Sonderausgabe (Wochen)Spiegel: Der anwaltliche Verdienst – immer wieder gern diskutiert…

Blogbeiträge über anwaltliche Gebühren und Verdienste sind beliebt 🙂 und werden offenbar mit großem Interesse gelesen: Das zeigt sich heute mal wieder am Beitrag des Kollegen Feltus oder an dem der Kollegin Braun.

Sehr lesenswert auch die Kommentare, die deutlich zeigen, welchen falschen Vorstellungen mancher vom anwaltlichen Einkommen hat. Da gilt es wie in vielen Bereichen: Es gibt solche und es gibt solche; also die, die richtig Kohle machen und die, die Mühe haben, die Miete, die Beiträge fürs Versorgungswerk usw. zusammen zu bekommen. Und von den letzteren bzw. von denen, die gerade über den „Standard“ hinauskommen, gibt es sicherlich mehr. Da kann ein Einzelanwalt schon verwundert sein, wenn er ein „Angebot“ mit einer Gehaltsvorstellugn von 70.000 € bekommt.

Aber darum geht es mir gar nicht so sehr. Für mich waren diese beiden Beiträge vielmehr mal Anlass zusammen zu stellen, welche Blogbeiträge es in der letzten Zeit zu der Thematik Vergütung/Honorare/Verdienst gegeben hat. Das waren eine ganze Reihe, wie z.B.

  1. Was verdienen Rechtsanwälte wirklich?
  2. Sehr Interessant: Anwaltseinkommen.
  3. Anwaltsverdienst.
  4. Kein Blogbeitrag, aber interessant: Einkommen selbständiger Rechtsanwälte.
  5. Stundensatz ca. 250 €
  6. Honorarvereinbarung.

Fazit: So dolle ist das mit dem Verdienst nicht.

9 Gedanken zu „Sonderausgabe (Wochen)Spiegel: Der anwaltliche Verdienst – immer wieder gern diskutiert…

  1. Susi

    Ein aktueller Fall läßt mich gerade zweifeln, ob die (auch vom OLG Hamm vertretene) Rechtsprechung, wonach eine von Dritten zu erstattende anwaltliche Gebührenbemessung nach § 14 RVG unbillig ist, wenn sie 20% der als angemessen anzusehenden Gebühren überschreitet.

    1. In der Praxis hat sich leider die Lesart durchgesetzt, daß generell maximal die Mittelgebühren angemessen sind und daher alle Gebühren, die die Mittelgebühr + 20% überschreiten, unangemessen sind. Weshalb nur die Mittelgebühr angemessen ist, wird jedoch kaum je diskutiert. Das führt z.B. dazu, daß der Wahlanwalt bei langen Terminen keinen höhere Terminsgebühr verlangen kann als der Pflichtverteidiger (Pflichtverteidiger: VV 4108, 4110 = 276,- Euro; Wahlverteidiger: VV 4108, 4110 MG+20% = 276,- Euro).

    2. Im Hinblick darauf, daß die Anwaltsgebühren bereits seit mehr als 6 Jahren nicht mehr erhöht worden, die Kosten dafür gestiegen sind, erleiden Anwälte Jahr für Jahr einen inflationsbedingten Umsatzverlust.

    3. Immer wieder liest man, eine Gebühr von 276,- Euro für einen 8-stündigen Termin vor dem Schöffengericht sei „völlig angemessen“. Von Rechtspflegern und Bezirksrevisoren erwarte ich inzwischen ja gar keine andere Ansicht mehr. Wie aber Richter so etwas ernsthaft vertreten können, ist mir schleierhaft. So ergibt eine 8-stündige Verhandlung für 276,- Euro einen Bruttostundensatz von 34,50 Euro! Nicht berücksichtigt wird dabei, daß der Verteidiger anreisen muß und regelmäßig vor und nach der Verhandlung noch 30 Minuten Gespräche mit dem Mandanten führt.

    Ein nicht studierter Berufsbetreuer, der keine Kanzlei unterhalten muß, erhält 33,50 Euro/h. Ein Sachverständiger (der regelmäßig auch keine größeren Bürobetrieb aufrecht erhalten muß) 85,- Euro pro Stunde, wobei er völlig frei und unkontrolliert festsetzen kann, wie lange er für das Studium der Akten benötigt hat. Da werden gerne 4-5 Stunden für das Lesen überschaubarer Akten angesetzt, wofür dann schon 425,- Euro zu Buche schlagen. Diesen Betrag erhält selbst ein Wahlverteidiger kaum für ein jahrelanges Ermittlungsverfahren.

    Natürlich gibt es auch Konstellationen, in denen der Stundensatz aufgrund kurzer Verhandlungstermine günstiger ist. Unterm Strich liegt man jedoch meistens bei einem Nettogewinn pro Stunde, der weit unterhalb dessen liegt, was ein Facharbeiter verdient.

