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StPO II: „Freiwillige“ Blutprobe, oder: Verwertbarkeit nach fehlerhafter Belehrung

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Die zweite Entscheidung des Tages, der OLG Hamm, Beschl. v. 31.03.2020 – 4 RBs 114/20, den mir der Kollege Urbanzyk aus Coesfeld geschickt hat, befasst sich (noch einmal) mit der Verwertbarkeit einer „freiwillig“ abgegebenen Blutprobe nach willkürlich fehlerhafter Belehrung.

Hier die Beschlussgründen – nur ein Zusatz zur Verwerfung der Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Ihnen lässt sich entnehmen, worum es gegangen ist:

Ergänzend zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft ist anzumerken, dass die Verfahrensrüge der unzulässigen Verwertung amtlicher gewonnener Beweismittel“ wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus §§ 136 Abs. 1 5.2 StPO, 46 Abs. 1 OWiG) jedenfalls unbegründet ist.

Zuzugeben ist der Rechtsbeschwerde, dass es gegen §§ 136 Abs. 1 S. 2; 163a StPO, 46 Abs. 1 OWG verstößt, wenn der der Betroffene, bei dem – wie hier ¬aufgrund stark erweiterter Pupillen ohne Reaktion und starkem Lidflattern nach Anhalten des von ihm geführten PKW im grenznahen Gebiet zu den Niederlanden durch den Zeugen POK pp. der Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG bestand, ohne vorangegangene Belehrung zunächst befragt wird „ob er etwas genommen habe“. Bei dieser Sachlage hatte der Betroffene bereits den Status eines solchen und es war eine Vernehmungssituation gegeben, denn eine solche liegt vor, wenn der Vernehmende dem Betroffenen in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihm Auskunft verlangt (vgl. BGH MDR 1996, 1054). Dass der Betroffene im vorliegenden Fall im Weiteren Verlauf etwa noch vor Einholung seiner Zustimmung zu einem „freiwilligen“ Drogentest oder später- qualifiziert in dem Sinne belehrt worden ist, dass er auch einen Hinweis auf die Unverwertbarkeit früherer Aussagen erhalten hat (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 136 Rdn. 9) ist nicht ersichtlich. Vielmehr ist nur eine (einfache) Belehrung erfolgt und zwar nach dem Drogenvortest. Danach ist der Betroffene auch darüber belehrt worden, dass er sich freiwillig einer Blutentnahme unterziehen könne, anderenfalls selbige durch den Zeugen angeordnet würde.

Gleichwohl führt dieses Vorgehen der Polizei nicht zu einem Beweisverwertungsverbot bzgl. „sämtlicher gewonnener Beweismittel“. Eine Aussage des Betroffenen über das Einräumen seiner Fahrereigenschaft in der Hauptverhandlung ist im angefochtenen Urteil nicht verwertet worden. Eine Aussage gegenüber den Polizeibeamten in der Anhaltesituation gibt das angefochtene Urteil nicht ausdrücklich wieder. Der in der Beweiswürdigung niedergelegte Ablauf (Anhalten, Befragung, ob der Betroffene „etwas genommen habe“; im Falle der Bejahung Angebot eines freiwilligen Drogenschnelltests) legt aber nahe, dass der Betroffene die Frage nach der Drogeneinnahme bejaht hat, da es ansonsten wohl nicht zur Durchführung des Drogenschnelltests gekommen wäre. Diese Angaben sind aber im angefochtenen Urteil nicht verwertet worden. Wie sich aus der Rügebegründung ergibt, hat der Betroffene auch die ärztliche Untersuchung anlässlich der Blutprobenentnahme ausweislich des ärztlichen Berichts verweigert, so dass dort unter „Untersuchungsbefund“ nichts angekreuzt ist.

Ob über die Unverwertbarkeit der Angaben des nicht ordnungsgemäß belehrten Betroffenen hinaus ein Beweisverwertungsverbot Fernwirkung bzgl. anderer Beweismittel (hier insbesondere: Ergebnis der Blutprobe, der sich der Betroffene „freiwillig“ unterzogen hat) ist umstritten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt a.a.O. Rdn. 22). Selbst, wenn man eine solche Fernwirkung – noch dazu im Ordnungswidrigkeitenrecht – bejahen wollte, so lässt sich eine allgemeingültige Regel, wann ein Beweisverwertungsverbot über das unmittelbar gewonnene Beweisergebnis hinausreicht und wo seine Grenzen zu ziehen sind, nicht aufstellen. Die Grenzen richten sich nicht nur nach der Sachlage und Art und Schwere des Verstoßes, sondern auch nach der Kausalität der unzulässig erlangten Erkenntnisse für die weiteren Ermittlungen und die schließliche Überführung des Betroffenen (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 10.10.1994 — Ss 371/94 — juris; vgl. auch: BVerfG, Beschl. v. 27.04.2010 — 2 BvL 13/07 – juris). Der Verstoß hat ein nicht unbedeutendes Gewicht. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass es sich bei dem unzulässigen Vorgehen nach den Urteilsfeststellungen offenbar um eine gängige Praxis des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten handelt. Andererseits ist zu sehen, dass es vorliegend „nur“ um die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (wenn auch mit der Konsequenz eines Fahrverbots und einer erheblichen Geldbuße) geht. Hier ist aber eine Kausalität des Verstoßes gegen die Belehrungspflicht — wie im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt zu verneinen. Angesichts der Umstände, die den o.g. Anfangsverdacht begründeten, wäre auch dann, wenn der Betroffene nach bereits anfänglicher ordnungsgemäßer Belehrung jede Mitwirkung und jede Angabe verweigert hätte, eine Blutentnahme rechtmäßig nach § 46 Abs. 4 S. 2 OWiG angeordnet worden, deren Ergebnis dann auch hätte verwertet werden dürfen.“

Der Beschluss überrascht nicht. Überraschend wäre eher ein Erfolg der Rechtsbeschwerde gewesen.

Wegfall des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme, oder: Herrschende Meinung sagt: Neues Recht

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Im „Kessel Buntes“ dann heute zunächst der OVG Saarlouis, Beschl. v. 04.12.2018, 1 D 317/18 -, der passt auch in die Rubrik „Strafrecht meets Verwaltungsrecht“. Denn es es geht noch einmal/mal wieder um die Auswirkungen des „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.08.2017 (BGBl I, S. 3202)“. genauer: Es geht um die Frage: Altes oder neues Recht bei der Prüfung der Frage, ob eine ohne Beachtung des Richtervorbehalts vor dem 24.08.2017 entnommene Blutprobe verwertet werden kann.

Das OVG sagt: Neues Recht. Hier der Leitsatz:

Ergeht eine Fahrerlaubnisentziehungsverfügung nach Inkrafttreten der Neufassung der §§ 81a Abs. 2 StPO, 46 Abs. 4 OWiG (24.8.2017), so unterliegt das Ergebnis einer zuvor ohne richterliche Anordnung entnommenen Blutprobe bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der neugefassten Vorschriften keinem Verwertungsverbot.

Das hatten bisher u.a. auch schon entschieden der VGH München im VGH München, Beschl. v. 05.02.2018 – 11 ZB 17.2069 (dazu Blutentnahme nach neuem Recht, oder: Auch in Bayern wird “gesund gebetet”), das Bamberg im OLG Bamberg, Beschl. v. 26.10.2018 – 3 Ss OWi 1410/18 (StPO III: Wegfall des Richtervorbehalts bei der Blutentnahme, oder: Altes oder neues Recht) und das OLG Rostock im OLG Rostock, Beschl. v. 03.11.2017 – 1 Ss 94/17 (Blutentnahme nach altem Recht – “gesund gebetet” nach neuem Recht, oder: Asche auf mein Haupt). Da kann man dann wohl von einer herrschenden Meinung sprechen.

Betrunkene Autofahrerin stiehlt eigene Blutprobe, oder: Ganz schön dreist

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Der Tag geht dann weiter, nein, nicht mit R. Wendt bzw. nur mit einem kurzen Hinweis: Humor hat er ja der Mann (?) oder was sollte das sonst sein. Er, wenn er es denn war, hat mich auf Facebook, wohin ich den gestrigen Beitrag Der Vorsitzende der DPolG Rainer Wendt äußert sich zum “Fall Susanna”, oder: Unfassbar, auch geteilt habe – wie alle Beiträge dieses Blogs – aufgefordert/gebeten, seine Seite mit „Gefällt mir“ zu „liken“. Habe ich aber dann doch nicht getan. Ich kann auch so alles lesen, was er schreibt, und manches will ich gar nicht lesen.

Nein, heute eröffne ich mit dem Hinweis auf eine Meldung, die ich bei „ntv“, aber auch in der Tageszeitung gefunden habe:

„Gar nicht einverstanden mit einer angeordneten Blutprobe hat sich eine Autofahrerin im niedersächsischen Uelzen gezeigt. Die 49-Jährige wurde in Lüneburg in der Nacht zum Mittwoch angehalten und zur Bestimmung des Alkoholpegels ins Krankenhaus gebracht. Dort zapfte ihr eine Ärztin Blut ab. Als die Frau entlassen wurde, nutzte sie einen günstigen Moment und nahm die Probe mit. Die Polizei holte sie allerdings ein und nahm das Blut wieder an sich. Im Besitz eines Führerscheins war die Frau ohnehin nicht. „Ganz schön dreist“, finden die Polizisten.“

Auch eine Methode/versuch, ein Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt zu verhindern. 🙂

Blutentnahme nach altem Recht – „gesund gebetet“ nach neuem Recht, oder: Asche auf mein Haupt

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Da sag noch mal einer, dass Internet mache dumm. Mitnichten. Jedenfalls hat es mir auf die Sprünge geholfen bzw. eine Diskussion, die wir in der der Facebook-Gruppe „Verk-Forum“ „VerkR-Forum“ unter Verkehrsrechtlern geführt haben. Es ging um die Frage der Anwendbarkeit der Neuregelungen in der StPO durch das „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ vom 17.8.2017 (BGBl I, S. 3202)“ auf Altfälle. Und zwar konkret um die Anwendbarkeit der Änderungen in § 81a Abs. 2 StPO – Stichwort „Richtervorbehalt“ bei Verkehrsdelikten. Ja, es ist Verfahrensrecht und damit auch in laufenden Verfahren anwenden. Das hatte ich auf dem Schirm: Aber: Ich hatte die Auffassung vertreten, dass „Altfälle“, in denen Fehler gemacht worden sind oder sein können, nicht mit der Neuregelung gesund gebetet werden können.

Nun, ein Kollege hat sich da gestern von einem AG eines Besseren – zumindest eines anderen – belehren lassen müssen. Dort ist ihm nämlich der OLG Rostock, Beschl. v. 03.11.2017 – 1 Ss 94/17 – entgegengehalten worden. In dem hat das OLG zu der Frage Stellung genommen und sie anders – siehe den letzten Absatz – beantwortet:

„Ergänzend bemerkt der Senat:

Die Rüge, das Ergebnis der Blutalkoholbestimmung hätte nicht zum Nachteil der Angeklagten verwertet werden dürfen, weil diese seinerzeit nicht wirksam in die Blutentnahme eingewilligt habe und diese Maßnahme auch nicht richterlich angeordnet worden sei, wäre auch unbegründet.

Nach § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO in der ab dem 24.08.2017 geltenden Fassung von Art. 3 Nr. 5 des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.08.2017 (BGBl. I S. 3202) bedarf die Entnahme einer Blutprobe ohne Einwilligung des Betroffenen dann keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Straftat nach § 316 StGB begangen worden ist. So ist es hier.

Nach den Urteilsfeststellungen hatte die Angeklagte auf die sie kontrollierenden Polizeibeamten wegen ihres „albernen“ und immer wieder von Lachen begleiteten Verhaltens einen alkoholisierten Eindruck gemacht. Zudem hatte sie selbst angegeben, vor Fahrtantritt Alkohol zu sich genommen zu haben. Die noch vor Ort durchgeführte Vorprobe mittels eines Atemalkoholmessgeräts hatte eine BAK von 1,3 Promille ergeben. Damit lag zum Zeitpunkt der Blutentnahme ein durch Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat nach § 316 StGB vor. Die Anordnung zur Blutentnahme durfte deshalb nach dem nunmehr geltendem Recht durch die Staatsanwaltschaft oder durch ihre Ermittlungspersonen erfolgen, wobei kein Anordnungsvorrang der Staatsanwaltschaft vor den Polizeibeamten besteht (so schon zum bisherigen Recht König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Aufl., § 81a StPO, Rdz. 5 m.w.N.).

