Berufung I: Wirksamkeit der Berufungsbeschränkung, oder: Konkludente Zustimmungserklärung

Daumen

Heute gibt es dann StPO-Entscheidungen. Alle drei Entscheidungen stammen von OLG und alle drei behandeln Fragen in Zusammenhang mit der Berufung.

Ich beginne mit dem BayObLG, Beschl. v. 01.12.2023 – 204 StRR 527/23. Der Beschluss enthält nichts wesentlich Neues, fasst aber die Fragen betreffend Berufungsbeschränkung noch einmal schon zusammen. Hier reichen daher die Leitsätze:

1. Die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung ist von Amts wegen zu prüfen; der Erhebung einer Verfahrensrüge bedarf es nicht.

2. Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen; gleiches gilt für eine Rechtsmittelbeschränkung. Diese Zustimmungserklärung kann auch konkludent abgegeben werden.

3.  Eine zulässige Berufungsbeschränkung – hier auf den Rechtsfolgenausspruch – setzt zunächst voraus, dass der nach dem Willen des Rechtsmittelführers neu zu verhandelnde Entscheidungsteil losgelöst vom übrigen Urteilsinhalt selbständig geprüft und beurteilt werden kann, und erfordert sodann, dass der nicht angegriffene Teil der Vorentscheidung so festgestellt und bewertet ist, dass er – unabänderlich und damit bindend geworden – eine hinreichend tragfähige Grundlage für eine eigenständige Entscheidung des Berufungsgerichts zu bieten vermag.

4. Hat das Amtsgericht einen Sachverhalt festgestellt, der eine Verurteilung nach § 241 Abs. 1 StGB trägt und den Schuldumfang ausreichend erkennen lässt, ist es dem Berufungsgericht deshalb verwehrt, zum Nachteil des Angeklagten ergänzende Feststellungen zu § 241 Abs. 2 StGB zu treffen.

5. Bei dem Tatvorwurf eines vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG ist – ebenso wie bei dem Tatvorwurf einer fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 Abs.1 und 2 StGB – die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch wirksam, wenn das angegriffene Urteil Feststellungen zu Tatzeit und Tatort, zu dem verwendeten Kraftfahrzeug sowie zum Fehlen der erforderlichen Fahrerlaubnis und zu einem wissentlichen Handeln des Angeklagten enthält; zu Dauer, (beabsichtigter) Länge und sonstigen Gegebenheiten der Fahrt, zu den Motiven der Tat und zu den Umständen der Alkoholaufnahme können dagegen ergänzende Feststellungen getroffen werden, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen.

6. Hat das Gericht zur Schuldfähigkeitsbeurteilung und zur Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung ein Sachverständigengutachten erholt, muss es die wesentlichen Anknüpfungspunkte und Darlegungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergegeben, wie dies zum Verständnis des Gutachtens und zur Beurteilung seiner Schlüssigkeit erforderlich ist.

7. Zur Prüfungsreihenfolge bezüglich der Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB.

Aus den Beschlussgründen greife ich nur die Ausführungen zur Zustimmung (oben Leitsatz 2) heraus. Dazu führt das BayObLG aus:

„2. Eine wirksame Erklärung der Berufungsbeschränkung liegt vor.

Nach § 303 StPO kann die Zurücknahme des Rechtsmittels nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Rechtsmittelgegners erfolgen. Die Vorschrift gilt auch für die Rechtsmittelbeschränkung (Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 303 Rn. 1 m. w. N.). Vorliegend hatte die Hauptverhandlung bereits begonnen (§§ 324 Abs. 1, 243 Abs. 1 StPO), als der Angeklagte und der Verteidiger die Rechtsmittelbeschränkung erklärten.

Das Protokoll verhält sich zu einer Zustimmung des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft nicht. Dadurch wird indes nur bewiesen, dass dieser keine ausdrückliche Zustimmung erklärt hat (vgl. insoweit OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2009 – 3 Ss 422/09 –, juris Rn. 10; KK-StPO/Paul, 9. Aufl. 2023, StPO § 303 Rn. 4).

Da die Zustimmungserklärung aber formfrei ist, kann sie auch konkludent abgegeben werden, was insbesondere dann nahe liegt, wenn dem Rechtsmittelgegner (in den entschiedenen Fällen: dem Angeklagten) durch die Rücknahme nur Vorteile erwachsen (OLG Hamm, NJW 1969, 151) bzw. sicher ist, dass der Rechtsmittelgegner die Beschränkung/Rücknahme zur Kenntnis genommen hat, ihm Bedeutung und Tragweite bewusst sind und sein weiteres Prozessverhalten keine Anhaltspunkte dafür bietet, dass er mit der Beschränkung nicht einverstanden sein könnte (OLG Düsseldorf, MDR 1976, 1040, 1041; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.02.1990 – 3 Ss 562/89 –, juris Rn. 7). Ob eine konkludente Zustimmung zur (teilweisen) Rechtsmittelrücknahme (Rechtsmittelbeschränkung) erteilt wurde, ist gegebenenfalls im Freibeweisverfahren aufzuklären (OLG Hamm, NJW 1969, 151; OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2009 – 3 Ss 422/09 –, juris Rn. 11; KK-StPO/Paul, a. a. O., § 303 Rn. 4).

Vorliegend ist hier darauf abzustellen, dass der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft nach der Rechtsmittelbeschränkung durch den Angeklagten und seinen Verteidiger in der Berufungshauptverhandlung auf die Vernehmung der zur Sachverhaltsaufklärung geladenen und anwesenden Zeugen verzichtete. Im Schlussvortrag sowohl des Verteidigers als auch des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft wurden nur Anträge zu den Rechtsfolgen gestellt. Insoweit ist von einer konkludenten Zustimmung des Rechtsmittelgegners, hier der Staatsanwaltschaft, zu einer Teilrücknahme des Rechtsmittels auszugehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert