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Entziehung der Fahrerlaubnis wegen BtM-Einnahme, oder: Unbewusste Einnahme, ja oder nein?

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Im zweiten Posting stelle ich dann den OVG Greifswald, Beschl. v. 20.06.2024 – 1 M 166/24 – vor. Er ist zwar auch in einem Verfahren wegen der Entziehung der Fahrerlaubnis ergangen, es geht aber nicht so sehr um die dafür erforderlichenn Voraussetzungen, sondern vornehmlich um die Anforderungen an das Vorbringen des Betroffenen im Falle der unbewussten Einnahme von Betäubungsmitteln:

„(1) Die Erfolgsaussichten des vom Antragsteller erhobenen Widerspruchs, über den noch nicht entschieden ist, sind offen.

Das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) zu entziehen ist, wenn sich der Betroffene als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen eines Kraftfahrzeuges erweist. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe c StVG i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über die Zulassung von Personen im Straßenverkehr (FeV) i. V. m. Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV ist ein Kraftfahrer, der Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes konsumiert hat, im Regelfall als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit des Konsums, der Höhe der Betäubungsmittelkonzentration, einer Teilnahme am Straßenverkehr in berauschtem Zustand und vom Vorliegen konkreter Ausfallerscheinungen beim Betroffenen (vgl. VGH München, Beschluss vom 28. Februar 2024 – 11 CS 23.1387 –, juris Rn. 13 m. w. N.). Im Regelfall rechtfertigt bereits die einmalige bewusste (nachgewiesene) Einnahme von „harten Drogen“ die Annahme der Nichteignung, ohne dass ein Zusammenhang zwischen dem Drogenkonsum und der Teilnahme am Straßenverkehr bestehen müsste (vgl. OVG Greifswald, Beschluss vom 22. November 2022 – 1 M 491/22 OVG –; Beschluss vom 16. Oktober 2018 – 3 M 356/18 –; Beschluss vom 24. Juni 2009 – 1 M 87/09 –, juris Rn. 5). Die eignungsausschließende Einnahme von Betäubungsmitteln setzt dabei grundsätzlich einen willentlichen Konsum voraus. Vorliegend bestreitet der Antragsteller nicht, Cocain eingenommen zu haben; er trägt jedoch vor, dass die Einnahme unbewusst erfolgt sei. Die unbewusste Einnahme von Betäubungsmitteln stellt nach allgemeiner Lebenserfahrung eine seltene Ausnahme dar. Wer sich darauf beruft, muss einen detaillierten, in sich schlüssigen und glaubhaften Sachverhalt vortragen, der einen solchen Geschehensablauf als ernsthaft möglich erscheinen lässt und der insoweit der Nachprüfung zugänglich ist. Es muss überzeugend aufgezeigt werden, dass dem Auffinden von Betäubungsmitteln im Körper eines Fahrerlaubnisinhabers Kontakt mit Personen vorausgegangen ist, die zumindest möglicherweise einen Beweggrund hatten, dem Betroffenen ein drogenhaltiges Getränk bzw. Nahrungsmittel zugänglich zu machen; ferner, dass dieser selbst die Aufnahme des Betäubungsmittels und deren Wirkung tatsächlich nicht bemerkt hat (vgl. VGH München, Beschluss vom 28. Februar 2024 – 11 CS 23.1387 –, juris Rn. 14; OVG Bautzen, Beschluss vom 19. Januar 2024 – 6 B 70/23 – juris Rn. 13; OVG Greifswald, Beschluss vom 18. Dezember 2023 – 1 M 549/23 OVG – und Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 1 M 19/11–, juris Rn. 8 m. w. N.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 26. Oktober 2022 – 3 M 88/22 –, juris Rn. 6; OVG Saarlouis, Beschluss vom 2. September 2021 – 1 B 196/21 –, juris Rn. 47; OVG Münster, Beschluss vom 18. September 2020 – 16 B 655/20 –, juris Rn. 4; OVG Bremen, Beschluss vom 12. Februar 2016 – 1 LA 261/15 –, juris Rn. 6; OVG Berlin, Beschluss vom 9. Februar 2015 – 1 M 67.14 –, juris Rn. 4).

