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StPO III: Immer wieder Zustellungsproblematik, oder: Vollmacht, ZU-Bevollmächtigter, Ersatzzustellung

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Und dann zum Tagesschluss ein paar Entscheidungen, die sich bei mir zu Zustellungsfragen angesammelt haben. Die haben ja in der Praxis eine nicht unerhebliche Bedeutung. Hier sind dann – jeweils nur die Leitsätze – leider sind die Entscheidungen zum Teil schon etwas älter:

Die Heilung eines Zustellungsmangels durch den tatsächlichen Zugang des zuzustellenden Schriftstücks gemäß § 189 ZPO i.V.m. § 37 Abs. 1 StPO setzt voraus, dass eine Zustellung vom Gericht beabsichtigt war, diese muss folglich angeordnet worden sein.

Gemäß der Entscheidung des EuGH vom 22.04.2017, Az.C-124/16, C-188/16 und C-213/16, C-124/16, C-188/16, C-213/16, sind die Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aufgrund des Art. 6 der Richtlinie 2012/13 richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass in einem Fall, in dem ein Beschuldigter keinen festen Wohnsitz hat und daher einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, und an diesen dann ein Strafbefehl zugestellt wird, in dem Moment, in dem der Beschuldigte vom Strafbefehl tatsächlich Kenntnis erlangt, durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand über die volle Einspruchsfrist verfügen können muss.

1. Die nach § 43 StPO zu berechnende, zweiwöchige Einspruchsfrist gegen einen Strafbefehl beginnt ausweislich des § 410 Abs. 1 Satz 1 StPO mit dessen Zustellung. Für die Ausführung der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde gelten nach § 37 Abs. 1 StPO Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend.

2. Bei der Verpflichtung des Zustellers bei Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 3 ZPO, das Datum der Zustellung auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks zu vermerken, handelt es sich um eine zwingende Zustellungsvorschrift im Sinne des § 189 ZPO mit der Folge, dass das Schriftstück bei einer Verletzung dieser Vorschrift erst mit dem tatsächlichen Zugang als zugestellt gilt.

Die Zustellung an den Wahlverteidiger ist unwirksam, wenn dessen Bevollmächtigung nicht gemäß § 145a Abs. 1 StPO nachgewiesen ist. Die anwaltliche Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung ist hierfür nicht ausreichend.

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EÖB I: EÖB nicht von allen Richtern unterschrieben, oder: Das war es = Einstellung des Verfahrens

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Heute dann mal wieder etwas StPO, und zwar einiges zum Eröffnungsbeschluss.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 16.05.2024 – 2 StR 528/23. Ein Klassiker, nämlich der nicht von allen Berufsrichtern unterschriebene Eröffnungsbeschluss. Ergebnis: Einstellung des Verfahrens:

„1. Es besteht ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis, weil es an einem wirksamen Eröffnungsbeschluss fehlt.

a) Der Eröffnungsbeschluss vom 10. Mai 2023, den lediglich zwei statt nach § 199 Abs. 1 StPO, § 76 Abs. 1 Satz 2 GVG, § 33b Abs. 1 und 7, § 33a Abs. 2, § 107 JGG richtig drei zur Mitwirkung berufene Berufsrichter unterschrieben haben, ist mangels einer Entscheidung in der für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Besetzung unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2015 ‒ 2 StR 45/14, BGHSt 60, 248, 250).

Zwar ist die Unterzeichnung eines Eröffnungsbeschlusses durch die erlassenden Richter als solche keine Wirksamkeitsvoraussetzung (BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2013 ‒ 3 StR 167/13, NStZ 2014, 400 f. mwN; vom 14. Juli 2016 ‒ 2 StR 514/15, NStZ 2017, 55, 56; vom 21. Oktober 2020 ‒ 4 StR 290/20, NStZ 2021, 179, 180; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, NStZ-RR 2023, 253). Vielmehr kann auch anderweit nachgewiesen werden, dass der Beschluss tatsächlich von allen hierzu berufenen Richtern gefasst worden ist. Das setzt jedoch eine mündliche Beschlussfassung oder eine dahin zu verstehende gemeinsame Besprechung oder Beratung voraus (BGH, Beschlüsse vom 13. März 2014 ‒ 2 StR 516/13, juris Rn. 3; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, aaO).

