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StGB II: War es „Böswilliges Verächtlichmachen“?, oder: Fachkräftenachwuchs – IQ – Zuwanderung

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Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Hamm. Das hat im OLG Hamm, Beschl. v. 12.01.2024 – 3 ORs 65/23 – zur Volksverhetzung (§ 130 StGB) Stellung genommen.

Das AG hatte den Angeklagten wegen Volksverhetzung, und zwar nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB „böswillig verächtlich machen“ – zu einer Bewährungsstrafe vverurteilt. Das LG hat die Berufung des Angeklagten verworfen und ist dabei von folgendem Sachverhalt ausgegangen:

„Nach den Feststellungen des Landgerichts verteilte der Angeklagte in der Nacht vom 30. auf den 31.07.2020 an mindestens 30 Haushalte in seiner Nachbarschaft in Porta Westfalica vor- und rückseitig eng beschriebene DIN A4 Zettel durch Einwurf in die Briefkästen. In dem — hier stark zusammengefassten – Text, der zahlreiche Fehler in Rechtschreibung und Zeichensetzung aufweist und den der Angeklagte im Internet gefunden hatte, wird ein Bezug zwischen der Diskussion um Fachkräftenachwuchs und dem Intelligenzquotienten bestimmter Zuwanderergruppen bzw. Völker hergestellt. So liege der Intelligenzquotient bei einzelnen Zuwanderergruppen in Deutschland nur bei 85, in einigen anderen Ländern sei er noch niedriger, während er bei Asiaten viel höher sei. In dem Schriftstück wird auch erwähnt, dass man in Deutschland ab einem IQ von 80 als lernbehindert gelte und ein Schimpanse einen IQ von 50 habe. Es wird angezweifelt, dass Zuwanderer aus Herkunftsgruppen mit vorgeblich niedrigem IQ zur Ausübung hochqualifizierter Tätigkeiten wie Arzt, Rechtsanwalt oder Pilot in der Lage seien. Auch ein Bezug zwischen Ethnie und Kriminalität wird hergestellt. Zuzug von asiatischen Einwanderern würde mehr nutzen als Zuwanderung aus anderen Ländern. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass „mit diesem Pamphlet“ zum Ausdruck gebracht werde, dass „insbesondere die in Deutschland lebenden Personen mit Wurzeln im afrikanischen, arabischen und türkischen Raum dumm und kriminell und des Aufenthalts in Deutschland unwürdig seien. Aber auch die US-amerikanischen Bürger afrikanischer Abstammung wie auch die in ihren Herkunftsländern lebenden Menschen arabischer Abstammung [würden] als minderbemittelt und im Gros kriminell herabgewürdigt“. Auf diese Weise würden „die den genannten Ethnien zugehörigen Menschen böswillig verächtlich gemacht und so in ihrer Menschenwürde angegriffen“. Weiter heißt es im angefochtenen Urteil: Der Angeklagte, der diese Aussagen guthieß, verteilte die Pamphlete in der Absicht, die Empfänger zu der Erkenntnis zu bringen, dass der Aufenthalt, bzw. Zuzug von Menschen der genannten Ethnien ein Problem für die deutsche Gesellschaft darstelle, und machte sich diese Äußerungen damit zu eigen. Er handelte dabei in einer Weise, die geeignet war, das psychische Klima in der Bevölkerung in Richtung Fremdenfeindlichkeit aufzuhetzen und so den öffentlichen Frieden zu stören. Zugleich hatte er das Schreiben als Datei auf einem Computer in seiner Wohnung gespeichert und hielt es für eine weitere Verwendung vorrätig“.

Dagegen die Revision des Angeklagte, die Erfolg hatte. Das OLG sieht noch keine durchgreifenden Bedenken, dass der Inhalt des Schriftstückes in objektiver Hinsicht einen Angriff auf die geschützte Menschenwürde der angesprochenen Bevölkerungsgruppen darstellt. Auch an der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens hat das OLG bei der vorliegenden Verteilungsbreite keinen Zweifel. Aber:

„b) Indes kann das angefochtene Urteil deswegen keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals eines „böswilligen“ Verächtlichmachens einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand hält.