Dabei dürfen die Anforderungen an das Vorbringen eines Betroffenen nicht überspannt werden. Insbesondere kann vom Betroffenen bei einem über mehrere Stunden andauernden Zeitraum keine minutengenaue Protokollierung des Geschehens abverlangt werden. Es kann aber regelmäßig selbst dann, wenn die konkrete Einnahme dem Betroffenen verborgen geblieben ist, eine möglichst detaillierte Schilderung der Vorgänge erwartet werden, in deren Rahmen es möglicherweise zu der Drogeneinnahme gekommen sein könnte (vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 19. Januar 2024 – 6 B 70/23 –, juris Rn. 13 m. w. N.; OVG Greifswald, Beschluss vom 18. Dezember 2023 – 1 M 549/23 OVG –; Beschluss vom 4. Oktober 2011 – 1 M 19/11–, juris Rn. 8).

Daran gemessen vermag der Senat der Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Antragsteller habe keine nachvollziehbaren Umstände vorgetragen, wie er unbewusst Cocain zu sich genommen haben solle, nicht zu folgen. Es kann zumindest nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dessen Angaben seien nicht hinreichend detailliert, schlüssig und glaubhaft. Das von Anfang an konsistente Vorbringen des Antragstellers lässt es als möglich erscheinen, dass es sich im Kern so verhalten haben könnte, wie vom Antragsteller geschildert.

Es würde die Anforderungen an die Darlegung einer Ausnahme von der Vermutung einer willentlichen Drogeneinnahme nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalls überspannen, vom Antragsteller zu erwarten, detailliert anzugeben, wie es zur Einnahme des Cocains gekommen ist, insbesondere wie der Abend des 7. Mai 2023 im Detail verlaufen ist. Denn der Antragsteller wurde erst mit Schreiben vom 10. August 2023 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis angehört und mit dem aus Sicht des Antragsgegners bestehenden Sachverhalt konfrontiert. Es kann nicht ernsthaft von jemandem verlangt werden, detaillierte Angaben zu einem über drei Monate zurückliegenden Tag (hier: 7. Mai 2023) zu machen, wenn – wie hier nach den Schilderungen des Antragstellers nicht der Fall – nicht besondere Umstände vorliegen, die eine höhere Erinnerungsleistung rechtfertigen würden. Das gilt erst recht, wenn die Möglichkeit einer unbewussten Einnahme von Cocain im Raum steht. Auch die Kontrolle am 8. Mai 2023 und die daraufhin erfolgten Gespräche mit seiner Ehefrau dürften daran im Wesentlichen nichts ändern. Dass der Antragsteller nicht bemerkt haben will, wie seine Ehefrau ihm das Cocain verabreicht hat, insbesondere wie sie ihm einen Teil des Cocains auf sein Geschlechtsteil aufgetragen hat, erscheint – unabhängig von der Frage, ob die Beteiligten Schlafanzüge getragen haben oder nicht – im Übrigen nicht gänzlich lebensfremd.

Dem Verwaltungsgericht ist zuzugeben, dass die eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Antragstellers mangels eigener detaillierter Darstellungen nicht den Anforderungen entspricht und die eidesstattliche Versicherung erst später im Verfahren vorgelegt wurde. Mit Blick auf die nach dem vermeintlichen Vorfall am 7. Mai 2023 entstandenen Spannungen zwischen den Eheleuten, die bis zu einer Trennung der Eheleute geführt haben sollen, erscheint es dem Senat nicht lebensfremd, dass der Antragsteller nicht gleich zu Beginn des behördlichen Verfahren an seine Ehefrau mit der Bitte um eine eidesstattliche Versicherung herangetreten ist.