Eine Beschlussfassung durch alle hierzu berufenen Richter lässt sich nicht feststellen. Die seinerzeit der Jugendkammer als weiteres berufsrichterliches Mitglied zugewiesene Richterin am Landgericht, die den Eröffnungsbeschluss nicht unterschrieben hat, hat in ihrer dienstlichen Erklärung vom 18. März 2024 bekundet, der Eröffnungsbeschluss sei von ihr weder vorbereitet worden noch habe er ihr vorgelegen. Eine eigene Mitwirkung an der Beschlussfassung sei ihr nicht erinnerlich. Die beiden anderen berufsrichterlichen Mitglieder der Jugendkammer, die den Eröffnungsbeschluss unterzeichnet haben, haben jeweils dienstlich erklärt, keine Erinnerung an das Zustandekommen des Beschlusses vom 10. Mai 2023 zu haben. Eine Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens konnte die Jugendkammer, die in der Besetzung mit zwei Berufsrichtern verhandelt hat, in der Hauptverhandlung nicht nachholen (BGH, Urteil vom 25. Februar 2010 ‒ 4 StR 596/09, juris Rn. 11 f.; Beschluss vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226).

b) Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses stellt ein in der Revisionsinstanz nicht mehr behebbares Verfahrenshindernis dar, das die Einstellung des gerichtlichen Verfahrens, gemäß § 467 Abs. 1 StPO auf Kosten der Staatskasse, zur Folge hat (BGH, Urteil vom 14. Mai 1957 ‒ 5 StR 145/57, BGHSt 10, 278, 279; Beschlüsse vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, NStZ 2012, 225, 226; vom 18. Juli 2019 ‒ 4 StR 310/19, juris Rn. 3). Zur Klarstellung hebt der Senat das angegriffene Urteil mit den Feststellungen auf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. September 2011 ‒ 3 StR 280/11, aaO; vom 13. März 2014 ‒ 2 StR 516/13, juris Rn. 4; vom 6. Juni 2023 ‒ 5 StR 136/23, NStZ-RR 2023, 253, 254).“

Und dann dasselbe noch einmal im BGH, Beschl. v. 15.05.2024 – 6 StR 161/14 – für den nach Verbindung in der Hauptverhandlung gefassten EÖB.

StPO I: Wirksamkeit der Revisionsrücknahme, oder: Prozessuale Handlungsfähigkeit?

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Und heute StPO- ein bisschen quer durch den Garten der StPO.

Ich beginne im Bereich „Revision“ mit einer Entscheidung des BGH, nämlich dem BGH, Beschl. v. 29.04.2024 – 5 StR 559/23 –, der sich noch einmal zur Rücknahme der Revision äußert.

Das LG hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Hiergegen richtete sich die vom Beschuldigten fristgemäß eingelegte Revision. Mit Fax vom 19.05.2022 schrieb der Beschuldigte seinem Verteidiger: „Ich ziehe die Revision zurück! Bitte teilen Sie dies dem Gericht mit.“ Der Verteidiger nahm daraufhin mit dem LG am 23.05.2022 zugegangenem Schreiben vom 20.05.2022 „in Absprache mit meinem Mandanten“ die Revision zurück. Die Strafkammervorsitzende übersandte unter dem 24.05.2022 eine Kopie der Rücknahmeerklärung an den Beschuldigten. Am 27.06.2022 beschloss das LG die Kostenfolge nach § 473 Abs. 1 StPO.

Inzwischen hat der Verurteilte die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme bestritten. Der BGH hat die Wirksamkeit der Rücknahme festgestellt:

„1. Der Beschuldigte hat die Revision durch seinen Verteidiger wirksam zurückgenommen (§ 302 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Er war bei der entsprechenden Auftragserteilung seines ausdrücklich von ihm ermächtigten Verteidigers (§ 302 Abs. 2 StPO) verhandlungsfähig. Zwar stand der Beschuldigte unter Betreuung. Es bedurfte ausweislich des vom Verteidiger vorgelegten Betreuerausweises aber für die Wirksamkeit von Willenserklärungen gegenüber Behörden nicht der Einwilligung des Betreuers. Der Beschuldigte war zudem prozessual handlungsfähig.

