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Einziehung III: Die Vollstreckung der Einziehung, oder: „Ich habe nichts mehr aus der Tat.“

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Und als dritte Entscheidung zur Einziehung dann noch der OLG Hamburg, Beschl. v. 05.01.2023 – 5 Ws 52/22 – zur Fragen in Zusammenhang mit der Vollstreckung der Einziehung.

Das OLG geht von folgendem Sachverhalt aus:

„Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landgerichts Hamburg, Große Strafkammer 32, vom 9.7.2019 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit dem strafbaren Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen und mit unerlaubtem Betreiben eines Lagers von explosionsgefährlichen Stoffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem wurde gemäß § 73c StGB die Einziehung von Wertersatz in Höhe von € 80.091,69 angeordnet.

Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer nach den Feststellungen der Kammer von Anfang 2015 bis Januar 2019 gemeinsam mit einem Mittäter im Keller des Wohnhauses seiner Mutter Cannabispflanzen zur Produktion von Marihuana anbaute, um sich durch fortgesetzte Betäubungsmittelverkäufe eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Der Betrag der angeordneten Wertersatzeinziehung errechnete sich aus dem Gesamterlös der im Tatzeitraum erwirtschafteten Ernten (€ 170.055,50) abzüglich des Werts der im Zuge der Durchsuchung sichergestellten, noch nicht verkauften Betäubungsmittelmenge (€ 15.409,81) und abzüglich des Wertes der Betäubungsmittelteilmenge, über die der Mittäter des Beschwerdeführers allein verfügt bzw. die dieser allein verkauft hatte (€ 23.769,-). Abgezogen wurde zudem ein aus Betäubungsmittelverkäufen stammender Bargeldbetrag, der bei der Durchsuchung am 18.1.2019 sichergestellt und gesondert eingezogen wurde (€ 50.785,-).

Die gegen den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe wurde zum Teil vollstreckt. Mit Beschluss vom 5.11.2021 setzte die Strafvollstreckungskammer den Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung aus.

Die Vollstreckung des Einziehungsbetrags blieb im Wesentlichen erfolglos. Nachdem die Staatsanwaltschaft den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24.2.2022 erfolglos zur Zahlung des bis dahin verbliebenen Einziehungsbetrags von € 78.793,29 aufgefordert hatte, beantragte dieser am 27.6.2022, gemäß § 459g Abs. 5 StPO das Unterblieben der Vollstreckung des Einziehungsbetrags anzuordnen. Der Wert des Erlangten befinde sich nicht mehr in seinem Vermögen, da er von dem Gewinn aus den Taten damals seinen Lebensunterhalt bestritten habe. Aktuell lebe er von ALG I in Höhe von € 1.100,- monatlich. Weitere Vermögenswerte seien nicht vorhanden, so dass er entreichert sei. Dies führe nach der aus seiner Sicht anwendbaren, bis zum 30.6.2021 gültigen Gesetzesfassung des § 459g Abs. 5 S. 1 StPO zwingend dazu, dass das Unterbleiben der Vollstreckung anzuordnen sei. Zudem stelle sich die weitere Vollstreckung als unverhältnismäßig dar. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass es sich bei der vom Gericht errechneten Einziehungssumme um den Verkaufswert der Ernte handele und nicht um den Gewinn aus der Tat; Ausgaben z.B. für Strom seien bei der Berechnung nicht berücksichtigt worden. Selbst wenn er aus seinem unpfändbaren Einkommen monatliche Raten in Höhe von z.B. € 150 zahlen würde, wären bis zum Ausgleich der Forderung ca. 534 Raten aufzubringen, so dass er über fast 45 Jahre auf sein unpfändbares Einkommen verwiesen sei. Dies sei erdrosselnd und verletzte ihn in seinem Grundrecht auf Resozialisierung.

