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KCanG I: Gleichzeitiges Bereithalten einer Waffe, oder: Klammerwirkung auch nach neuem Recht

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Es ist Montag, also Start in die neue Woche. Und da habe ich ja zum Wochenanfnag häufig Entscheidungen zu neuen Problemkreisen, das war bei Corona so, dann kamen die Klimakleber und das beA. Derzeit beschäftigen uns die Fragen, die mit dem KCanG zusammenhängen. Dazu gibt es dann heute auch wieder drei Entscheidungen.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 30.04.2024 – 6 StR 164/24. Nein, es ist keine Entscheidung des BGH, in der dieser sagt: Tut uns leid, dass wir die neue „nicht geringe Menge“ nur bei 7,5 g n/ml angesetzt haben, wir ändern das mal wieder – das AG Mannheim (vgl. AG Mannheim, Urt. v. 29.04.2024 – 2 Ls 801 Js 37886/23 und dazu: KCanG II: „Neue“ „nicht geringe Menge“ liegt bei 75 g, oder: Fortbildung des AG Mannheim für den BGH?) hat Recht. Nein, es bleibt alles beim Alten – leider. Die Entscheidung zementiert den „BGH-Grenzwert“ und nimmt dabei zu einer konkurrenzrechtlichen Frage Stellung.

Das LG hat den Angeklagten wegen „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlicher Zuwiderhandlung gegen ein Waffenbesitzverbot in Tatmehrheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe v verurteilt. Der BGH hat unter Aufrechterhaltung der Feststellungen aufgehoben:

„1. Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Prüfung nicht stand.

a) Mach den Feststellungen kaufte der Angeklagte im Frühjahr 2022 ein Kilogramm Amphetamingemisch und 200 Gramm Marihuana. Das Amphetamingemisch verkaufte er gewinnbringend nahezu vollständig zum Preis von 5.000 Euro. Vom Marihuana verkaufte er nur einen kleinen Teil, verbrauchte es teilweise und bewahrte die übrigen 168,1 Gramm mit einer Wirkstoffmenge von 14,81 Gramm THC auf, um sie später zu konsumieren oder zu verkaufen (Fall II.1 der Urteilsgründe). Im Dezember 2022 kaufte der Angeklagte ein weiteres Kilogramm Amphetamingemisch, von dem er 226,12 Gramm zum Preis von fünf Euro pro Gramm verkaufte. Am 27. Februar 2023 verwahrte er in der Küche seines Wohnhauses neben der Restmenge des im Dezember gekauften Amphetamingemischs mit einem Wirkstoffanteil von 64,69 Gramm Amphetaminbase auch das restliche im Frühjahr 2022 erworbene Marihuana. Dort lagen griffbereit auf der Sitzfläche eines Stuhls eine funktionsbereite, geladene Schreckschusspistole und in einem Schrank ein Teleskopschlagstock (Fall II.2 der Urteilsgründe).

b) Die Strafkammer hat bei ihrer konkurrenzrechtlichen Wertung nicht erkennbar bedacht, dass eine Tat anzunehmen gewesen wäre, wenn es sich bei dem zur Veräußerung bestimmten Anteil des am 27. Februar 2023 noch vorhandenen Marihuanas um eine nicht geringe Menge gehandelt hätte.

aa) Werden zwei unterschiedliche, zum Verkauf bestimmte, nicht geringe Mengen von Betäubungsmitteln in einem Raum aufbewahrt, verbindet wegen der Teilidentität der Ausführungshandlungen das gleichzeitige Bereithalten einer Waffe im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG an diesem Ort beide Taten zur Tateinheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Februar 2020 – 1 StR 9/20,BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 Konkurrenzen 2; vom 9. Juli 2020 – 5 StR 208/20; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz 10. Aufl., § 30a Rn. 130a).