a) Die prozessuale Handlungsfähigkeit setzt voraus, dass ein Angeklagter oder Beschuldigter bei Abgabe einer Rechtsmittelrücknahmeerklärung in der Lage ist, seine Interessen vernünftig wahrzunehmen und bei hinreichender Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung die Bedeutung seiner Erklärung zu erkennen. Dies wird – wie etwa § 415 Abs. 1 und 3 StPO für das Sicherungsverfahren gegen einen Schuldunfähigen belegen – allein durch eine Geschäfts- oder Schuldunfähigkeit nicht notwendig ausgeschlossen. Vielmehr ist von einer Unwirksamkeit der Rücknahmeerklärung erst auszugehen, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Rechtsmittelführer nicht dazu in der Lage war, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Erklärung zu erfassen. Verbleiben Zweifel an seiner prozessualen Handlungsfähigkeit, geht dies zu seinen Lasten (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. März 2022 – 3 StR 29/22; vom 8. Oktober 2019 – 1 StR 327/19; vom 20. Februar 2017 – 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487, 488 jeweils mwN).

b) Nach diesen Maßstäben liegen keine Anhaltspunkte vor, die Zweifel daran begründen könnten, der Beschuldigte sei sich zum Zeitpunkt der Rechtsmittelrücknahme nicht der Bedeutung und Tragweite der Erklärung bewusst gewesen. Dies stellt der Senat im Wege des Freibeweises auf Grundlage des Akteninhalts und der beim Verteidiger zu den Umständen der Rücknahme eingeholten Stellungnahme fest.

Zwar folgt aus den Urteilsgründen, dass der psychiatrische Sachverständige beim Beschuldigten eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert hat und sich offensichtlich wahnhaft geprägte Gedankengänge auch noch in den Einlassungen des Beschuldigten in der Hauptverhandlung offenbart haben. Dies ist für die Wirksamkeit der Rücknahmeerklärung jedoch nicht von maßgeblicher Bedeutung (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2017 – 1 StR 552/16, NStZ 2017, 487, 488 mwN). Vielmehr zeigt schon das Schreiben vom 25. März 2022, mit dem er zunächst selbst die Revision einlegte und in dem er die „Gesamtanfechtung“ des Urteils und Verletzung seines Notwehrrechts nach § 32 StGB anführte, ebenso wie sein Aufforderungsschreiben an seinen Verteidiger vom 19. Mai 2022, dem Gericht die Rücknahme mitzuteilen, dass der Beschuldigte über Förmlichkeiten informiert war und entsprechend handelte. Der Verteidiger hat zudem in seiner Stellungnahme erklärt, es habe keinen Hinweis auf eine vorgelegene Geschäftsunfähigkeit des Beschuldigten gegeben. Dass dieser bei Abfassen seines Schreibens vom 19. Mai 2022 infolge der schizophrenen Erkrankung in seiner Willensentschließung und Willensbetätigung beschränkt war, ist danach nicht ersichtlich.“

Die vom BGH angesprochenen Fragen muss man im Auge haben 🙂 .

Neuigkeiten zum CanG/KCanG I: Verfahrensrecht, oder: Wirksamkeit einer „alten“ Berufungsbeschränkung

Heu

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te gibt es hier dann „Neuigkeiten“ zum KCanG, also neue Entscheidungen. Da haben sich ein paar angesammelt, so dass es für einen ganzen Tag reicht.

Ich beginne mit einer verfahrensrechtlichen Problematik, nämlich der Frage nach der Wirksamkeit der Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch und Schuldspruchänderung  bei Delikten mit Cannabis nach Inkrafttreten des CanG. Dazu gibt es zwei unterschiedliche OLG-Entscheidungen, von denen ich hier nur die Leitsätze vorstelle, und zwar.

