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Fahrtenbuchauflage für den gesamten Fuhrpark, oder: Nichtfeststellbarkeit der Fahrer

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Und dann hier die zweite Entscheidung der Tages, und zwar der OVG Saarland, Beschl. v. 19.04.2023 – 1 B 25/23 – zur Fahrtenbuchauflage für einen gesamten Fuhrpark.

Die Verwaltungsbegörde hatte unter Anordnung der sofortigen Vollziehung und Auflistung von acht im Zeitraum vom 18.10.2017 bis 26.12.2021 mit unterschiedlichen Personenkraftwagen, deren Halter die Antragstellerin als Firmeninhaberin ist bzw. zur Zeit des jeweiligen Verstoßes war, begangenen Geschwindigkeitsüberschreitungen angeordnet, dass die Antragstellerin für sämtliche auf ihre Firma zugelassenen Fahrzeuge (in der Anlage waren 23 Fahrzeuge aufgelistet) vom Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids – dies war der 7.6.2022 – bis zum Ablauf von sechs Monaten ein Fahrtenbuch zu führen, die Fahrtenbücher jeweils zum Monatsende in Kopie zur Einsicht vorzulegen und sie nach Ablauf der gesetzten Frist noch sechs Monate aufzubewahren hat.

Dagegen Widerspruch und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch. Der Antrag hatte weder beim VG noch beim OVG Erfolg:

„….Der Einwand, die Behörde sei, wenn sie eine Fahrtenbuchauflage auf mehrere Fahrzeuge eines Halters erstrecken wolle, nach der Rechtsprechung gehalten, zu ermitteln, ob die anderen Fahrzeuge einem wechselnden Benutzerkreis mit der Folge zur Verfügung stünden, dass bei einem Verkehrsverstoß mit der Nichtfeststellbarkeit des Fahrers zu rechnen sei, und dies sei vorliegend nicht geschehen, verfängt unter den fallrelevanten Umständen nicht. Die Antragsgegnerin hat ausweislich Blatt 494 ff. der Verwaltungsakte Feststellungen zu den dem Fuhrpark zugehörigen Fahrzeugen getroffen und in den Bescheidgründen unter Anführung einer Liste unaufgeklärt gebliebener Geschwindigkeitsüberschreitungen darauf abgestellt, dass bisher bereits hinsichtlich einzelner Fahrzeuge Fahrtenbuchauflagen ergangen seien, diese aber nicht bewirkt hätten, dass die Antragstellerin intern sicherstellt, dass Verkehrsverstöße den verantwortlichen Fahrern zugeordnet werden. Sei der Adressat einer Fahrtenbuchauflage gleichzeitig Halter mehrerer Fahrzeuge, so dürften diese in die Anordnung einbezogen werden, wenn aufgrund der Nutzungsgepflogenheiten des Halters auch mit anderen Fahrzeugen einschlägige Zuwiderhandlungen naheliegend und zu erwarten seien.

Diese Erwägungen tragen die getroffene Erstreckung der Fahrtenbuchauflage auf alle Firmenfahrzeuge. Dass die Geschäftsführung der Antragstellerin hinsichtlich keiner der der Anordnung zugrunde gelegten Geschwindigkeitsüberschreitungen ungeachtet der durchweg sehr deutlichen Fotos die Fahrer bzw. die als Fahrer jedenfalls in Betracht kommenden Mitarbeiter namentlich benannt hat, lässt erkennen, dass für die mangelnde Mitwirkung nicht ein etwaig wechselnder Benutzerkreis und eine daraus gegebenenfalls resultierende Schwierigkeit, denjenigen, der das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt hat, zu ermitteln, ausschlaggebend waren, sondern allein die bereits im Grundsatz fehlende Bereitschaft der Antragstellerin, ihrer Obliegenheit, an der Aufklärung der mit ihren Fahrzeugen begangenen Verkehrsverstöße so weit mitzuwirken, wie ihr das möglich und zumutbar ist.7

Zu der diesbezüglichen Argumentation der Antragstellerin, dieser Sichtweise sei entgegenzuhalten, dass sich die Einstellung des Geschäftsführers und der sonstigen Mitarbeiter spätestens seit Dezember 2021 erkennbar geändert habe, weswegen es seither keine Anhaltspunkte für die Annahme einer abstrakten Wiederholungsgefahr mehr gegeben habe, ist vorstehend bereits dargelegt, dass nach Aktenlage im Dezember 2021 und im Januar 2022 jedenfalls noch keine Anzeichen für den behaupteten Einstellungswechsel zu erkennen waren.