Das Verwaltungsgericht stellt zutreffend fest, dass die Ehefrau des Antragstellers den Antragsteller einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt hätte. Eine etwaige Naivität und der stärker werdende Wunsch nach einer Wiederbelebung des Sexuallebens der Eheleute lässt es jedoch durchaus als möglich erscheinen, dass die Ehefrau des Antragstellers ihr Vorhaben in der Hoffnung umgesetzt habe, es werde nichts Schlimmes passieren.

Soweit der Antragsgegner und das Verwaltungsgericht das Vorbringen des Antragstellers deshalb nicht für plausibel erachten, weil er einen Polizeibeamten während der Kontrolle am 8. Mai 2023 gefragt haben soll, „mal unter uns gesagt“, wie lange man warten solle, nachdem man „etwas“ konsumiert habe, bleibt die Frage, ob ein solches Gespräch stattgefunden hat, einer weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Antragsteller bestreitet das Gespräch. Hierfür könnte sprechen, dass das Gespräch nicht im Bericht zur Kontrolle aufgeführt ist und sich der Polizeibeamte dazu erst auf Nachfrage des Antragsgegners mit E-Mail vom 21. Dezember 2023 (Bl. 145 BA A) geäußert hat. Auf der anderen Seite erscheint es nicht abwegig, dass sich der Polizeibeamte aufgrund des auffälligen Fahrzeugs des Antragstellers noch an den über sechs Monate zurückliegenden Vorfall erinnern konnte. Bei der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren dürfte ebenfalls zu berücksichtigen sein, was aus der Annahme eines solchen Gesprächs folgt. Hätte der Antragsteller tatsächlich am Vorabend der Verkehrskontrolle bewusst Cocain konsumiert, wäre es lebensfremd, wenn er dann den Polizeibeamten im Rahmen einer Verkehrskontrolle nach der Abbauzeit befragt. Das gilt gerade vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller sowohl privat als auch beruflich auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist.

Der Umstand, dass das Vorbringen des Antragstellers den von ihm geschilderten Ablauf als möglich erscheinen lässt, führt vorliegend jedoch nicht dazu, dass sein Widerspruch voraussichtlich Erfolg haben wird, mit der Folge, dass seine Beschwerde Erfolg hätte und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen wäre. Denn die weitere Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere die Frage, ob das Gespräch zwischen dem Antragsteller und dem Polizeibeamten stattgefunden hat und was daraus folgt, sowie die Vernehmung der Ehefrau des Antragstellers und die etwaige Auswertung des Browserverlaufs des von der Ehefrau benutzten Computers/Handys, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Die eidesstattliche Versicherung der Ehefrau des Antragstellers genügt hierfür schon mangels eigener detaillierter Darstellungen nicht aus. Angaben, die der Antragsgegner und auch das Verwaltungsgericht im Vorbringen des Antragstellers vermissen (zum Beispiel ein etwaiger Drogenkonsum der Ehefrau, nähere Angaben zum Kauf des Cocains), kann aufgrund der vorgetragenen Umstände nur die Ehefrau des Antragstellers machen.“

Aber:

„(2) Lässt sich demnach die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19. Februar 2024 nicht hinreichend zuverlässig abschätzen, kann lediglich eine Interessenabwägung in Form einer Folgenabschätzung vorgenommen werden. Dabei sind die Folgen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt wird, die angefochtene Verfügung sich aber als rechtmäßig erweist, gegen die Folgen abzuwägen, die eintreten, wenn die aufschiebende Wirkung nicht wiederhergestellt wird, sich die Verfügung aber später als rechtswidrig erweist. Auf die betroffenen Grundrechte ist in besonderer Weise Bedacht zu nehmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, juris Rn. 26; OVG Münster, Beschlüsse vom 19. Februar 2013 – 16 B 1229/12 –, juris Rn. 12).

Für den Antragsteller streiten neben dem Umstand, dass er aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes – GG –), sein Interesse an motorisierter Fortbewegung, eine vom Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützte Rechtsposition, und seine damit verbundenen persönlichen Belange. Dem stehen die höchstwertigen Rechtsgüter, zu deren Schutz die Entziehung der Fahrerlaubnis erfolgt, nämlich vor allem Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs an sich sowie bedeutende Sachwerte der Allgemeinheit gegenüber.

