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Strafzumessung III: Verhängung einer Geldstrafe, oder: Einkommen, Tagessatzhöhe, Zahlungserleichterung

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Und im Nachmittagsposting dann noch zwei Entscheidungen des BayObLG zur (Bemessung) der Geldstrafe. Von beiden Entscheidungen stelle ich aber nur die Leitsätze vor, und zwar:

1. Bei der Verhängung einer Geldstrafe ist deren möglicherweise entsozialisierende Wirkung zu berücksichtigen.
2. Verfügt der Angeklagte lediglich über Einkommen in der Nähe des Existenzminimums, hat das Gericht bei einer hohen Tagessatzanzahl schon bei der Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes in einem einheitlich ermessensähnlich ausgestalteten Strafzumessungsakt über Zahlungserleichterungen (§ 42 StGB) zu entscheiden.
3. Die Tagessatzhöhe ist in der Weise zu berechnen, dass dem Angeklagten der zur Sicherung seines Lebensbedarfs unerlässliche Betrag in Höhe von 75 % des Regelsatzes der Sozialhilfe (heute des Bürgergeldes) nach Abzug des auf die Geldstrafe zu zahlenden monatlichen Teilbetrages noch verbleibt.
4. Insoweit hängt die Tagessatzhöhe in derartigen Fällen auch von der Höhe und Dauer einer zu gewährenden Ratenzahlung ab, weil sich die verhängte Geldstrafe in der vom Gericht vorgesehenen Ratenzahlungsdauer in Raten bezahlen lassen muss, die dem Angeklagten den zur Sicherung seines Lebensbedarfs unerlässlichen Betrag belassen.

Bei der Bemessung der Tagessatzhöhe einer Geldstrafe muss das Tatgericht auch in ausreichender Weise erkennen lassen, dass es sich möglicher entsozialisierender Wirkungen der Geldstrafe bewusst gewesen ist.

 

Tagessatzhöhe: Keine Schätzung „ins Blaue“, sondern „Butter bei die Fische“

© PhotoSG - Fotolia.com

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Zwar ist der BVerfG, Beschl. v. 01.06.2015 – 2 BvR 67/15 – in einem verkehrsstraflichen Verfahren ergangen, er hat aber eine Problematik zum Gegenstand, die darüber hinausgeht und ist daher von allgemeiner Bedeutung. Es geht nämlich in dem Beschluss um die Frage, die von allgemeinem Interesse im Strafverfahren ist: Wie verhält es sich mit bzw. was ist bei der Schätzung des Einkommens des Angeklagten in Zusammenhang mit der Festsetzung der Tagessatzhöhe (§ 40 StGB) zu beachten?

Die Angeklagte war vom AG zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu je 80 € verurteilt worden. Während im Hauptverhandlungsprotokoll, das vom Strafrichter und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterzeichnet wurde, die Erklärung der Angeklagten vermerkt ist, sie habe kein Einkommen und sei arbeitssuchend als Verkehrspilotin, führte das Urteil im Hinblick auf die Festsetzung der Höhe des einzelnen Tagessatzes aus: „Nachdem die Angeklagte erklärt hat, dass sie Verkehrspilotin sei, diesen Beruf aber derzeit nicht ausübe, aber auch nicht arbeitslos sei, schätzt das Gericht das monatliche Einkommen auf mindestens 2.400,00 Euro netto und hat, da anrechenbare Schulden oder Unterhaltsverpflichtungen nicht bekannt sind, die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf 80,00 Euro festgesetzt.“

Die Revision der Angeklagten blieb beim OLG Karlsruhe erfolglos, die Verfassungsbeschwerde hatte hingegen Erfolg. Das BVerfG legt die Grundsätze der Tagessatzbemessung dar und führt dann aus:

„Nach diesem Maßstab verletzen das Urteil des Amtsgerichts und der Beschluss des Oberlandesgerichts die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die vom Oberlandesgericht bestätigten Ausführungen des Amtsgerichts zur Schätzung des monatlichen Einkommens der Beschwerdeführerin auf 2.400 Euro sind unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich haltbar. Sie verstoßen in unvertretbarer und damit objektiv willkürlicher Weise gegen die gesetzliche Regelung des § 40 Abs. 3 StGB.

a) Weil es nicht möglich ist, in allen Fällen – gerade auch der kleineren und der Verkehrskriminalität – sämtliche Umstände, die für die Festsetzung des Nettoeinkommens von Bedeutung sein können, abschließend aufzuklären und ins Einzelne gehende Ermittlungen regelmäßig unverhältnismäßig wären, kommt der in § 40 Abs. 3 StGB geregelten Schätzung der Bemessungsgrundlagen besondere Bedeutung zu (siehe – auch zum Folgenden – Häger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, § 40 Rn. 68 ff.; H.-J. Albrecht, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 4. Aufl. 2013, § 40 Rn. 47 ff.). Eine Schätzung ist immer dann angezeigt, wenn ein Angeklagter – der zu Auskünften nicht verpflichtet ist – keine, unzureichende oder gar unzutreffende Angaben macht und eine Ausschöpfung der Beweismittel das Verfahren unangemessen verzögern würde oder der Ermittlungsaufwand zu der zu erwartenden Geldstrafe in einem unangemessenen Verhältnis stünde. Eine volle Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Beweismittel ist dabei nicht geboten. Jedoch setzt eine Schätzung die konkrete Feststellung der Schätzungsgrundlagen voraus; bloße Mutmaßungen genügen nicht. Die Grundlagen, auf welche sich die Schätzung stützt, müssen festgestellt und erwiesen sein sowie im Urteil überprüfbar mitgeteilt werden.

