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Einziehung II: Freiheits- und Geldstrafe + Einziehung, oder: Keine Kumulation von Freiheits- und Geldstrafe?

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Und im zweiten Posting dann das BGH, Urt. v. 17.04.2025 – 3 StR 405/24 – zum „Zusammenspiel von Verhängung von Freiheitsstrafe und Geldstrafe.

Das LG hat den Angeklagten der Urkundenfälschung in 85 Fällen schuldig gesprochen. Es hat ihn deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, und mit einer Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 25 EUR unter Bewilligung von Zahlungserleichterungen belegt. Ferner hat es gegen ihn die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 15.790 EUR angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision gegen den Strafausspruch. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hatte weitgehend Erfolg.

In dem Verfahren ging es um die entgeltliche Überlassung von gefälschten Nachweisen für eine Impfung gegen das Coronavirus über das Interne. Das LG hatte die von ihm festgestellten 85 Fälle jeweils als selbständige Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB bewertet. Die Strafen hat es dem Strafrahmen des § 267 Abs. 3 Satz 1 StGB entnommen. Es hat die Regelbeispiele des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alternative 1 StGB (gewerbsmäßiges Handeln) sowie des § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB (erhebliche Gefährdung der Sicherheit des Rechtsverkehrs durch eine große Anzahl von unechten oder verfälschten Urkunden) angenommen und keine der Regelwirkung entgegenstehenden Umstände zu erkennen vermocht.

Die Strafkammer hatte außerdem entschieden, „neben einer Freiheitsstrafe gemäß § 41 StGB eine Geldstrafe zu verhängen“, weil „der Angeklagte sich durch die Taten nicht unerheblich bereichert“ habe (UA S. 25). Als Einzelstrafen hat sie jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Jahr sowie eine zusätzliche Geldstrafe von 90 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen erachtet. Bei der Bemessung der Freiheitsstrafen hat sie die gesonderten Geldstrafen strafmildernd berücksichtigt. Die Tagessatzhöhe hat sie mit 25 € auf weniger als ein Dreißigstel des maßgebenden Nettoeinkommens festgesetzt, „um der progressiven Steigerung des Strafübels entgegen zu wirken“ (UA S. 25). Aus den Einzelstrafen hat sie eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung und daneben eine Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 25 € gebildet. Ferner hat es 15.790 EUR eingezogen.

Dagegen dann die weitgehend erfolgreich Revision der Staatsanwaltschaft. Der BGH führt zum Verhältnis Freiheits- und Geldstrafe aus:

„2. Der Strafausspruch hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die auf § 41 StGB gestützte Entscheidung, neben – von § 267 Abs. 3 Satz 1 StGB ausschließlich angedrohter – Freiheitsstrafe auf Geldstrafe zu erkennen, erweist sich auch unter Anlegung des eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (dazu allgemein BGH, Urteil vom 19. Mai 2022 – 3 StR 322/21, juris Rn. 23 mwN) als rechtsfehlerhaft.

a) Nach § 41 StGB kann neben einer Freiheitsstrafe eine sonst nicht oder nur wahlweise angedrohte Geldstrafe verhängt werden, wenn sich der Täter durch die Tat bereichert oder dies versucht hat und die kumulative Verhängung auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angebracht ist. Liegen diese beiden Voraussetzungen im konkreten Fall vor, steht es im pflichtgemäßen Ermessen des Tatgerichts, ob es eine zusätzliche Geldstrafe ausspricht.

aa) Als Kann-Vorschrift hat § 41 StGB wegen des durch die Kumulation ausgelösten latenten Spannungsverhältnisses zu § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB Ausnahmecharakter (s. BGH, Urteile vom 28. April 1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325, 330; vom 24. März 2022 – 3 StR 375/20, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 104).