Das Landgericht lehnte den Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluss vom 5.9.2022 ab. Es könne dahinstehen, welche Gesetzesfassung des § 459g Abs. 5 StPO Anwendung finde. Der Beschwerdeführer habe nämlich schon nicht ausreichend dargelegt, dass der Wert des durch die Tat Erlangten nicht mehr in seinem Vermögen vorhanden, er also entreichert sei. Auch aus den Feststellungen des erkennenden Gerichts ergebe sich dies nicht. Es seien angesichts des Alters und der beruflichen Perspektiven des Beschwerdeführers auch keine besonderen Umstände erkennbar, die seine Resozialisierungsmöglichkeiten als gefährdet erscheinen ließen.“

Hiergegen richtet sich sofortige Beschwerde der Verurteilen, mit der er geltend macht, das LG habe die Anforderungen an die Darlegung und den Beweis der „Entreicherung“ überspannt, da diese darauf hinausliefen, dass er ein Haushaltsbuch hätte führen müssen. Von dem Tatertrag hätten ihm im Tatzeitraum rechnerisch ca. EUR 1.670,- monatlich zur Verfügung gestanden. Dies halte sich ohne Weiteres im Rahmen des für den Lebensunterhalt Üblichen.

Das Rechtsmittel hatte keinen Erfolg. Hier die Leitsätze zu der Entscheidung:

1. Bei der Regelung in § 459g Abs. 5 StPO, nach der das Gericht das Unterbleiben der Vollstreckung der Einziehung anzuordnen hat, wenn die Vollstreckung sonst unverhältnismäßig wäre, handelt es sich nicht um eine materiell-rechtliche, sondern um eine das Verfahren betreffende Vorschrift, so dass die Meistbegünstigungsregel des § 2 Abs. 3, 5 StGB hierauf keine Anwendung findet.

2. Infolgedessen ist die aktuelle Gesetzesfassung des § 459g Abs. 5 StPO, nach der im Falle der Entreicherung des Einziehungsschuldners nicht mehr zwingend das Unterbleiben der Vollstreckung anzuordnen ist, auch auf Altfälle anzuwenden, bei denen der Zeitpunkt Tatbeendigung vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Neufassung (1. Juli 2021) liegt.

3. Soweit sich der Einziehungsschuldner zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung darauf beruft, dass sich die Taterträge nicht mehr in seinem Vermögen befinden, obliegt ihm hierfür die Darlegungs- und Beweislast. Beweiserleichterungen oder gar eine Vermutung dafür, dass Taterträge für den Lebensunterhalt verbraucht wurden, besteht auch dann nicht, wenn dem Einziehungsschuldner der Nachweis der Mittelverwendung durch deliktstypische Besonderheiten erschwert ist (hier: Ausgabe von Bareinnahmen aus Betäubungsmittelgeschäften).

Einziehung III: Ist der Verurteilte entreichert = pleite? oder: Tatsachengrundlage und Verhältnismäßigkeit

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Die dritte Entscheidung befasst sich mit einer vollstreckungsrechtlichen Frage bei einer angeordneten Einziehung. Es geht im LG Hamburg, Beschl. v. 24.08.2022 – 607 StVK 395/22 – um die Frage des sog. Vermögensabflusses und damit um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 459g Abs. 5 StPO.

Der Angeklagte war vom LG wegen des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden, zudem hatte man die Einziehung des Wertersatzes des Taterlangten in Höhe von 70.815,00 Euro angeordnet. Dem lag zugrunde, dass der Verurteilte zwischen dem 04.04.2020 und dem 10.06.2020 unter Verwendung der „Encrochat“-Verschlüsselungssoftware (sic!) gewinnbringend mit Betäubungsmitteln gehandelt hatte. Mit Blick auf die persönlichen Verhältnisse des Angeklagten hatte das LG festgestellt, dass der Verurteilte Geld für Alkohol, Kokain und Onlineglücksspiele ausgegeben hatte, jedoch zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung auch private Schulden mit monatlichen Raten in Höhe von 50 EUR bediente.

Im Rahmen der Vollstreckung hatte der Verurteilte dann beantragt, das Unterbleiben der Vollstreckung der Einziehung anzuordnen. Er habe sein gesamtes Vermögen verspielt, zudem eine stationäre Entzugsbehandlung durchgeführt und befinde sich nun auf einem guten Weg. Er sei entreichert und die Vollstreckung auch im Übrigen unverhältnismäßig, da sie seine Resozialisierung wesentlich erschweren würde.

