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Drei Beschlüsse zur Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: KCanG, Cannabiskonsum, berufliche Gründe, Diabetes

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Heute dann „Kessel-Buntes-Tag“, und zwar mit einigen verwaltungsrechtlichen Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG.

Ich beginne mit drei Entscheidungen aus Bayern, von denen ich aber nur die Leitsätze vorstelle. Das sind:

1. Die regelmäßige Einnahme von Cannabis hat nach der Rechtslage vor dem 01.04.2024 gemäß Nr. 9.2.1 der Anlage 4 FeV ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall die Fahreignung ausgeschlossen.

2. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der Anfechtung einer Entziehung der Fahrerlaubnis ist grundsätzlich der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich. Eine Rückwirkung der für den Fahrerlaubnisinhaber günstigeren Neuregelung nach der Rechtsänderung am 01.04.2024 hat der Gesetz- und Verordnungsgeber nicht vorgesehen. Sie ist im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der bisherigen Regelung auch nicht verfassungsrechtlich geboten.

  • BayVGH, Beschl. v. 19.12.2024 – 11 CS 24.1933 – Zur Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Fahreignungs-Bewertungssystem und zur – verneinten – Unverhältnismäßigkeit bei beruflicher Angewiesenheit auf die Fahrerlaubnis:

Dem Schutz der Allgemeinheit vor Verkehrsgefährdungen kommt angesichts der Gefahren durch die Teilnahme ungeeigneter Kraftfahrer am Straßenverkehr besonderes Gewicht gegenüber den Nachteilen zu, die einem betroffenen Fahrerlaubnisinhaber in beruflicher oder in privater Hinsicht entstehen.

Ergeben sich Zweifel an der Fahreignung des Fahrerlaubnisinhabers aus einer feststehenden insulinbehandelten Diabetes-Erkrankung mit einer reduzierten Hypoglykämiewahrnehmung und überdies aus einer Polyneuropathie mit einer einer leichtgradigen Gangunsicherheit und einer eingeschränkten linken Fußhebung, kann die Verwaltungsbehörde die Fahrerlaubnis entziehen.

KCanG III: Regelmäßiger Konsum – altes/neues Recht, oder: Sofortige Vollziehung der Entziehung der FE?

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Im dritten Posting des Tages habe ich dann noch eine Entscheidung aus dem Verkehrsverwaltungsrecht. Normalerweise kommen Entscheidungen aus dem Bereich ja am Samstag, aber der VG Magdeburg, Beschl. v. 21.06.2024 – 1 B 95/24 MD – passt thematisch auch heute.

Es geht um die Auswirkungen der neuen Rechtslage bei Cannabis auf die Fahrerlaubnisentziehung. Dazu hatte ich ja bereits auch den OVG Lüneburg, Beschl. v. 23.09.2024 – 12 PA 27/24 – vorgestellt, das zu den Auswirkungen ja bereits Stellung genommen hat (vgl. Änderungen der FeVO durch das CanG und KCanG, oder: Auswirkungen auf Entziehungsverfahren?).

Nun also auch das VG Magdeburg. Gestritten wird in dem Verfahren um die Rechtmäßigkeit einer Fahrerlaubnisentziehung. Dem Antragsteller war von der Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzogen worden. Er war mit einem Joint und Cannabis in Form einer Blüte angetroffen worden. Gegenüber dem kontrollierenden Beamten hatte er angegeben, dass er regelmäßig Cannabis konsumiere, um seine Psyche zu beruhigen. Er verwende es wie ein Feierabendbier. Deshalb hatte man an seiner Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs gezweifelt und die Fahrerlaubnis entzogen.

Der u.a. dagegen gerichtete Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes gegen den (auch) angeordneten Sofortvollzug hatte beim VG Erfolg:

„…..

c) Die Interessenabwägung fällt jedoch zuungunsten der Antragsgegnerin aus, da das im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO durch das Gericht zu prüfende überwiegende, besondere Vollzugsinteresse der Allgemeinheit an der sofortigen Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragstellers nicht gegeben ist.