bb) Die Annahme nur einer Tat kommt auch bei Berücksichtigung der nach § 354a StPO, § 2 Abs. 3 StGB anzuwendenden neuen Vorschriften des zum 1. April 2024 in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) in Betracht. Denn der als Verbrechen ausgestaltete Qualifikationstatbestand des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG, der hier erfüllt sein könnte, hat die Kraft, das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hinsichtlich des im Frühjahr 2022 erworbenen Amphetamins (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) und das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln hinsichtlich des im Dezember 2022 gekauften Amphetamins (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zu einer Tat zu verklammern. Soweit der Qualifikationstatbestand des § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG eine nicht geringe Menge voraussetzt, wäre dieser Grenzwert von 7,5 Gramm THC (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2024 – 1 StR 106/24) unter Berücksichtigung des festgestellten Wirkstoffgehaltes von acht Prozent bei einer Handelsmenge von 93,75 Gramm erreicht.

c) Der Senat ist gehindert, den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO zu ändern, weil ihm die dafür nötigen Feststellungen fehlen. Es ist offengeblieben, welcher Anteil des noch vorhandenen Marihuanas zum Konsum und welcher zum Verkauf bestimmt war (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 5 StR 582/17, NStZ-RR 2018, 113).“

StGB AT II: Neuregelung/neues Recht des § 64 StGB, oder: OLG Saarbrücken zum anwendbaren Recht

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Und dann etwas aus dem Vollzugs-/Vollstreckungsbereich, nämlich zu §§ 64 ff. StGB, und zwar zur Anwendung des neuen Rechts. Dazu hatte ich ja u.a. – neben dem BGH – bereits den OLG Celle, Beschl. v. 20.11.2023 – 2 Ws 317/23 – vorgestellt (vgl. Unterbringung III: Neuregelung des § 64 StGB, oder: Neufälle/Altfälle – OLG Celle zum anwendbaren Recht). Dazu hat sich jetzt auch das OLG Saarbrücken im OLG Saarbrücken, Beschl. v. 29.01.2024 – 1 Ws 298/23 – geäußert.

Da es das OLG Saarbrücken ebenso macht wie das OLG Celle, reichen m.E. die Leitsätze der Entscheidung. Die lauten:

1. Auf die Vollstreckung einer vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist über § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB die Vorschrift des § 64 Satz 2 StGB in der seit dem 1. Oktober 2023 geltenden Fassung anzuwenden (Anschluss an OLG Celle, Beschl. v.20.11..2023 – 2 Ws 317/23).
2. Der Begriff des „Hangs“ im Sinne des § 64 Satz 2 StGB in der seit dem 1. Oktober 2023 geltenden Fassung entspricht dem des § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB in derselben Fassung.
3. Ein „Hang“ des Untergebrachten im Sinne des § 64 Satz 1 Halbsatz 2 StGB in der seit dem 1. Oktober 2023 geltenden Fassung liegt nur vor, wenn bei ihm eine Substanzkonsumstörung besteht, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten ist oder fortdauert.
4. Eine vor dem 1. Oktober 2023 rechtskräftig angeordnete Unterbringung ist nach § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB für erledigt zu erklären, wenn bei dem Untergebrachten zwar weiterhin eine Substanzkonsumstörung besteht, diese aber zu keinem Zeitpunkt zu einer dauernden und schwerwiegenden Beeinträchtigung seiner Lebensgestaltung, Gesundheit oder Arbeits- oder Leistungsfähigkeit geführt hat.

Unterbringung II: Erstes zur Neuregelung des § 64 StGB, oder: Neufälle/Altfälle – anwendbares Recht

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Und im zweiten Posting geht es dann auch noch einmal um das anwendbare Recht in sog. Altfällen.

Dazu bin ich u.a. auf den BGH, Beschl. v. 25.10.2023 – 5 StR 246/23 – und den BGH, Beschl. v. 04.10.2023 – 6 StR 405/23 – gestoßen. In beiden Fällen hat der BGH im Erkenntnisverfahren die Anwendung des neuen Rechts auf „Altfälle“ „gefordert.

In dem dem Beschluss vom 25.10.2023 zugrunde liegenden Verfahren hatte das LG den Angeklagten wegen 21 Fällen des schweren Bandendiebstahls, wobei es dreimal beim Versuch blieb, und zwei weiteren Fällen des Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, eine Einziehungsentscheidung getroffen, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass zwei Jahre der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen sind. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat zur Aufhebung der Unterbringungsentscheidung geführt:

„Die Ausführungen des Landgerichts belegen nicht, dass die Voraussetzungen der seit 1. Oktober 2023 geltenden und nach § 2 Abs. 6 StGB auch für Altfälle maßgeblichen Neufassung des § 64 StGB vorliegen, was der Senat nach § 354a StPO zu beachten hat. Beim Angeklagten liegt zwar ein langjähriges Abhängigkeitssyndrom hinsichtlich „Crystal“ (Metamphetamin) vor, das den von der Neufassung des § 64 Satz 1 StGB vorausgesetzten Begriff einer Substanzkonsumstörung erfüllt (vgl. näher BT-Drucks. 20/5913 S. 69). Die bisherigen Feststellungen belegen aber nicht, dass die Taten des Angeklagten im Sinne der Neuregelung „überwiegend“ hierauf zurückgehen.

Der Gesetzgeber hat hierzu ausgeführt (BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f.): „Durch die Ergänzung des Wortes ‚überwiegend‘ soll nunmehr gesetzlich konkretisiert werden, unter welchen Voraussetzungen ein kausaler Zusammenhang zwischen ‚Hang‘ und ‚Anlasstat‘ angenommen werden kann. Nur für den Fall, dass die rechtswidrige Tat überwiegend auf den Hang der Person, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zurückgeht, ist ein solcher künftig anzunehmen. ‚Überwiegend‘ ursächlich ist der ‚Hang‘ für die ‚Anlasstat‘, wenn dieser mehr als andere Umstände für die Begehung der Tat ausschlaggebend war … Die Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat ist für die Annahme der Kausalität also nur noch dann ausreichend, wenn sie quantitativ andere Ursachen überwiegt. Eine Mitursächlichkeit des ‚Hangs‘ für die ‚Anlasstat‘ unterhalb dieser Schwelle reicht für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals nicht mehr aus. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – ggf. unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen.“

Das Landgericht hat bei seiner Prüfung – zum damaligen Zeitpunkt zutreffend – diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht vor Augen gehabt und deshalb seine Feststellungen nicht daran ausgerichtet. Die vom Landgericht getroffene Feststellung, der offenbar über keine nennenswerten anderweitigen Einkünfte im Tatzeitraum verfügende Angeklagte habe die Taten „(auch) zur Finanzierung seines … Betäubungsmittelkonsums begangen“, belegt – auch wenn sie nach dem damaligen Rechtszustand ausreichend war – ein solches Überwiegen nicht. Soweit das Landgericht darauf verwiesen hat, der Angeklagte habe das Metamphetamin gezielt vor Tatbegehung eingenommen, um Hemmungen zu beseitigen, bleibt unberücksichtigt, dass ein symptomatischer Zusammenhang fehlen kann, wenn sich der Täter ohne Rauschmitteleinfluss zur Tat entscheidet und erst anschließend gezielt durch Einnahme von Rauschmitteln enthemmt, um die Tat leichter begehen zu können (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 1990 – 1 StR 293/90, NJW 1990, 3282; Beschluss vom 30. Juni 2016 – 3 StR 231/16; LK-StGB/Cirener, 13. Aufl., § 64 Rn. 39).

Weil das Landgericht den durch die Neufassung des § 64 StGB veränderten und für die Senatsentscheidung nach § 2 Abs. 6 StGB und § 354a StPO maßgeblichen Anordnungsmaßstab noch nicht berücksichtigen konnte, bedarf die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.“

Unterbringung I: Erstes zur Neuregelung des § 64 StGB, oder: Neufälle/Altfälle und Vorwegvollzug

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Und dann ab heute wieder aktuell. Mein Urlaub ist beendet, es gibt also keine vorbereiteten Beiträge mehr.

Und ich beginne heute mit Entscheidungen zur Unterbringung nach § 64 StGB. Da hat sich ja durch die Gesetzesreform im Sommer 2023 einiges geändert (vgl. dazu den Beitrag des RiOLG Hillebrandt aus StRR 7/2023: Die Neuregelung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt.

ich stelle dazu heute zunächst einen BGH-Entscheidung vor, und zwar den BGH, Beschl. v. 14.11.2023 – 1 StR 354/23 – zur Frage der Anwendung des neuen Rechts mit folgendem Sachverhalt und Gründen des BGH

„Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung in zwei Fällen und wegen versuchter Freiheitsberaubung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt; von einem Tatvorwurf zu Lasten einer anderen Geschädigten hat es ihn freigesprochen. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und unter Annahme einer prognostizierten Therapiedauer von einem Jahr und neun Monaten bestimmt, dass neun Monate der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Vollstreckung der Maßregel zu vollziehen sind. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen und formellen Rechts beanstandet, ist aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Allein die Dauer des Vorwegvollzugs, den das Landgericht für sich genommen nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB aF rechtsfehlerfrei berechnet hat, bedarf nach Änderung der §§ 64, 67 StGB mit Wirkung zum 1. Oktober 2023 der Neubestimmung durch das Revisionsgericht (§ 2 Abs. 6 StGB, §§ 354a, 358 Abs. 2 Satz 3 StPO; § 354 Abs. 1 StPO analog).

1. Gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 erster Halbsatz StGB in der Fassung des am 1. Oktober 2023 in Kraft getretenen Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts – Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom 26. Juli 2023 (BGBl. I Nr. 203) ist der vor der Maßregel zu vollstreckende Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und der anschließenden Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung von zwei Dritteln der Strafe möglich ist. Der Senat ist aufgrund der rechtsfehlerfreien Feststellungen und tatgerichtlichen Wertung in der Lage und befugt, die Dauer des Vorwegvollzugs selbst zu berechnen (vgl. zur Anwendung des Gesetzes zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 durch das Revisionsgericht insoweit: BGH, Beschluss vom 15. November 2007 – 3 StR 390/07, BGHR StPO 354 Abs. 1 Maßregelausspruch 1 Rn. 3-7).

2. Allein die bei Inkrafttreten des neuen Maßregelrechts schon rechtskräftigen „Altfälle“ sollen vom neuen Vollstreckungsregime ausgenommen werden; insoweit soll sich die Berechnung des Vorwegvollzugs nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB aF, also nach dem Halbstrafenzeitpunkt, bestimmen (vgl. BT-Drucks. 20/5913 S. 77 f. und Art. 316o Abs. 1 Satz 1 EGStGB).

3. Die Voraussetzungen der Art. 316o Abs. 1 Satz 2, Art. 313 Abs. 2 EGStGB sind nicht gegeben.

4. Gemäß § 2 Abs. 6 StGB und mangels eingreifender besonderer Übergangsregelung gilt vielmehr die Vollstreckungsvorschrift des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nF seit dem 1. Oktober 2023. Dass die den gleichen Zeitpunkt bestimmende Übergangsvorschrift des Art. 316o Abs. 1 Satz 1 EGStGB (neugefasst gemäß dem eingefügten Art. 5 Abs. 2 durch Art. 3 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts vom 18. August 2023 [BGBl. I Nr. 218]) ihrerseits wohl erst zum 1. Februar 2024 in Kraft treten soll, ist demnach unerheblich.“

Einziehung III: (Ganz) kleine Rechtsprechungsübersicht, oder: Weiterverkauf von BtM, Spesen, Entreicherung

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Und dann noch der Rest an Einziehungsentscheidungen aus meinem Blogordner, und zwar:

„Im Fall 2 der Urteilsgründe begegnet die Einziehungsanordnung durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden dem Angeklagten im Fall 2 der Urteilsgründe 106 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 15 Prozent im Wert von 4.000 Euro geliefert, die er gewinnbringend weiterverkaufen wollte. Durch diese Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erlangte der Angeklagte Kokain. Das Landgericht hat einen dessen Wert entsprechenden Geldbetrag (4.000 Euro) nach §§ 73, 73c StGB eingezogen.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt darauf hingewiesen, dass zum gewinnbringenden Weiterverkauf erlangte Betäubungsmittel nicht Taterträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB sind, sondern Tatobjekte, die nach § 33 Satz 1 BtMG iVm § 74 Abs. 2 StGB eingezogen werden können. Die Einziehung des Wertersatzes richtet sich dementsprechend nach § 74c StGB. Voraussetzung hierfür ist, dass das Tatobjekt dem Täter zur Tatzeit gehörte oder zustand. Werden Betäubungsmittel wie hier aber im Inland erworben, kann der Käufer wegen § 134 BGB kein Eigentum an den Drogen erlangen (BGH, Beschluss vom 9. November 2021 – 5 StR 244/21).

Das Urteil beruht auf dem Rechtsfehler (§ 337 Satz 1 StPO). Anders als in den übrigen Fällen ist im Fall 2 gerade nicht festgestellt, dass dem Angeklagten der Erlös aus einem etwaigen Weiterverkauf zugeflossen ist. Die Voraussetzungen einer Wertersatzeinziehung nach §§ 73, 73c StGB von 4.000 Euro als Mindestverkaufserlös liegen somit nicht vor. Wie vom Generalbundeanwalt beantragt, hat der Senat den Ausspruch über die Anordnung der Einziehung des Wertes daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO um 4.000 Euro reduziert.“

„Die Einziehungsentscheidung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Nach den Feststellungen erhielt die Angeklagte den Betrag von 1.500 Euro von einem der Hintermänner, um damit das für die Tatausführung erforderliche Fahrzeug anmieten und Übernachtungskosten bezahlen zu können.

Bei dieser Sachlage hat die Angeklagte den Geldbetrag – anders als es bei der erstrebten Teilhabe an der Tatbeute läge – nicht für die Taten, sondern für deren Durchführung erlangt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2010 – 4 StR 277/10; NStZ-RR 2011, 283, 284 mwN).

Derartige „Spesen“ unterliegen als Tatmittel der Einziehung nach § 74 Abs. 1 und § 74c Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2002 – 3 StR 240/02; Urteil vom 25. Februar 1993 – 1 StR 808/92; BGHR StGB § 74 Abs. 1 Tatmittel 4). Die Einziehung des Tatmittels beziehungsweise dessen Wertes nach § 74c Abs. 1 StGB steht jedoch im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2020 – 6 StR 34/20). Eine solche Ermessensentscheidung hat das Landgericht – von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent – nicht getroffen.

Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO).“

1. § 459 Abs. 5 S. 1 StPO in der ab 01.07.2021 geltenden Fassung findet ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens auf Einziehungsentscheidungen Anwendung, auch wenn die der Einziehung zugrundeliegende Tat vor dem 01.07.2021 begangen wurde. Der Meistbegünstigungsgrundsatz aus § 2 Abs. 3 StGB ist auf § 459g Abs. 5 S. 1 StPO nicht anzuwenden (Anschluss OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.12.2022, 4 Ws 514/22, und OLG Schleswig, Beschluss vom 07.07.2022, 2 Ws 63/22, sowie OLG Hamm, Beschluss vom 18.08.2022, 5 Ws 211/22, juris Rn. 19; entgegen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.05.2022, 1 Ws 122/22, und Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 22.09.2022, 1 Ws 118/21).

2. Für die Einstellung der weiteren Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes wegen Unverhältnismäßigkeit ist es nicht ausreichend, dass das Erlangte nicht mehr im Vermögen des Täters vorhanden ist.