Im Ergebnis der Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs das private Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Beibehaltung seiner Fahrerlaubnis……“

StPO II: Geheimnisverrat eines Polizeibeamten, oder: Durchsuchung im Disziplinarverfahren

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Die zweite Entscheidung, der OVG Greifswald, Beschl. v. 19.10.2022 – 10 LP 217/21 OVG – hat ebenfalls eine Durchsuchungsmaßnahme zum Gegenstand, allerdings in einem Disziplinarverfahren gegen einen Polizeibeamten. Dem werdem innerdienstliche Dienstvergehen vorgeworfen. Er soll im November 2015, Juni 2016 und Juni 2017 vertrauliche Informationen an eine dritte Person aus dem kriminellen Milieu weitergegeben haben, insbesondere zu einem gegen diese Person geführten staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren.

Deswegen hat das VG die Durchsuchung der Wohnräume usw. des Polizeibeamten angeordnet. Die Durchsuchung ist inzwischen erfolgt. Der Polizeibeamte hatte dann Beschwerde eingelegt. Ohne Erfolg:

„2. Der angefochtene Beschluss ist auch materiell-rechtlich rechtmäßig.

a) Soweit der Antragsgegner rügt, es bestehe gegen ihn kein dringender Tatverdacht, geht seine Ansicht fehl.

Ein dringender Tatverdacht im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 3 LDG M-V ist dann anzunehmen, wenn nicht nur ein auf vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen, sondern ein auf Tatsachen gestützter hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beamte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen hat, die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens nicht konkret ausgeschlossen ist und er schuldhaft gehandelt hat (OVG Greifswald, Beschluss v. 10. November 2010 – 10 O 92/10 -, NordÖR 2011, 408, zit. nach juris Rn. 15; vgl. VGH München, Beschluss vom 19. Oktober 2009 – 16b DC 09.2188 -, juris Rn. 20; OVG Koblenz, Beschluss vom 4. Oktober 2002 – 3 B 11273/02 – juris Rn. 5).

Daran gemessen besteht hier ein dringender Tatverdacht dahingehend, dass der Antragsgegner jedenfalls gegen seine Verschwiegenheitspflicht aus § 37 BeamtStG verstoßen und damit ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat.

Noch zutreffend trägt der Antragsgegner vor, insoweit sei maßgeblich, dass nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen eine große bzw. hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehen müsse, dass der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Tat begangen habe. Seine Schlussfolgerungen daraus, dass die vorhandenen Beweismittel aus der Auswertung des Chats mit der gesondert verfolgten Person mehrere Jahre zurücklägen und deshalb die Vorwürfe nicht „dringend“ seien, geht jedoch fehl. Denn der Begriff der Dringlichkeit bezieht sich nach dem genannten Maßstab auf die vorgeworfene Tat, nicht aber auf andere zeitlich nachfolgende etwaige Taten. Vorgeworfen wird dem Antragsgegner der Verrat von Dienstgeheimnissen zum damaligen Zeitpunkt, insoweit war er vor dem Erlass des Durchsuchungsbeschlusses wegen dieser Tat(en) mit hoher Wahrscheinlichkeit und deshalb dringend verdächtig. Die Durchsuchung diente der Auffindung von weiteren Beweismitteln zur weiteren Aufklärung dieser konkreten Taten und nicht etwaig weiterer (insbesondere nicht späterer) Tatvorwürfe.