Sinn und Zweck des § 41 StGB ist in erster Linie, Täter, für die bestimmendes Tatmotiv die Erlangung von Vermögensvorteilen ist, mit einem besonders wirksamen Strafübel belegen zu können (s. BGH, Urteil vom 24. März 2022 – 3 StR 375/20, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 106). Die Vorschrift ermöglicht eine flexible Auswahl der Strafen (s. LK/Werner, StGB, 14. Aufl., § 41 Rn. 30; zum Zusammenhang mit Art. 12 Abs. 3 EGStGB vgl. BT-Drucks. V/4095 S. 22) und ist auf Fälle zugeschnitten, in denen es nach der Art von Tat und Täter ausnahmsweise zur Erreichung der Strafzwecke sinnvoll erscheint, ihn nicht nur an der Freiheit, sondern darüber hinaus am Vermögen zu treffen (s. BGH, Urteil vom 28. April 1976 – 3 StR 8/76, BGHSt 26, 325, 328; Beschluss vom 18. August 1992 – 4 StR 306/92, BGHR StGB § 41 Bereicherung 1).

Daneben bietet § 41 StGB nach dem gesetzgeberischen Willen „in geeigneten Fällen“ die Möglichkeit, „die Freiheitsstrafe niedriger zu halten und auf diese Weise zu einem angemessenen Ausgleich für die Schuld des Täters zu gelangen“ (BT-Drucks. IV/650 S. 172; dazu BGH, Urteile vom 24. August 1983 – 3 StR 89/83, BGHSt 32, 60, 66 f.; vom 24. März 2022 – 3 StR 375/20, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 7 Rn. 106). Auf die gesonderte Geldstrafe darf allerdings nicht allein deshalb erkannt werden, um die an sich verwirkte höhere Freiheitsstrafe auf ein Maß herabsetzen zu können, das die Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ermöglicht (s. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2005 – 3 StR 404/05, juris; Urteil vom 13. März 2019 – 1 StR 367/18, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 6 Rn. 16 mwN; LK/Werner, StGB, 14. Aufl., § 41 Rn. 32 f.).

Die Verhängung der zusätzlichen Geldstrafe bedarf der näheren Begründung (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO), wohingegen die Urteilsgründe auf das Absehen von dieser Form der Bestrafung regelmäßig nicht explizit eingehen müssen (s. BGH, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 StR 337/15, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 5 Rn. 30; Urteile vom 13. März 2019 – 1 StR 367/18, BGHR StGB § 41 Geldstrafe 6 Rn. 16; vom 24. März 2022 – 3 StR 375/20, aaO, Rn. 102).

bb) Wird die Bereicherung des Täters nach §§ 73 ff. StGB abgeschöpft, kann dies Anlass sein, auf die Anwendung des § 41 StGB – entweder als nicht tatbestandlich angebracht oder in Ausübung des Ermessens – zu verzichten (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2020 – 5 StR 603/19, NStZ-RR 2020, 239; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 7. Aufl., Rn. 319; SSW-StGB/Claus, 6. Aufl., § 41 Rn. 6). Allerdings schließt die Anordnung der Tatertragseinziehung die kumulative Verhängung von Freiheits- und Geldstrafe nicht zwangsläufig, grundsätzlich oder in aller Regel aus (so aber BGH, Urteil vom 27. November 2024 – 1 StR 473/23, juris Rn. 28; OLG Celle, Beschluss vom 18. Juni 2008 – 32 Ss 77/08, NStZ 2008, 711, 712; Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 41 Rn. 6; ähnlich MüKoStGB/Radtke, 4. Aufl., § 41 Rn. 9; Schönke/Schröder/Kinzig, StGB, 30. Aufl., § 41 Rn. 1).

(1) Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:……..“

Den Rest der umfangreichen Begründung bitte selbst lesen…..

Strafe III: Besonders einkommensschwache Person, oder: Bemessung der Geldstrafe/Zahlungserleichterung

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Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung zur Geldstrafe, und zwar zur Bemessung des Tagessatzes bei einkommensschwachen Personen.

Der Angeklagte ist vom AG zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das KG hat das Urteil mit dem KG, Beschl. v. 16.02.2025 – 2 ORs 38/24 -121 SRs 147/24 – im Rechtsfolgenausspruch, hinsichtlich der Tagessatzhöhe mit den zugehörigen Feststellungen und soweit keine Entscheidung über Zahlungserleichterungen getroffen worden ist, aufgehoben:

„Ergänzend merkt der Senat an:

Im Hinblick darauf, dass bereits der Einspruch gegen. den Strafbefehl des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 8. Januar 2024 am 2: April 2024 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden war, ist Gegenstand des Verfahrens nur noch eben dieser. Mit seiner gemäß § 335 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen (Sprung-) Revision, die er auf die Tagessatzhöhe und die Entscheidung über Zahlungserleichterungen beschränkt hat, erhebt der Angeklagte die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und erstrebt die Herabsetzung der Geldstrafe sowie die Gewährung einer Ratenzahlung.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat hierzu in ihrer Zuschrift vom 29. November 2024 u.a. wie folgt Stellung genommen:

„Die angefochtene Entscheidung wird in Bezug auf den Strafausspruch hinsichtlich der Tagessatzhöhe nicht den Anforderungen gerecht, die – selbst eingedenk des insoweit eingeschränkten Prüfungsmaßstabs des Revisionsgerichts – an die Begründung eines tatrichterlichen Urteils zu stellen sind.

a) Das Revisionsgericht hat bei der Überprüfung der Höhe des Tagessatzes lediglich zu prüfen, ob die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten ausreichend festgestellt und in rechtsfehlerfreier Weise berücksichtigt wurden und dabei die Wertungen des erkennenden Gerichts bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (KG, Beschlüsse vom 26. Juni 2024 – 1 ORs 12/24 -; und vom 14. Dezember 2022 -[3J 161 Ss 177/22157/221 -), Denn die Festlegung der Höhe des Tagessatzes erschöpft sich nicht in einem mechanischem Rechenakt, sondern es handelt sich um einen Akt wertender richterlicher Strafzumessung, der dem Tatrichter Ermessensspielräume hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Faktoren belässt und in § 40 Abs. 2 StGB nur allgemeine Anhaltspunkte für die Bemessung der Tagessatzhöhe enthält (vgl. BGH,• StraFo 2017, 338; MüKo-StGB/Radtke, 4. Auflage 2020, § 40 Rdnr. 51).

b) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt sich unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB). Bemessungsgrundlage der Tagessatzhöhe ist in der Regel das Nettoeinkommen, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB). Dieses Nettoeinkommen ergibt sich aus dem Saldo der anzurechnenden Einkünfte und abziehbaren Belastungen und zwar zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. Fischer, StGB, 71. Auflage, § 40 Rdnr. 6a).

c) Das Amtsgericht hat hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse lediglich festgestellt, dass der ledige und kinderlose Angeklagte derzeit arbeitslos sei und 877,- Euro Arbeitslosengeld bekomme (UA S. 2). Im Rahmen der Strafzumessung führt das Amtsgericht ferner aus, dass der Angeklagte zur Wiedergutmachung des entstandenen Schadens von 1.225,19 Euro am 5. September 2023 eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen habe (UA S. 3). Sodann hat das Amtsgericht die Tagesatzhöhe – für deren Berechnung es offenkundig allein die Leistungen des Jobcenters nach dem SGB Il in Höhe von- 877,15 Euro zugrunde gelegt und dieses durch 30 geteilt hat – festgesetzt.

d) Die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen sind derart lückenhaft, dass sie eine Überprüfung, ob die Tagessatzhöhe ermessensfehlerfrei bestimmt worden ist, nicht zulassen.

(1) Denn ist erkennbar, dass das Amtsgericht allein die Leistungen des Jobcenters nach dem SGB 11 als Grundlage für die Bemessung des Tagessatzes berücksichtigt hat Eine Differenzierung, in welcher Höhe es sich bei den Leistungen um den Regelbedarf oder Kosten der Unterkunft handelt, findet dabei bereits nicht statt. Es fehlt des Weiteren an jeglicher Auseinandersetzung mit der Feststellung, dass der Angeklagte zur Schadengwiedergutmachung eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen hat Neben dem Umstand, dass sich, das Urteil weder zur Höhe und dem Zeitpunkt der Zahlung der vereinbarten Raten verhält noch Feststellungen dazu trifft, ob die Raten tatsächlich auch gezahlt werden, sind den Urteilsgründen keinerlei Erwägungen zu entnehmen, inwieweit dies Auswirkungen auf das Nettoeinkommen des Angeklagten hat.