Mit dem Antrag hatte er beim LG keinen Erfolg. Das hat die Frage, ob altes oder neues Recht anzuwenden ist, offen gelassen. Zur Frage des Vermögensabflusses führt es u.a. aus, dass der entsprechende Vortrag nicht konkret genug sei – insoweit bitte selbst lesen. Und dann schließt es zur Frage der Verhältnismäßigkeit an:

„3. Die Vollstreckung der Einziehung des Wertersatzes des Taterlangten ist auch nicht sonst unverhältnismäßig. An die Unverhältnismäßigkeit sind mit Blick auf das gesetzgeberische Ziel der effektiven Vermögensabschöpfung hohe Anforderungen zu stellen, sie kann nur angenommen werden, wenn die Resozialisierung des Einziehungsadressaten wesentlich erschwert würde, die Vollstreckung eine erdrückende Wirkung zur Folge hat oder das Übermaßverbot verletzt ist.

Das grundrechtlich geschützte Resozialisierungsinteresse des Verurteilten steht einer Vollstreckung der Wertersatzeinziehung vorliegend nicht entgegen. Die Vollstreckungsbehörde ist grundsätzlich gehalten, die Nutznießung von Verbrechensgewinnen zu unterbinden, so dass die typischerweise mit jeder Einziehung verbundene Belastung für den Adressaten für sich genommen nicht zum Unterbleiben der Vollstreckung führen kann. Vielmehr müssen im Einzelfall besondere Gründe hinzutreten, die eine Gefährdung der Resozialisierungsmöglichkeiten durch die Vollstreckung der Einziehungsentscheidung konkret befürchten lassen und denen nicht durch Maßnahmen nach § 459g Abs. 2 StPO i.V.m. § 459a StPO begegnet werden kann (vgl. hierzu auch: KG Berlin, Beschluss vom 07.09.2020, 161 AR 146/19, BeckRS 2020, 39454). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die pauschale Behauptung des Verurteilten, die Vollstreckung der Einziehung würde ihn wieder in die Gefahr der Drogen- und Spielsucht bringen, genügt nicht, um die Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung zu begründen. Der Verurteilte hat selbst bereits berufliche Pläne skizziert, mit denen er seinen Lebensunterhalt künftig decken möchte. Aufgrund seines noch jungen Lebensalters ist auch nicht ersichtlich, warum er nicht in der Lage sein sollte, längerfristig Einkommen zu generieren, das über der Pfändungsfreigrenze liegt. Darüber hinaus hat er bereits eine Entzugsbehandlung erfolgreich absolviert und ein Hang zum übermäßigen Konsum sowie die Gefahr darauf zurückgehender Straftaten liegt nach sachverständiger Einschätzung bei dem Verurteilten nicht vor. Eine soziale Gefährdung durch sein Konsumverhalten wurde ausdrücklich nicht angenommen (S. 44 des Urteils vom 15.07.2021). Auch eine Verschlechterung der finanziellen Situation der Familie des Verurteilten gegenüber deren Lebenssituation bei Begehung der Taten ist mit Blick auf die auch bei der Vollstreckung geltenden Pfändungsfreigrenzen nicht zu befürchten.

Eine erdrückende Wirkung oder die Verletzung des Übermaßverbotes sind ebenso wenig dargelegt und auch nicht ersichtlich. Hierbei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, dass neben den ohnehin greifenden Pfändungsschutzvorschriften nach §§ 459g Abs. 2, 459a StPO Zahlungserleichterungen vereinbart werden können. Darüber hinaus kann auch die Vollstreckungsbehörde gemäß §§ 459g Abs. 2, 459c Abs. 2 StPO von der Vollstreckung absehen, wenn zu erwarten ist, dass sie in absehbarer Zeit zu keinem Erfolg führen wird, etwa weil keine Vermögenswerte auffindbar sind.

Unterbringung I: Erneut Fortdauer der Unterbringung, oder: Negative Stellungnahme der Vollzugseinrichtung

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Heute stelle ich dann Entscheidungen vor, die sich mit Fragen der Unterbringung befassen.

Zunächst kommt hier der OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.07.2022 – 4 Ws 247/22. Der Verurteilte ist im Oktober 2018 wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Zugleich hat das LG nach einem Vorwegvollzug von zwei Jahren die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Am 10.12.2019 wurde der Verurteilte in die Maßregelvollstreckung verlegt. Seither ordnete die Strafvollstreckungskammer mit Beschlüssen vom 10. Juni 2020, 15. Dezember 2020, 2. Juni 2021 sowie vom 24. November 2021 jeweils die Fortdauer der Unterbringung an. Letztmals wurde am 18. Mai 2022 die Fortdauer der Unterbringung beschlossen. Dagegen die sofortige Beschwerde, die Erfolg hatte:

„Die zulässige sofortige Beschwerde hat (zumindest vorläufig) auch in der Sache Erfolg. Denn die Strafvollstreckungskammer hat ihre Entscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen.

