Im zweiten Posting stelle ich den BayObLG, Beschl. v. 10.04.2025 – 204 StRR 56/25 – vor. Es geht noch einmal/mal wieder um Volksverhetzung (§ 130 StGB).
Das AG hatte den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (= Tat 1) und Volksverhetzung (= Tat 2) verurteilt. Das LG hat die hiergegen eingelegte unbeschränkte Berufung des Angeklagten als unbegründet verworfen.
Zum Sachverhalt führt das BayObLG aus:
„Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Angeklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf dem Kurznachrichtendienst „X“ (früher „Twitter“) unter Nutzung seines für jedermann einsehbaren Accounts zwei Beiträge veröffentlichte, wobei ihm bewusst gewesen sei, dass diese von einer größeren, von ihm nicht mehr überschaubaren Anzahl an Personen habe wahrgenommen werden können, und er zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass durch seine Beiträge der öffentliche Friede gestört werde.
Am 27.12.2023 um 18.04 Uhr habe er ein Bild gepostet, auf dem Adolf Hitler mit Hakenkreuz-Binde und mit ausgestrecktem rechten Arm und ausgestreckter Hand zum „Hitlergruß“ vor einer Menschenmenge zu sehen sei, und dazu den Text „WE ARE THE MASTERRACE“. Darunter sei der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu bei einer Rede mit erhobenem linken Arm zu sehen und dazu der Text „WE ARE GOD´S CHOSEN PEOPLE“. Hierzu habe der Angeklagte zudem kommentiert: „Der israelische Zionismus ist genauso faschistisch und mörderisch wie Hitlers Nationalsozialismus“.
Dem Angeklagten sei bewusst gewesen, dass es sich bei der ikonenhaften Darstellung Adolf Hitlers, dem Hakenkreuz und dem sog. Hitlergruß um Kennzeichen handele, die der Herrschaft des Nationalsozialismus zuzuordnen und daher verboten seien.
Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt am 01.01.2024 habe der Angeklagte folgenden Text geschrieben:
„Zionisten sind Invasoren,
Zionisten sind Aggressoren,
Zionisten sind Faschisten,
Zionisten sind Rassisten,
Zionisten sind Terroristen,
Zionisten sind Nationalisten,
Zionisten sind Mörder,
Zionisten sind Völkermörder,
Zionisten sind Verbrecher,
Verbrecher müssen bestraft werden.“
Mit seinem Beitrag habe der Angeklagte beabsichtigt, zum Hass gegenüber Zionisten, also allen Personen, die das Recht des jüdischen Volkes auf einen jüdischen Nationalstaat unterstützen, aufzustacheln, indem diese allesamt zu bestrafen seien. Desweiteren habe er beabsichtigt, die Menschenwürde aller Zionisten anzugreifen, indem er diese allesamt als Mörder, Terroristen und Rassisten verunglimpft habe.
Der Angeklagte habe die Beiträge am 05.02.2024 gelöscht.
Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt. Diese hatte insoweit endgültig Erfolg, als er vom BayObLG vom Vorwurf der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 1 und 2 StGB freigesprochen worden ist. Soweit der Angeklagte seine Verurteilung wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 StGB angriffen hat, war der Schuldspruch frei von Rechtsfehlern. Die Revision des Angeklagten hate jedoch insoweit jedenfalls vorläufig teilweise Erfolg, als das LG nicht geprüft hat, ob ein Anwendungsfall des § 86a Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 5 StGB vorliegt, obwohl hierfür nach seinen Feststellungen hinreichender Anlass bestanden hätte. Insoweit ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückzuverweisen worden.
Die Entscheidung ist vom BayObLG sehr umfangreich begründet worden. Wegen des Umfangs der Begründung verweise ich daher auf den verlinkten Volltext und stelle hier nur die Leitsätze ein.
1. Lässt eine Äußerung mehrere Deutungen zu, von denen nur eine strafbar ist, so darf die zur Bestrafung führende Interpretation nur zugrunde gelegt werden, wenn die anderen Deutungsmöglichkeiten, insbesondere solche, die mit der Meinungsfreiheit vereinbar wären, mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden können.
2. Äußerungen wie „Zionisten sind Invasoren, Terroristen, Völkermörder, Verbrecher u.a.“ können auf eine nationale, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte abgrenzbare Personenmehrheit bezogen sein, nach den konkreten Umständen aber auch eine zulässige Kritik an der Politik des Staates Israel bzw. dessen Staatsführung darstellen.