Und heute dann endlich mal wieder OWi-Entscheidungen. Mein „Aufruf“ hat Früchte getragen. Der Kollege Gratz aus Bous hat mir einige Entscheidungen geschickt, die ich nun nach und nach vorstellen werde. Besten Dank.
Ich fange dann mit einigen Entscheidungen zur materiellen Seite der Ordnungswidrigkeiten an. Und in dem Kontext stelle ich zunächst das OLG Jena, Urt. v. 25.04.2025 – 3 ORbs 401 SsBs 156/24 – vor, in dem sich das OLG noch einmal zu den Anforderungen an die Urteilgründe in Bußgeldsachen beim sog. standardisierten Messverfahren, mit dem die Geschwindigkeit gemessen wurde, äußert. Ist zwar nichts Neues, aber noch einmal schön vom OLG zusammengefasst.
Der Betroffene ist durch Urteil des AG wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h zu einer Geldbuße verurteilt worden, außerdem wurde ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat verhängt. Das OLG hat wegen lückenhafter Urteilsgründe aufgehoben:
„Das Urteil leidet an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.
a) In Bußgeldsachen sind an die schriftlichen Urteilsgründe zwar keine zu hohen Anforderungen zu stellen, für ihren Inhalt kann aber grundsätzlich nichts anderes als für das Strafverfahren gelten. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass das Rechtsmittelgericht auf ihrer Grundlage die Entscheidung auf Rechtsfehler überprüfen kann (vgl. u. a. Entscheidung des Senats vom 20.06.2023, Az. 1 ORbs 331 SsBs 73/23). Dabei wird nicht verkannt, dass die Beweiswürdigung allein Sache des Tatrichters und seine Entscheidung vom Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich hinzunehmen ist. §§ 261 und 267 StPO verpflichten den Tatrichter jedoch, in den Urteilsgründen darzulegen, dass seine Überzeugung von den die Anwendung des materiellen Rechts tragenden Tatsachen auf einer umfassenden, von rational nachvollziehbaren Überlegungen bestimmten Beweiswürdigung beruht (vgl. u. a. Entscheidung des Senats vom 26.07.2024, Az. 1 ORbs 331 SsBs 43/24).
Dem werden die Urteilsausführungen vorliegend nicht gerecht.
Aus den Urteilsgründen geht hervor, dass das Gericht seine Feststellungen u.a. auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) pp. stütze. Aus den Urteilsgründen lässt sich indes schon nicht nachvollziehbar entnehmen, weshalb es nach Auffassung des Amtsgerichts bei vorliegen eines standardisierten Messverfahrens überhaupt einer Begutachtung durch einen messtechnischen Sachverständigen bedurfte. Es lässt sich aus den Urteilsgründen in keiner Weise entnehmen, zu welchen Beweisthema der Sachverständige gehört wurde. Darüber hinaus werden lediglich die Ausführungen des Sachverständigen wiedergegeben und ausgeführt, dass die Ausführungen nachvollziehbar seien. Eine Würdigung der Ausführungen des Sachverständigen, ist indes den Urteilsgründen nicht zu entnehmen.
Hinsichtlich der Hinzuziehung eines Sachverständigen bei einem standardisierten Messerverfahren führte der 1, Bußgeldsenat des Thüringer Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 04.11.2021, Az.: 1 Orbs 331 Ssßs 123/24 folgendes aus:
„Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem hier verwendeten Messgerät PoliScan Speed handelt es sich um ein · standardisiertes Messverfahren (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 12.03.2019 – 2 Ss OWi 67/19 -, · OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2020 – III-1 RBs 255/19 -, jeweils in juris), so dass sich das Tatgericht in seinen Feststellungen grundsätzlich auf die Mitteilung des verwendeten Messverfahrens, der gefahrenen Geschwindigkeit und der gewährten Toleranz beschränken kann. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wie auch die daran anknüpfende der Oberlandesgerichte zum standardisierten Messverfahren setzt eine datenbasierte jederzeitige nachträgliche Überprüfbarkeit der damit gewonnenen Messergebnisse als Bedingung für eine nachträgliche Beweisverwertung nicht voraus. Sie verlangt lediglich, dass sich der Tatrichter von dem ordnungsgemäßen Einsatz eines solchen Messgeräts überzeugt; eine Überprüfung, der Zuverlässigkeit des Messergebnisses ist nur erforderlich, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 19.08.1993 – 4 StR 627/92 -, in juris). Das darin zum Ausdruck kommende Vertrauen in die Verlässlichkeit amtlicher Messungen