Ein solches, materielles Interesse am Vollzug vor Eintritt der Bestandskraft eines Veraltungsaktes muss stets vorliegen, da eine sofortige Vollziehung auf Basis einer behördlichen Anordnung eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel darstellt, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung hat und daher das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit grundsätzlich überwiegt. Es ist gesondert zu prüfen, ob das vorläufige Vollzugsinteresse der Allgemeinheit die Interessen des Betroffenen überwiegen. Dabei kommt es nicht alleine auf die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens an, sondern diese stellt lediglich einen Gesichtspunkt in der von dem Gericht vorzunehmenden Abwägung dar (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 13. September 1991 – 4 M 125/91 –, NVwZ 1992, 687; VGH München, Beschluss vom 12. März 1996 – 14 CS 95.3873 –, NVwZ-RR 1997, 445; BVerfG, Beschluss vom 12. September 1995 – 2 BvR 1179/95 –, NVwZ 1996, 58; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 21. März 2014 – 8 ME 24/14 –, BeckRS 2014, 49116; VG München, Beschluss vom 11. Juni 2021 – M 7 S 21.1849, BeckRS 2021, 55414 Rn. 45; vgl. ebenfalls zum Maßstab: Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 156 ff.). Hiernach überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit an der Entziehung der Fahrerlaubnis. Dies ergibt sich maßgeblich aus der gesetzgeberischen Neubewertung und Neugewichtung des Gefährdungspotentials des Cannabiskonsums, nach der der dem Antragsteller zur Last gelegte Sachverhalt keine Eignungszweifel mehr begründen kann.

Mit dem zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG) vom 27. März 2024 hat der Gesetzgeber in Artikel 14 dieses Gesetzes in Bezug auf die Beeinträchtigung der Fahreignung durch den Konsum von THC-haltigen Cannabis eine Neubewertung vorgenommen. Nach dieser neuen Bewertung ist eine Fahreignung bei Cannabiskonsum nur noch dann im Regelfall nicht gegeben, wenn Missbrauch (Nr. 9.2.1 der Anlage 4 zur FeV) vorliegt, oder eine Abhängigkeit (Nr. 9.2.3 der Anlage 4 zur FeV) festgestellt ist. Ob für die Bestimmung der Abhängigkeit auf die Maßstäbe der ICD-10F 12.2 (Psychische und Verhaltensstörung durch Konsum von Cannabinoiden Abhängigkeitssyndrom) abzustellen ist, oder ob andere Grundsätze gelten, kann dahinstehen. Denn in jedem Fall setzt eine Abhängigkeit auch im Vergleich zum Missbrauch eine quantitative Konsumsteigerung voraus (vgl. zur Alkoholproblematik: Siegmund, in: Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, 2. Auflage, § 13 FeV (Stand: 6. Juni 2024) Rn. 26). Vorliegend sind indes selbst die Voraussetzungen eines Missbrauchs nicht feststellbar. Missbrauch ist nach der in der Nr. 9.2.1 enthaltenen Legaldefinition dann gegeben, wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden können. Mithin hat der Gesetzgeber auf Grund einer neuerlichen Gefährdungsbeurteilung des Cannabiskonsums diesen den in der Nr. 8 der Anlage 4 FeV enthaltenen Regelungen zur (regelmäßig fehlenden) Fahreignung bei Alkoholkonsum gleichgestellt. Anhaltspunkte für einen Missbrauch durch den Antragsteller sind nicht erkennbar. Es ist nicht durch die Antragsgegnerin ermittelt oder sonst feststellbar, dass der Antragsteller in zeitlicher Hinsicht nicht zwischen seinem Cannabiskonsum und dem Führen von Kraftfahrzeugen trennt. Hierfür bedürfte es Anhaltspunkte für einen fehlenden zeitlichen Abstand zwischen beiden oder für eine zeitliche Überlagerung von beiden Handlungen, wofür vorliegend jedoch nichts spricht. Auch aus der Aussage des Antragstellers, er konsumiere Cannabis wie ein „Feierabendbier“ folgt nicht, dass der Konsum des Antragstellers ein missbräuchlicher ist. Hierfür bedürfte es weiterer Anhaltspunkte, dass der Konsum quantitativ im Übermaß stattfindet oder der Antragsteller keine hinreichende Zeit nach dem Konsumakt verstreichen lässt, um erneut ein Fahrzeug zu führen. Aus dieser Neugewichtung durch den Gesetzgeber folgt, dass, wenn ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit von Cannabis nicht feststellbar ist, keine Eignungszweifel bestehen. Mithin überwiegt in einem solchen Fall das Mobilitätsinteresse des Betroffenen die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit. Auf Grund der gesetzgeberischen Neubewertung ist in Fällen, in denen ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit nicht gegeben ist, das Gefährdungspotential für die Rechtsgüter Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) sowie das Eigentum (Art. 14 GG) der anderen Verkehrsteilnehmer als nicht hinreichend groß anzusehen, um dem Betroffenen die Teilnahme am Straßenverkehr zu versagen. Dass der Antragsteller im Klageverfahren voraussichtlich unterliegen wird, ändert hieran – wie dargestellt – nichts.“

