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Berufung I: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Konkludente Zustimmungserklärung

Daumen

Heute gibt es dann StPO-Entscheidungen. Alle drei Entscheidungen stammen von OLG und alle drei behandeln Fragen in Zusammenhang mit der Berufung.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 01.12.2023 – 204 StRR 527/23. Der Beschluss enthält nichts wesentlich Neues, fasst aber die Fragen betreffend Berufungsbeschränkung noch einmal schon zusammen. Hier reichen daher die Leitsätze:

1. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist von Amts wegen zu prüfen; der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es nicht.

2. Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen; gleiches gilt für eine Rechtsmittelbeschränkung. Diese Zustimmungserklärung kann auch konkludent abgegeben werden.

3.  Eine zulässige Berufungsbeschränkung – hier auf den Rechtsfolgenausspruch – setzt zunächst voraus, dass der nach dem Willen des Rechtsmittelführers neu zu verhandelnde Entscheidungsteil losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann, und erfordert sodann, dass der nicht angegriffene Teil der Vorentscheidung so festgestellt und bewertet ist, dass er – unabänderlich und damit bindend geworden – eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Entscheidung des Berufungsgerichts zu bieten vermag.

4. Hat das Amtsgericht einen Sachverhalt festgestellt, der eine Verurteilung nach § 241 Abs. 1 StGB trägt und den Schuldumfang ausreichend erkennen lässt, ist es dem Berufungsgericht deshalb verwehrt, zum Nachteil des Angeklagten ergänzende Feststellungen zu § 241 Abs. 2 StGB zu treffen.

5. Bei dem Tatvorwurf eines vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ist – ebenso wie bei dem Tatvorwurf einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs.1 und 2 StGB – die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam, wenn das angegriffene Urteil Feststellungen zu Tatzeit und Tatort, zu dem verwendeten Kraftfahrzeug sowie zum Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis und zu einem wissentlichen Handeln des Angeklagten enthält; zu Dauer, (beabsichtigter) Länge und sonstigen Gegebenheiten der Fahrt, zu den Motiven der Tat und zu den Umständen der Alkoholaufnahme können dagegen ergänzende Feststellungen getroffen werden, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

6. Hat das Gericht zur Schuldfähigkeitsbeurteilung und zur Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung ein Sachverständigengutachten erholt, muss es die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist.

7. Zur Prüfungsreihenfolge bezüglich der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB.

Aus den Beschlussgründen greife ich nur die Ausführungen zur Zustimmung (oben Leitsatz 2) heraus. Dazu führt das BayObLG aus:

„2. Eine wirksame Erklärung der Berufungsbeschränkung liegt vor.

Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen. Die Vorschrift gilt auch für die Rechtsmittelbeschränkung (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 303 Rn. 1 m. w. N.). Vorliegend hatte die Hauptverhandlung bereits begonnen (§§ 324 Abs. 1, 243 Abs. 1 StPO), als der Angeklagte und der Verteidiger die Rechtsmittelbeschränkung erklärten.

Das Protokoll verhält sich zu einer Zustimmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht. Dadurch wird indes nur bewiesen, dass dieser keine ausdrückliche Zustimmung erklärt hat (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2009 – 3 Ss 422/09 –, juris Rn. 10; KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, StPO § 303 Rn. 4).

Da die Zustimmungserklärung aber formfrei ist, kann sie auch konkludent abgegeben werden, was insbesondere dann nahe liegt, wenn dem Rechtsmittelgegner (in den entschiedenen Fällen: dem Angeklagten) durch die Rücknahme nur Vorteile erwachsen (OLG Hamm, NJW 1969, 151) bzw. sicher ist, dass der Rechtsmittelgegner die Beschränkung/Rücknahme zur Kenntnis genommen hat, ihm Bedeutung und Tragweite bewusst sind und sein weiteres Prozessverhalten keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass er mit der Beschränkung nicht einverstanden sein könnte (OLG Düsseldorf, MDR 1976, 1040, 1041; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.02.1990 – 3 Ss 562/89 –, juris Rn. 7). Ob eine konkludente Zustimmung zur (teilweisen) Rechtsmittelrücknahme (Rechtsmittelbeschränkung) erteilt wurde, ist gegebenenfalls im Freibeweisverfahren aufzuklären (OLG Hamm, NJW 1969, 151; OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2009 – 3 Ss 422/09 –, juris Rn. 11; KK-StPO/Paul, a. a. O., § 303 Rn. 4).