1. Entscheidungen, die den Entzug oder die Einschränkung der persönlichen Freiheit betreffen, müssen auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Freiheitsgarantie entspricht. Dabei ist immer eine für den Einzelfall hinreichende Gründlichkeit bei der Entscheidungsfindung zu gewährleisten (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 5. Juni 2019 — 2 BvR 382/17, juris Rn. 26 mwN). Dieses Gebot bestmöglicher Sachaufklärung gilt auch für den Straf- und Maßregel-vollzug.

2. Zwar ergibt sich hieraus nicht, dass bei Entscheidungen über die Fortdauer einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB oder über deren Erledigung zwingend ein externer Sachverständiger hinzuzuziehen wäre. Vielmehr kann eine gutachterliche Stellungnahme der behandelnden Klinik, ggf. in Verbindung mit dem Protokoll der richterlichen Anhörung des Verurteilten, eine zuverlässige und zureichende Entscheidungsgrundlage bieten (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Juni 2020 — 4 Ws 127/20, juris Rn. 22). Dies gilt jedoch nur dann, wenn die gutachterliche Stellungnahme die maßgebenden Tatsachen vollständig mitteilt. Daran fehlt es hier.

a) Die vom Beschwerdeführer angestrebte Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung kommt in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass er außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird (§ 67 Abs. 2 Satz 1 StGB).

Kommt die Vollzugseinrichtung, wie vorliegend, zu dem Ergebnis, dass die Legalprognose negativ ist, muss ihre Stellungnahme Ausführungen dazu enthalten, welcher Art die rechtswidrigen Taten sind, die von dem Untergebrachten drohen, wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz), wie hoch die Wahrscheinlichkeit zukünftiger rechtswidriger Taten ist und inwieweit im Falle einer Aussetzung der Maßregel zur Bewährung im Rahmen der Führungsaufsicht Anordnungen nach § 68a, § 68b StGB als weniger belastende Maßnahmen ausreichen können, um den Zweck der Maßregel zu erreichen (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 19. Oktober 2020 — 2 Ws 131/20, juris Rn. 17 für eine gutachterliche Stellungnahme nach § 463 Abs. 4 Satz 1 StPO).

Werden diese Anforderungen nicht erfüllt und stützt das Gericht seine die Bewährungsaussetzung ablehnende Entscheidung dennoch auf die gutachterliche Stellungnahme, verstößt es gegen seine Verpflichtung, die Annahme, dass von dem Beschwerdeführer weiterhin eine Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten ausgehe, hinreichend zu konkretisieren (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 17. Februar 2014 — 2 BvR 1795/12, juris Rn. 40).

b) So liegt der Fall hier. Die Strafvollstreckungskammer hat in dem angefochtenen Be-schluss lediglich ausgeführt, dass sich der Verurteilte noch stabilisieren und bewähren müsse und im Übrigen auf die Stellungnahme des Zentrums für Psychiatrie verwiesen. Die dortigen Ausführungen sind jedoch unzureichend und rechtfertigen die für den Beschwerdeführer nachteilige Entscheidung nicht.

aa) Das Ergebnis der Stellungnahme der Klinik, wonach die Legalprognose des Beschwerdeführers negativ sei, hätte schon deshalb ausführlich erörtert werden müssen, weil ihm zunächst – über mehrere Seiten hinweg – eine positive Entwicklung seit Beginn der Therapie bescheinigt wird. Auch der aktuelle Behandlungsverlauf könne positiv gewertet werden. Er habe an allen therapeutischen Einheiten teilgenommen und sich in stetigem Austausch mit seinen Behandlern befunden. Nach seiner Verlegung in die Adaptionseinrichtung habe sich der Beschwerdeführer rasch einleben können und am Therapieprogramm teilgenommen. Mit den dortigen Mitarbeitern habe er guten Kontakt, und in den Absprachen sei er zuverlässig. Ferner habe er inzwischen Arbeit gefunden.