1. Die Beschränkung eines Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch kann dann keinen Bestand haben, wenn es sich bei dem angewendeten Gesetz um eine nichtige oder – wie seit Inkrafttreten des CanG für Delikte mit Cannabis – nicht mehr geltende Strafvorschrift handelt. Das Revisionsgericht trifft gemäß § 2 Abs. 3 StGB, § 354a StPO Verpflichtung und Befugnis, bei seiner Prüfung das erst im Laufe des Revisionsverfahrens in Kraft getretene (mildere) Recht anzuwenden. Dies führt dazu, dass die eingetretene Rechtskraft des Schuldspruchs zu durchbrechen ist.

2. Stellt das Revisionsgericht fest, dass die Berufung gegen das amtsgerichtliche Urteil nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war, kann es den Schuldspruch selbst ändern, wenn zweifelsfrei feststeht, dass das Berufungsgericht denselben Sachverhalt wie das Amtsgericht festgestellt hätte. Das ist vorliegend der Fall, denn die Feststellungen des Berufungsgerichts lassen die Erfüllung aller tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl des damals maßgeblichen § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG als auch des nun anzuwendenden § 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) KCanG lückenlos erkennen.

1. Beim Handeltreiben mit Cannabis steht der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf den Strafausspruch nicht das zwischenzeitliche Inkrafttreten des Cannabisgesetzes entgegen, wenn die Tat auch nach neuem Recht strafbar ist (entgegen BayObLG).

2. Bei der rechtlichen Beurteilung durch das Berufungsgericht findet jedoch § 354a StPO entsprechende Anwendung.

3. Bezüglich des Handeltreibens mit Cannabis sind die Regelungen im Konsumcannabisgesetz gegenüber den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes regelmäßig das mildere Gesetz im Sinn des § 2 Abs. 3 StGB.

 

Vorsicht! Wirksamkeit einer Vergütungsvereinbarung, oder: Der Begriff des „deutlichen Absetzens“

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Die obergerichtliche Rechtsprechung hat sich längere Zeit nicht mit der Vergütungsvereinbarung befassen müssen. Jetzt hat sich das OLG Düsseldorf in OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2023 – 24 U 116/22zum Begriff des „deutlichen Absetzens“ in § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG geäußert.

Die Klägerin hat die Beklagte auf Zahlung von Anwaltshonorar nebst Verzugszinsen auf der Basis einer Vergütungsvereinbarung, deren rechtliche Wirksamkeit in Streit steht, in Anspruch genommen. Zugrunde liegt eine Vereinbarung zwischen den Parteien, bei der sich auf einem Deckblatt die Überschrift „Vergütungsvereinbarung“ und die Worten „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ befinden. In der Vereinbarung ist dann ohne besondere Hervorhebung ein § 3 eingefügt, der einfach mit „Vergütung/Auslagen/Fälligkeit“ überschreiben ist.

Das LG hat verurteilt. Es ist von der Woirksamkeit der Vergütungsvereinbarung ausgegangen, insbesondere verstoße sie nicht gegen § 3a Abs. 1 S. 2 RVG. Da die Vereinbarung schon in der Überschrift als „Vergütungsvereinbarung“ bezeichnet sei und die Vereinbarung über die Vergütung alsdann in einem gesonderten und entsprechend mit einer Überschrift „Vergütung…“ gekennzeichneten § 3 geregelt sei, seien die Anforderungen an ein „deutliches Absetzen“ erfüllt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie Erfolg hatte:

„Entgegen der Ansicht des Landgerichts verstößt die streitgegenständliche Vergütungsvereinbarung gegen § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG, weil sie nicht deutlich von anderen Vereinbarungen, die verschieden von der Vergütungsvereinbarung und der Auftragserteilung sind, abgesetzt ist. Dass die Vergütungsvereinbarung dem Gebot des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG nicht entspricht, führt zwar – anders als die Beklagte (teilweise) geltend gemacht hat – nicht etwa zur Nichtigkeit gem. § 125 BGB. Der Verstoß hat jedoch zur Folge, dass die Beklagte an die Klägerin keine höhere als die gesetzliche Vergütung entrichten muss (§ 4b RVG).

1. Zunächst ist festzuhalten, dass die streitgegenständliche Vergütungsvereinbarung neben der Vergütungsabrede und der Auftragserteilung noch als „andere Vereinbarungen“ iSv § 3a Abs. 1 S. 2 RVG einzustufende Regelungen enthält.