mit standardisierten Messverfahren findet seine Rechtfertigung im gesetzlichen Messwesen, das die Messrichtigkeit und -beständigkeit gerade dann gewährleisten soll, wenn eine Messung nicht wiederholbar ist (vgl. Märtens/Wynands NZV 2019, 338). Die zu Geschwindigkeitsmessungen eingesetzten Messgerätetypen werden danach vor ihrem Inverkehrbringen auf verschiedenen qualitätssichernden Kontrollebenen, insbesondere aber durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) bzw. deren Konformitätsbewertungsstelle mittels eines gerätespezifischen Prüfprogramms unter Einbeziehung patent- und urheberrechtlich geschützter Herstellerinformationen eingehend unter anderem darauf geprüft, ob sie stets zuverlässige, die gesetzlichen Fehlergrenzen einhaltende Messergebnisse liefern (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.12.2014 – 2 Ss-OWi 1041/14 -, in juris). Mit diesem mehrstufigen, aufwändigen Kontroll- und Überwachungssystem wird die Überprüfung – und damit die Gewährleistung eines richtigen Messergebnisses – von der Einzelfallmessung auf das Messgerät selbst . vorverlagert (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.07.2019 – 1 Rb 10 Ss 291/19 -, in juris). Hält das Messgerät bei dieser Überprüfung unter Berücksichtigung der Verwendungssituationen- alle Anforderungen bezüglich Messrichtigkeit und Messbeständigkeit ein, kann davon ausgegangen werden, dass es dies auch beim Einsatz unter gleichen Bedingungen leistet (vgl. · KG Berlin, Beschluss vom 05.04.2020 – 3 Ws (B) 64/20 -, juris). Die vorweggenommene Prüfung durch die PTB bietet in hohem Maß die Gewähr, dass es nur in einem Ausnahmefall zu einer Fehlmessung kommen kann. Das rechtfertigt eine geringere Kontrollmöglichkeit im jeweiligen Einzelfall einer Messung, ohne dass der Betroffene damit „auf Gedeih und Verderb der amtlichen Bestätigung der Zuverlässigkeit eines elektronischen Systems und der es steuernden Algorithmen ausgeliefert“ wäre (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 05.04.2020 – 3 Ws (8) 64/20 -, in juris).
Diesen Ausführungen schließt sich der 2. Senat für Bußgeldsachen vollumfänglich an, wobei es sich auch bei dem verwendeten Messgerät Traffipax TraffiStar S 330 um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 28.06.2023, Az.: 1 ORbs 351 SsRs 81/23).
Insoweit leidet das Urteil an einem durchgreifenden Darstellungsmangel , weil schon nicht nachvollziehbar ist, aus welchen Gründen sich das Amtsgericht Jena trotz des Vorliegens eines standardisiertes Messverfahrens überhaupt bemüßigt fühlte, die Messung einer sachverständigen Überprüfung zu unterziehen. Es wäre die Mitteilung erforderlich gewesen, aus welchem Grund und zu welchem konkreten Beweisthema überhaupt ein Sachverständigengutachten erholt wurde.
Nur in diesem Fall kann verlässlich beurteilt werden, ob der Tatrichter Anhaltspunkte für eine Fehlmessung hatte und ob diese durch die Beweisaufnahme in ausreichender Weise ausgeräumt werden konnten (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 06.10 .2017, Az. 3 Ss OWi 1420/17, juris, m.w.N.). Das angegriffene Urteil verhält sich weder zu etwaigen Zweifeln an einer ordnungsgemäßen Messung und deren Ausräumung in der Beweisaufnahme noch teilt es mit, zu welchem konkreten Beweisthema das Gutachten eingeholt wurde.
Darüber hinaus durfte sich das Amtsgericht nicht damit begnügen, lediglich die Ergebnisse der sachverständigen Begutachtung mitzuteilen, weil dem Rechtsbeschwerdegericht allein mit diesen Angaben ohne zusätzliche Ausführungen wenigstens zu den wesentlichen Anknüpfungstatsachen des Gutachtens eine Beurteilung seiner Schlüssigkeit und damit die rechtliche Nachprüfung des Urteils als Ergebnis einer gegenüber der sachverständigen Wertung selbständigen Urteilsfindung schon im Ansatz verwehrt ist.
b) Darüber hinaus durfte sich das Amtsgericht nicht damit begnügen, lediglich die Ergebnisse der sachverständigen Begutachtung mitzuteilen, weil dem Rechtsbeschwerdegericht allein mit diesen Angaben ohne zusätzliche Ausführungen wenigstens zu den wesentlichen Anknüpfungstat-sachen des Gutachtens eine Beurteilung seiner Schlüssigkeit und damit die rechtliche Nachprüfung des Urteils als Ergebnis einer gegenüber der sachverständigen Wertung selbständigen Urteilsfindung schon im Ansatz verwehrt ist.“