Zu seiner geschiedenen Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern habe der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt, wobei ihn die Einrichtung als sehr reflektiert erlebt habe. Er bemühe sich, jedem Kind gerecht zu werden. Zudem sei er mit seiner neuen Partnerin weiterhin zusammen und unterhalte die übrigen familiären und freundschaftlichen Beziehungen ohne Szenekontakt. Sämtliche Drogenscreenings und Alkoholkontrollen seien negativ gewesen und es sei auch kein Rückfall in kriminelle Verhaltensweisen bekannt. Ein Leben in der Legalität sei für den Beschwerdeführer durchaus möglich. Er sei durch seinen beruflichen Werdegang und seine familiäre Struktur durchaus fähig, sich in ein soziales Netz der Legalität zu begeben.

bb) Trotz dieses positiven Therapieverlaufs, den auch die Strafvollstreckungskammer gesehen hat, kommt die Klinik abschließend zu dem Ergebnis, dass die Legalprognose des Beschwerdeführers als negativ einzuschätzen sei. Der Hang zur kriminellen Handlung sei durchaus vorhanden.

Auf welche konkreten Erkenntnisse diese Annahme gestützt wird, bleibt indes offen und es wird auch nicht dargetan, weshalb eine solche Gefahr trotz des positiven Therapieverlaufs noch nicht in dem für eine Bewährungsaussetzung erforderlichen Maße reduziert werden konnte. Zudem wird nicht erläutert, welche konkreten therapeutischen Maßnahmen im weiteren Verlauf der Unterbringung noch ergriffen werden sollen, um die angenommene Rückfall-gefahr zu beseitigen oder zumindest zu verringern.

Darüber hinaus verhalten sich weder die gutachterliche Stellungnahme noch der angefochtene Beschluss dazu, welche Art von Straftaten durch den Beschwerdeführer drohen und welches Ausmaß diese habe könnten. Das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts hat jedoch maßgeblichen Einfluss auf die Prognoseentscheidung (KG, Beschluss vom 13. November 2020 – 5 Ws 162/20, juris Rn. 9).

Eine aussagekräftige Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers ist dem Senat auf dieser unzureichenden Grundlage nicht möglich, zumal der anerkannt positive Verlauf der bisherigen Therapie eher gegen eine Rückfallgefahr spricht. Der Verurteilte hat seine Lebensverhältnisse, soweit dies im Rahmen des Maßregelvollzugs möglich ist, erfolgreich geordnet und stabilisiert. Soll dennoch von einer ungünstigen Prognose ausgegangen werden bedarf dies, auch vor dem Hintergrund der bereits erheblichen Therapiedauer, einer umfassenden Begründung.

Eine solche Begründung hat die Klinik in ihrer gutachterlichen Stellungnahme nicht abgegeben und auch nicht im Rahmen der mündlichen Anhörung vor der Strafvollstreckungskammer nachgereicht. Die dort anwesende Vertreterin hat vielmehr erklärt, sie sei über das Ansinnen des Beschwerdeführers überrascht, da eine Entlassung noch nicht vorgesehen sei.

Für eine gesunde Entlasssituation solle üblicherweise sechs Monate in einer eigenen Wohnung gewohnt werden. Eine Auseinandersetzung mit dem positiven Therapieverlauf erfolgte auch hier nicht…..“nats als Beschwerdegericht ausscheidet.

Einziehung III: Absehen von der Vollstreckung, oder: Wenn kein Vermögen (mehr) da ist

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In der letzten Entscheidung geht es um die Vollstreckung einer Einziehungsentscheidung. In einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ist auch die Einziehung des Wertes des Taterlöses in Höhe von 73.850 EUR  angeordnet worden. Der Verurteilte hat beantragt. dass die Vollstreckung der Einziehung nach § 73 f StGB unterbleibe (§ 459 g Abs. 5 StPO). Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er bereits zum Zeitpunkt der Verurteilung keine Erlöse aus den Betäubungsmittelgeschäften (mehr) in seinem Vermögen gehabt habe. Unabhängig davon, dass der tatsächliche Erlös deutlich geringer sei als die in dem Urteil genannte Summe, da er ja auch Mittel zum Erwerb der Betäubungsmittel habe aufbringen müssen, um diese weiterveräußern zu können, seien die verbliebenen Erlöse für Eigenkonsum, Alkohol und Veranstaltungen aufgewendet worden. Mit seinem derzeitigen Vermögen von ca. 6.400,00 Euro könne er die im Urteil ausgesprochene Forderung nicht begleichen. Auch seien sämtliche derzeit in seinem Vermögen befindlichen Bestandteile erst nach den ihm zur Last gelegten Straftaten durch rechtlich nicht zu beanstandende berufliche Tätigkeit in das Vermögen gelangt.