Die Beweiswürdigung ist gemäß § 261 StPO zwar Sache des Tatgerichts. Jedoch hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind (vgl. KK-StPO/Tiemann, 9. Auflage 2023, § 261 Rdnr. 188). Das ist u.a. dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar, oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH Urteil vom 21. November 2006 – 1 StR 392/06, BeckRS 2011, 15376 Rdnr. 13).

Die Beweiswürdung des Landgerichts ist vorliegend lückenhaft. Sie belegt nicht das Vorliegen des dem inneren Tatbestand zuzuordnende Erfordernis der Böswilligkeit. Dieses hat strafbarkeitseinschränkende Funktion und ist zu bejahen, wenn die Äußerung aus feindseliger Gesinnung in der Absicht zu kränken (im Kernbereich der Persönlichkeit der Betroffenen, vgl. BGH, Urt. v. 15.12.2005 — 4 StR 283/05 — juris) getätigt wird (BGH NJW 1964, 1481, 1483; Krauß in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 130, Rdnr. 57). Böswillig ist ein Handeln aus niederträchtiger, bewusst feindseliger Gesinnung, also ein Handeln aus verwerflichen Beweggründen. Dies kann sich daraus ergeben, dass der Täter hartnäckig Erkenntnisquellen, die seine Behauptung widerlegen, oder Möglichkeiten zu weniger anstößigen Formulierungen ausschlägt. Die Beweggründe des Äußernden können sich unmittelbar aus dem Aussagegehalt der Äußerung als solcher sowie aus den Begleitumständen der Äußerung, etwa einer interpretatorischen Begleitäußerung des Täters, ergeben (Krauß a.a.O. 155 m.w.N.).

Das Landgericht hat zwar bzgl. des subjektiven Tatbestands eine Beweiswürdigung zur Kenntnis des Angeklagten vom volksverhetzenden Charakter des Schriftstücks und dazu, dass sich der Angeklagte sich die Äußerungen zu eigen gemacht habe, vorgenommen. Eine Beweiswürdigung zu dem o.g. subjektiven Tatbestandsmerkmal der Böswilligkeit enthält das angefochtene Urteil nicht. Diese war auch nicht entbehrlich, etwa weil sich die Böswilligkeit vorliegend von selbst verstehen würde, Die inkriminierten Äußerungen in dem Schriftstück stehen nicht isoliert, sondern sind eingebettet in die politische Diskussion um Fachkräftezuwanderung. Im Urteil wird weiter festgestellt, der Angeklagte habe in der Absicht gehandelt, „die Empfänger zur Erkenntnis zu bringen, das „wir irgendwo ein Problem haben“ und das Fachkräfteproblem mit den Zuwanderern nicht zu lösen sei“ (UA10). Wie sich weiter aus den Urteilsgründen ergibt, hatte sich der Angeklagte „nach eigenen Angaben auch durch Internetrecherche intensiv mit dem Inhalt des Pamphlets auseinandergesetzt [hatte] und sich in seinen eigenen Ansichten bestätigt“ gefühlt (UA 8). Er habe auch auf entsprechende Studien verwiesen. In diesem Zusammenhang wird in dem angefochtenen Urteil mitgeteilt, dass ein zur Akte gereichter Ausdruck „Global IQ-Scores“ in Augenschein genommen worden sei. Der Inhalt dieses Ausdrucks wird indes nicht näher mitgeteilt. Es wird auch nicht auf ein bestimmtes Blatt der Akten verwiesen, so dass der Senat — sollte es sich bei dem Ausdruck tatsächlich um eine Abbildung und nicht ohnehin um eine Urkunde, auf welche ein Verweis nicht möglich ist —auch nicht aufgrund eines wirksamen Verweises gem. § 267 Abs. 1 S. 2 StPO hiervon Kenntnis nehmen kann.

Hätte der Angeklagte die Schriftstücke aber aus Sorge um einen Fachkräftemangel bzw. um eine Zuwanderung, die nicht geeignet ist, diesen zu beheben, in der Überzeugung, dass es sich bei den o.g. Inhalten um vertretene, tatsächlich zutreffende Thesen und Studien handelt, verteilt, so wäre die Annahme, er habe gleichwohl in feindseliger Gesinnung und in der Absicht zu kränken gehandelt, näher zu begründen. In diesem Zusammenhang wären auch die geistigen Fähigkeiten des Angeklagten und sein Bildungshintergrund in den Blick zu nehmen gewesen. Nach den Urteilsfestellungen hat er keine akademische Ausbildung und hat den inkriminierten Text mitsamt der Fehler bei Rechtschreibung und Zeichensetzung verteilt. Mag es für einen akademisch gebildeten Menschen noch vergleichsweise einfach sein, die Aussagekraft von Studien und die wissenschaftliche Qualifikation sog. „Institute“ zu hinterfragen und einzuordnen, wird dies anderen regelmäßig deutlich schwerer fallen oder gar unmöglich sein. Selbst wenn etwa „Studien“ zu dem Ergebnis gekommen sind, dass der IQ bestimmter Völker oder Herkunftsgruppen niedrig ist, so würde man bei einer akademischen Schulung etwa zunächst einmal hinterfragen, ob die untersuchte Personengruppe hinreichend repräsentativ war, ob der verwendete Intelligenztest überhaupt für Mitglieder nicht-westlicher Gesellschaften geeignet ist, diese unter anderen Umweltbedingungen aufgewachsen oder lebend ggf. besser abschneiden etc. (vgl. etwa als allgemein zugängliche Quelle: https://www.tagesanzeiger.ch/warum-afrikaner-in-ig-tests-schlechter-abschneiden-106015206636), und man würde sich nicht mit — wie in dem verteilten Schriftstück — Erklärungen wie hohe Verbreitung der Verwandtenehe oder generell fehlendem Abstraktionsvermögen zufrieden geben.

Der Uhrzeit der Verteilung der Flugblätter gegen 23 Uhr mag – wie vom Landgericht angenommen – indizielle Bedeutung für die Annahme des Vorsatzes des Angeklagten zukommen. Ob dies auch für das Merkmal der Böswilligkeit gilt, wird der neue Tatrichter zu prüfen haben, wobei er auch -ebenso wie für das anfängliche Bestreiten der Verteilung durch den Angeklagten – unverfängliche Erklärungsalternativenin den Blick zu nehmen haben wird.

Aus den dargestellten Gründen konnte der Senat – entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft – auch nicht selbst die Tatbestandsalternative der Verleumdung feststellen, welche die bewusst wahrheitswidrige Behauptung von Tatsachen durch den Angeklagten zur Voraussetzung gehabt hätte. Insoweit fehlt es auch bereits an einer Beweiswürdigung zur Wahrheitswidrigkeit der aufgestellten Behauptungen.“

Und:

„3. Der neue Tatrichter wird im Falle einer Verurteilung auch zu bedenken haben, ob neben einer Strafbarkeit aus dem persönlichen Äußerungsdelikt des § 130 Abs. 1 StGB die Verbreitung desselben Inhaltes eigenständigen Unrechtsgehalt nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 c) a. F. StGB aufweisen kann.

Entsprechendes gilt auch für die Alternative des Vorrätighaltens, wobei hier hinzukommt, dass die bisherige Beweiswürdigung die Feststellung, der Angeklagte habe die Schrift vorrätig gehalten, um sie oder aus ihr gewonnene Stücke im Sinne der Nummer 1 oder Nummer 2 zu verwenden, nicht trägt. Das Argument, dass das Aufbewahren der Datei auf dem Computer vor dem Hintergrund der Internetrecherche und der Auseinandersetzung des Angeklagten mit dem Thema nur Sinn mache, wenn er den inhalt später noch habe verbreiten wollen, ist so nicht haltbar.“

Corona III: „Ungeimpft“ auf dem „gelben Judenstern, oder: Vollsverhetzung? Es kommt darauf an.

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Und zum Tagesschluss dann noch zwei Entscheidungen zur Frage der Volksverhetzung (§ 130 StGB) durch Verwendung des sog. (gelben)  Judensterns mit der Aufschrift „ungeimpft“. Ich stelle hier aber, da es zu der Problematik ja schon einiges an Rechtsprechung gibt, nur die Leitsätze vor, und zwar:

Es ist im Wege der Auslegung durch den Tatrichter festzustellen, ob sich die Verwendung eines sog. Judensterns mit der Aufschrift „Ungeimpft“ in sozialen Medien über die Gleichstellung der für Ungeimpfte mit den Maß-nahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen mit den durch die nationalsozialistische „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1. September 1941 verbundenen Beschränkungen hinaus auch als Verharmlosung des unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Völkermordes i.S.d. § 6 VStGB darstellt.