Die Vermutungen sind auch nicht etwa nur vage. Dass der Chatverlauf lediglich „fragmentarisch“ war, heißt im vorliegenden Fall nicht, dass die darauf aufbauenden Vermutungen lediglich vage seien. Denn bei der gesondert verfolgten Person, in deren Ermittlungsverfahren der Chatverlauf mit dem Antragsgegner ermittelt worden ist, handelt es sich um eine polizeibekannte Person aus dem kriminellen Milieu, die nicht nur irgendeine „Bürger“frage hatte, bei der Antragsgegner „helfen“ sollte. Vielmehr bezog sich die Anfrage der gesondert verfolgten Person jedenfalls in einem Fall gezielt auf ein gegen diese Person aktuell laufendes staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren. Auch die Anrede des Antragsgegners mit „Alter“ weist auf eine nähere Bekanntschaft dieser Person mit dem Antragsgegner – jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt – hin. Mit der Durchsuchung sollte die Kommunikation zwischen dieser Person und dem Antragsgegner weiter ausermittelt werden. Wegen des unvollständigen Chatverlaufs sollte die Auswertung der bei der Durchsuchung aufzufindenden Speichermedien, wie Handys und Computer, weiteren Aufschluss über die Kommunikation des Antragsgegners mit der gesondert verfolgten Person erbringen und so die jeweiligen Gesprächsverlaufe vervollständigen. Anhaltspunkte dafür, dass sich beide auch über andere Kommunikationswege ausgetauscht haben, finden sich schon im Chatverlauf („lass uns mal treffen/ reden“). Es ist deshalb wahrscheinlich, dass sich der Antragsgegner mit der gesondert verfolgten Person zumindest über weitere Kommunikationswege (z. B. whats app-Nachrichten, E-Mail) zu persönlichen Treffen verabredet und dabei auf diesen Wegen auch schriftliche inhaltliche Nachrichten versendet hat. Dabei handelt es sich auch nicht lediglich um private Kontakte, vielmehr haben – wie oben beispielhaft ausgeführt – die Anfragen jeweils dienstlichen Bezug gehabt. Dabei wurden auch dienstliche Informationen vom Antragsgegner an diese Person weitergegeben.

b) Hinsichtlich der Ausführungen des Antragsgegners, dass zwischen der Beschlussfassung und der tatsächlichen Durchsuchung eine Zeitspanne liege und deshalb die Dringlichkeit nicht im Fokus des Antragstellers gelegen habe, wird auf die obige Begründung verwiesen.

c) Auch soweit der Antragsgegner beanstandet, es sei nicht berücksichtigt worden, dass die Lebenszeit von Computern sich in der heutigen Zeit auf wenige Jahre beschränke und Handys, wie allgemein bekannt sei, alle zwei Jahre ausgetauscht und mit neuen Verträgen versehen würden, sodass das Auffinden von Nachrichten auf diesen Speichermedien wenig wahrscheinlich sei, bleibt dieser Vortrag allgemein und pauschal.

Es war nicht von vornherein ausgeschlossen, dass bei der Durchsuchung noch Speichermedien gefunden werden könnten. Tatsächlich ist das nach der Beweismittelliste im Durchsuchungsprotokoll auch der Fall gewesen. So ist nach dem Durchsuchungsprotokoll (Bl. 90 u. 93 GA, Nr. 7) neben dem aktuellen Handy des Antragsgegners (IPhone 7) auch sein noch vorhandenes altes (defektes) Handy (IPhone 6) gefunden und beschlagnahmt worden.

d) Entgegen der Ansicht des Antragsgegners steht die Anordnung der Durchsuchung zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme auch nicht außer Verhältnis (qualifizierte Verhältnismäßigkeit gemäß § 29 Abs. 1 Satz 3 LDG M-V).

Die richterliche Anordnung einer konkreten Durchsuchung und Beschlagnahme kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass in dem disziplinarrechtlichen Verfahren die Zurückstufung oder Entfernung des Beamten aus dem Dienst zu erwarten ist (OVG Greifswald, Beschluss vom 10. November 2010 – 10 O 92/10 -, NordÖR 2011, 408, zit. nach juris 4. Leitsatz u. Rn. 12).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Würden sich die hier vorgeworfenen Taten bewahrheiten, hätte der Antragsgegner dienstliche Geheimnisse unbefugt an Dritte – insbesondere auch an einen im Hinblick auf diese Dienstgeheimnisse konkret von einem polizeilichen bzw. staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren betroffenen Tatverdächtigen – unbefugt weitergegeben. Eine solche Dienstpflichtverletzung betrifft den Kern der polizeilichen Tätigkeit und Dienstpflicht und beinhaltet auch den Verdacht der Straftat eines Geheimnisverrats (§ 353b StGB). Nach der Aktenlage soll die Staatsanwaltschaft Anklage erheben wollen. Vor diesem Hintergrund hat der Antragsgegner mit einer erheblichen Disziplinarmaßnahme bis hin zur Entfernung aus dem Dienst zu rechnen.