Das AG hat diesen Antrag abgelehnt, das LG ist dann im LG Leipzig, Beschl. v. 05.07.2021 – 13 Qs 4/21 –   dem Verurteilten gefolgt:

„Auf die zulässige sofortige Beschwerde war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das (vorläufige) Unterbleiben der Vollstreckung anzuordnen.

a) Zur Frage der Reichweite des in § 459g Abs. 5 StPO normierten Tatbestandsmerkmals der Entreicherung ist – auch nach der Kommentarliteratur (z.B. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 459 g Rdnr. 13 m.w.N.) – noch keine gefestigte Rechtsprechung entstanden. Insoweit wird insbesondere auch thematisiert, ob im Hinblick auf die mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beabsichtigte Stärkung der Vermögensabschöpfungsmöglichkeiten (vgl. BT-Drs 18/9525) und den entsprechenden Überlegungen mit einer weitreichenden Ausgestaltung der Entreicherung Rechnung getragen werden kann.

Insoweit muss bedacht werden, dass nach der Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofes (NStZ-RR 18, 241) sich ein Verurteilter quasi stets auf Entreicherung berufen kann, sofern er über kein Vermögen verfügt. Insoweit sei es aufgrund des zwingenden Wortlautes von § 459 g Abs. 5 S. 1 StPO nicht möglich, wertende Gesichtspunkte bei der Prüfung des Wegfalls der Bereicherung einzubeziehen. Insoweit könne sich auch der Täter erfolgreich auf eine Entreicherung berufen, unabhängig davon zu welchem Zweck (vgl. BGH NStZ-RR 18, 241 m.w.N.).

Dabei weist der Bundesgerichtshof explizit auf die Trennung zwischen Anordnung der Einziehung, insbesondere des § 73 e StGB hin. Dabei sieht das Strafgesetz (zunächst) grundlegend die Einziehung vor, sofern die Voraussetzungen vorliegen. Daran anschließend muss im Vollstreckungsverfahren im Einzelfall gem. § 459 g Abs. 5 StPO die Vermögenssituation geprüft werden. Dabei schreibt § 459 g Abs. 5 S. 1 StPO in der aktuellen Gesetzesfassung zwingend vor, dass eine Vollstreckung zu unterbleiben hat, wenn der Wert des Erlangten nicht mehr im Vermögen des Tatbeteiligten vorhanden ist (vgl. BGH Beschluss vom 22.02.2018 – 3 StR 577/17 <JURIS>), wobei eine wertende Entscheidung des zuständigen Gerichts nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, NStZ-RR 2017, 14 m.w.N.). Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an, wenngleich die im Rahmen des Gesetzesvorhabens geäußerten Überlegungen (vgl. BT-Drs 18/9525 S. 45), wonach Ziel des Gesetzgebungsverfahrens sei, mögliche Beeinträchtigungen des Vertrauens der Bevölkerung in die Gerechtigkeit und die Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung zu begegnen, die sich dadurch ergeben könnten, wenn Straftäter deliktisch erlangte Vermögenswerte dauerhaft behalten dürfen, nur eingeschränkt umgesetzt werden können. Insoweit sieht die Kammer durchaus die Gefahr, dass die in § 73 f. StGB normierten (zwingenden) Einziehungsmöglichkeiten durch eine erhebliche Korrekturmöglichkeit im Rahmen des § 459 g StPO beeinträchtigt werden. Die Kammer verkennt dabei durchaus nicht, dass die Vermögenseinziehung im Falle der Entreicherung eine „erdrückende Wirkung“ – so BT-Drs. 18/9525 S. 94) haben kann.

Trotz der genannten Überlegungen und Bedenken schließt sich die Kammer dabei der am Wortlaut des § 459g StPO orientierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an.

In dem vorliegenden Fall sieht die Kammer aufgrund des Vorlegens von umfangreichen Unterlagen über die derzeitige Vermögenssituation auch keine Möglichkeit der Zurückverweisung an die Staatsanwaltschaft oder das Amtsgericht zur (umfassenden) Klärung der Vermögenssituation, da nach Aktenlage nicht zu erwarten, ist, dass im Rahmen weiterer Recherchen der Einwand der Entreicherung widerlegt werden könnte.“

Zahlungserleichterungen – sind die auch noch nach Beginn der Vollstreckung möglich?