(2) Das Amtsgericht hat es – wie die Revision zutreffend ausführt – bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe überdies unterlassen in den Blick zu nehmen, dass insbesondere bei Personen, die ein kleines Einkommen beziehen und dessen Abschöpfung durch die Geldstrafe nicht durch den Einsatz von Vermögen zu kompensieren ist, die Gefahr einer erheblichen entsozialisierenden Wirkung der Geldstrafe besteht, weil wegen deren Höhe nicht berücksichtigungsfähige laufende Belastungen nicht mehr bedient werden können (vgl. KG, Beschluss vom 11. März 2024 – 4 ORs 10/24 -; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 6. November 2023 – 204 StRR 470/23 -, juris Rdnr. 1.1; MüKo-StGB/Radtke – aaO – Rdnr. 38). Bei besonders einkommensschwachen Personen ist daher in besonderer Weise zu prüfen und sicherzustellen, dass die sich aus der rechnerischen Bestimmung ergebende absolute Belastung nicht unverhältnismäßig ist (Fischer- aaO – § 40 Rdnr. 24). Daher kann es geboten sein, zusätzlich zur Bewilligung der nach § 42 Satz 1 StGB möglichen und von Amts wegen zu prüfenden (vgl. Fischer- aaO – § 42. Rdnr. 2) Zahlungserleichterungen auch die Tagessatzhöhe unterhalb eines Dreißigstels des monatlichen Nettoeinkommens abzusenken (Bayerisches Landesgericht- aaO – Rdnr. 13; KG, Beschluss vom 2. November 2012 – [4] 121 Ss 146/12 [265/12] -). Diese Prüfung hat sich bei dem nur Sozialleistungen beziehenden Angeklagten aufgrund der daraus resultierenden übermäßigen Belastung durch die Geldstrafe aufgedrängt.

(3) Ferner hat es das Tatgericht – wie die Revision zu Recht ausführt – versäumt, über die Gewährung von-Zahlungserleichterungen (§ 42 Satz 1 StGB) für den Angeklagten zu befinden, wobei einem zu Geldstrafe verurteilten Angeklagten auch bei Bewilligung von Ratenzahlungen das zum Lebensbedarf Unerlässliche erhalten bleiben muss (vgl. KG, Beschlüsse vom 25. Juli 2018. – [1] 161 Ss 109/18 [23/18] – und vom 23. Mai 2016 – [4] 121 Ss 35/16 [80/16] -). Da die Entscheidung nach § 42 StGB zwingend vorgeschrieben ist, muss sich das Urteil damit befassen, wenn die Anwendung der Vorschrift nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines Angeklagten naheliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2018 – 2 StR 348/17 -, juris). Dies ist vorliegend der Fall, weil es sich aufdrängt, dass der Angeklagte den Betrag der Geldstrafe nicht sofort aus dem laufenden Einkommen, Rücklagen oder Vermögen begleichen kann. Sonstige Gründe, die einer Gewährung von Zahlungserleichterungen entgegenstehen könnten, sind nicht erkennbar, so dass diese grundsätzlich zwingend ist (vgl. MüKo-StGB/Radtke – aaO – § 42 Rdnr. 16). Dass auch die Vollstreckungsbehörde nach Rechtskraft noch Zahlungserleichterungen bewilligen kann (§ 459a StPO), ändert daran wegen des zwingenden Charakters des § 42 StGB nichts (vgl. KG, Beschluss vom 3. Januar 2022 – [5] 161 Ss 160/21 [52/21] -).

(4) Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass das Tatgericht – wie die Revision zutreffend ausführt – auch die gemäß § 42 Satz 3 StGB bestehende fakultative Anordnung von Zahlungserleichterungen offensichtlich nicht in den Blick genommen hat Aufgrund des im Rahmen der Strafzumessung zugunsten des Angeklagten berücksichtigten Abschlusses einer Ratenzahlungsvereinbarung zur Schadenswiedergutmachung hat sich die Erörterung der genau für vorliegende Sachverhalte geltenden Regelung des § 42 Satz 3 StGB geradezu aufgedrängt.“

Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat kann die fehlenden Feststellungen nicht selbst treffen und verweist die Sache deshalb gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurück.“

Einziehung II: Kein Steuerabzug vom Einziehungsbetrag, oder: Keine Geldstrafe neben Einziehung?

