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beA I: beA-Versand geht mit einfacher Signatur, oder: BGH gibt Verteidiger „beA-Nachhilfe“.

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Der Startschuss in die 44. KW fällt dann heute mit zwei Entscheidungen des BGH zum beA bzw. formgerechten Einlegung der Revision und ihrer Begründung.

Ich stelle zunächst den BGH, Beschl. v. 19.07.2023 – 2 StR 369/22 – vor, der sehr schön zeigt, was man als Verteidiger alles falsch machen kann. „Ausbaden“ muss es dann ggf. der Angeklagte.

Hier hatt das LG den Angeklagten durch Urt. v. 23.02.2022 u.a. wegen banden- und gewerbsmäßigen Betruges zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten (!!) verurteilt. Dagegen richtete sich seine am 02.03.2022 durch einen mit Telefax eingereichten Schriftsatz eingelegte Revision.

Der BGH hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen:

„Zugleich mit der Revisionseinlegung hat der Verteidiger hinsichtlich der Form erklärt, er habe die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach versucht, „was jedoch mangels einer qualifizierten elektronischen Signatur“ misslungen sei. Bis dahin habe er sich „technisch gerüstet gewähnt“, da er im Besitz eines Kartenlesegeräts und einer Chipkarte gewesen sei und „bisher ohne Probleme am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen vermochte“. Versuche zur „`Aufrüstung´ seines Anschlusses um ein qualifiziertes Signaturzertifikat“ seien erfolglos geblieben.

II.

Die Mitteilung genügt nicht den Form- und Fristanforderungen an eine wirksame Revisionseinlegung.

1. Nach der seit dem 1. Januar 2022 geltenden Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Revision und ihre Begründung als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, die bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat (vgl. Senat, Beschlüsse vom 1. Februar 2023 – 2 StR 162/22 und vom 24. Mai 2022 – 2 StR 110/22; BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2023 – 5 StR 164/23; vom 7. März 2023 – 6 StR 74/23; vom 9. August 2022 – 6 StR 268/22, NJW 2022, 3588; vom 19. Juli 2022 – 4 StR 68/22 und vom 20. April 2022 – 3 StR 86/22, wistra 2022, 388).

a) § 32d Satz 2 StPO erfordert zwingend die Übermittlung der Revision als elektronisches Dokument. Die Prozesshandlung muss gemäß § 32a Abs. 3 StPO entweder mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder aber von der verantwortenden Person einfach signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 45; Senat, Beschluss vom 1. Februar 2023 – 2 StR 162/22; BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 268/22, NJW 2022, 3588, 3589). Der Grad der Signatur, durch welche die eigenhändige Unterschrift ersetzt wird, richtet sich daher nach der Versandart. Ist der Versand über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (§ 31a BRAO) als sicherer Übermittlungsweg erfolgt, so genügt eine einfache Signatur (§ 32a Abs. 3 Var. 2 StPO); in diesem Fall bedarf es keiner qualifizierten elektronischen Signatur (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Dezember 2022 – 2 StR 140/22, NStZ-RR 2023, 115).

Der Verteidiger des Angeklagten K. hat nicht behauptet, dass ihm eine Übermittlung in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach mit einfacher Signatur nicht möglich gewesen sei. Seine Annahme, es bedürfe auch bei Übermittlung in dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach zusätzlich einer qualifizierten elektronischen Signatur geht fehl.

b) Die Übermittlung der Revisionsschrift durch Telefax am 2. März 2022 genügte nicht der Form des § 32d Satz 2 StPO. Der Verteidiger hat keinen Ausnahmefall im Sinne des § 32d Satz 3 und 4 StPO dargelegt.

aa) Nur wenn die Übermittlung als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung der Revisionsbegründung in Papierform zulässig. In einem solchen Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit auch bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. September 2022 – 5 StR 328/22). Als Beispiel für eine vorübergehende Unmöglichkeit gilt ein Serverausfall (vgl. BT-Drucks. 18/9416, S. 51). Wie die Formulierungen „aus technischen Gründen“ und „vorübergehend“ verdeutlichen, ist die Einreichung der Revisionsbegründung in Papierform die Ausnahme. Deshalb muss beim Absender grundsätzlich die notwendige technische Einrichtung vorhanden sein, um elektronische Dokumente einreichen zu können (vgl. BeckOK StPO/Valerius, 43. Ed., § 32d Rn. 5). Dagegen muss die Anwendung des Ausnahmetatbestands ausscheiden, wenn der Verteidiger kein geeignetes System vorhält oder bei technischen Problemen nicht umgehend für deren Behebung sorgt (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Dezember 2022 – 2 StR 140/22, NStZ-RR 2023, 115).

bb) Eine nur vorübergehende technische Unmöglichkeit wurde mit der Behauptung, eine qualifizierte elektronische Signatur für einen Versand aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach heraus zu benötigen und dies sei dem Verteidiger technisch nicht möglich gewesen, nicht dargelegt.

Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist kein Raum. Nachdem trotz des erläuterten Revisionsverwerfungsantrags des Generalbundesanwalts – anders als im Fall des Senatsbeschlusses vom 2. März 2023 aaO – kein Wiedereinsetzungsantrag gestellt wurde, kommt auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 StPO nicht in Betracht. Mangelndes Verschulden des Angeklagten ist nicht offenkundig. Auch die für sich genommen formgerecht eingereichte Revisionsbegründung vom 3. Juli 2022 mit der allgemeinen Sachrüge hat den Mangel der Form- und Fristwahrung bei der Einlegung des Rechtsmittels nicht geheilt. Sie verhält sich auch nicht zur Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.“

Was mich wundert: Einerseits frage ich mich, warum der Verteidiger nicht zumindest einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat, andererseits frage ich mich, warum der BGH nicht von Amts wegen Wiedereinsetzung gewährt worden ist. „Mangelndes Verschulden des Angeklagten ist nicht offenkundig“, na ja? Wirklich?

beA II: Diverses zum beA, oder: eigenhändiger Versand, Eingang mit „Ü“, Glaubhaftmachung, Behördennutzung

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Und im zweiten „beA-Posting“ eine kleine Zusammenstellung von Entscheidungen. Alles, was sich so in den letzten Tagen angesammelt hat. Das sind:

Ein über das beA bei Gericht eingereichter Schriftsatz ist mit der Speicherung auf dem Intermediär-Server des Gerichts eingegangen, auch wenn die Weiterleitungsfähigkeit gerichtsintern am Umlaut „ü“ im Dateinamen scheitert. Zwar muss ein eingereichtes elektronisches Dokument nach § 130a Abs. 2 Satz 1 ZPO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein. Diese Frage bestimmt sich aber allein nach den Regelungen, die der Verordnungsgeber auf der Grundlage von § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO getroffen hat. § 2 ERVV sieht aber ein  Verbot von Umlauten nicht vor.

1. Ein mittels beA gestellter Antrag zur Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist in einer Familienstreitsache muss von dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten verantwortet und mit seinem Wissen und Wollen eingereicht werden.

2. §§ 130a Abs. 3, 4 Nr. 2, 130d ZPO erfordert, dass ein elektronisches Dokument eigenhändig vom Verfahrensbevollmächtigten versandt wird.

1. Zur Glaubhaftmachung gemäß § 55d Satz 4 Halbsatz 1 VwGO, dass die Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments auf technischen Gründen im Sinn von § 55d Satz 3 VwGO beruhte, gehört die belastbare Angabe, dass die formgerechte (elektronische) Übermittlung aus technischen Gründen nur vorübergehend nicht möglich war.

2. Eine solche Unmöglichkeit ist nicht glaubhaft gemacht, wenn die Angaben auch den Schluss zulassen, dass der Verwender generell versäumt hat, sich rechtzeitig und mit der gebotenen Sorgfalt um die Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen zu bemühen.

Die durch § 55d VwGO vorgesehene aktive Nutzungspflicht der elektronischen Form für professionelle Prozessteilnehmer gilt auch für Behörden.