Im Zweifel wird der Antragsteller im Hauptsachverfahren keinen Erfolg haben. Denn Beurteilungszeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung ist, anders als in Bußgeldverfahren, wo nach § 4 Abs. 3 OWiG das mildeste Gesetz Anwendung findet, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist: Das ist der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (siehe dazu OVG Lüneburg, a.a.O.).

Eine andere Frage ist, ob dem Antragsteller die Fahrerlaubnis auf Antrag nicht sofort wieder erteilt werden muss/müsste, da insoweit die neue Rechtslage Anwendung findet. Es ist also zu überlegen, ob man nicht den Bescheid über die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtskräftig werden lässt und sogleich einen Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis stellt.

Neues zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach StVG, oder: Pedelec, Entzugsbehandlung, Schlafapnoe

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Und im „Kessel-Buntes“ heute dann verwaltungsrechtliche Entscheidungen aus dem Verkehrsrecht.

Hier kommen zunächst einige Entscheidungen zur Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem StVG, und zwar:

Die Fahrerlaubnisbehörde hat anzuordnen, dass ein Fahrerlaubnisinhaber ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, wenn er ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit die einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat. Dies gilt nicht nur für eine Fahrt mit einem Kraftfahrzeug, sondern auch für eine Fahrt mit einem nicht motorisierten Fahrzeug, also auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und auch für ein Pedelec, weil dieses einem Fahrrad rechtlich gleichgestellt ist.

Ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom, das auch ohne Behandlung keine übermäßige Tagesmüdigkeit zur Folge hat, begründet keinen Eignungsmangel nach Nr. 11.2.3 der Anlage 4 zur FeV und kann keine Kontrollauflage rechtfertigen.

1. Es entspricht gesicherten Erkenntnissen der Alkoholforschung, dass Betroffene mit Blutalkoholkonzentrationen ab 1,6 Promille über deutlich abweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Trinkfestigkeit verfügen.

2. Neben stationären Therapien kommen auch ambulante Maßnahmen von 24 Wochen, ganztägige ambulante Maßnahmen in Tageskliniken an Werktagen über einen Zeitraum von acht bis sechzehn Wochen und stationär-ambulante Kombinationstherapien in Betracht als Entzugsbehandlung in Betracht, nicht aber die stationäre Entgiftung und Nachsorgekontakte, die sporadisch stattfinden und der Rückfallprophylaxe dienen.

Amtshaftung wegen Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: (Nur) Aufhebung wegen OLG-Verfahrensfehler

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Und dann eine etwas ungewöhnliche Entscheidung, nämlich der BGH, Beschl. v. 25.04.2024 – III ZR 54/23.

Es geht nämlich um ein Amts­haf­tungs­ver­fah­ren wegen un­be­rech­tigter Entziehung der Fahrerlaubnis. Folgender Sachverhalt: Die Verwaltungsbehörde entzog dem Kläger im August 2019 seinen Motorrad- und Pkw-Führerschein. Mit Urteil des VG München vom 14.12.2020 wurde der Bescheid aufgehoben und der Beklagte angewiesen, den Führerschein zurückzugeben, was im Februar 2021 erfolgte.

Der Kläger arbeitete im fraglichen Zeitraum bei einem Unternehmen in der Z. Straße 100 in M. und wohnte in der K.-Straße in S. Er reduzierte mit Vereinbarung vom 30.08.2019 und Wirkung zum 01.09.2019 seine Arbeitszeit von 40 Wochenstunden auf 28 Wochenstunden und arbeitete in der Folge nur noch an vier Tagen pro Woche. Die reduzierte Arbeitszeit wurde bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Mitte des Jahres 2022 beibehalten.