Zur Frage der Volksverhetzung gemäß § 130 Abs. 3 StGB, wenn im sozialen Netzwerk Facebook Profilbild eine Abbildung eines gelben Davidsterns, in dessen Mitte der Schriftzug „UNGEIMPFT“ steht sowie am oberen und unteren Bildrand der Zusatz: „Wieder soweit?“, verwendet wird.

StGB II: Schriftzug „Hängt die Grünen“ auf Wahlplakat, oder: Strafbare Volksverhetzung

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Und als zweite Entscheidung dann der BayObLG, Beschl. v. 19.10.2023 – 207 StRR 325/23 – zur Strafbarkeit des Schriftzuges „Hängt die Grünen“ auf einem Wahlplakat.

Das AG hat gegen den Angeklagten wegen Volksverhetzung in 20 tateinheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit öffentlicher Aufforderung zum Totschlag eine Geldstrafe festgesetzt. Das Landgericht hat den Angeklagten auf seine und die Berufung der Staatsanwaltschaft der Volksverhetzung in 20 tateinheitlichen Fällen, jeweils in Tateinheit mit öffentlicher Aufforderung zu Straftaten in Tateinheit mit Billigung von Straftaten schuldig gesprochen und ihn ebenfalls zu einer Geldstrafe  verurteilt.

Der Verurteilung lag nach den Feststellungen des Landgerichts zugrunde, dass der Angeklagte als Vorsitzender der Partei „Der III. Weg“ und presserechtlich Verantwortlicher die Fertigung eines Wahlplakates für den Bundestagswahlkampf und dessen Aufhängung an mindestens 20 verschiedenen Orten in Bayern und Sachsen veranlasste. Das Plakat ist rund 85 cm hoch und 59 cm breit. Es ist fast vollständig dunkelgrün eingefärbt. Im oberen Bereich bedeckt der großformatige Schriftzug „HÄNGT DIE GRÜNEN“ etwa die Hälfte des Plakates über eine Höhe von 44 cm. Jedes der drei Worte ist dabei in einer eigenen Zeile geschrieben. Der erste Buchstabe des ersten Wortes „HÄNGT“ hat eine Größe von 12 cm und eine Breite von 10 cm, beim zweiten Wort „DIE“ beträgt die Zeilenhöhe 7 cm, das dritte Wort „GRÜNEN“ sowie das Ausrufungszeichen dahinter haben eine Höhe von 10 cm. Darunter befindet sich mit einer Abdeckung von 10 cm der Höhe des Plakats und einer Zeichenhöhe von ca. 1,5 cm der Satz „Macht unsere nationalrevolutionäre Bewegung durch Plakatwerbung in unseren Parteifarben in Stadt und Land bekannt!“ auf insgesamt drei Zeilen geschrieben. Im unteren Drittel befindet sich ein wieder durch die Gestaltung deutlich hervorgehobener Schriftzug mit stilisiertem Wahlkreuz „Wählt Deutsch!“ sowie das Zeichen und ein Schriftzug der Partei „DER III. WEG“.

Gegen diese Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision. Er hält bereits den Inhalt des Wahlplakates für nicht strafbar und begehrt seinen Freispruch. Seine Revision hatte keinen Erfolg.

Ich stelle dann hier nur die Leitsätze ein – Rest der Begründung dann bitte im verlinkten Volltext selbst lesen:

1. Der Schriftzug „Hängt die Grünen“ auf dem Wahlplakat einer Partei verwirklicht den Tatbestand der Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB, weil nach den konkreten Umständen auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen andere Deutungsmöglichkeiten als diejenige, dass es sich hierbei um eine Aufforderung zur Verübung von Tötungsdelikten an Mitgliedern der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ handelt, ausgeschlossen werden können.

2. Ein Angeklagter, der zum Zeitpunkt der Anbringung der Wahlplakate Parteivorsitzender ist, auf den Plakaten als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts bezeichnet ist und an den die Plakatiergenehmigung gerichtet war, ist hierfür als Täter (§ 25 Abs. 1 StGB) verantwortlich.