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Und dann als zweite Entscheidung das BGH, Urt. v. 27.11.2023 – 1 StR 473/24.

Das LG hat die Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Es hat gegen sie eine Freiheitssteafen festgesetzt und in einem Fall der Steuerhinterziehung auch noch eine Geldstrafe. Außerdem hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen u.a. in Höhe von 2.929.502,66 EUR angeordnet.

In der Sache ging es um die Beteiligung an Cum-Ex-Geschäften, für die die Angeklagten Bonuszahlungen erhalten hat. Von diesen Bonuszahlungen hat das LG pauschal einen Lohnsteuersatz samt Solidaritätszuschlag von 47,475 Prozent abgezogen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die von der Arbeitgeberin einbehaltene Lohnsteuer dem Vermögen der Angeklagten zu keinem Zeitpunkt tatsächlich zugeflossen sei. Anders als bei einer dem Zufluss der Taterträge zeitlich nachfolgenden Besteuerung, bei welcher die auf den Taterträgen lastenden Steuern dem Abzugsverbot gemäß § 73d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StGB unterlägen, würden Steuern, deren Einbehalt mit dem Zufluss beim Tatbeteiligten in einem Akt zusammenfielen, sich bereits unmittelbar mindernd auf die Höhe der dem Täter zugeflossenen Taterträge auswirken.

Dagegen die Revision der Staatsanwaltschaft, die hinsichtlich der Einziehung und der Geldstrafe Erfolg hat. Ich stelle hier nur (meine) Leitsätze ein. Den Rest in dem umfangreich begründeten Urteil dann bitte selbst lesen.

Die zum alten Recht ergangene Rechtsprechung des BGH, wonach im Falle eines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Besteuerungsverfahrens die sogenannte steuerrechtliche Lösung nicht anzuwenden und die auf den Einziehungsbetrag entfallende Steuer gemäß § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF zur Vermeidung unbilliger Härten von diesem abzuziehen ist (BGH, Urt. v. 21.03.2002 – 5 StR 138/01, BGHSt 47, 260, 264 ff.), ist aufgrund des neuen Vermögensabschöpfungsrechts überholt. Denn die Härtefallklausel des § 73c Abs. 1 Satz 2 StGB aF ist entfallen; der Entreicherungseinwand im Erkenntnisverfahren steht gemäß § 73e Abs. 2 StGB nur noch dem gutgläubigen Drittbeteiligten offen. 

In den Fällen, in denen zur Abschöpfung des aus der Tat erlangten Vermögens eine Einziehung gemäß §§ 73 ff. StGB nF angeordnet wird, ist die Möglichkeit einer kumulativen Verhängung von Freiheits- und Geldstrafen im Sinne des § 41 StGB grundlegend infrage gestellt. Neben einer Einziehungsentscheidung gemäß §§ 73 ff. StGB nF ist im Regelfall für die zusätzliche Verhängung einer Geldstrafe nach § 41 StGB kein Raum mehr.

Strafe III: Wieder ausreichende Urteilsgründe?, oder: Vorstrafen, Tagessatz und kurze Freiheitsstrafe

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Und dann habe ich hier noch im dritten Posting zur Strafzumessung zwei Entscheidungen des BayObLG, allerdings genügen m.E. die Leitsätze. Die lauten:

1. Grundsätzlich dürfen auch nicht einschlägige Vorstrafen bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, weil sie belegen, dass der Täter sich die frühere Verurteilung nicht hat zur Warnung dienen lassen. Im Urteil sind die bei der Strafzumessung zu berücksichtigenden Vorstrafen in dem Umfang und in der Detailliertheit mitzuteilen, in denen sie für die getroffene Entscheidung von Bedeutung sind. Die gebotene Darstellungsbreite und die Darstellungsdichte bestimmen sich nach dem Einzelfall. In der Regel erforderlich sind Ausführungen zum Zeitpunkt der Vorverurteilungen, zum Schuldspruch, zu den erkannten Rechtsfolgen und zu einer etwaigen Verbüßung. Wenn aus Vortaten und Vorstrafen gewichtigere Konsequenzen gezogen werden sollen, ist es in der Regel sachlich-rechtlich geboten, ergänzend die früheren Taten mit einer (zusammengefassten) Sachverhaltsschilderung und gegebenenfalls auch mit relevanten früheren Strafzumessungserwägungen festzustellen und mitzuteilen.