Der Kläger behauptet Einkommensverluste aufgrund des Fahrerlaubnisentzugs in Höhe von insgesamt 31.678 EUR€; einen immateriellen Schaden macht er iin der Revision nicht mehr geltend. Er trägt vor, durch den erhöhten Zeitaufwand für den Arbeitsweg gezwungen gewesen zu sein, seine Arbeitszeit von zuvor 40 Stunden auf 28 Stunden zu reduzieren. Der Arbeitsweg habe sich durch den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel auf mindestens eineinhalb Stunden einfach verlängert, während er vorher mit dem Motorrad lediglich rund 30 Minuten einfach benötigt habe und an Staus hätte vorbeifahren können. Er hätte ohne Arbeitszeitreduzierung um 6.00 Uhr morgens das Haus verlassen müssen und wäre meist erst nach 22.00 Uhr abends zurückgekehrt. Dies sei nicht zumutbar gewesen, da er so kaum noch Freizeit gehabt hätte. Durch die Arbeitszeitreduzierung habe sich sein Arbeitsentgelt von 5.170 EUR brutto auf 3.619 EUR brutto reduziert. Aus dem um 1.551 EUR niedrigeren Brutto-Lohnanspruch über 18 Monate errechne sich ein Schaden in Höhe von 27.918 EUR. Zudem habe er in diesem Zeitraum in Höhe von 3.760 EUR geringere Bonuszahlungen erhalten.

Sowohl das LG als auch das OLG München haben die Klage abgewiesen. Erst mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde hatte der Kläger vorläufig Erfolg.

Allerdings macht der BGH zur Sache keine Ausführungen, sondern beanstandet (nur) eine Verletzung des rechtlichen Gehörs:

„2. Nach diesen Grundsätzen verletzt die Würdigung des Berufungsgerichts, der Vortrag des Klägers zu den Fahrzeiten sei unsubstantiiert, das von ihm beantragte Sachverständigengutachten müsse deswegen nicht eingeholt werden, den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG.

Der Kläger hat in der Klageschrift unter Vorlage einer Wegzeitberechnung (Screenshot eines Routenplaners, Anlage K 6) vorgetragen, vor Entziehung der Fahrerlaubnis für den Weg zur Arbeit ein Motorrad benutzt zu haben, mit dem der Arbeitsweg in etwa 30 Minuten je einfache Strecke zu bewältigen gewesen sei, während er mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens eineinhalb Stunden je einfache Strecke benötigt habe. In seiner Replik auf die Klageerwiderung hat er behauptet, die der Klageschrift beigefügte Wegzeitberechnung sei richtig und spiegele die durchschnittliche Reisezeit zu Arbeitsbeginn und nach Beendigung der Arbeit wider. Zum Beweis hat er die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten.

Bereits dieses Vorbringen hätte dem Tatrichter Veranlassung geben müssen, in die Beweisaufnahme einzutreten und einen – ortskundigen und mit den dort gegebenen Verhältnissen im Berufsverkehr vertrauten – Sachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens zu beauftragen.

In der Berufungsbegründung hat der Kläger sein Vorbringen – unter Vorlage der als „Auszug Maps Fahrstrecke Motorrad“ bezeichneten Anlage BK 6 – überdies dahingehend ergänzt, dass sich die rund 30-minütige Fahrzeit mit dem Motorrad selbst bei vollständiger Sperrung der kürzesten Strecke (laut Anlage K 6) in der „Rush-Hour“ bei Nutzung einer Alternativroute nur um neun Minuten erhöhte, und im Schriftsatz vom 13. März 2023 (Gegenerklärung) an die Einholung des angebotenen Sachverständigengutachtens erinnert.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat diese Umstände zutreffend herausgearbeitet und mit Recht ausgeführt, dass es weiterer Angaben für die Behauptung des Klägers, dass die Fahrzeit mit dem Motorrad deutlich kürzer gewesen sei als mit öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht bedurft und das Berufungsgericht durch die Nichteinholung des Sachverständigengutachtens gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen habe.

3. Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht ohne den Verstoß zu einem in Bezug auf das Klagebegehren günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Das gilt auch, wenn man den Umstand mit einbezieht, dass der Kläger nach Rückerhalt der Fahrerlaubnis seine Arbeitszeit nicht wieder verlängerte. Denn das Berufungsgericht hat diesen Umstand lediglich als einen „auch“ gegen den Kausalzusammenhang sprechenden Gesichtspunkt angesehen, nicht jedoch seine Entscheidung selbständig tragend auf ihn gestützt.“

Und dann gibt es für das OLG noch etwas mit den Weg

„Die angefochtene Entscheidung ist daher im tenorierten Umfang aufzuheben und das Verfahren insoweit an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht auch Gelegenheit, sich gegebenenfalls mit den weiteren Rügen des Klägers in der Nichtzulassungsbeschwerde auseinanderzusetzen. Hinsichtlich des Umstandes, dass der Kläger nach Rückerhalt der Fahrerlaubnis seine Arbeitszeit nicht wieder verlängerte, weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass der Kläger in Ansehung der Gründe im Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts, in dem dieses moniert hatte, es fehle an einem Beweisantritt für die Behauptung, dass der Arbeitgeber einer (Rück-)Verlängerung nicht zugestimmt habe, mit einer Bewertung seines Vorbringens als „unsubstantiiert“ im angefochtenen Zurückweisungsbeschluss nicht (mehr) rechnen musste; sollte es im zweiten Rechtsgang darauf ankommen, ist ihm insoweit Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.“

Ich bin gespannt, ob man von der Sache noch einmal etwas hört.

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum, oder: Nachvollziehbarer/schlüssiger Sachverhalt?

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Und dann im zweiten Posting auch noch etwas zur Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar – mal wieder -in einem Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis die Behauptung des Vertauschens/Manipulation der Blutprobe und zur Behauptung der unbewussten Aufnahme von BtM durch Antidepressivum.

Das VG München hat die Einwände im VG München, Beschl. v. 30.08.2024 – M 6 S 24.3538 – zurückgewiesen:

„2.2. Soweit der Antragsteller den Konsum von Amphetamin als solchen bestreitet, so setzt die erfolgreiche Behauptung einer ggf. unbewussten Drogenaufnahme voraus oder einer Vertauschung/Manipulation voraus, dass der Betroffene nachvollziehbar und in sich schlüssig einen Sachverhalt darlegt, der ein derartiges Geschehen ernsthaft möglich erscheinen lässt (vgl. etwa BayVGH, B.v. 28.02.2024 – 11 CS 23.1387, BayVGH, B.v. 14.9.2020 – 11 CS 20.1292, BayVGH, B.v. 17.5.2019 – 11 CS 19.308; OVG NRW, B. v. 6.3.2013 – 16 B 1378/12 –, juris, Rn. 4 f.). Daran fehlt es hier. Das alleinige Bestreiten des Konsums – wobei der Antragsteller hier sogar die angekündigte eidesstaatliche Versicherung schuldig bleibt – und der möglichen Erklärung des Antragstellers, dass es zu einer Vertauschung/Manipulation der Probe gekommen sei oder hilfsweise, dass er ein Antidepressivum nehme, reicht jedenfalls nicht aus.

Es fehlt bereits an nachvollziehbaren Angaben zu einer Vertauschung/Manipulation der Proben. Die schwerwiegenden und möglicherweise strafrechtlich relevanten Mutmaßungen, der Polizist sei mit den Proben alleine gewesen und könnte diese vertauscht haben, sind äußerst vage und werden jedenfalls durch die in der Akte befindliche ergänzende Stellungnahme des pp. Labors K. vom pp. Juni 2024 („4-Augen-Prinzip“) sowie der Stellungnahme der PI D. vom pp. Juni 2024 entkräftet. Zudem ist weder ersichtlich noch im Ansatz plausibel vorgetragen wie ein mit Amphetamin kontaminiertes Blut in dieser Situation in das Probenröhrchen des Antragstellers gelangt sein soll. Der Vortrag ist somit als bloße Schutzbehauptung zu werten. Ebenso die völlig unsubstantiiert gebliebene Einlassung des Antragstellers, er nehme ein Antidepressivum. Wie dies überhaupt und zu einem solchen Amphetaminwert führen soll, ist nicht im Ansatz dargelegt. Auch insoweit ist der Vortrag als weitere Schutzbehauptung zu werten, sodass sich das Gericht – insbesondere in einem Verfahren des einstweilen Rechtsschutzes – nicht veranlasst sieht, dieser Behauptung näher entgegenzutreten. Dem Antragsteller bleibt es unbenommen, eine DNA-Analyse mit der Rückstellprobe zu veranlassen und diese im Hauptsacheverfahren vorzulegen. Warum dies von Seiten des Antragstellers zur Untermauerung seiner Vorwürfe nicht längst vorgenommen wurde, ist nicht nachvollziehbar.“