e) Soweit der Antragsgegner noch vorträgt, es ergebe sich aus keinem Bereich des Beschlusses, warum die Nachrichten auf dem Handy des gesondert Verfolgten dem Antragsgegner zugeordnet werden könnten, führt das nicht zum Erfolg. Denn es genügt, dass sich die jeweiligen Telefonnummern aus den Ermittlungsakten ergeben. Einer ausdrücklichen Benennung im Beschluss bedurfte es nicht.

f) Auch soweit der Antragsgegner eine Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m Art. 1 Abs. 1 GG) rügt, vermag er damit nicht durchzudringen. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung unterliegt den Einschränkungen durch die gesetzlichen disziplinarrechtlichen Regelungen über die Durchsuchung.

g) Zudem vermag der Antragsgegner nicht mit seinem Vortrag durchzudringen, der Antragsteller habe außer Acht gelassen, dass sich innerhalb seiner Wohnräume auch die seiner Lebensgefährtin befänden und diese ebenfalls der Durchsuchung ihrer Räume und Gegenstände sowie der Beschlagnahme ihres Handys unterzogen worden sei. Die Durchsuchung darf sich auf Räumlichkeiten erstrecken, die der Verdächtige tatsächlich nutzt, gleichgültig, ob er sie befugt oder unbefugt nutzt, ob er Allein- oder Mitinhaber ist (vgl. nur Köhler in: Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 102 Rn. 7). Da es sich bei der Mitbewohnerin des Antragsgegners um dessen Lebensgefährtin handelt, durfte der Antragsteller davon ausgehen, dass der Antragsgegner zusammen mit seiner Lebensgefährtin alle Räume der Wohnung gemeinsam nutzt. Auch aus dem insoweit unkonkreten Vortrag des Antragsgegners ergibt sich nichts anderes. Ebenso unkonkret ist der Vortrag des Antragsgegners zur angeblichen Beschlagnahme des Handys seiner Lebensgefährtin. Nach dem Durchsuchungsprotokoll (Bl. 94 GA) sind insgesamt drei Handys (IPhones) beschlagnahmt worden. Der Antragsgegner hat schon nicht vorgetragen, bei welchem davon es sich um das Handy seiner Lebensgefährtin handeln soll. Ein entsprechender Hinweis des Antragsgegners ist weder im Durchsuchungsprotokoll noch im Durchsuchungsverlaufsprotokoll (Bl. 89 GA) vermerkt. Auch hat der Antragsgegner nicht vorgetragen, dass seine Lebensgefährtin „ihr“ Handy als unbeteiligte Dritte vom Antragsgegner gemäß §§ 94 Abs. 4, 111n Abs. 1 u. Abs. 3 StPO herausverlangt hat.

h) Letztlich erfolgte die Durchsuchungsanordnung auch nicht zur Beweisausforschung. Soweit der Antragsgegner hierzu vorträgt, es sei die vordringliche Motivation des Antragsstellers, um aufgrund der Durchsuchung die Beweissituation zur Fortführung des Verfahrens auf anderer Ebene durchsetzen zu können, ist der Vortrag schon nicht nachvollziehbar, da nicht konkret dargelegt wird, woran der Antragsgegner damit anknüpfen will. Eine Beweisausforschung kommt nur in Betracht, wenn es gerade keine hinreichenden Beweismittel für einen dringenden Tatverdacht bereits gibt. Das ist aber – wie sich aus den oben ausgeführten Gründen ergibt – der Fall.“