2. Die Bemessung des Tagessatzes nach § 40 Abs. 2 S. 1 StGB kann als ein Teil der Strafzumessung vom Revisionsgericht als tatrichterliche Ermessensentscheidung nur in beschränktem Umfang nachgeprüft werden. Der Tatrichter hat einen weiten Beurteilungsspielraum. Zu dem Einkommen im Sinne von § 40 Abs. 2 StGB gehören auch die Grundsicherung und sonstige Unterstützungsleistungen samt etwaiger Sachbezüge. Es sind nicht nur solche Leistungen zu berücksichtigen, die der Täter tatsächlich erhält, sondern auch diejenigen, auf welche er Anspruch hat. Auch Naturalbezüge, wie etwa freie Kost und Wohnung sind zu berücksichtigen. Nach § 40 Abs. 2 S. 2 StGB kommt es nicht auf das tatsächliche, sondern auf das zumutbar erzielbare Einkommen an.

1. Den Urteilsgründe muss eine ausreichende Auseinandersetzung mit den konkreten Umständen der Tat und des Täters und eine entsprechende Gesamtwürdigung zu entnehmen sein.

2. „“Einschlägige Vorverurteilungen“ des Angeklagten müssen in den Urteilsgründen dargestellt werden.

3. Die Unerlässlichkeit der Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe ist besonders kritisch zu prüfen und entsprechend zu begründent, wenn die Freiheitsstrafe zugleich zur Bewährung ausgesetzt werden soll.

Strafe III: Richtige Bemessung der Tagessatzhöhe, oder: Gewährung von Zahlungserleichterungen

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Und als letzte Entscheidung heute dann der BayObLG, Beschl. v. 09.01.2024 – 202 StRR 101/23, den ich schon mal wegen anderer Fragen vorgestellt habe (vgl. hier: Alkohol I: Zur alkoholbedingten Schuldunfähigkeit, oder: Nur vage Trinkmengenangaben).

Heute geht es um die Ausführungen des BayObLG zur Geldstrafe und zur Bemessung der Tagessatzhöhe:

„2. Die Bemessung der Geldstrafen hinsichtlich der jeweiligen Anzahl der Tagessätze und der hieraus gebildeten Gesamtstrafe weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Allerdings hält die Festsetzung der Tagessatzhöhe auf 50 Euro der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Das Landgericht beschränkte sich zur Begründung seiner Entscheidung über die Tagessatzhöhe auf den bloßen Hinweis, dass diese „entsprechend der vom Angeklagten selbst geschilderten wirtschaftlichen Verhältnisse“ auf 50 Euro festzusetzen sei. Dies ist nicht nachvollziehbar. Zum einen hat das Landgericht diese Angaben an anderer Stelle des Berufungsurteils selbst in Zweifel gezogen, indem es sie als „unkonkret“ und „nebulös“ bezeichnet hat, so dass es in sich widersprüchlich ist, wenn sich das Tatgericht auf die entsprechende Einlassung stützt. Zum anderen rechtfertigt die im Berufungsurteil wiedergegebene Einlassung des Angeklagten zu seinen Einkommensverhältnissen als selbständiger Versicherungsmakler ohnehin nicht die Annahme eines monatlichen Nettoeinkommens in Höhe von 1.500 Euro. Hiernach hat der Angeklagte ausgesagt, er „zahle“ – nach Abzug der Aufwendungen für seine private Krankenversicherung in Höhe von etwa 450 Euro monatlich, der nicht näher bezifferten Mieten für die Geschäftsräume sowie eines Betrages von 500 Euro für „Investitionsschulden“ – monatlich 1.000 Euro netto „an sich aus“. Unter Zugrundelegung dieser Angaben erschließt sich schon rein rechnerisch die Festlegung der Tagessatzhöhe auf 50 Euro nicht, sodass nicht die Rede davon sein kann, dass der Bemessung der Tagessatzhöhe auf den Angaben des Angeklagten beruhen würde. Denn bei einem Selbstständigen bestimmt sich die Tagessatzhöhe grundsätzlich nach dem erzielten Gewinn, abzüglich der hierauf entfallenden Einkommensteuern, der für die soziale Absicherung erforderlichen Beträge (vgl. Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 113/115) und gegebenenfalls etwaiger Unterhaltsverpflichtungen (BGH, Beschl. v. 14.01.2021 – 1 StR 242/20 = BeckRS 2021, 3064). Zu diesen Positionen verhält sich das Berufungsurteil nicht.