Das gilt unzweifelhaft für den in § 8 vereinbarten „Haftungsausschluss“ sowie die Gerichtsstandvereinbarung gem. § 10 Abs. 3 (vgl. dazu explizit BGH NJW 2016, 1596 Rn. 15), aber auch für § 2 („Heranziehung von Mitarbeitern des Auftragnehmers/Mitwirkung Dritter“), § 5 („Mitwirkungspflichten des Auftraggebers“), („Mündliche Auskünfte“), § 7 („Weitergabe beruflicher Äußerungen des Auftragnehmers“) sowie § 9 („Kommunikation“), da sich auch die letztgenannten Paragraphen auf das gesamte Mandatsverhältnis beziehen (vgl. allgemein hierzu BGH, a.a.O. Rn. 15 mwN).

Demzufolge liegt eine kombinierte Vergütungs- und Mandatsvereinbarung vor, die sämtlichen Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 RVG genügen muss.

2. Die streitgegenständliche Vereinbarung erfüllt zwar unstreitig das Bezeichnungsgebot iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG, nicht jedoch das Gebot eines „deutlichen Absetzens von anderen Vereinbarungen“ iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG.

a) Für das Erfordernis „deutlich abgesetzt“ iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG kommt es weder auf die Anforderungen an die äußere Gestaltung einer Widerrufsbelehrung nach Art. 246 Abs. 3 EGBGB noch auf diejenigen Maßgaben an, die im Heilmittelwerberecht (§ 4 Abs. 3 S. 1 HWG) oder Arzneimittelrecht (§ 11 Abs. 5 S. 2 AMG) an „deutlich abgesetzte und abgegrenzte“ Angaben gestellt werden. Entscheidend sind vielmehr allein die vom Gesetzgeber mit § 3a Abs. 1 RVG verfolgten Regelungsziele (BGH, a.a.O. Rn. 17 mwN). Nach dem Willen des Gesetzgebers zielt dies auf eine räumliche Trennung zwischen der Vergütungsvereinbarung und sonstigen Abreden ab und soll dem Schutz des rechtsuchenden Auftraggebers dienen (vgl. BT-Drs. 16/8384, 10; BGH, a.a.O. Rn. 17). Regelungsziel ist es, den Mandanten auf die Vergütungsvereinbarung klar erkennbar hinzuweisen und auf diese Weise davor zu schützen, unbemerkt eine Honorarabrede abzuschließen, die dem Rechtsanwalt von den gesetzlichen Gebührenvorschriften abweichende Honoraransprüche auf vertraglicher Grundlage verschafft (BGH, a.a.O. Rn. 17 mwN).

Um dieser Schutz- und Warnfunktion gerecht zu werden, genügt es für ein „Absetzen“ als solches von anderen Vereinbarungen mit Ausnahme der Auftragserteilung, wenn der Vertrag die Vergütungsvereinbarung in einem gesonderten und entsprechend gekennzeichneten Abschnitt oder Paragrafen regelt (BGH, a.a.O. Rn. 18). „Deutlich“ ist dieses Absetzen, wenn die Vergütungsvereinbarung optisch eindeutig von den anderen im Vertragstext enthaltenen Bestimmungen – mit Ausnahme der Auftragserteilung – abgegrenzt ist. Dies ist objektiv zu beurteilen (BGH, a.a.O. Rn. 18). Mehr ist im Hinblick auf die vom Kostenmodernisierungsgesetz vom 5.5.2004 (BGBl. I 2004, 718) grundsätzlich erstrebte Lockerung der Formvorschriften gegenüber der Vorgängervorschrift des § 3 a.F. BRAGO (vgl. BT-Drs. 15/1971, 188) nicht erforderlich. Dies lässt sich durch eine klare räumliche Trennung, aber auch auf andere Art und Weise erreichen. Das Gesetz schreibt keine bestimmte Gestaltung vor (BGH, a.a.O. Rn. 18 mwN). Entscheidend ist, dass die Art der gewählten Gestaltung das gesetzgeberische Ziel erreicht: Der Mandant muss bereits bei einem einfachen Blick auf die Gesamtheit der im Vertrag getroffenen Vereinbarungen unschwer erkennen können, dass sie eine Abrede enthalten, die dem Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft, der möglicherweise von der gesetzlichen Vergütung abweicht (BGH a.a.O. Rn. 18).