Der Antragstellerin ist allerdings zuzugestehen, dass sie zwischen der Anhörung vom 14.2.2022 und dem Ergehen der Anordnung am 3.6.2022 erstmals drei Anfragen, nämlich vom 16.2., 23.2. und 9.3.2022, und dies zudem zeitnah, nämlich am 21.2., 3.3. bzw. 17.3.2022, beantwortet hat. Eine weitere Anfrage vom 20.5.2022 wurde wiederum verzögert, nämlich am 21.6.2022, also erst nach Ergehen des verfahrensgegenständlichen Bescheids beantwortet, zwei spätere Anfragen vom 15.6. bzw. 1.8.2022 wurden am 21.6. bzw. 11.8.2022 beantwortet. Die Antragstellerin meint, ihr geändertes Verhalten sei zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses bzw. bereits im Anhörungsverfahren nur so zu interpretieren gewesen, dass es nicht mehr zu weiteren unaufgeklärten Verkehrszuwiderhandlungen kommen würde. Das Verwaltungsgericht habe den Vortrag der Antragstellerin, dass sie spätestens seit 2022 innerbetrieblich gesichert habe, dass zuverlässig Auskunft erteilt werde, nicht angemessen in seine Würdigung einbezogen und gehe überdies selbst davon aus, dass die Anhörung vom 14.2.2022 zur beabsichtigten Anordnung eine Verhaltensänderung bei der Antragstellerin bewirkt habe. Demzufolge habe am 3.6.2022 keine Notwendigkeit einer Fahrtenbuchauflage mehr bestanden. Der Sinn und Zweck einer solchen bestehe nicht darin, vergangenes Verhalten zu sanktionieren.

Da letzteres zutrifft, wirft die vorbezeichnete Argumentation der Antragstellerin die im Ergebnis zu verneinende Frage auf, ob tragfähige Anhaltspunkte für einen als grundlegend zu erachtenden Einstellungswandel mit der Folge zu verzeichnen sind, dass es aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geboten gewesen wäre, entweder gänzlich von der Anordnung einer sich auf alle Personenkraftwagen8 des Fuhrparks der Antragstellerin erstreckenden Fahrtenbuchauflage oder jedenfalls von der Vorgabe von deren sofortiger Vollziehbarkeit abzusehen…..“

Fahrtenbuch I: (Schlechte) Qualität des Fahrerfotos, oder: Mitwirkung des Halters an der Fahrerermittlung

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Heute stelle ich im „Kessel Buntes“ dann mal wieder zwei Entscheidungen zum Fahrtenbuch (§ 31a StVZO) vor. Ich beginne mit dem OVG Saarland, Beschl. v. 24.08.2022 – 1 B 67/22 – mit folgendem Sachverhalt:

Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO. Das VG hat den Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid der Verwaltungsbehörde, mit dem ihr unter Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgegeben wordne ist, für ihr Fahrzeug für 18 Monate ein Fahrtenbuch zu führen, zurückgewiesen. Zugrunde lag der Anordnung eine Geschwindigkeitsüberschreitung mit dem Pkw der Antragstellerin. Die Antragstellerin hat dann zwar den ihr übersandten Anhörungsbogen  beantwortet, jedoch nicht angegeben, wer das Fahrzeug geführt hat. Sie hat dazu nur ausgeführt, der PKW stehe „regelmäßig ihrem Ehemann zur Verfügung“. Ihr im Bußgeldverfahren als Betroffener angehörter Ehemann berief sich auf sein Schweigerecht und hat unter Verweis auf die schlechte Qualität des anlässlich der Geschwindigkeitsübertretung angefertigten Fahrerfotos angeregt, das Verfahren einzustellen. Der Ermittlungsdienst der Verwaltungsbehörde hat die Wohnanschrift der Antragstellerin in der Folge mehrfach angefahren. Bei einer Gelegenheit dieser Besuche wurde der Ehemann angetroffen. Er hat angegeben, er wisse nicht, wer das Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe; es werde auch in der Firma der Antragstellerin eingesetzt; auf dem Messbild erkenne er niemanden. Die Antragstellerin hatte auf Vorlage des Messbildes erklärt, den Fahrer nicht identifizieren zu können.

Das VG hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde, der eine eidesstattliche Versicherung des Ehemanns beigefügt wurde, er habe das Fahrzeug geführt, hat das OVG zurückgewiesen.

Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

  1. Die Feststellung des Fahrzeugführers ist auch dann „nicht möglich“ im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO, wenn die Ermittlungen zwar auf einen bestimmten Täter hindeuten, die Bußgeldbehörde jedoch bei objektiver Würdigung der Umstände des Einzelfalls keine ausreichende Überzeugung von der Täterschaft des Verdächtigen gewinnen konnte.
  2. Mit Blick auf die von der Fahrzeughalterin zu fordernde Mitwirkung bei der Ermittlung des verantwortlichen Fahrers kommt dem Einwand, die schlechte Qualität des Messfotos mache es ihr unmöglich, die Person des Fahrers zu identifizieren, regelmäßig keine rechtliche Relevanz zu.

 

Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Nicht wissentliche Drogenaufnahme nachvollziehbar

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt dann mit dem OVG Saarland, Beschl. v. 02.09.2021 – 1 B 196/21 – aus dem Saarland.

In der Entscheidung geht es im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO um die Entziehung der Fahrerlaubnis und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehungsentscheidung.

Da die Entscheidung recht umfangreich begründet worden ist, verweise ich hier nur auf den Volltext. Ich kann nicht alles einstellen. Das würde den Rahmen sprengen. Es handelt sich sicherlich um einen Einzelfall einer zugunsten des Fahrerlaubnisinhabers ausfallenden Interessenabwägung bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens. Das Besondere am Verfahren: Das OVG geht von einem nicht ausermittelten Sachverhalt aus und hält – was besonders bemerkenswert ist – Darstellung die Betroffenen zu einer nicht wissentlichen Drogenaufnahme für nachvollziebar. Hat man ja auch nicht so häufig.

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Alkohol, oder: Wenn eine Atemalkoholmessung nicht verwertbar ist

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Die zweite Entscheidung des Tages kommt heute auch aus dem Saarland, dieses Mal aber mit dem OVG Saarland, Beschl. v. 15.07.2020 – 1 B 173/20, vom OVG. Das hat sich in einem Verfahren, in dem es um die verwaltungsrechtliche Entziehung der Fahreralubnis ging, zur Verwertbarkeit einer als Entscheidungsgrundlage genommenen Atemalkohlmessung geäußert. Die hatte nach Umrechnung 3,48 Promille ergeben, die Polizeibeamten. von denen die Messung durchgeführt worden war, hatten von dem Antragsteller aber nur einen leicht alkoholisierten Eindruck. Das OVG hat bei der Diskrepanz die Messung und das u.a. auf ihr beruhende MPU-Gutachten als nicht verwertbar angesehen und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehungsentscheidung wieder hergestellt:

„Des Weiteren setzt das medizinisch-psychologische Gutachten – ebenso wie das vorangegangene medizinische Gutachten vom 24.5.2019 – als Fakt voraus, dass beim Antragsteller angesichts der gemessenen Atemalkoholkonzentration (AAK) von 3,48 Promille – die AAK wird gemessen in Milligramm Ethanol je Liter Atemluft; in welcher Weise die Messung in Promille umgerechnet wurde (s. hierzu § 24a StVG), kann anhand der Akten nicht nachvollzogen werden – eine Blutalkoholkonzentration (BAK) in vorbezeichneter Höhe vorgelegen habe, weshalb davon auszugehen sei, dass der Antragsteller in einem auf einen Alkoholmissbrauch hindeutenden Ausmaß an Alkohol gewöhnt sei.