Vorliegend ist hier darauf abzustellen, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nach der Rechtsmittelbeschränkung durch den Angeklagten und seinen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung auf die Vernehmung der zur Sachverhaltsaufklärung geladenen und anwesenden Zeugen verzichtete. Im Schlussvortrag sowohl des Verteidigers als auch des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft wurden nur Anträge zu den Rechtsfolgen gestellt. Insoweit ist von einer konkludenten Zustimmung des Rechtsmittelgegners, hier der Staatsanwaltschaft, zu einer Teilrücknahme des Rechtsmittels auszugehen.

StPO III: Wirksame Berufungsbeschränkung?, oder: Landfriedensbruch, sexueller Missbrauch, BtM-Delikt

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Und dann zum Schluss des Tages hier noch einige Entscheidungen zur Frage der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung. Dazu hatte sich in der letzten Zeit einiges angesammelt, das ich hier heute mit den Leitsätzen vorstelle. Es handelt sich um folgende Entscheidungen:

    1. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, wenn sich im Falle einer Verurteilung wegen Betrugs aus dem amtsgerichtlichen Urteil nicht ergibt, ob dem Getäuschten ein Schaden im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB entstanden ist.
    2. Im Falle der wirksamen Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch besteht keine Bindung des Berufungsgerichts gemäß § 327 StPO an die amtsgerichtlichen Feststellungen zum gewerbsmäßigen Handeln im Sinne von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 1. Alt. StGB. Vielmehr hat das die Berufungskammer insoweit eigene Feststellungen zu treffen.
    1. Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unwirksam, wenn im Falle einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern aufgrund unzulänglicher Feststellungen des Erstgerichts nicht beurteilt werden kann, ob die Erheblichkeitsschwelle des § 184h Nr. 1 StGB überschritten ist.
    2. Die strafschärfende Berücksichtigung von Umständen (hier: Ausnutzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses) ist nur dann rechtsfehlerfrei, wenn diese von den getroffenen Feststellungen getragen werden.

Die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ist unter anderem dann unwirksam, wenn aufgrund der unzulänglichen Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht.

Fehlende Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel stehen bei einer Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung auch dann nicht entgegen, wenn die Bruttomenge der Betäubungsmittel die Grenze zur nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG übersteigt.

StPO III: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Eingeschränkte Schuldfähigkeit/Blutprobe

Und dann noch eine Entscheidung aus dem Berufungsverfahren, und zwar der

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Das AG hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hat das LG eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung für wirksam erachtet und  die Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen. Mit seiner unbeschränkten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts und äußert Zweifel an seiner Schuldfähigkeit. Die Revision hatte Erfolg:

„Die gemäß § 333 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Revision des Angeklagten hat bereits deshalb einen vorläufigen Erfolg, weil das Landgericht mangels hinreichender Feststellungen des Amtsgerichts zur Alkoholisierung des Angeklagten nicht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung ausgehen durfte (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Dezember 2022 – 203 StRR 481/22-, juris).

Für eine rechtsfehlerfreie Prüfung der Voraussetzungen von §§ 20, 21 StGB ist der Tatrichter nach der gefestigten höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich verpflichtet, die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration (BAK) des Täters für das Revisionsgericht nachvollziehbar zu errechnen, sobald und soweit die Schuldfähigkeit durch Alkoholmissbrauch eingeschränkt oder ausgeschlossen gewesen sein könnte (Senat a.a.O. Rn. 6; BayObLG, Beschluss vom 2. Februar 2001 – 5 StRR 20/01 -, juris Rn. 9). Bei einem erkennbar alkoholisierten Täter hat für die Beurteilung der Schuldfähigkeit die Berechnung der BAK zur Tatzeit vorauszugehen, um den Grad der Alkoholisierung auf einer hinreichenden Faktenbasis einschätzen zu können (Senat a.a.O. m.w.N.).

Die danach gebotene Feststellung des Blutalkoholwerts hat das Amtsgericht versäumt und eine Schuldunfähigkeit ohne tragfähige Tatsachengrundlage ausgeschlossen, obwohl sich der Angeklagte auf einen „Filmriss“ berufen hat. Das Landgericht hätte daher nicht von der Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung ausgehen dürfen und das Urteil des Amtsgerichts umfassend im Schuldspruch mit eigenen Feststellungen zur Frage der Schuldfähigkeit überprüfen müssen (vgl. Senat a.a.O. Rn. 4, 9; BayObLG, Beschluss vom 2. Februar 2001 – 5 StRR 20/01 –, juris Rn. 6 ff., 9). Die bisherigen Feststellungen tragen auch keine Verurteilung wegen Vollrausches nach § 323a StGB, so dass der Senat offen lassen kann, ob in diesem Fall die Beschränkung der Berufung wirksam wäre.

Die neue Strafkammer wird – gegebenenfalls unter Inanspruchnahme von sachverständiger Hilfe – die tatsächlichen Grundlagen, die für die Beurteilung der Schuldfähigkeit mit Blick auf den der Tat vorangegangenen Alkoholkonsum von Bedeutung sind, zu klären und hierzu Feststellungen zu treffen haben (vgl. Senat a.a.O. Rn. 6).

Sollte ein Blutprobe-Blutalkoholkonzentrationswert fehlen, rechtfertigt dies nicht, von Feststellungen zur Blutalkoholkonzentration abzusehen (Senat a.a.O.). Vielmehr ist der Alkoholgehalt der insgesamt konsumierten Alkoholmenge anhand von Trinkmengenangaben des Angeklagten und möglicher Zeugen festzustellen und sodann die Tatzeit – BAK zu ermitteln (vgl. Senat a.a.O.; BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 – 5 StR 57/09 –, juris Rn. 8; Fischer, StGB, 70. Aufl., § 20 Rn. 14). Die entsprechenden Anknüpfungstatsachen sind im Urteil darzulegen (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2003 – 2 StR 209/03 –, juris Rn. 6). Anschließend hat eine Gesamtbewertung der Umstände des Tatgeschehens und der Persönlichkeitsverfassung des Täters vor, während und nach der Tat zu erfolgen (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1991 – 1 StR 482/91 –, juris Rn. 8). Dem festgestellten BAK – Wert kommt dabei die Bedeutung eines gewichtigen Beweisanzeichens zu (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 17, 23). Entziehen sich die Angaben des Angeklagten zum Alkoholkonsum sowohl zeitlich als auch mengenmäßig jedem Versuch einer Eingrenzung, so bedarf es der Berechnung der Blutalkoholkonzentration ausnahmsweise nicht. In einem solchen Fall kann sich die Beurteilung der Schuldfähigkeit nur nach psychodiagnostischen Kriterien richten, wobei die Hinzuziehung eines Sachverständigen regelmäßig geboten sein wird (vgl. Senat a.a.O. m.w.N.; BayObLG, Beschluss vom 6. März 2003 – 1St RR 13/03 –, juris Rn. 17; Fischer a.a.O. Rn. 26).“

StPO III: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Wenn das AG die Schuldfähigkeit nicht prüft

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Und als dritte und letzte Entscheidung des Tages ein weiterer Beschluss des BayObLG, und zwar der BayObLG, Beschl. v. 06.12.2022 –  203 StRR 481/22.

Das AG hat den Angeklagten u.a. tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat verurteilt. Auf die Berufung des Angeklagten hin hat das LG eine Beschränkung des Rechtsmittels auf die Rechtsfolgen für wirksam erachtet und das Urteil des AG im Rechtsfolgenausspruch abgeändert, den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und die Berufung im übrigen als unbegründet verworfen. Das gefällt dem Angeklagten immer noch nicht. Er hat Revision eingelegt und hatte damit Erfolg.