b) Vorstehenden Anforderungen genügt die streitgegenständliche Vereinbarung nicht.

aa) Abgesehen von der jeweils auf dem Deckblatt (LGA 45) befindlichen Überschrift „Vergütungsvereinbarung“ und den Worten „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ entspricht die weitere Gestaltung der Vergütungsvereinbarung im Kern derjenigen, welcher der BGH (a.a.O. Rn. 19) die Qualität eines „deutlichen Absetzens“ gerade abgesprochen hat:

Die in § 3 der streitgegenständlichen Vereinbarung mit „Vergütung/Auslagen/Fälligkeit“ überschriebene Abrede ist ebenfalls unauffällig in den übrigen Vertragstext eingefügt. Weil sich der besagte § 3 zwischen anderen Regelungen befindet und sich in seiner Gestaltung in keiner Weise von den anderen – oben aufgezählten – Vereinbarungen unterscheidet oder abhebt, wird dem Mandanten nicht hinreichend vor Augen geführt, dass der Vertrag eine Vergütungsvereinbarung enthält, die von den gesetzlichen Regelungen abweicht. Dass die Überschriften aller einzelnen Paragraphen und deren Nummerierung jeweils durch Fettdruck und Zentrierung hervorgehoben sind, führt ebenso wenig zu einem deutlichen Absetzen gerade des § 3 wie der Umstand an sich, dass der Vergütungsvereinbarung mit dem § 3 ein eigener Paragraph gewidmet ist. Denn der gesamte Vertragstext ist völlig einheitlich gestaltet, so dass der § 3 in diesen gleichförmig eingebettet ist.

bb) Vergeblich argumentiert die Klägerin dahingehend, dass aufgrund der einleitend unter aa) geschilderten Umstände gleichwohl ein deutliches Absetzen gegeben sei.

Zwar ist der Klägerin noch darin zu folgen, dass sich die Sachverhaltskonstellation insofern vom oben zitierten BGH-Fall unterscheidet, als dort die Überschrift auf „Beratervertrag“ lautete und die Worte „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ nicht vorhanden waren. Jedoch verfängt die rechtliche Argumentation der Klägerin, die scheinbar auf der Annahme beruht, eine besonders ausgestaltete Bezeichnung iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG könne dazu führen, dass trotz der unter aa) aufgezeigten Missstände der Gestaltung gleichwohl ein „deutliches Absetzen“ bejaht werden könnte, nicht.

In diesem Kontext braucht der Senat hier nicht abstrakt zu klären, ob das Gesetz überhaupt im Ansatz Raum für eine derartige Wechselwirkung zwischen den Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG einerseits und jener des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RGV andererseits mit der Folge zulässt, dass aufgrund einer solchen ein Defizit in Bezug auf die eine Anforderung durch überobligatorische Maßnahmen in Bezug auf die Erfüllung der jeweils anderen kompensiert werden kann. Jedenfalls vermag eine entsprechende Wechselwirkung nicht derart weit zu reichen, dass die jeweils andere, kumulativ zu beachtende weitere gesetzliche Anforderung im Ergebnis obsolet wäre.

Die Beklagte verkennt insoweit, dass sich das Erfordernis des „deutlichen Ansetzens“ nämlich gerade auf den Inhalt der Vergütungsvereinbarung als solche (hier: die „eigentliche“ Vergütungsabrede gem. § 3 der Vereinbarung) und nicht etwa auf die Bezeichnung iSv § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 1 RVG bezieht. Eine vermeintlich besonders ins Auge fallende Verortung der Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung kann daher nicht die eigens auf die eigentliche Vergütungsvereinbarung bezogene Anforderung des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG gänzlich hinfällig machen.

Dass die Bezeichnung als „Vergütungsvereinbarung“ nicht notwendig im Rahmen einer Überschrift vor der gesamten Mandatsvereinbarung aufscheinen muss, streitet daher keineswegs in entscheidungserheblicher Weise für die Sichtweise der Klägerin. Weder die vergrößerte Überschrift mit dem Wort „Vergütungsvereinbarung“ noch der zusätzliche Umstand, dass auf dem Deckblatt die Worte „wird folgende Vergütungsvereinbarung geschlossen:“ dispensieren je für sich noch zusammen betrachtet von einem deutlichen Absetzen der eigentlichen Vergütungsvereinbarung in § 3 von weiteren Vereinbarungen jenseits der Auftragserteilung.