b) Eine solche Mitteilung der Schätzungsgrundlagen lässt das Urteil des Amtsgerichts in nicht mehr hinzunehmender Weise vermissen. Es beschränkt sich auf die Feststellung, die Angeklagte habe erklärt, dass sie Verkehrspilotin sei, diesen Beruf derzeit nicht ausübe, jedoch auch nicht arbeitslos sei. Daher werde das monatliche Nettoeinkommen auf 2.400 Euro geschätzt. Diese Vorgehensweise ist zwar nicht bereits deshalb zu beanstanden, weil im Hauptverhandlungsprotokoll die abweichende Erklärung der Beschwerdeführerin festgehalten ist, sie habe kein Einkommen und sei arbeitssuchend als Verkehrspilotin. Denn bei einem Widerspruch zwischen Protokollinhalten im Sinne des § 273 Abs. 2 Satz 1 StPO und den Urteilsgründen sind allein letztere maßgebend (Gemählich, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, § 273 Rn. 29 [Nov. 2009]). Jedoch kommt die Annahme eines monatlichen Nettoeinkommens von 2.400 Euro – wie sie bereits dem Strafbefehl zugrunde gelegen hatte – aufgrund der tatsächlich völlig ungeklärten Einkommensverhältnisse einer bloßen „Schätzung ins Blaue hinein“ gleich. Die Ausübung einer Beschäftigung, die mit einer festen Vergütung verbunden ist, oder eine sonstige Einkommensquelle wurden nicht im Ansatz festgestellt. Der Zeuge K… wurde zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschwerdeführerin nicht befragt, obwohl er offensichtlich in einer persönlichen Beziehung zu ihr stand. Denkbar wäre es auch gewesen, die Polizei mit Umfeldermittlungen zu betrauen; auch das ist durch das Amtsgericht unterblieben.“

Also: Butter bei die Fische 🙂 .

Zinskosten abziehen, fiktive Mieteinnahmen addieren = Nettoeinkommen.

Das OLG Celle, Beschl. v. 30.11.2011 – 32 Ss 147/11 befasst sich mit der Ermittlung des zutreffenden Nettoeinkommens für die darauf beruhende Ermittlung des Tagessatzes bei der Geldstrafe. Die Angeklagte bezog eine monatliche Rente von 750,– Euro und erzielte aus der Vermietung einer in einem ihr gehörenden Zweifamilienhaus gelegenen Wohnung eine monatliche Miteinnahme in Höhe von 250,– Euro. Die zweite in diesem Haus gelegene Wohnung stand der Angeklagten zwar an sich zur Eigennutzung zur Verfügung. Tatsächlich nutzte sie diese Wohnung aber nicht, sondern wohnte mietfrei in der Wohnung ihres Lebengefährten. Das AG ist von einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.000 € ausgegangen.

Das OLG Celle sagt: Zutreffend errechnet; denn:

  1. Zinskosten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Immobilie, durch deren Vermietung Mieteinkünfte erzielt werden, sind bei der Bestimmung des Nettoeinkommens (§ 40 Abs. 2 S. 2 StGB) als negative Einkünfte in Abzug zu bringen.
  2. Die unentgeltlich Nutzung einer Wohnung ist grundsätzlich als Sachbezug in der Höhe der fiktiven Mietkosten als Einkommen zu berücksichtigen.

Das bedeutet, dass das OLG offenbar wie folgt rechnet: 750 € Rente + 250 € Miete – 500 € Zinsen + 500 € mietfreies Wohnen = 1.000 €. Allerdings passt das nur, wenn man von einem Sachwert, den das mietfreie Wohnen in H. (wahrscheinlich Hannover) hat, auch mit 500 € ansetzen kann.

Ich hoffe, dass ich jetzt keinen Rechenfehler gemacht habe: Judex non calculat. 🙂

Sonderausgabe (Wochen)Spiegel: Der anwaltliche Verdienst – immer wieder gern diskutiert…

Blogbeiträge über anwaltliche Gebühren und Verdienste sind beliebt 🙂 und werden offenbar mit großem Interesse gelesen: Das zeigt sich heute mal wieder am Beitrag des Kollegen Feltus oder an dem der Kollegin Braun.

Sehr lesenswert auch die Kommentare, die deutlich zeigen, welchen falschen Vorstellungen mancher vom anwaltlichen Einkommen hat. Da gilt es wie in vielen Bereichen: Es gibt solche und es gibt solche; also die, die richtig Kohle machen und die, die Mühe haben, die Miete, die Beiträge fürs Versorgungswerk usw. zusammen zu bekommen. Und von den letzteren bzw. von denen, die gerade über den „Standard“ hinauskommen, gibt es sicherlich mehr. Da kann ein Einzelanwalt schon verwundert sein, wenn er ein „Angebot“ mit einer Gehaltsvorstellugn von 70.000 € bekommt.

Aber darum geht es mir gar nicht so sehr. Für mich waren diese beiden Beiträge vielmehr mal Anlass zusammen zu stellen, welche Blogbeiträge es in der letzten Zeit zu der Thematik Vergütung/Honorare/Verdienst gegeben hat. Das waren eine ganze Reihe, wie z.B.

  1. Was verdienen Rechtsanwälte wirklich?
  2. Sehr Interessant: Anwaltseinkommen.
  3. Anwaltsverdienst.
  4. Kein Blogbeitrag, aber interessant: Einkommen selbständiger Rechtsanwälte.
  5. Stundensatz ca. 250 €
  6. Honorarvereinbarung.

Fazit: So dolle ist das mit dem Verdienst nicht.