b) Wenn das Tatgericht aber – wie hier – ein Nettoeinkommen zugrunde legt, das mit der Einlassung des Angeklagten nicht in Einklang zu bringen ist, ist es gehalten, diese plausibel zu widerlegen, indem es entweder entsprechende Ermittlungen anstellt bzw., sofern die Ermittlung zu einer unangemessenen Verzögerung des Verfahrens führen würde oder der erforderliche Aufwand nicht im Verhältnis zur Höhe der Geldstrafe stehen würde (BGH, Urt. v. 13.07.2017 – 1 StR 536/16 = StraFo 2017, 465 = wistra 2018, 43 = BGHR AO § 370 Abs 1 Konkurrenzen 25), das erzielte oder erzielbare Nettoeinkommen nach § 40 Abs. 3 StGB im Schätzungsweg bestimmt. Im Falle der Vornahme einer Schätzung ist es erforderlich, dass das Tatgericht die konkreten Schätzgrundlagen, von denen es ausgeht, darlegt. Da das Landgericht dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist, weist das Berufungsurteil nicht nur ein einfach gesetzliches Begründungsdefizit auf, weil das Revisionsgericht nicht in die Lage versetzt wird, die Richtigkeit der getroffenen Entscheidung nachzuprüfen (BayObLG, Beschl. v. 18.10.2023 – 202 StRR 76/23 bei juris = BeckRS 2023, 31058; OLG Köln, Beschl. v. 23.03.2021 – III-1 RVs 50/21 bei juris; KG, Beschl. v. 19.11.2019 – [3] 121 Ss 143 = OLGSt StGB § 219a Nr 1; MüKo-StGB/Radtke 4. Aufl. § 40 Rn. 121), sondern verstößt zudem gegen das verfassungsrechtliche Willkürverbot (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschl. v. 01.06.2015 – 2 BvR 67/15 = wistra 2015, 388 = DAR 2015, 576 = NStZ-RR 2015, 335 = NZV 2016, 48 = NStZ-RR 2016, 46 = StV 2016, 554).

3. Darüber hinaus hat das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht in Erwägung gezogen, ob dem Angeklagten Zahlungserleichterungen nach § 42 StGB zu bewilligen sind. Da die Entscheidung nach § 42 StGB zwingend vorgeschrieben ist, muss sich das Urteil damit befassen, wenn die Anwendung der Vorschrift nach den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eines Angeklagten naheliegt (vgl. BGH, Beschl. v. 20.02.2018 – 2 StR 348/17 = NStZ-RR 2018, 238 = BGHR StGB § 42 Zahlungserleichterungen 2 = StV 2019, 440). Dies ist hier der Fall, weil schon in Anbetracht der hohen Tagessatzanzahl und seiner bisherigen, vom Landgericht nicht widerlegten Angaben zu den Einkommensverhältnissen damit zu rechnen ist, dass der Angeklagte den Betrag der Geldstrafe nicht aus laufendem Einkommen, Rücklagen oder Vermögen sofort begleichen kann (vgl. BGH a.a.O.; Beschl. v. 18.09.2019 – 2 StR 196/19 bei juris u. 19.12.2018 – 4 StR 198/18 bei juris).“