Schlagwort-Archive: Rechtsanwalt

StGB III: Schriftsatz mit pornografischen Abbildungen, oder: Strafbarkeit des Anwalts wegen „Verbreitung….“?

Bild von Kurious auf Pixabay

Und als dritte Entscheidung dann noch das AG Köln, Urt. v. 15.03.2023 – 539 Ds 155/20. Es geht um die Strafbarkeit wegen Verbreitung pornographischer Schriften durch einen Rechtsanwalt durch Übersendung eines Schriftsatzes.

Nach den Feststellungen des AG hat der angeklagte Rechtsanwalt im Rahmen eines gegen ihn geführten Verfahrens vor dem Anwaltsgericht für den Bezirk der Rechtsanwaltskammer Köln wegen eines Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot nach § 42b BRAO  einen Schriftsatz an das Gericht, welcher mit mehreren pornographischen Fotografien versehen war. So waren u.a. auf zwei Abbildungen Gesichter von Frauen zu sehen, die Spermaflüssigkeit im Gesicht und im Mund verteilt haben und auf acht weiteren Fotos ist der Geschlechtsverkehr zwischen einer Frau und einem Mann dargestellt. Eine Übermittlung der Darstellungen war weder veranlasst noch war der Angeklagte hierzu aufgefordert worden.

Das AG hat den Angeklagten deswegen wegen wegen Verbreitung pornographischer Schriften gemäß §§ 184 Abs. 1 Nr. 6, 11 Abs. 3 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt:

„Mit Übersendung des Schriftsatzes vom 09.09.2019 hat der Angeklagte pornographische Schriften in den Machtbereich eines anderen, nämlich der Mitglieder der zur Verhandlung über das Verfahren 2 AnwG 21/1510 EV 115/15 berufenen zweiten Kammer des Anwaltsgerichts Köln und der damit befassten Justizangehörigen gelangen lassen, ohne von ihnen, sei es ausdrücklich oder konkludent, hierzu aufgefordert worden zu sein. Ein mutmaßliches Einverständnis genügt nicht (Münchener Kommentar zum StGB/Hörnle, 21. Aufl. 2021, § 184 Rn. 66 m.w.N.), sodass es auf dessen Vorliegen nicht ankommt.

Die in dem Schriftsatz vorhandenen Abbildungen zeigen überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes abzielende pornographische Darstellungen. Unter pornographischen Darstellungen versteht man solche Darstellungen, die unter Ausklammerung sonstiger menschlicher Bezüge ’sexuelle Vorgänge in grob aufdringlicher oder vergröbernder Weise in den Vordergrund rücken und die in ihrer Gesamttendenz ausschließlich oder überwiegend auf sexuelle Stimulation angelegt sind, sowie dabei die im Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertevorstellungen gezogenen Grenzen eindeutig überschreiten. Maßgeblich ist zunächst inhaltlich die Verabsolutierung sexuellen Lustgewinns und die Entmenschlichung der Sexualität, das bedeutet, dass der Mensch durch die Vergröberung des Sexuellen „auf ein physiologisches Reiz-Reaktions-Wesen reduziert“ wird (Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 184 Rn. 8 m.w.N.). Ferner kann formal die vergröbernde, aufdringliche, übersteigerte, „anreißerische“ oder jedenfalls plump-vordergründige — im Gegensatz zu einer ästhetisch stilisierten — Art der Darstellung Indiz für den pornografischen Charakter sein. Alleine das Vorliegen einer Nacktaufnahme führt somit nicht zwingend zur Einordnung als Pornographie. Maßgeblich ist vielmehr die objektive Gesamttendenz der Darstellung. Die subjektive Motivation des Verfassers ist nicht von Bedeutung. Eine Darstellung ist nur dann als pornografisch zu werten, wenn sie die in Einklang mit allgemeinen gesellschaftlichen Wertvorstellungen gezogenen Grenzen des sexuellen Anstandes eindeutig überschreitet (Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 184 Rn. 8).

Soweit der Angeklagte bereits in seinem Schriftsatz vom 09.09.2019 anmerkt, dass die Bilder frei im Internet verfügbar sind, ist dies unerheblich. Sinn und Zweck von § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB ist der Schutz vor ungewollter Konfrontation mit sexuellen In-halten. Normzweck ist damit der Schutz der Privatsphäre und des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung des Empfängers und nicht der Schutz der abgebildeten Personen (Münchener Kommentar zum StGB/Hörnle, § 184 Rn. 8).

Dem Angeklagten war auch bei der Übersendung bewusst, eine Grenze überschritten zu haben, da er sich im Verlauf des Schriftsatzes für die drastischen Darstellungen entschuldigt. Sodann folgen weitere Bilder.

