Im zweiten Verkehrsrechtsposting dann der AG Hagen, Beschl. v. 06.06.2025 – 66 Gs 733/25 – noch einmal zum Begriff des „Unfall im Straßenverkehr“ im Sinn von § 142 StGB. Allerdings: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Denn es geht um das Überfahren einer Leiche.
Das AG sieht das nicht als „Unfall im Straßenverkehr“ an und hat deshalb einen § 111a-Antrag der StA abgelehnt:
„Der Antrag der Staatsanwaltschaft war – jedenfalls zum gegenwärtigen Ermittlungszeitpunkt – zurückzuweisen.
Es fehlt dringender Tatverdacht hinsichtlich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort. Nach § 142 StGB setzt dies das Vorliegen eines Unfalls im Straßenverkehr voraus. Dabei handelt es sich um jedes plötzliche, mit den typischen Gefahren des Straßenverkehrs ursächlich zusammenhängendes Ereignis, durch das ein nicht nur belangloser Fremdschaden verursacht wird. Der insoweit notwendige Schadenseintritt ist aus der Sicht eines objektiven Dritten anhand objektiver Kriterien zu bestimmen. Maßgebend für den Schaden sind dabei nur die unmittelbaren Folgen des Unfalls, die zur Tatzeit bereits eingetreten sind (MüKo-StGB/Zopfs, 5. Aufl. 2025, § 142 Rn. 25).
Vorliegend fehlt es bereits an einem Schadenseintritt. Wenngleich eine Leiche im zivilrechtlichen Sinn eine Sache sein mag, repräsentiert sie keinen Sachwert, dessen Verletzung Schadensersatzansprüche auslösen könnte (jurisPK-StVR/Niehaus/Weiland, § 142 Rn. 22). Insoweit fehlt es auch an einem auf Sach – oder Personenschadensersatz gerichteten Feststellungsinteresse (LK-StGB/Herb, 13. Aufl. 2021, § 142 Rn. 24).
Ein Schadensersatzanspruch resultiert auch nicht aus einer etwaigen Verletzung des Totenfürsorgerechts. Ein solches ist weder Bestandteil des Vermögens des Berechtigten noch ist das Totenfürsorgerecht durch das Überfahren beeinträchtigt (jurisPK-StVR/Niehaus/Weiland, § 142 Rn. 22; MüKo-StGB/Zopfs, 5. Aufl. 2025, § 142 Rn. 31). Eine etwaige Verletzung des Pietätsempfindens der Angehörigen stellt ebenfalls keine Schädigung im Rechtssinne dar (vgl. LK-StGB/Herb, 13. Aufl. 2021, § 142 Rn. 21).
Selbst dann, wenn man entgegen den obigen Ausführungen vom Vorliegen eines dringenden Tatverdachts hinsichtlich des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ausginge, fehlt es an den weiteren Voraussetzungen für die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis. Nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB setzt die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Verwirklichung des Tatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 StGB voraus, dass der Täter weiß oder wissen kann, dass bei dem Unfall an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist. Für das Vorliegen eines bedeutenden Schadens setzt die überwiegende Rechtsprechung derzeit eine Grenze von mindestens 1.500,00 € an.
Ob überhaupt nach objektiven Maßstab ein entsprechender Schaden entstanden ist, lässt sich nicht feststellen. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Selbst wenn man unterstellen würde, dass ein Schaden eingetreten ist, wäre ein solcher nicht messbar. Das Überschreiten der Schwelle zum Vorliegen eines bedeutenden Schadens kann schlichtweg nicht festgestellt werden. Auch kann nicht unterstellt werden, dass im Falle der „Schädigung“ einer Leiche per se, auch ohne dessen Bezifferung, ein bedeutender Schaden eingetreten ist.“