Das BayObLG moniert in seiner umfangreich begründeten Entscheidung nicht ausreichende Feststellungen des AG zur Frage der Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) und geht daher davon aus, dass die Berufungsbeschränkung – entgegen der Ansicht des LG – unwirksam war (§ 318 StPO). Das LG hääte dazu Ausführungen machen müssen.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Grundsätzlich ist eine Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch auch dann zulässig, wenn eine Einschränkung der Schuldfähigkeit im Raum steht. Hat jedoch das Amtsgericht die Frage der Schuldunfähigkeit nach § 20 StGB nicht geprüft, obwohl aufgrund seiner eigenen Feststellungen Anlass hierfür bestand, und hat es auch eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei begründet, erweist sich eine Rechtsmittelbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch von vorneherein als unwirksam.

2. Kommt das Berufungsgericht nach eigener Prüfung der Voraussetzungen von § 21 StGB zu dem Ergebnis, dass entgegen dem erstinstanzlichen Urteil die Voraussetzungen sogar des § 20 StGB erfüllt sind, muss das Berufungsgericht die Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch als unwirksam und im Berufungsverfahren als unbeachtlich beurteilen.

3. Im Urteil muss das Berufungsgericht, wenn das Erstgericht die verminderte Schuldfähigkeit nicht rechtsfehlerfrei begründet hat und der Tatrichter der zweiten Instanz nach den durchgeführten Beweiserhebungen die Beschränkung für wirksam hält, erkennen lassen, dass es die Frage der Schuldunfähigkeit geprüft und verneint hat.

4. Für eine rechtsfehlerfreie Prüfung der Voraussetzungen von §§ 20, 21 StGB ist der Tatrichter nach der gefestigten höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich verpflichtet, die Tatzeit-Blutalkoholkonzentration (BAK) des Täters für das Revisionsgericht nachvollziehbar zu errechnen, sobald und soweit die Schuldfähigkeit durch Alkoholmissbrauch eingeschränkt oder ausgeschlossen gewesen sein könnte.

5. Fehlt ein Blutprobe-Blutalkoholkonzentrationswert, rechtfertigt dies nicht, von Feststellungen zur Blutalkoholkonzentration abzusehen. Vielmehr hat der Tatrichter in diesem Fall den Alkoholgehalt der insgesamt konsumierten Alkoholmenge festzustellen, auch wenn er auf die Trinkmengenangaben des Angeklagten angewiesen ist. Erst wenn sich auch nach der Ausschöpfung der vorhandenen Beweise keine annähernd verlässliche Berechnung der BAK zur Tatzeit durchführen ließ, richtet sich die Beurteilung der Schuld nach psychodiagnostischen Kriterien.

Also: Neue Runde…..

Bewährung III: Wirksame Berufungsbeschränkung?, oder: Reichen die tatsächlichen Feststellungen?

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Im dritten Posting des Tages stelle ich das OLG Brandenburg, Urt. v. 15.02.2023 – 1 OLG 53 Ss 119/22 – vor. Es behandelt eine Frage, die insbesondere auch in Zusammenhang mit Strafaussetzung zur Bewährung immer wieder eine Rolle spielt. Nämlich die Frage, der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung auf die Frage der Strafaussetzung.

Hier hatte der Angeklagte sein Rechtsmittel in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch und diesen weiter auf die Frage der Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung beschränkt. Das hat beim OLG „gehalten“. Das OLg führt dazu (noch einmal) aus:

„b) Gegenstand der revisionsgerichtlichen Überprüfung ist allein die Entscheidung des Landgerichts, die Vollstreckung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen. Die seitens des Angeklagten schon im Berufungsverfahren erklärte Beschränkung des Rechtsmittels auf die Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ist auch im Revisionsverfahren nicht nur formell (§§ 302 Abs. 2, 303 StPO), sondern auch materiell wirksam. Die Beschränkung des Rechtsmittels auf bestimmte Beschwerdepunkte (vgl. für die Berufung: § 318 Abs. 1 StPO; für die Revision: § 344 Abs. 1 StPO „inwieweit“) ist nach der so genannten Trennbarkeitsformel insoweit wirksam, als sie dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit eröffnet, den angefochtenen Teil des Urteils losgelöst vom nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich zu beurteilen, ohne die Prüfung des übrigen Urteilsinhalts notwendig zu machen. Die den Rechtsmittelberechtigten eingeräumte „Macht zum unmittelbaren Eingriff in die Gestaltung des Rechtsmittels“ (RGSt 69, 110, 111; vgl. auch BGHSt 14, 30, 36) gebietet es, den in Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck gekommenen Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Das Rechtsmittelgericht kann und darf diejenigen Entscheidungsteile nicht nachprüfen, deren Nachprüfung von keiner Seite begehrt wird, wenn und soweit der angegriffene Entscheidungsteil trennbar ist, also losgelöst vom übrigen Urteilsgehalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann (siehe schon: RGSt 65, 296; RGSt 69, 110, 111; ebenso: BGHSt 19, 46, 48; BGHSt 24, 185, 187; BGH NJW 1981, 589, 590, jeweils m.w.N.).

Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung ist ein selbständiger Teil des Urteilsspruchs (§ 260 Abs. 4 S. 4 StPO). Sie kann isoliert angefochten werden, wenn sich die ihr zugrunde liegenden Erwägungen von denen der Strafzumessung trennen lassen (BGH NStZ 1994, 449; KG, Urteil vom 13. Dezember 2006, (5) 1 Ss 305/06 (49/06) m. w. N., Juris; OLG Dresden NStZ-RR 2012, 289; OLG Hamburg NStZ-RR 2006, 18, StraFo 2016, 518; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage, zu § 318, Rz. 20a m. w. N.). An der Trennbarkeit fehlt es nicht schon dann, wenn sich die bei der Strafzumessung und bei der Aussetzungsentscheidung zu berücksichtigenden Tatsachen überschneiden (KG a.a.O.; OLG Frankfurt VRS 59, 106, 108). Insoweit doppelt relevante Feststellungen verknüpfen diese Entscheidungen regelmäßig miteinander; vom Gesetzgeber ist in § 46 Abs. 2 StGB und § 56 Abs. 1 S. 2 StGB vorgesehen, dass diejenigen Tatsachen, welche die Zumessung der Strafe im engeren Sinn mitbestimmen, auch für die Aussetzungsentscheidung wesentliche Bedeutung erlangen könnten (KG a.a.O. und m.w.N.).

Die Beschränkung der Revision auf die Aussetzungsentscheidung ist indes nur dann unwirksam, wenn die Tatsachenfeststellungen und Erwägungen zum Strafmaß so unzulänglich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Aussetzungsentscheidung bilden (KG a.a.O.; OLG Köln NStZ 1989, 90, 91; VRS 61, 365, 567; OLG Frankfurt VRS 59, 106, 107), die Entscheidung über die Bewährung an einem Fehler leidet, der zugleich die Strafzumessung betrifft (KG a.a.O.; OLG Frankfurt a.a.O., S. 110; OLG Köln VRS 61, 365, 367), der Anfechtende sich gegen die Feststellung oder Nichtfeststellung einer doppeltrelevanten Tatsache wendet (BGH NJW 2001, 3134; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 309; KG a.a.O.) oder eine unzulässige Verknüpfung von Strafmaß- und Aussetzungsentscheidung hergestellt worden ist (BGH NStZ 2001, 311; OLG Frankfurt VRS 59, 106, 109; OLG Köln VRS 61, 365, 367; KG a. a. O.). Stets muss gewährleistet sein, dass das stufenweise entstehende Urteil frei von inneren Widersprüchen bleibt (BGHSt 29, 359, 365; NJW 2001, 3134; NStZ-RR 1999, 359; OLG Frankfurt NStZ-RR 1996, 309, 310; KG a.a.O.).

Hieran gemessen, erweist sich die Beschränkung der Berufung auf die Frage der Strafaussetzung als wirksam. Das Landgericht hat die Strafzumessung getrennt von der Strafaussetzung begründet und auch inhaltlich nicht unzulässig miteinander verknüpft. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Kammer wegen der Versagung der Strafaussetzung auf höhere oder niedrigere Einzelstrafen oder eine hieran angepasste Gesamtfreiheitsstrafe erkannt hätte. Die Tatsachenfeststellungen und Erwägungen zur Strafzumessung bilden – auch – eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung. Die Revision rügt ausschließlich Rechtsfehler bei der Anwendung des § 56 StGB, die das Strafmaß nicht berühren.“

Wegen der Ausführungen des OLG zur Sache dann bitte im verlinkten Volltext nachlesen.