Der Angeklagte hat auch seinen Schriftsatz nicht derart gekennzeichnet, dass die Empfänger des Schriftsatzes die Konfrontation mit den Abbildungen hätten vermeiden können. Zwar hat der Angeklagte in dem Schriftsatz darauf hingewiesen, dass die Abbildungen Beispiele für sexistische Darstellungen seien, es bestand jedoch weder eine Veranlassung solche Abbildungen zu übermitteln, da die Ausführungen auch ohne Beispielbilder durch Be- und Umschreibungen nachvollziehbar darzustellen gewesen wären, noch konnte der Leser des Schriftsatzes erkennen, dass pornographische Bilder folgen würden.

Soweit der Angeklagte meint, bei dem Schriftsatz vom 09.09.2019 handele es sich lediglich um eine „Verteidigungsschrift“ zur Wahrnehmung berechtigter Interessen, im Sinne des § 193 StGB und nicht um eine „pornographische Schrift“, vermag das Gericht dieser Rechtsauffassung nicht zu folgen. Es trifft zu, dass die Abbildungen nicht isoliert, sondern im Kontext der inhaltlichen Stellungnahme des Angeklagten sowie im Kontext des Verfahrens vor dem Anwaltsgericht zu bewerten sind. Damit ist der Schutzbereich der Meinungsfreiheit als auch des Rechts auf Wahrnehmung berechtigter Interessen und eigener Verteidigung eröffnet. Infolgedessen hat eine Abwägung dieser mit dem von dem Schutzbereich des § 184 StGB umfassten Rechtssubjekt zu erfolgen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine polemische, mitunter sogar diffamierende Sprache zur Verdeutlichung der eigenen Position im jeweiligen Einzel-fall durchaus zulässig sein kann. Das gilt insbesondere für Äußerungen gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt. Der Betroffene darf nicht auf das zur Kritik not-wendige Maß beschränkt werden (BVerfG, Beschluss vom 09.02.2022 — 1 BvR 2588/22; Beschluss vom 19.05.2020 — BvR 2397/19; Beschluss vom 14.06.2019 — 1 BvR 2433/17; Beschluss vom 10.10.1995 — 1 BvR 1476/91). Hieraus folgt jedoch keineswegs, dass der Meinungsfreiheit und dem Recht auf Wahrnehmung eigener Interesse keine Grenzen gesetzt wären. Vielmehr treten diese Rechte insbesondere bei herabsetzenden Äußerungen, die als Formalbeleidigungen der Schmähung zu bewerten sind, hinter dem Ehrschutz zurück, BVerfG, a.a.O.).

Unter Heranziehung dieser Grundsätze und deren entsprechende Anwendung auf die hiesige Konstellation überwiegt das Schutzbedürfnis der Empfänger des Schriftsatzes vom 09.09.2019 gegenüber den Interessen des Angeklagten. Es ist anzunehmen, dass es dem promovierten und als Rechtsanwalt praktizierenden Angeklagten möglich und zumutbar gewesen wäre, seine Argumente durch Umschreibung der übersandten pornographischen Darstellungen in das Verfahren einfließen zu lassen und lediglich diejenigen Bilder zu übersenden, welche nicht dem Tatbestand des § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB unterfallen. Dass ihm der Unterschied bewusst gewesen ist, konnte zum einen von ihm als praktizierender Rechtsanwalt erwartet werden zum anderen hat er dies durch die in dem Schriftsatz vom 09.09.2019 enthaltenen Formulierungen deutlich gemacht.

Ein Tatbestandsausschluss analog § 184b Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StGB liegt nicht vor. Es mangelt bereits an einer vergleichbaren Interessenlage. Die Regelung des § 184b Abs. 5 S. 1 Nr. 3 StGB berechtigt nur zur Verschaffung und zum Besitz verfahrens-gegenständlicher Abbildungen (Münchener Kommentar zum StGB/Hörnle, 4. Auflage 2012, § 184b Rn. 50). Sinn und Zweck ist die effektive Verteidigung des Angeklagten. Eine Berechtigung zur Beschaffung und zum Besitz von Abbildungen, die nicht Gegenstand des Verfahrens sind, besteht nicht. Gleiches gilt für die Besitzverschaffung an Dritte. Die Besitzverschaffung an Dritte innerhalb des von § 184b Abs. 5 StGB genannten Personenkreises ist nach der Regelungskonzeption eines umfassenden Verkehrsverbots bezüglich kinderpornographischer Schriften auch dem Strafverteidiger nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsaufgabe erforderlich ist (BGH, Urteil vom 19.03.2014 — 2 StR 445/13, NStZ 2014, 514, 515). Die von dem Angeklagten übersendeten Abbildungen waren nicht streitgegenständlich. Im Übrigen wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen.