Nach zutreffender Auffassung des Antragstellers ist diese in dem Gutachten als Faktum zu Grunde gelegte Schlussfolgerung aus mehreren Gründen ernsthaft anzuzweifeln. Der an den Antragsgegner gerichteten Mitteilung der Polizeiinspektion SPP: vom 9.9.2018 ist zu entnehmen, dass der Antragsteller am Tatabend zum Zeitpunkt des bei ihm durchgeführten Atemalkoholtest einen „nur leicht alkoholisierten Eindruck“ gemacht habe, der sich „in keinster Weise mit dem hohen Promillewert“ gedeckt habe. Diese Feststellung entspricht den – allerdings widersprüchlichen – Angaben der Anzeigenerstatterin, die laut Protokoll vom 9.9.2018 bei ihrer telefonischen Mitteilung an die Polizei angab, „der Mann war auch betrunken“, bei ihrer persönlichen polizeilichen Befragung vor Ort jedoch aussagte, „dass der Täter ihrer Meinung nach nicht alkoholisiert gewirkt hätte“.

Die sich hieraus ergebende kaum nachvollziehbare Diskrepanz zu dem polizeilich angegebenen exorbitanten Messergebnis des Atemalkoholtests von 3,48 Promille lässt sich nach dem Gesamtumständen nicht plausibel mit einer Alkoholgewöhnung des Antragstellers erklären. Sie deutet vielmehr auf eine Fehlerhaftigkeit des Messergebnisses hin. Insoweit weist der Antragsteller zum einen mit Recht darauf hin, dass bei der Messung mit einem bauartzugelassenen und geeichten Messgerät Verfahrensbestimmungen einzuhalten sind, gegen deren Beachtung fallbezogen erhebliche Bedenken bestehen. Die Messung der AAK darf nicht vor Ablauf einer Wartezeit von 20 Minuten ab Trinkende durchgeführt werden, nach Ablauf der Wartezeit hat eine Doppelmessung in einem Abstand von höchstens fünf Minuten zu erfolgen, und es ist eine Kontrollzeit von 10 Minuten einzuhalten, in der nichts gegessen, getrunken und kein Medikament aufgenommen werden darf.10 Dass diese Vorgaben bei dem beim Antragsteller durchgeführten Atemalkoholtest beachtet worden wären, ist weder vom Antragsgegner vorgetragen noch aus dem diesbezüglichen Polizeibericht ersichtlich. Angesichts der von der Polizei selbst festgestellten Diskrepanz zwischen dem Auftreten des Antragstellers und der gemessenen AAK wären Kontrollmessungen – unterstellt, die an den Antragsteller gerichtete Aufforderung, sich einem Atemalkoholtest zu unterziehen, wäre überhaupt rechtmäßig gewesen – dringend angezeigt gewesen, anstatt vorschnell von einer auf einen Alkoholmissbrauch oder gar auf eine Alkoholabhängigkeit hindeutenden Alkoholgewöhnung des Antragstellers auszugehen. Im Übrigen hält der Antragsteller der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Wartezeit von 20 Minuten sei, wenn überhaupt, nur geringfügig unterschritten worden, zu Recht entgegen, dass diese auf nicht belastbare Mutmaßungen gestützt worden ist. Dies gilt auch für die weitere Erwägung des Verwaltungsgerichts, es liege sogar nahe, dass der Antragsteller in der Gaststätte noch überhaupt keinen Alkohol getrunken habe. Der Vorfall ereignete sich um 18:53 Uhr, die unmittelbar aufgesuchte Gaststätte befand sich in einer Entfernung von 30 Metern. Dass dem Antragsteller als einem von zwei dort anwesenden (männlichen) Gästen um 19:44 Uhr noch kein Getränk serviert worden wäre, dürfte eher sehr fern liegen.