3. Der Schriftzug „Hängt die Grünen“ auf dem Wahlplakat einer Partei verwirklicht den Tatbestand der Volksverhetzung nach §?130 Abs.?1 Nr.?1 StGB, weil nach den konkreten Umständen auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen andere Deutungsmöglichkeiten als diejenige, dass es sich hierbei um eine Aufforderung zur Verübung von Tötungsdelikten an Mitgliedern der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ handelt, ausgeschlossen werden können.

4. Ein Angeklagter, der zum Zeitpunkt der Anbringung der Wahlplakate Parteivorsitzender ist, auf den Plakaten als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts bezeichnet ist und an den die Plakatiergenehmigung gerichtet war, ist hierfür als Täter (§?25 Abs.?1 StGB) verantwortlich.

Schlagworte:
Hängt die Grünen, Wahlplakat, Volksverhetzung, Auslegung, Parteivorsitzender, Täter, Täterschaft, tatrichterliche Feststellungen

StGB I: Mal wieder Verharmlosen von NS-Verbrechen, oder: Herunterspielen/Beschönigen einer Tat

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Und dann heute StGB-Entscheidungen, darunter zwei Entscheidungen zur Volksverhetzung (§ 130 StGB). Beide kommen (wieder) vom BayObLG. „Wieder“ ist m.E. berechtigt, denn es kommen nach meinem Eindruck doch recht viele Entscheidungen zu der Problematik aus Bayern.

Hier dann zunächst der BayObLG, Beschl. v. 02.08.2023 -203 StRR 287/23. Es geht um den Begriff des Verharmlosens. Dazu das BayObLG:

„1. Bei den Äußerungen der Angeklagten in ihrer Mail vom 13.05.2022 handelt es sich um die Verharmlosung einer unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangenen Handlung der in § 6 Abs. 1 Völkerstrafgesetzbuch bezeichneten Art.

a) Ein Verharmlosen im Sinne des § 130 Abs. 3 StGB liegt dann vor, wenn eine unter der NS-Herrschaft begangene Tat in tatsächlicher Hinsicht heruntergespielt, beschönigt oder ihr wahres Gewicht verschleiert wird. Alle denkbaren Facetten agitativer Hetze wie auch verbrämter diskriminierender Missachtung sollen erfasst werden (BGH, Urteil vom 06.04.2000, 1 StR 502/99, juris, Rn. 13).

b) Eine derartige, Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosende Äußerung der Angeklagten hat das Amtsgericht Fürth im angefochtenen Urteil rechtsfehlerfrei festgestellt.

Das Gericht hat aus dem Wortlaut von deren Mailnachricht vom 13.05.2022 zu Recht darauf geschlossen, dass die Angeklagte ihr eigenes, vom Amtsgericht im Ergebnis als banal bezeichnetes Schicksal mit der Verfolgung und Vernichtung der Juden während der NS-Zeit gleichgesetzt habe. Sie habe ihre Problematik, dass sie seit mehr als 36 Jahren nicht als Deutsche i.S.v. Art 116 GG anerkannt worden sei, auf eine Stufe mit den an den Juden in Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus begangenen Verbrechen gestellt. Diese seien „als Deutsche abgeschafft“ und „als genetischer Abfall behandelt“ worden, es sei „nur das Endprodukt … anders“ gewesen. Mit dieser abgesehen vom „Endprodukt“ gleichstellenden Bezugnahme und mit der weiteren Äußerung, dass Hitler und seine Gefolgsleute zwölf Jahre lang die Existenzberechtigung und Gleichrangigkeit der deutschen Juden in Frage gestellt und auf persönliche Unterschiede verwiesen hätten, hat die Angeklagte ihr eigenes Schicksal der Nichtanerkennung mit dem Holocaust qualitativ wie quantitativ gleichgesetzt und hat durch diese Gleichsetzung die Gewalttaten des NS-Regimes gegen die jüdische Bevölkerung abgewertet und bagatellisiert.