Andere zu einem Tatbestandausschluss oder einer Rechtfertigung führende Gründe liegen nicht vor…..“

StGB I: Der Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeld, oder: Wenn das eigene Konto „platt“ ist/bleibt

entnommen openclipart.org

Heute stelle ich dann drei StGB-Entscheidungen vor.

Ich beginne mit dem BGH, Beschl. v.  01.09.2022 – 1 StR 171/22. Er behandelt die Frage der Untreue (§ 266 StGB) in Zusammenhang mit dem Umgang mit Fremdgeld durch den Rechtsanwalt.

Die Entscheidung hat, wie Untreue- und/oder Betrugsentscheidungen immer, einen etwas verwickelten Sachverhalt. Der lässt sich in etwa – Rest bitte im verlinkten Volltext nachlesen – wie folgt kurz darstellen: Der Angeklagte, ein Rechtsanwal, ist zur Tatzeit von der als Insolvenzverwalterin R. über das Vermögen einer GmbH mit der außergerichtlichen und gerichtlichen Geltendmachung und Realisierung von Ansprüchen gegen deren faktische Geschäftsführer beauftragt worden. In dieser „Abwicklung“ sind dann Vergleichszahlungsbeträge auf ein „von der Insolvenzverwalterin zu benennendes Bankkonto“ zu überweisen. Die Insolvenzverwalterin, die dem Angeklagten keine Geldempfangsvollmacht erteilt hatte, teilte dem Büro des Angeklagten das Insolvenzanderkonto mit.

Zur Tatzeit war der Angeklagte trotz guter Umsätze seiner Kanzlei nahezu durchgehend auf allen Konten tief im Soll und sodann zahlungsunfähig; reelle Aussichten auf kurzfristige Zahlungseingänge größeren Umfangs hatte er nicht. Der Angeklagte stellte Insolvenzantrag und gab seine Zulassung als Rechtsanwalt zurück. Entgegen einem Prozessfinanzierungsvertrag und dem Vergleich übermittelte der Angeklagte den Schuldnern eine als „Fremdgeldkonto“ bezeichnete Bankverbindung, bei der es sich tatsächlich um ein Unterkonto zu einem seiner Geschäftskonten handelte. Die Insolvenzverwalterin war überrascht, als sie von der Zahlung an den Angeklagten erfuhr, und monierte dies, „gab dem Angeklagten aber zu verstehen, dass die Gelder (vorläufig) auf seinem Konto verbleiben könnten“. Von dem Geschäftskonto veranlasste der Angeklagte dann eine Vielzahl von Überweisungen auf eigene im Soll befindliche Konten oder an eigene Gläubiger.

Das LG hat den Angeklagten dann wegen Untreue in mehreren Fällen verurteilt. Die Revision des Angeklagten war hinsichtlich dieser Fälle erfolgreich. Der BGH hat, um Feststellungen zu ermöglichen, die Sache zurückverwiesen.

Ich erspare mir hier dann ein teilweises Einstellen der Urteilsgründe, sondern verweise auch insoweit auf den Volltext. Wenn man der Entscheidung einen Leitsatz geben will, dann muss der etwa wie folgt lauten:

Ein Rechtsanwalt, der sich zur Weiterleitung bestimmte, ihm in diesem Sinne anvertraute Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt, bewirkt jedenfalls dann einen Vermögensschaden zu Lasten seines Mandanten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB, wenn er mit diesen Buchgeldern eigene Verbindlichkeiten begleicht. Etwas anderes gilt, wenn der Rechtsanwalt uneingeschränkt dazu bereit und jederzeit fähig ist, diese Fehlbeträge aus eigenen flüssigen Mitteln auszugleichen und entsprechende Beträge an seinen Mandanten auszukehren.