Gegen die Annahme einer Alkoholgewöhnung sprechen des Weiteren die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen des Antragstellers. Sowohl das medizinische Gutachten vom 24.5.2019 als auch das medizinisch-psychologische Gutachten vom 14.8.2019 weisen keinerlei für einen Alkoholmissbrauch sprechenden Befund aus. Vielmehr lagen alle für die der Begutachtung zugrunde liegende Alkoholfragestellung relevanten Laborwerte – insbesondere auch die Leberwerte – im Normbereich. Auch der beim Antragsteller gemessene CDC-Wert lieferte nach den Feststellungen des Gutachtens keinen ausreichenden Hinweis auf einen chronischen Alkoholabusus. Dieses Ergebnis dürfte von einem Probanden, der an Alkohol derart gewöhnt ist, dass er bei einer regulär gemessenen AAK von 3,48 Promille noch in guter körperlicher und geistiger Verfassung mit geordnetem Denkablauf ohne größere Ausfallerscheinungen auftritt, wohl kaum zu erreichen sein. Nach den Vorbemerkungen zu dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom 14.8.2019 setzen bereits Blutalkoholwerte ab 1,6 Promille einen vorangegangenen übermäßigen Alkoholkonsum voraus und können nur durch ein längeres „Trinktraining“ erreicht werden. Dass dieses ohne Auswirkungen auf die im Rahmen der Begutachtung des Antragstellers gemessenen Laborwerte bleibt, dürfte auszuschließen sein.

Vor diesem Hintergrund sowie angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller soweit ersichtlich seit mehr als 30 Jahren straßenverkehrsrechtlich im Zusammenhang mit Alkohol nicht auffällig geworden ist, kann die in dem medizinisch-psychologischen Gutachten vom 14.8.2019 getroffene Feststellung, es sei „noch nicht“ auszuschließen, dass der Antragsteller unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führen werde, nicht schlüssig nachvollzogen werden.

Sie lässt sich auch nicht mit dem Ergebnis des mit dem Antragsteller geführten psychologischen Untersuchungsgesprächs rechtfertigen. Dem Gutachten ist zu entnehmen, dass der Antragsteller sich kooperativ und im psychologischen Untersuchungsgespräch offen gezeigt hat. Die in dem Gutachten aufgeführten Antworten des Antragstellers auf die ihm zu seinem Alkoholkonsum und dessen Hintergründen gestellten Fragen bestätigen dies. Die in dem Gutachten getroffene Feststellung, der Antragsteller habe keine hinreichend realistische Problemsicht entwickelt und die auslösenden oder aufrechterhaltenden Bedingungen des „früheren Alkoholmissbrauchs“ nicht erkannt, entbehren einer tragfähigen Grundlage. Der Antragsteller hat in aller Offenheit bekannt, dass er in der Vergangenheit aus eigener Sicht zeitweise zu viel Alkohol konsumiert hat. Von einer Uneinsichtigkeit kann daher keine Rede sein. Im Übrigen hat der Antragsteller angegeben, seit dem erstmaligen Verlust seiner Fahrerlaubnis (1989) Fahren und Trinken strikt zu trennen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller hierzu nicht in der Lage wäre, sind der Aktenlage nicht ansatzweise zu entnehmen.“

Beitragsbild passt nicht – ich weiß 🙂 .

Verzicht auf die Fahrerlaubnis, oder: Wirksamkeit einer Anfechtung

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Im Kessel Buntes heute dann seit längerer zeit mal wieder zwei verwaltungsrechtliche Entscheidungen.