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Den Sachverhalt, den das OLG Karlsruhe im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 30.09.2015 – 2 Ws 472/15, muss man sich dann „mal auf der Zunge zergehen lassen“. Da ist der Verurteilte durch Strafbefehl des AG zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 60 € verurteilt worden. Nachdem sich aus einer beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingeholten Auskunft ergab, dass der Verurteilte am 18.07.2013 ein Vermögensverzeichnis abgegeben hatte, wonach er Arbeitslosengeld II in Höhe von 652,00 € monatlich bezog und kein nennenswertes Vermögen besaß, ordnete die Staatsanwaltschaft am 15.6.2015 – dennoch (das „dennoch“ stammt von mir) – die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe an. Da der Verurteilte der Ladung zum Strafantritt keine Folge leistet, ergeht am 13.07.2015 Vorführungsbefehl, aufgrund dessen der Verurteilte am 27.07.2015 festgenommen wurde. Seither verbüßt er eine Ersatzfreiheitsstrafe in der JVA, als Strafende war der 14.10.2015 notiert. Am 17.08.2015 beantragte der Verurteilte bei der StA unter Hinweis darauf, dass er seit dem 01.10.2014 Grundsicherung beziehe, die Bewilligung von Ratenzahlung in Höhe von 50 € monatlich sowie die Aussetzung des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe. Mit Entschließung vom 18.08.2015 lehnte der Leiter der Staatsanwaltschaft eine Reduzierung der im Strafbefehl vom 05.01.2015 festgesetzten Tagessatzhöhe und Bewilligung von Ratenzahlung im Gnadenweg ab. Den Einwendungen des Verurteilten half die Staatsanwaltschaft Offenburg mit Entschließung vom 04.09.2015 nicht ab, die auch das LG mit Beschluss vom 14.09.2015 zurückgewiesen hat.

Das OLG sieht das ersichtlich anders und ist m.E. „not amused“

„Der vom Landgericht Offenburg vertretenen Auffassung, die weitere Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe könne nur aus den in § 459e Abs. 4 StPO genannten Gründen unterbleiben, kann jedenfalls in der vorliegenden Fallkonstellation nicht gefolgt werden.

Dabei ist ausschlaggebend, dass entgegen der vom Landgericht Offenburg vorgenommenen Bewertung, die Entscheidung über Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB, die nach Rechtskraft der Grundentscheidung von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde zu treffen ist (§ 459a Abs. 1 StPO), keinen Antrag des Verurteilten voraussetzt, sondern von Amts wegen zu treffen ist (OLG Hamburg Rpfleger 1977, 65; Graalmann-Scherer in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 459a Rn. 3; Appl in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 459a Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 459a Rn. 1). Insoweit hätte bereits das der Staatsanwaltschaft vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe vorliegende Vermögensverzeichnis des Verurteilten Anlass gegeben, die Bewilligung von Zahlungserleichterungen zu prüfen. Ist dies fälschlicherweise unterblieben, kann die eingeleitete Vollstreckung nicht zur Folge haben, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nicht mehr nachgeholt werden kann.

In der Sache geht der Senat im Hinblick auf das bei den Akten befindliche Vermögensverzeichnis davon aus, dass die Angaben des Verurteilten zu seinen Einkommensverhältnissen zutreffen, und hat deshalb die im Tenor näher bezeichnete Ratenzahlung bewilligt. Die Bestimmung über den Entfall der damit gewährten Vergünstigung beruht auf §§ 459a Abs. 1 StPO, 42 Satz 1 StGB.

Mit der Bewilligung der Zahlungserleichterung liegen die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe – hier Uneinbringlichkeit der Geldforderung (§§ 459c Abs. 2, 459e Abs. 2 StPO) – nicht mehr vor, so dass die sofortige Freilassung des Verurteilten anzuordnen war.“

Warum „auf der Zunge zergehen lassen“ und warum „not amused“? Der Zeitablauf ist – im Hinblick auf das auf den 14.10.2015 notiert gewesene Strafende – m.E. schon bemerkenswert; als Kommentar wird jetzt wahrscheinlich kommen, dass der Verurteilte selbst ja auch eine Woche für die Beschwerde gebraucht hat. Und: Der Seitenhieb an die StA ist m.E. auch recht deutlich.