StPO III: Unterzeichung der Revisionsbegründung, oder: Deutlich schreiben

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Und zum Tagesschluss dann noch der OLG Hamm, Beschl. v. 10.08.2021 – 1 RVs 41/21 – zur Unterzeichnung der Revisionsbegründung. Das OLG hat die Revision des Angeklagten wegen eines Verstoßes gegen § 345 Abs. 2 StPO als unzulässig verworfen, da sie nicht in der gebotenen Form begründet worden war:

„Gemäß § 345 Abs. 2 StPO kann die Revisionsbegründung des Angeklagten, sofern sie nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt wird, nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt „unterzeichneten Schrift“ erfolgen. Was unter einer Unterzeichnung in diesem Sinne zu verstehen ist, ergibt sich aus dem Sprachgebrauch sowie dem Sinn und Zweck der Formvorschrift. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hieraus abgeleiteten Anforderungen lassen sich dahingehend zusammenfassen, dass die Unterzeichnung in jedem Fall nicht lesbar zu sein braucht; Undeutlichkeiten und Verstümmelungen schaden also grundsätzlich nicht. Allerdings ist zu verlangen, dass wenigstens andeutungsweise Buchstaben erkennbar sein müssen, da es andernfalls bereits an dem Merkmal einer Schrift fehlt. Darüber hinaus gehört es zum Wesen der Unterzeichnung, dass der Schriftzug einen individuellen und einmaligen Charakter aufweist, der die Identität des Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnet, und somit die Nachahmung durch einen beliebigen Dritten zumindest erschwert (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 07. Dezember 2006 — 2 St OLG Ss 260/06 —, Rn. 11, juris, mit Hinweisen zur Rspr. des BGH; vgl. auch zur richterlichen Unterschrift Senat, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 111-1 RVs 94/16 -, juris, m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., Einl. 129). Im Ergebnis muss mit dem Namen des Unterzeichnenden ein Mindestmaß an Ähnlichkeit in dem Sinne bestehen, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ihn aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (vgl. OLG Nürnberg, a.a.O.).

Eine diesen Anforderungen genügende Unterschrift weist die Revisionsbegründung nicht auf. Sie besteht lediglich aus einem handschriftlich angebrachten Aufstrich und Abstrich mit Scheitel (Wendepunkt, an dem Aufstrich und Abstrich zusammenlaufen), wobei der Abstrich über eine Schleife in einem den Aufstrich und den Abstrich in der Mitte kreuzenden Querstrich endet. Es besteht Ähnlichkeit mit dem Großbuchstaben „A“, jedoch keinerlei Ähnlichkeit mit dem Anfangsbuchstaben („H“) oder mit einer Buchstabenfolge aus dem Nachnamen des Verteidigers.

 

Das Schriftgebilde stellt sich im Original wie folgt dar:

[hier ist im Orginal ein Bild von Unterschrift mit dem Namen des Rechtsanwalts enthalten; wovon man im Internet besser absieht]

Der Mangel der erforderlichen Unterzeichnung wird auch nicht dadurch ausgeglichen, dass sich der Name des Rechtsanwaltes ausgedruckt unterhalb des Schriftgebildes befindet, da dieser Zusatz die vom Gesetz geforderte Unterzeichnung der Revisionsbegründung nicht zu ersetzen vermag.“

M.E. so nicht richtig. Man hätte es auch anders lösen können. Ich gehe mal davon aus, dass der der Senat den Kollegen und seine Unterschrift im Zweifel kennt.

Jedenfalls gilt aber: Deutlich schreiben.

Klageerzwingung II: Unterzeichnung des Antrags, oder: Hat ein „Rechtsanwalt“ unterzeichnet?

© fotodo – Fotolia.com

In der zweiten Entscheidung, dem OLG Bamberg, Beschl. v. 08.06.2021 – 1 Ws 290/21 – geht es auch um die Formwirksamkeit eines Klageerzwingungsantrages. Hier war der Antrag vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers unterzeichnet. Der war aber „nur“ Hochschullehrer und Strafverteidiger und nicht zugleich auch Rechtsanwalt. Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen.

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 Abs. 2 Satz 1 StPO) ist bereits deshalb unzulässig, weil er entgegen § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet ist. Die Unterzeichnung des Antrags durch einen Strafverteidiger und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule, der, wie vorliegend, nicht gleichzeitig Rechtsanwalt ist, erfüllt das vorgenannte Formerfordernis nicht (Meyer-Goßner/Schmitt StPO 64. Aufl. § 172 Rn. 32; Müko/Kölbel StPO § 172 Rn. 50; SK/Wohlers StPO 5. Aufl. § 172 Rn. 57; Radtke/Hohmann/Kretschmer StPO § 172 Rn. 24; Gercke/Julius/Temming/Zöller StPO 6. Aufl. § 172 Rn. 19; LK/Graalmann-Scheerer StPO 27. Aufl. Rn. 141; vgl. auch KK/Moldenhauer StPO 8. Aufl. § 172 Rn. 33; BeckOK/Gorf StPO 39. Ed. [Stand: 01.01.2021] § 172 Rn. 15; a.A. Ladiges JR 2013, 295). Indem der Gesetzgeber klar zwischen den Begriffen „Rechtsanwalt“ und „Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule“ differenziert (§ 138 Abs. 1 StPO) und letzteren nur im Ausnahmefall, nämlich hinsichtlich der Möglichkeit als Verteidiger aufzutreten, einem Rechtsanwalt gleichstellt (§§ 138, 345 Abs. 2 StPO) lassen bereits Gesetzeswortlaut und Systematik des Gesetzes klar erkennen, dass ein Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule nicht einem Rechtsanwalt im Sinne des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO gleichzusetzen ist. Soweit argumentiert wird, Zweck des § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO sei es, offensichtlich aussichtslose Anträge von Rechtsunkundigen zu verhindern, weshalb der Schriftsatz eines Rechtslehrers an deutschen Hochschulen die Formvorschrift erfülle (Ladiges a.a.O.), vermag der Senat diesen Schluss nicht zu ziehen. Um seinen Zweck zu erreichen, knüpft das Gesetz die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrags mit § 172 Abs. 3 Satz 2 StPO gerade nicht an die bloße Rechtskundigkeit oder -unkundigkeit eines Unterzeichners, sondern stellt aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit auf ein formales, für alle Seiten leicht zu überprüfendes Kriterium (Rechtsanwaltseigenschaft) ab.“

StGB I: „Missmanagement“ in der Kanzlei, oder: Untreue des Rechtsanwalts?

© fotodo – Fotolia.com

Heute dann mal wieder ein Tag mit StGB-Entscheidungen.

Und die erste kommt mit dem BGH, Beschl. v. 26.11.2019 – 2 StR 588/18 – vom BGH. Ja, schon älter. Manche Beschlüsse verstecken sich eben. Und dabei hätte der Beschluss es verdient gehabt, zeitnah vorgestellt zu werden. Es geht nämlich um einen Untreuevorwurf gegen Rechtsanwälte wegen deren Umgang mit Fremdgeldern.

Auszugehen war von folgenden Feststellungen:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts fassten die in Aachen als Rechtsanwälte tätigen Angeklagten, deren Kanzlei sich wirtschaftlich zunehmend schlechter entwickelte, spätestens im Jahr 2009 mindestens in den zur Aburteilung gelangten Fällen jeweils den Entschluss, an sie überwiesene oder ihnen übergebene Gelder bewusst pflichtwidrig nicht oder teilweise nicht oder nicht unverzüglich an ihre Mandanten weiterzuleiten, sondern zur Erfüllung eigener Verbindlichkeiten bzw. Begleichung von Kosten ihrer Kanzlei zu verwenden. Durch die wiederholte Tatbegehung in der Zeit von 2009 bis 2015 verschafften sie sich insbesondere mittels verzögerter Auszahlung zum Nachteil ihrer Mandanten unberechtigte Kredite und damit eine fortlaufende Einnahmequelle von längerer Dauer und erheblichem Umfang. Dabei ließen die Angeklagten die Mandanten über den Eingang ihnen zustehender Gelder bzw. deren Höhe im Unklaren, verschwiegen – auch auf Nachfrage – Geldeingänge oder hielten sie vereinzelt auf sonstige Weise hin. In anderen Fällen behielten die Angeklagten von Mandanten gezahlte Selbstbehalte oder an Dritte weiterzuleitende (Sicherheits-)Beträge über Wochen und Monate hinweg, ohne den betreffenden Sachverhalt weiter zu verfolgen. Ratenüberzahlungen der Gegenseite ließen sie weiterlaufen, Erstattungen an die Rechtsschutzversicherung der Mandanten erfolgten erst Monate oder Jahre später bzw. mangels Reaktion erst auf unmittelbare Nachfrage der Versicherungen bei den Mandanten. Hinsichtlich der ihnen aus ihrer anwaltlichen Tätigkeit gegenüber den Mandanten zustehenden Honoraransprüche, die insbesondere bei Dauermandaten zu reduzierten oder wegfallenden Ansprüchen der Mandantschaft auf Auszahlung der auf Kanzleikonten eingegangenen Fremdgelder führen konnten, erstellten sie keine Abrechnungen und gaben auch keine Aufrechnungserklärungen ab.

2. Zur Kanzleiführung durch die Angeklagten und zur finanziellen Situation der Kanzlei hat die Strafkammer folgende Feststellungen treffen können:

Die juristische Bearbeitung einer Sache wurde intern den jeweiligen Anwälten nach Rechtsgebiet zugeteilt, der Sachbearbeiter führte im Verlauf die Akte und das Mandat. Grundsätzlich wurden von diesem Sachbearbeiter auch die Liquidationen erstellt und die technische Ausführung der Abrechnung und der Mandatsbeendigung vorgenommen. In einer Vielzahl von Fällen übernahm der Angeklagte J. aber auch die Abrechnung der von ihm nicht bearbeite- ten Mandate. Er fertigte in der Regel auch mandatsübergreifende Zwischenabrechnungen und führte die Konten der Kanzlei. Die Aktenführung im Tatzeitraum war geprägt von Rückständen und Unordnung in den Büros der Angeklagten, mangelnden Wiedervorlagen und fehlender Kontrolle insbesondere im Zusammenhang mit dem Eingang von Fremdgeldern und der Aktenablage. Dies führte bei bloßer Anordnung von Abrechnungen mithilfe eines Zettelsystems ohne buchhalterische Nachvollziehbarkeit zum Unterbleiben von Abrechnungen oder zumindest erheblicher Verzögerung.

Im Tatzeitraum gab es im Wesentlichen ein allein von dem Angeklagten J. geführtes Konto bei der P. in K. , zudem zwei auf die Angeklag- ten J. und W. lautende Kanzleikonten bei der A. B. bzw. der A. S. sowie erst ab dem Jahr 2011 ein Kanzleianderkonto, des- sen Inhaber der Angeklagte J. war. Die Geschäftskonten bei der P. und der S. A. wurden im Tatzeitraum im Wesentlichen im Minus geführt, über lange Zeit im fünfstelligen Bereich. Es erfolgten immer wieder Zuschüsse aus privaten Mitteln; zur Tilgung einer Steuerverbindlichkeit der Kanzlei nahm die Ehefrau des Angeklagten W. einen Kredit über 50.000 € auf, den sie noch heute abzahlt. Ins Einzelne gehende Feststellungen zur Solvenz der Kanzlei (zu den jeweiligen Tatzeitpunkten) hat die Strafkammer nicht getroffen.

Die Buchhaltung in der Kanzlei oblag allein der – freigesprochenen – Mitangeklagten D. . Wenn sie nicht in der Kanzlei war, lag die Buchhaltung brach, teilweise über mehrere Wochen. Hinzu kamen Probleme mit dem Buchhaltungssystem der verwendeten Rechtsanwaltssoftware, so dass es zu erheblichen Rückständen in der Buchhaltung kam. Parallel dazu gab es Handaktenzettel in den Mandantenakten, auf denen handschriftlich sämtliche Buchungsschritte durch die Mitangeklagte D. vermerkt wurden, allerdings nicht tag- genau und mit zum Teil erheblicher Verzögerung.

Mit der Kanzleientwicklung korrespondierend tätigten die Angeklagten J. und W. spätestens nach dem Jahr 2012 immer weniger Entnah- men, der Angeklagte W. etwa bis zum Jahr 2012 ca. 1.200 bis 1.500 € monatlich, danach lediglich noch 1.000 € oder weniger.

„Infolge dieses Missmanagements“ kam es zu den abgeurteilten Taten, die zum Teil von den Angeklagten auch gemeinschaftlich handelnd begangen wurden.“

Das LG hat die Angeklagten u.a. wegen Untreue (§ 266 StGB) verurteilt. Dagegen die Revision . Die hatte dann beim BGH Erfolg:

„Der Schuldspruch hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Das Landgericht hat in sämtlichen Fällen eine Untreue durch Verwirklichung des Treubruchstatbestands, jeweils begangen durch Unterlassen, angenommen. Dabei hat die Strafkammer zwischen folgenden Fallgestaltungen unterschieden: Einzahlungen auf Geschäftskonten bei noch nicht eingerichtetem Anderkonto, nicht unverzüglich vorgenommene Fremdgeldauszahlungen („Verzögerungsfälle“), nicht ausgekehrte Fremdgelder („wirtschaftlicher Schaden“) und nicht vorgenommene Verrechnung mit Honoraransprüchen aus Parallelmandaten („juristischer Schaden“).

In allen Fallkonstellationen ist die Strafkammer vom Vorliegen eines Vermögensschadens ausgegangen. Ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB sei dann gegeben, wenn ein Rechtsanwalt, der sich bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lasse, weder uneingeschränkt bereit noch fähig sei, einen entsprechenden Betrag aus eigenen Mitteln vollständig auszukehren. Seien die Fremdgelder nicht auf einem Anderkonto verwahrt worden oder (bei Eingang auf dem Anderkonto) nicht unverzüglich weitergeleitet worden, sei bereits ein endgültiger Schaden eingetreten, da bei den Angeklagten kein Ersatzwille vorhanden gewesen sei, die zur Auskehrung stehenden Fremdgelder auch tatsächlich auszuzahlen. Bei fehlendem Ersatzwillen mache sich auch ein solventer Schuldner grundsätzlich wegen Untreue strafbar, weshalb es weiter gehender Ermittlungen zur Solvenz der Kanzlei nicht bedurft hätte. Im Übrigen sei auch in den Fällen, in denen den Angeklagten möglicherweise Honoraransprüche in einer die Zahlungseingänge übersteigenden Höhe zugestanden hätten, ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB anzunehmen, denn entgegenstehende Honorarforderungen seien nur dann geeignet, den Auszahlungsanspruch der Mandanten zum Erlöschen zu bringen, wenn die zugrundeliegenden Mandate tatsächlich – was nicht der Fall gewesen sei – abgerechnet worden seien. Zudem hätte die Verwendung der Mandantengelder auch nicht dem Zweck gedient, bestehende Honoraransprüche zu befriedigen, weil diese nicht beziffert und geltend gemacht worden seien.

2. Die Annahme des Landgerichts, in allen abgeurteilten Fällen sei den Mandanten ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB entstanden, ist nicht tragfähig begründet.

a) Ein Rechtsanwalt, der sich im Rahmen eines bestehenden Anwaltsvertrags zur Weiterleitung bestimmte Fremdgelder auf sein Geschäftskonto einzahlen lässt und weder uneingeschränkt bereit noch jederzeit fähig ist, einen entsprechenden Betrag aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren, kann sich der Untreue in der Variante des Treubruchstatbestands (§ 266 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar machen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; Senat, Beschluss vom 24. Juli 2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277 jeweils mwN). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BORA ist ein Rechtsanwalt verpflichtet, eingegangene Fremdgelder unverzüglich an den Berechtigten weiterzuleiten oder, falls dies ausnahmsweise nicht sofort durchführbar ist, den Mandanten hiervon sofort in Kenntnis zu setzen und dafür Sorge zu tragen, dass ein dem Geldeingang entsprechender Betrag bei ihm jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung steht (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 1960 – 4 StR 544/59, NJW 1960, 1629, 1630). Unbeschadet der Frage, welche konkrete Zeitspanne als unverzüglich anzusehen ist, was sich nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt (s. Feuerich/Weyland/Träger, Bundesrechtsanwaltsordnung, 9. Aufl., 2016, § 43a Rn. 90, die eine Frist von maximal drei Wochen ab Eingang des Geldes annehmen), kann diese Verzögerung als solche regelmäßig noch keinen Vermögensnachteil begründen (vgl. OLG Stuttgart, NJW 1971, 64, 65; aA OLG Köln, AnwBl 1999, 608 f.). Ebenso wenig kann allein der Verstoß gegen die Pflicht zur Führung eines Anderkontos und zur Weiterleitung von Fremdgeldern auf dieses (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 BORA) einen Nachteil begründen. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Vermögen des Mandanten durch die Pflichtverletzung gemindert wird (zum „Verschleifungsverbot“ vgl. BVerfGE 126, 170, 206). Das ist etwa dann der Fall, wenn in der unterlassenen Weiterleitung die Absicht liegt, die eingenommenen Gelder endgültig für sich zu behalten, der Rechtsanwalt die Gelder zwar nicht auf Dauer für sich behalten will, aber ein dem Geldeingang entsprechender Betrag nicht jederzeit für den Berechtigten zur Verfügung gehalten wird (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191; Senat Beschluss vom 24. Juli 2014 – 2 StR 221/14, NStZ 2015, 277), oder die Gefahr eines Vermögensverlustes groß ist, weil die auf dem Geschäftskonto befindlichen Gelder dem (unabwendbaren und unausgleichbaren) Zugriff von Gläubigern offenstehen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. April 2008 – 5 StR 354/07, BGHSt 52, 182, 188 f.). Tilgt der Rechtsanwalt durch Verwendung auf dem Geschäfts- oder dem Anderkonto eingegangenen Fremdgelds private Verbindlichkeiten oder erfüllt er vom Anderkonto aus geschäftliche Verbindlichkeiten, die keinen Zusammenhang mit den Zahlungseingängen aufweisen, ist mit der Kontokorrentbuchung der Bank des Rechtsanwalts oder dem Abfluss des Zahlungseingangs von dessen Konto – abgesehen vom Falle des Vorhandenseins ausreichender Mittel zum in Aussicht genommenen Ausgleich – bei dem Berechtigten bereits ein endgültiger Vermögensschaden eingetreten. Infolge des kompensationslosen Abflusses, der mit dem Verlust der Fremdgelder einhergeht, liegt ein endgültiger Vermögensnachteil vor (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2015 – 1 StR 587/14, NJW 2015, 1190, 1191).

b) Hiervon ausgehend wird ein Vermögensnachteil durch die Urteilsgründe in allen Fällen nicht tragfähig belegt.

aa) Die Beweiswürdigung, auf die das Landgericht die aus seiner Sicht einen Vermögensnachteil allein tragende Annahme stützt, den Angeklagten habe der Wille gefehlt, die zur Auskehrung stehenden Fremdgelder auch tatsächlich auszuzahlen, erweist sich als lückenhaft.