Insofern verfängt auch nicht die Überlegung der Klägerin, wonach vorstehend genannte Maßnahmen auf dem Deckblatt den Mandanten bereits derart sensibilisierten, dass die Gefahr eines unabsichtlichen Abschlusses eines (von der gesetzlichen Vergütung möglicherweise abweichenden) Zeithonorars von vornherein gebannt sei. Denn eine der vom Gesetzgeber insoweit geforderten Maßnahmen liegt in einem deutlichen Absetzen gerade der Vergütungsvereinbarung als solcher von sonstigen Vereinbarungen jenseits der Auftragserteilung begründet. Die „eigentliche“ Vergütungsvereinbarung als solche muss in einer irgendwie gearteten, geeigneten Weise so gestaltet sein, dass auch diese an der Etablierung der gewünschten Warn – und Schutzfunktion in maßgeblicher Weise teilhat. Wie der BGH – siehe oben – klargestellt hat, muss der Mandant bereits bei einem einfachen Blick auf die Gesamtheit der im Vertrag getroffenen Vereinbarungen (Hinzufügung diesseits: und nicht etwa nur auf die Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung) unschwer erkennen können, dass sie eine Abrede enthalten, die dem Rechtsanwalt einen Vergütungsanspruch auf vertraglicher Grundlage verschafft, der möglicherweise von der gesetzlichen Vergütung abweicht. Es reicht also gerade nicht ein Blick auf die Überschrift oder auf andere Vertragsteile im bloßen Vorfeld der einzelnen konkreten Vereinbarungen.

Die gegensätzliche Argumentation der Klägerin läuft letztlich darauf hinaus, dass jede Vereinbarung, die mit „Vergütungsvereinbarung“ überschrieben ist, zugleich die Anforderungen des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG erfüllen würde. Das würde indessen die gesetzliche Vorgabe des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG in unstatthafter Weise gleichsam aushöhlen.

2. Da die streitgegenständliche Vereinbarung nach alledem nicht der gesetzlichen Vorgabe des § 3a Abs. 1 S. 2 Hs. 2 RVG entspricht, ist der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Vergütungsvereinbarung der Höhe nach auf denjenigen Betrag nach obenhin begrenzt, welcher der gesetzlichen Vergütung entspricht (§ 4b RVG).

Die Beklagte hat insofern auf ihren unwidersprochen gebliebenen erstinstanzlichen Vortrag im Schriftsatz vom 14.10.2021 (LGA 220f; s. auch LGA 245 a.E.) Bezug genommen (OLGA 131 a.E.), in dem sie das gesetzlich geschuldete Honorar berechnet und ausgeführt hat, dass die Klägerin bereits überbezahlt sei. Dem ist die Klägerin auch zweitinstanzlich nicht gesondert entgegen getreten.

Damit sind gesetzliche Honoraransprüche der Klägerin im gegebenen Umfang bereits vorgerichtlich erfüllt worden (§ 362 Abs. 1 BGB), so dass für eine weitergehende Verurteilung der Beklagten kein Raum besteht.“

Teures Lehrgeld für die Klägerin, aber: Nach der vom OLG angeführten Entscheidung des BGH (NJW 2016, 1596 = AGS 2016, 56) war das zu erwarten. Denn die vom BGH an das „deutliche Absetzen“ gestellten Anforderungen, die vom OLG angewendet werden, sind recht streng. Zu deren Erfüllung reicht eben nicht, worauf auch das OLG hingewiesen hat, dass versucht wird, durch Maßnahmen auf einem Deckblatt den Mandanten bereits derart zu sensibilisieren, dass die Gefahr eines unabsichtlichen Abschlusses eines (von der gesetzlichen Vergütung möglicherweise abweichenden) Zeithonorars von vornherein gebannt ist.

Fazit: Vergütungsvereinbarung/Formulare ggf. anpassen.