2. Die Angeklagte hat dies auch öffentlich (§ 130 Abs. 3 StGB) getan, da sie ihre Mail an einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten und durch eine nähere Beziehung nicht verbundenen Personenkreis (Eisele/Schittenhelm in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 130 Rn. 22 unter Verweis auf § 186 Rn. 19 mit zahlreichen Nachweisen), nämlich an das Bundesverfassungsgericht sowie an Behörden und mehrere Pressestellen (Bildzeitung und Deutsche Presse-Agentur) schickte.

….“

Zur Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens dann nur der Leitsatz des BayObLG:

Ob eine Meinungsäußerung geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände festzustellen, bei der insbesondere die Art, der Inhalt, die Form und das Umfeld der Äußerung zu berücksichtigen sind, aber auch je nach den Umständen des Einzelfalls die Stimmungslage in der Bevölkerung, die politische Situation und der Zweck und die drohenden Auswirkungen der Äußerung.

Corona II: Judenstern mit Aufschrift „nicht geimpft“, oder: Keine Volksverhetzung

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Und als zweite Entscheidung zum „Corona-Komplex“ dann noch das OLG Braunschweig, Urt. v. 07.09.2023 – 1 ORs 10/23 – ebenfalls zur Volksverhetzung (§ 130 StGB).

Das AG hatte den Angeklagten mit Urteil v. 01.08.August 2022 von dem Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 Abs. 3 StGB) freigesprochen. Das Amtsgericht hatte folgende Feststellungen getroffen:

„„Der Angeklagte postete am 18.11.2020 willentlich auf seinem Facebook-Profil unter dem Nutzernamen …. eine Abbildung mit einem gelbfarbenen sechseckigen Stern mit der Aufschrift „NICHT GEIMPFT“ auf hellblauem rechteckigen Hintergrund, der wiederum auf einem schwarzen Hintergrund mit der Überschrift „beginnen“ abgebildet war. Der Angeklagte war zuvor über die Internetsuchpräsenz Google auf die dort aufzufindende verfahrensgegenständliche Abbildung, die als Aufdruck für T-Shirts angeboten wurde, aufmerksam geworden und lud sie anschließend als Beitrag auf seinem Facebook-Profil hoch. Der Angeklagte wollte durch den Beitrag auf seinem Facebook-Profil auf sich aufmerksam machen und sich selbst und seine durch die zur Tatzeit geltenden Beschränkungen durch die Landesverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie geprägte Lebenssituation darstellen, obwohl ihm die Bedeutung des sogenannten „Judensterns“ aus dem Geschichtsunterricht bekannt war.

Im Nachgang zur Tat erhielt der Angeklagte ihn anfeindende Reaktionen über die Plattform Facebook, in denen er teilweise auch als „Nazi“ betitelt wurde. Der Angeklagte löschte den Beitrag mit dem „Judenstern“ kurze Zeit nach seiner verantwortlichen Vernehmung bei der Polizei am 18.08.2021. Im weiteren Verlauf wurde der Facebook-Auftritt des Angeklagten durch die Plattformbetreiber gesperrt.“

Dagegen die (Sprung)Revision der StA, die keinen Erfolg hatte. Auch hier stelle ich nur die Leitsätze des OLG ein und verweise wegen der Begründung auf den Volltext:

1. Die Verwendung des „Judensterns“ unter Ersetzung des Wortes „Jude“ durch die Wörter „nicht geimpft“ erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB nicht, da die Verpflichtung der Juden zum Tragen des Judensterns, die durch die „Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden“ vom 1. September 1941 eingeführt wurde, für sich genommen noch keinen Völkermord im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 VStGB darstellt; die Kennzeichnung einer Gruppe ist juristisch von der „auf körperliche Zerstörung gerichteten lebensgefährlichen Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen“ zu trennen.

2. Die bloße Verwendung des „Ungeimpft-Sternes“ in einem – ggf. auch öffentlich zugänglichen – Facebook-Profil erfüllt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht den Tatbestand der Volksverhetzung gem. § 130 Abs. 3 StGB, da es an der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens fehlt.

3. Anschluss: KG, Urt. v. 11.05.2023 – (4) 121 Ss 124/22 (164/22); KG, Beschl. v. 13.02.2023 – (2) 121 Ss 140/22 (44/22); OLG Saarbrücken, Urt. v. 8.3.2021 – Ss 72/2020 (2/21)