Die Strafkammer hat bei ihrer knappen Begründung für diese Annahme wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, die gegen das Fehlen eines Ersatzwillens sprechen könnten und die infolgedessen in die Würdigung des Landgerichts einzubeziehen gewesen wären. So hat das Landgericht festgestellt, Ursache für verspätete Zahlungen sei ein auf Überforderung der Angeklagten zurückzuführendes „Missmanagement“ gewesen. Der hierin liegende Widerspruch zur Annahme eines durchgängig fehlenden Ersatzwillens wird in den Urteilsgründen nicht aufgelöst. Auch ist nicht erkennbar, dass die Strafkammer den Umstand in den Blick genommen hat, dass trotz des festgestellten überdauernden „Missmanagements“ im Tatzeitraum von fünf Jahren lediglich 27 Fälle festgestellt worden sind, in denen es nach Ansicht des Landgerichts zu im Sinne von § 266 StGB strafrechtlich relevanten Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Mandantengeldern gekommen sein soll.

Die Strafkammer hätte in diesem Zusammenhang ferner bedenken müssen, dass die Angeklagten, wie in den Urteilsgründen festgestellt, immer wieder privates Geld zur Auszahlung an Mandanten nachschossen und ihre Entnahmen aus den Einkünften der Kanzlei im maßgeblichen Zeitraum immer weiter zurückfuhren. Diese Umstände könnten darauf hindeuten, dass es ihnen nicht darauf ankam, ihnen nicht zustehende Gelder für private Zwecke zu verwenden, sie im Gegenteil bestrebt waren, ihren Mandanten keine Gelder vorzuenthalten. Trotz der vom Landgericht gegen das Vorhandensein eines Ersatzwillens herangezogenen Beweisanzeichen (Abstreiten von Zahlungseingängen gegenüber Mandanten bzw. Auszahlung fälliger Gelder erst auf nachhaltige Intervention) kann der Senat demzufolge nicht ausschließen, dass die Strafkammer im Rahmen der für jede Tat gesondert vorzunehmenden Gesamtabwägung zumindest in einzelnen Fällen – auch unter Berücksichtigung ihrer privaten wirtschaftlichen Situation (s. dazu im Folgenden unter bb) – zur Annahme von Zahlungswilligkeit und -fähigkeit der Angeklagten gelangt wäre.

bb) Die Strafkammer hat es – von ihrem Standpunkt aus folgerichtig – nicht für erforderlich erachtet, nähere Feststellungen zur Fähigkeit der Angeklagten zu treffen, die zurückbehaltenen Beträge jederzeit auszugleichen. Dass dies nicht der Fall war, kann der Senat den Urteilsgründen – auch unter Beachtung ihres Gesamtzusammenhangs – nicht entnehmen. Insoweit wird sich die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer eingehend mit der finanziellen Situation der Kanzlei und auch derjenigen der Angeklagten persönlich auseinanderzusetzen haben, sollte sie den grundsätzlichen Willen zur Auszahlung einbehaltener Fremdgelder feststellen.

cc) Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet es zudem, dass das Landgericht einen Vermögensnachteil in den Fällen II. 7, 8, 9, 10, 17 und 26 der Urteilsgründe (im Urteil als „juristischer Schaden“ bezeichnet) damit begründet hat, dass den Angeklagten zwar (nicht ausschließbar) Honoraransprüche in einer die Auszahlungsbeträge übersteigenden Höhe zugestanden hätten, eine schadensausgleichende Kompensation aber nicht in Betracht komme, weil diese Ansprüche nicht abgerechnet worden seien. Eines solchen Ausgleichs bedürfte es nämlich nur dann, wenn schon die pflichtwidrige Einzahlung auf ein Geschäftskonto, die Verwendung für andere Zwecke oder die verspätete Weiterleitung an den Mandanten für diesen einen Vermögensnachteil begründet hätte. Dies ist aber, wie aufgezeigt, nicht rechtsfehlerfrei belegt.“