Zunächst stelle ich den OVG Saarland, Beschl. v. 13.05.2020 – 1 A 57/20 – vor. Er behandelt einen Verzicht auf die Fahrerlaubnis, der den Fahrerlaubnisinhaber dann gereut hat. Er hat den verzicht angefochten. Aber: Ohne Erfolg:

„Durch das angefochtene Urteil hat das Verwaltungsgericht die bei sachgerechter Auslegung auf die Feststellung gerichtete Klage, dass der Kläger als Folge der Anfechtung seiner Verzichtserklärung weiter im Besitz der Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, AM, B und L sei, mit der Begründung abgewiesen, dass die Fahrerlaubnis des Klägers aufgrund der gegenüber dem Beklagten abgegebenen Verzichtserklärung vom 23.3.2017 mit sofortiger Wirkung erloschen und die Verzichtserklärung nicht erfolgreich gemäß § 142 Abs. 1 BGB angefochten worden sei.

Das gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers in der Antragsbegründung vom 17.3.2020 rechtfertigt die begehrte Zulassung des Rechtsmittels nicht.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 1 VwGO) ergibt sich aus diesen Darlegungen nicht.

Die Behauptung des Klägers, ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis könne von Seiten der Behörde nicht verlangt werden, weil ein solcher gesetzlich nicht vorgesehen sei, übersieht, dass der Verzicht auf eine Fahrerlaubnis in § 2a Abs. 1 Satz 6 StVG genannt und dort mit der Entziehung der Fahrerlaubnis gleichgestellt ist (vgl. auch § 29 Abs. 5 Satz 1, 28 Abs. 3 Nr. 7 StVG). Dies zeigt, dass durch den Verzicht das die Fahrerlaubnis einräumende Rechtsverhältnis als beendet angesehen wird, wenn gegenüber der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde ein solcher erklärt wird.1

Entgegen der Ansicht des Klägers hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass der Kläger auf seine Fahrerlaubnis wirksam verzichtet und diesen Verzicht auch nicht erfolgreich angefochten hat.

Im Ausgangspunkt trifft es zwar zu, dass eine gegenüber einer Behörde abgegebene öffentlich-rechtliche Willenserklärung, wie hier der Verzicht auf eine Fahrerlaubnis, anfechtbar ist.2 Die Einwände des Klägers gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass ihm – was hier allein in Betracht kommt – kein Anfechtungsgrund gemäß § 119 Abs. 1 BGB zur Seite steht, greifen jedoch nicht durch.

Mit der in den Zulassungsgründen vorgebrachten Behauptung, er habe keine weitergehende Erklärung als den vorübergehenden Verzicht auf die Fahrerlaubnis, ähnlich einem Fahrverbot, abgeben wollen, macht der Kläger einen Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 1. Alt. BGB geltend, bei dem zwar der äußere Tatbestand dem Willen des Erklärenden entspricht, dieser sich jedoch über die Bedeutung und die Tragweite seiner Erklärung irrt.3 Dieses Vorbringen ist schon deshalb unglaubhaft, weil der Kläger in der durch seinen Prozessbevollmächtigten abgegebenen Anfechtungserklärung vom 16.1.2018 gegenüber dem Beklagten noch eine ganz andere Version vorgetragen hat. Danach sei er bei seiner Erklärung davon ausgegangen, dass er auf das körperliche Dokument verzichte, das er verloren habe, der Verzicht sei nur auf den Besitz des Dokuments gerichtet gewesen, nicht hingegen auf den Besitz einer Fahrerlaubnis als Recht zum Führen eines Kraftfahrzeuges. Beide Vorstellungen über sein angebliches Verständnis der von ihm abgegebenen schriftlichen Erklärung sind nicht miteinander in Einklang zu bringen. Der behauptete Irrtum über die Bedeutung und Tragweite seiner Erklärung ist außerdem wegen des allgemein verständlichen, klaren und eindeutigen Wortlauts der Formularerklärung vom 23.3.2017 nicht nachvollziehbar. Wie er dieser gut lesbaren und übersichtlich abgefassten Verzichtserklärung einen in Gänze dem Wortlaut widersprechenden Sinn beizulegen vermochte, hat der Kläger nicht glaubhaft dargelegt. Dies gilt umso mehr, als der Kläger mit seiner Unterschrift zugleich die im Text vorgegebene Erklärung abgegeben hat, ihm sei bekannt, dass er ab sofort keine fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeuge auf öffentlichen Straßen führen darf, da er sich andernfalls strafbar mache. Hieraus ergibt sich unmissverständlich, dass mit der Erklärung auf die Fahrerlaubnis dauerhaft verzichtet wird.

