Maßgebliche HV-Dauer für den Längenzuschlag, oder: Abzug von Pausen bzw. spätere Fortsetzung der HV

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Und im zweiten Posting dann etwas zum Längenzuschlag bei der Terminsgebühr für den Pflichtverteidiger. Das ist mal wieder eine dieser Entscheidungen, die man im Grunde nicht braucht oder die völlig unnötig ist bzw. die überhaupt nicht erforderlich gewesen wäre, wenn der Vertreter der Staatskasse sich mit der richtigen Entscheidung der Rechtspflegerin zufrieden gegeben hätte. Aber (natürlich) nicht. Das kann doch nicht sein.

Folgender Sachverhalt: Beim OLG Jena ist ein Staatsschutzverfahren anhängig. In dem beantragt der Pflichtverteidiger die Festsetzung eines Kostenvorschusses gemäß § 47 RVG, und zwar mit Längenzuschlag nach Nr. 4122 VV RVG. Der wird von der Rechtspflegerin festgesetzt. Die Staatskasse legt Erinnerung ein.

Die Rechtspflegerin hilft im OLG Jena, Beschl. v. 12.04.2024 – 3 St 2 BJs 4/21 – nicht ab und legt dem Senat vor. Begründung:

„Gemäß Nr. 4122 VV RVG entsteht eine zusätzliche Gebühr in Höhe von 233,00 EUR, wenn der Rechtsanwalt an mehr als 5 bis 8 Stunden Hauptverhandlung teilnimmt.

Ausweislich der Vorbemerkung 4.1 Abs. 3 VV RVG sind Wartezeiten und Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag als Teilnahme zu berücksichtigen, es sei denn der Rechtsanwalt hat diese zu vertreten oder die Unterbrechung dauerte mindestens eine Stunde an und wurde unter Angabe einer konkreten Dauer oder eines Zeitpunkts der Fortsetzung angeordnet.

Ausweislich des Protokolls über den Hauptverhandlungstermin am 22.01.2024 wurde die Verhandlung um 12.35 für eine Mittagspause unterbrochen, wobei die Verhandlung auf Anordnung des Vorsitzenden um 13.30 Uhr fortgesetzt werden sollte.

Tatsächlich wurde die Verhandlung erst 13.35 Uhr fortgesetzt.

Mithin beläuft sich die angeordnete Unterbrechung auf 55 Minuten.

Die tatsächliche Unterbrechung beläuft sich auf 60 Minuten.

Voraussetzung für den Abzug der Unterbrechung sind gemäß Vorb. 4.1. Abs. 3 S. 2, dass diese mindestens eine Stunde andauerte und vorn Vorsitzenden unter Angabe eines konkreten Zeit-punkts der Fortsetzung angeordnet wurde.

Wird dann die Hauptverhandlung aus von dem Rechtsanwalt nicht zu vertretenden Gründen erst nach dem genannten Zeitraum fortgesetzt, ist nur der vom Vorsitzenden angeordnete Zeitraum zu berücksichtigen, nicht die Dauer der tatsächlichen Unterbrechung (vgl. LG Mannheim, Beschluss vorn 11. Mai 2022 — 4 KLs 300 Js 40140/20),

Der angeordnete Zeitraum beläuft sich, wie oben ausgeführt, auf 55 Minuten.

Unterbrechungen von bis zu einer Stunde werden grundsätzlich immer als Teilnahme berücksichtigt (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Auflage 2023, Rn. 23).

Es sei denn der Rechtsanwalt hat diese zu vertreten, wobei dies der Fall wäre, wenn die Unter-brechung auf Wunsch des Rechtsanwalts angeordnet wurde, etwa weil dieser einen anderen Termin wahrnehmen muss (vgl. Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Auflage 2023, Rn. 25). Ausweislich des Protokolls des Hauptverhandlungstermins wurde die Verhandlung für eine Mittagspause unterbrochen, vor diesem Hintergrund ist daher ein Vertretenmüssen nicht erkennbar.

Die zu berücksichtigende Dauer des Termins setzt sich wie folgt zusammen:

Die Hauptverhandlung wurde um 10.05 Uhr eröffnet, wobei der Beginn zuvor auf 10.00 Uhr bestimmt war. Die 5 Minuten Wartezeit sind bei der Berechnung der Verhandlungsdauer mit zu berücksichtigen.

Ausweislich des Protokolls wurde die Verhandlung um 15.55 Uhr geschlossen.

Da die Mittagspause als Unterbrechung nicht in Abzug zu bringen ist, beläuft sich die gesamte zu berücksichtigende Verhandlungszeit auf 5.55 Stunden.

Der Rechtsanwalt hat somit an mehr als 5 bis 8 Stunden Hauptverhandlung teilgenommen, der Längenzuschlag gemäß Nr. 4122 VV RVG in Höhe von 233,00 EUR ist entstanden.

Aus oben genannten Gründen wird der Erinnerung nicht abgeholfen.

Das Rechtsmittel wird dem zuständigen Richter zur Entscheidung vorgelegt.“

Der zuständige (Einzel)Richter beim OLG hat dann nicht lange gebraucht und hat schon mit dem OLG Jena, Beschl. v. 18.04.2024 – 3 St 2 BJs 4/21 – entschieden, und zwar kurz und zackig:

„Die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 23.02.2024, über die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 8 S. 1 RVG der Einzelrichter zu entscheiden hat, führt nicht zu dessen Abänderung.

Die Kostenfestsetzung ist nicht zu beanstanden. Zur Begründung nimmt der Senat auf die ausführliche wie zutreffende Begründung im Nichtabhilfebeschluss der zuständigen Rechtspflegerin Vom 12.04.2024 Bezug, die er sich zu Eigen macht.“

Wie gesagt kurz und zackig. Und das mit Recht. Was soll man dazu auch anderes schreiben?

Der Vertreter der Staatskasse hatte übrigens wie folgt gerechnet:

Vorliegend dauerte die Hauptverhandlung am 22.01.2024 von 10.05 Uhr bis 15.55 Uhr.
Der Beginn der Verhandlung wurde zuvor für 10.00 Uhr bestimmt, sodass die Zeit bis zum tatsächlichen Terminsbeginn (5 Minuten) als Wartezeit bei der Berechnung der Terminsdauer mit zu berücksichtigen ist.
Um 12.35 Uhr wurde die Verhandlung sodann unterbrochen und die Fortsetzung für 13.30 Uhr angeordnet,
Tatsächlich wurde die Verhandlung jedoch erst 13.35 Uhr fortgesetzt.
Es kann daher festgestellt werden, dass die Pause eine Stunde andauerte und der Zeitpunkt der Fortsetzung der Verhandlung vor Beginn der Pause angeordnet wurde. Insoweit sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Vorb. 4.1 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 W RVG nach meinem Dafürhalten erfüllt, sodass die benannte Unterbrechung bei der Berechnung der Verhandlungsdauer nicht zu berücksichtigen ist.
Da die Pause jedoch nur bis 13.30 Uhr angeordnet wurde, dürften lediglich 55 Minuten In Abzug zu bringen sein.
Die berücksichtigungsfähige Dauer des Hauptverhandlungstermins vom 22.01.2024 berechnet sich mithin wie folgt:
10.00 Uhr bis 12.35 Uhr = 2 Stunden und 35 Minuten
13.30 Uhr bis 15.55 Uhr = 2 Stunden und 25 Minuten“

Was davon zu halten ist, sagt das OLG. Wäre m.E. nicht nötig gewesen. Aber es hat auch etwas Gutes: Jetzt gibt es wenigstens auch einen OLG-Beschluss zu der Frage. 🙂

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