    Leider sind auch Honorarvereinbarungen keine sichere Sache mehr, seit die Rechtsprechung angefangen hat, sich auch in diese freien Vereinbarungen einzumischen und Zahlungsklagen von Anwälten abweist bzw. Rückzahlungsklagen von Mandanten stattgibt. Das stelle man sich einmal bei einem Handwerker vor, der einen angemessenen und üblichen Stundensatz abrechnet.

    Abgesehen davon, ist es für einen freigesprochenen Mandanten kaum vermittelbar, daß er auf einen Teil der gezahlten Anwaltsvergütung sitzen bleibt, weil die Staatskasse meint, das vereinbarte Honorar sei nicht erstattungsfähig und unangemessen.

  2. Hans

    Wenig nachvollziehbar ist ferner, daß Richter überhaupt kein Problem mit hohen Forderungen von zivilrechtlich tätigen Anwälten haben, gleich ob diese auf Stundenhonoraren oder exorbitant hohen Streitwerten beruhen und in vielen Fällen in keinem Verhältnis zum relativ geringen Arbeitsaufwand stehen. Für völlig normal halten Richter außerdem die Vergütungsvereinbarungen für Beratungstätigkeiten in der freien Wirtschaft, aber auch Tagessätze für Handwerker von 800,- Euro und mehr. Ein angemessenes oder auch üppiges Salär gilt bei qualifizierten Arbeitnehmern und Selbständigen als gerechtfertigt, selbst wenn man als Richter demgegenüber verhältnismäßig wenig verdient.

    Nur wenn es um die Vergütung für Strafverteidigern geht, scheint jeder Euro zuviel zu sein. Was anderes kann man in solcher Rechtsprechung sehen, als eine Abwertung der Strafverteidigertätigkeit, eine „Bestrafung“ dafür, daß man überhaupt verteidigt?

    Der Gipfel dieser Scheinheiligkeit ist die Festsetzung des Gegenstandswertes in Strafvollzugssachen. Gerade Strafvollzugssachen sind sehr arbeitsaufwendig. Nicht nur, weil man den Mandanten immer wieder im „Knast“ besuchen muß, um Stellungnahmen der JVA und den Sachverhalt zu erörtern, vielmehr auch, weil die Begründungsanforderungen in Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG sehr hoch und die Bearbeitungszeiten lang sind. Am Ende eines langen Verfahrens steht eine Gegenstandswertfestsetzung von 300,- bis 500,- Euro. Argument: auch Strafgefangene sollen zu ihrem Recht kommen und nicht durch hohe Anwaltskosten abgeschreckt werden. Abgesehen davon, daß dieses Argument nicht greift, wenn aufgrund eines erfolgreichen Antrags die Staatskasse die Kosten zu tragen hat, übernehmen aufgrund der aus diesen Gegenstandswerten resultierenden Gebühren von 32,50 bzw. 58,50 Euro natürlich kaum qualifizierte Anwälte die Vertretung in Strafvollzugssachen. Allein das ist gewollt. Es ist wohl kaum mit Art. 12 GG vereinbar, einem Rechtsanwalt zu bescheinigen, daß seine monatelange Tätigkeit in einem tatsächlich und rechtlich recht schwierigen Gebiet lediglich 32,50 Euro wert sei – also nur ein Bruchteil dessen, was man selbst außergerichtlich über Beratungshilfe abrechnen könnte. Das kann in meine Augen nur als gezielte „Abschreckung“ begriffen werden, um Anwälte aus dem Strafvollzug möglichst herauszuhalten.

  3. Detlef Burhoff

    @ Susi – zu 1: Na ja, ob sich die Ansicht in der Praxis „durchgesetzt“ hat, wage ich zu bezweifeln. Ich kenne doch eine ganze Reihe von Entscheidungen, die von der Mittelgebühr als angemessen ausgehen und dann Zu- und Abschläge machen. Das ist ja auch der richtige Weg. Im Übrigen gibt es ja inzwischen auch einige Gerichte, die nicht mehr nur von einer 20 %-Grenze ausgehen, sondern schon von 30%. Es bewegt sich also etwas, wenn auch langsam :-).
    @ Hans Ich stimme Ihnen teilweise zu. M.E. hat dieses Unwesen sicherlich auch damit zu tun, dass auf der anderen Seite ja die Staatskasse steht, die ggf. erstatten muss.

  4. Hans

    1. Das meint Susi offenbar. Mittelgebühr ist angemessen + 20% Zuschlag. Es wird aber häufig so getan, als sei allein nur die Mittelgebühr angemessen. So daß eine Erhöhung der Mittelgebühr + weitere 20% von vornherein nicht in Betracht kommt. De facto ist also die erstattungsfähige Höchstgebühr nur die Mittelgebühr + 20%, aber niemals die Höchstgebühr.

    2. Daß es nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zusammengehen kann, wenn man die Vergütung eines qualifizierten Anwalts nur deshalb kleinrechnet, weil die Kosten von der Staatskasse und nicht von einem Privaten zu tragen sind, sollte eigentlich keiner näheren Darlegung bedürfen.

    Im übrigen findet die Kürzung von Wahlverteidigergebühren ja auch dann statt, wenn die Staatskasse gar nicht beteiligt ist, der Anwalt also gegen den Mandanten klagt oder der Mandant – auf Rückzahlung – gegen den Anwalt. Verteidiger sollen anscheinend grundsätzlich nicht viel verdienen dürfen.

  5. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Ich verstehe Susi anders. Im Übrigen räume ich ein, dass für mich auch nicht nachvollziehbar ist, warum bei den Verteidigergebühren viel gerechnet wird, in anderen Bereichen aber ganz andere Gebührenforderungen durchlaufen.

  6. Tom

    „Abgesehen davon, ist es für einen freigesprochenen Mandanten kaum vermittelbar, daß er auf einen Teil der gezahlten Anwaltsvergütung sitzen bleibt, weil die Staatskasse meint, das vereinbarte Honorar sei nicht erstattungsfähig und unangemessen.“

    Diese „Vermittlung“ sehe ich als Grundaufgabe im ersten Beratung- bzw. Informationsgespräch an. Alle anderen Berufsgruppen (bspw. (Zahn-)Ärzte und Versicherungsvertreter) schaffen es doch auch, ihre Kunden auf die Höhe der Erstattung und des Selbstbehaltes hinzuweisen.
    Warum sollen sich ausgerechnet Anwälte damit so schwer tun – rhetorische Fähigkeiten beanspruchen sie doch idR für sich.

    Hinweis: Dies ist kein Statement zur aktuellen Erstattungshöhe und ich bin auch kein „Rechtspfleger und Bezirksrevisor, von dem man nichts anderes erwarten kann“. 😉

  7. Hans

    Man kann es einem Mandanten schon erklären, aber er versteht es nicht. Es ist auch nicht zu verstehen, daß einer Verteidigung, die oftmals nur mit einem ganz erheblichen Einsatz des Anwalts zu einem Freispruch führt, von den Gerichten die Anerkennung dadurch versagt wird, daß es im Ergebnis gleichsam heißt, der ganze Aufwand sei praktisch überhaupt nichts wert gewesen.

    Ich kann mich zwar noch in Rechtspfleger und Richter hineinfühlen, die einem Verteidiger, der den „schuldigen“ Angeklagten durch allerlei „Tricks“ „herausgehauen“ hat, für diese wohl als Behinderung der Rechtspflege angesehene Tätigkeit nicht auch noch gut honoriert sehen wollen. Eine solche Sichtweise ist zwar rechtsstaatlich bedenklich, aber aus der Sicht eines Staatsdieners vielleicht nachvollziehbar.

    Überhaupt kein Verständnis habe ich jedoch dafür, wenn es einem hochqualifizierten und seriösen Verteidiger nur mit einem Riesenaufwand gelungen ist, einen Unschuldigen vor einem Fehlurteil zu bewahren, er über mehrere Instanzen gegen eine „Verurteilungsprogramm“ eines mächtigen Staatsapparates kämpfen mußte, ihm jedoch gleichfalls bescheinigt wird, daß seine Tätigkeit allenfalls nur „nen Appel und Ei“ wert ist. Es ist einfach unwürdig, wenn man sieht, daß Verteidiger nach getaner Arbeit auch noch monatelang mit der Staatskasse und den Gerichten um ihr verdientes Honorar kämpfen müssen (dieser Aufwand müßte eigentlich gebührenerhöhend wirken, erst recht, wenn dem Begehren am Ende stattgegeben wird).

    Honorarvereinbarungen und Vorschußanforderungen sind auch nicht die Lösung. Denn viele Mandanten, die von Fehlurteilen bedroht sind, können sich schlichtweg keinen Verteidiger leisten. Naturgemäß ist aber nur ein kleiner Teil der Anwälte bereit und in der Lage, sich „pro bono“ für einen solchen Angeklagten ein Bein auszureißen und den Arbeitsaufwand zu betreiben, der notwendig ist, um schlampiger Arbeit von Ermittlungsbehörden und Gerichten eine revisionsbeachtliche Tätigkeit entgegenzusetzen.

    Es hat nichts mit unterlassener Beratung und Aufklärung zu tun, wenn man einem Mandanten eröffnen muß, daß er entweder selbst eine Verteidigung bezahlt oder es sich ggf. gefallen lassen muß, unschuldig (oder weniger schuldig als angeklagt) verurteilt zu werden.

    Wenn ich von Fehlurteilen und Unschuld spreche, meine ich dabei nicht den recht seltenen Fall, daß jemand wegen eines Sachverhalts verurteilt wird, an dem er tatsächlich gar nicht beteiligt war. Das ist zwar der Klassiker des „unschuldig Verurteilten“ – und kommt mitunter vor -, aber nicht der Regelfall. Viel häufiger ist der Rechtsirrtum, d.h., die verfahrensfehlerhafte Verurteilung oder die fehlerhafte Bejahung der Tatbestandsmäßigkeit, obgleich das vorgeworfene Verhalten gar nicht strafbar war, die Anwendung einer falschen Norm, das Übersehen von Milderungs-, Rechtfertigungs, Entschuldigungsgründen, usw.

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