Fehl geht die Behauptung des Klägers, dass es für eine derart weitreichende Erklärung weder Gründe noch eine Veranlassung gegeben habe. Der Kläger hat sich bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 1.12.2016 selbst als Alkoholiker bezeichnet und eingeräumt, dass er sich schon mehrfach wegen massiven Alkoholmissbrauchs in die geschlossene Psychiatrische Klinik der Universität B-Stadt begeben habe. Auf einen solchen Alkoholmissbrauch weist auch der Vorfall vom 8.11.2016 hin, bei dem der Kläger einen Blutalkoholgehalt von 4,17 bzw. 4,07 ‰ innehatte. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat das Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr unter dem 20.12.2016 nur deshalb eingestellt, weil in dem Zeitpunkt, als der Kläger mit seinem Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr gefahren ist, der Alkoholisierungsgrad nicht gerichtsverwertbar quantifiziert werden konnte. Gleichwohl liegen Zeugenaussagen vor, die bestätigen, dass der Kläger in zumindest angetrunkenem Zustand ein Kraftfahrzeug geführt habe. Maßgeblich tritt hinzu, dass allein der am 8.11.2016 festgestellte Blutalkoholgehalt, der nur durch den selbst zugestandenen hohen Grad der Gewöhnung an große Mengen Alkohol zu erklären ist, im Sinne der §§ 46 Abs. 3, 13 S. 1 FeV Zweifel an der Kraftfahreignung des Klägers begründet. Von daher gab es gute Gründe dafür, dass der Beklagte die Frage der Fahreignung aufklären wollte. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass der Beklagte dem Kläger nach fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist mit weiterem Schreiben vom 15.3.2017 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und ihm angezeigt hat, im Falle eines freiwilligen Verzichts auf die Fahrerlaubnis von einem kostenpflichtigen Entzugsbescheid abzusehen, und der Betreuer des Klägers mit Schreiben vom 20.3.2017 gegenüber dem Beklagten kundgetan hat, dass er auf den Kläger mit dem Ziel einwirken werde, freiwillig eine Verzichtserklärung abzugeben. Wie der Kläger bei dieser Sachlage behaupten kann, es hätte keine Veranlassung zur Abgabe der Verzichtserklärung gegeben, ist schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar.

Ebenso wenig verfängt die Behauptung des Klägers, dass er als polnischer Staatsbürger der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sei. Hierzu weist der Beklagte mit Recht darauf hin, dass von diesem – ohnehin unsubstantiierten -Vorbringen erstmals im Zulassungsverfahren die Rede ist und dieser Vortrag auch deshalb nicht überzeugt, weil der Kläger bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 1.12.2016 in deutscher Sprache vernommen wurde. Zudem hat der Kläger in der Klageschrift darauf hingewiesen, dass er von seinem Betreuer zu der Erklärung gedrängt worden sei. Dies lässt den Schluss zu, dass der Betreuer mit dem Kläger über die Verzichtserklärung gesprochen und ihm dabei auch den Inhalt der Erklärung vor Augen geführt hat.

Soweit sich der Kläger noch ergänzend auf einen Erklärungsirrtum im Sinne von § 119 Abs. 1, 2. Alt. BGB beruft, ist ein solcher ersichtlich nicht gegeben. Ein Erklärungsirrtum liegt vor, wenn schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht, dieser sich zum Beispiel verspricht oder verschreibt,4 was beim Kläger indes nicht der Fall ist.

Auf das Vorliegen der sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen, insbesondere die Frage, ob die erst am 16.1.2018 abgegebene Verzichtserklärung noch innerhalb der Frist des § 121 Abs. 1 BGB erfolgt ist, kommt es nach alledem nicht mehr an.“