Bei § 81a StPO handelt es sich um eine Verfahrensvorschrift, die mit ihrem Inkrafttreten sofortige Geltung beansprucht, wenn keine abweichende Übergangsregelung getroffen wurde. Das ist hier nicht der Fall. Das strafrechtliche (materiell-rechtliche) Rückwirkungsverbot gilt in diesen Fällen nicht.

Selbst wenn die Anordnung der Blutentnahme durch die Polizeibeamten seinerzeit nicht rechtmäßig gewesen sein sollte, könnte dieser Verfahrensfehler deshalb im vorliegenden Revisionsverfahren nicht mehr zu Urteilsaufhebung führen, weil die Maßnahme dem jetzt geltenden Recht entspricht (BayObLG NJW 2005, 1592; OLG Hamburg NJW 1975, 988; vgl. für die Verwertbarkeit von TKÜ-Maßnahmen auch BGH NJW 2009, 791, 792).“

Ich habe inzwischen das BayObLG und die BGH-Entscheidung nachgelesen – das ist BGHSt 53, 64. Und ich muss einräumen: Leider so etwas von deutlich, dass man daran wohl nicht vorbei kommt. Es werden also „falsche Altfälle“ „gesund gebetet“. Ich sehe es nach wie vor anders, weil es es sich um abgeschlossene Sachverhalte handelt, die m.E. nach dem zum Zeitpunkt des Handelns gültigen Recht beurteilt werden müssen. Das hat m.E. nichts damit zu tun, das im Verfahrensrecht das Rückwirkungsverbot grundsätzlich nicht und neues Verfahrensrecht auch in laufenden Verfahren anzuwenden ist. Eben: „Laufende“ Verfahren. Zudem wendet man ja z.B. auch nicht auf abgeschlossene Fälle, in denen der neue § 141 Abs. 3 Satz 4 StPo gelten würden, nun diese Neuregelung an und ordnet nachträglich einen Pflichtverteidiger bei. Aber die Rechtsprechung sieht es wohl anders, was ich – räume ich ein – übersehen habe. Also: Asche auf mein Haupt.

In der Sache: Man kann den autofahrenden Mandanten als Verteidiger nur raten: Bloß nicht bei einer Polizeikontrolle lachen und  „albern“ sein. Das könnte dann für „bestimmte Tatsachen“ i.S. des § 81a Abs. 2 Satz 2 StPO reichen. M.E. ein wenig weit her geholt.  Allein würde mir das nicht reichen. Die Frage stellte sich hier aber nicht. Denn die Angeklagte hatte Alkoholkonsum vor Fahrtantritt eingeräumt. Das reicht dann….

Also: Beide etwas gelernt…. 🙂 .

Abschied von der Blutprobe?

© Klaus Eppele - Fotolia.com

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Müssen wir uns bald im Verkehrsstrafrecht von der (guten/alten) Blutprobe verabschieden? Ja, das kann sein. Denn es gibt wohl eine bundesweites Forschungsprojekt, in dem überprüft wird, ob der Atemalkoholtest beweissicher und gerichtsfest ist und auch in Strafverfahren ausreicht. Bisher ist seine Verwendung dort ja nicht zulässig und es darf nach der obergerichtlichen Rechtsprechung auch nicht umgerechnet werden von den Werten des Atemalkoholtestes auf eine BAK.

Das wird nun demnächst ggf. anders, wenn die Ergebnisse des Forschungsprojekts vorliegen. An dem beteiligt sich im Übrigen seit dem 01.09.2015 auch NRW. Klar, dass die Polizei das begrüßt. „Es ist zweifelsfrei, dass eine beweissichere Atemalkoholanalyse gegenüber einer Blutentnahme einen geringeren Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit darstellt“, sagt Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). (vgl. hier). Und die GdP hält das einjährige Pilotprojekt schon gar nicht mehr für notwendig. „Wir haben jetzt schon enorme Personalnot – seit Jahren warten wir, dass die Polizei entlastet wird“, sagte ein Sprecher. „ (vgl. auch hier). Nun so schnell schießen die Preussen dann aber doch nicht 🙂 .