beschluss vom 09.09.1977 – 3 StR 454/77 –, Rn. 2-3, juris); ein vom Verteidiger schon vorher eingelegtes Rechtsmittel wird wirkungslos (BGH NJW 1960, 2202, 2203; BGH, GA 1973, 47; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 1982 – 1 Ws 999/82 –, juris). Dass das Rechtsmittel vom Verteidiger eingelegt und begründet worden war, ist insoweit ohne Belang (BGH, Beschluss vom 13. 06. 2006 – 4 StR 182/06, NStZ-RR 2007, 210). Zwar kann die Verteidigung aus eigenem Recht und im eigenen Namen Rechtsmittel einlegen und zurücknehmen. Allerdings folgt aus § 297 StPO, dass es sich bei dem Rechtsmittel um ein solches des Beschuldigten bzw. Untergebrachten handelt (BGH, Beschluss vom 10.07.2019 – 2 StR 181/19 -, Rn. 10, juris). Nach dieser Vorschrift kann der Verteidiger für den Untergebrachten, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen. Allein maßgebend ist der Wille des Untergebrachten. Ein Rechtsmittel darf deshalb nie gegen den Willen des Untergebrachten ausgeübt werden. Bei unterschiedlicher Auffassung und Anfechtung ist jene des Untergebrachten und nicht die seiner Verteidigung maßgeblich. Der erklärte Wille des Untergebrachten geht vor und kann die in § 297 StPO enthaltene Vermutung, dass ein Rechtsmittel der Verteidigung in seinem Auftrag und Willen eingelegt wurde (KG, Beschluss vom 12.01.2022 – 4 Ws 4/22, BeckRS 2022, 911, Rn. 7), widerlegen. Hieraus folgt, dass der Rechtsmittelverzicht des Untergebrachten auch für das vom Verteidiger eingelegte Rechtsmittel gilt und selbst dann wirksam ist, wenn der Verteidiger das von ihm zugunsten seines Mandanten eingelegte Rechtsmittel durchgeführt wissen will (BGH NStZ-RR 2007, 210). Auch eine im „wohlverstandenen Interesse“ des Untergebrachten nach § 198 GVG eingelegte Verzögerungsrüge erlaubt es nicht, den ausdrücklich erklärten Willen des Untergebrachten außer Acht zu lassen. Danach ist die vom Verteidiger am 30.05.2024 eingelegte sofortige Beschwerde mit dem Rechtsmittelverzicht des Untergebrachten wirkungslos geworden.“

StPO III: Immer wieder Zustellungsproblematik, oder: Vollmacht, ZU-Bevollmächtigter, Ersatzzustellung

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Und dann zum Tagesschluss ein paar Entscheidungen, die sich bei mir zu Zustellungsfragen angesammelt haben. Die haben ja in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung. Hier sind dann – jeweils nur die Leitsätze – leider sind die Entscheidungen zum Teil schon etwas älter:

Die Heilung eines Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO setzt voraus, dass eine Zustellung vom Gericht beabsichtigt war, diese muss folglich angeordnet worden sein.

Gemäß der Entscheidung des EuGH vom 22.04.2017, Az.C-124/16, C-188/16 und C-213/16, C-124/16, C-188/16, C-213/16, sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Art. 6 der Richtlinie 2012/13 richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Beschuldigter keinen festen Wohnsitz hat und daher einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, und an diesen dann ein Strafbefehl zugestellt wird, in dem Moment, in dem der Beschuldigte vom Strafbefehl tatsächlich Kenntnis erlangt, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand über die volle Einspruchsfrist verfügen können muss.

1. Die nach § 43 StPO zu berechnende, zweiwöchige Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl beginnt ausweislich des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO mit dessen Zustellung. Für die Ausführung der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gelten nach § 37 Abs. 1 StPO Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend.

2. Bei der Verpflichtung des Zustellers bei Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 3 ZPO, das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, handelt es sich um eine zwingende Zustellungsvorschrift im Sinne des § 189 ZPO mit der Folge, dass das Schriftstück bei einer Verletzung dieser Vorschrift erst mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt gilt.

Die Zustellung an den Wahlverteidiger ist unwirksam, wenn dessen Bevollmächtigung nicht gemäß § 145a Abs. 1 StPO nachgewiesen ist. Die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung ist hierfür nicht ausreichend.

Und zu der Zustellungsproblematik – und noch zu viel mehr – kann man dann schon und bald wieder << Werbemodus an>> Aktuelles lesen in den Neuauflagen von

  • Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., und in
  • der 3. Auflage von Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe.
  • und in den beiden Handbücher für das Ermittlungsverfahren – jetzt dann 10. Aufl. – und für die Hauptverhandlung – jetzt dann 11. Aufl.,

die man hier (vor)bestellen kann. <<Werbemodus aus>>