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OWi II: 3 x etwas zur Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: Nachfahren, Provida, Toleranzwert, Vorsatz

Und dann hier ein paar Entscheidungen aus OWi-Verfahren, die Geschwindigkeitsüberschreitungen zum Gegenstand hatten, und zwar:

1. Bei einer Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren bei anschließendem Anhalten be-stimmt sich die prozessuale Tat nach § 264 StPO in erster Linie nach dem einem Betroffenen vorgeworfenen Fahrverhalten vor seiner Anhaltung. Exakte Tatzeit und exakter Tatort spielen eine untergeordnete Rolle.

2. Bei einer im standardisierten Messverfahren durchgeführten Geschwindigkeitsmessung ist der die technischen Unsicherheitsfaktoren abbildende Toleranzwert im Falle eines rechnerisch ermittelten Zwischenwerts immer auf den nächsthöheren ganzzahligen Wert aufzurunden.

1. Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf einer BAB um mindestens 45 km/h ist als zumindest „bedingt“ vorsätzlich zu qualifizieren.

2. Dass dem Betroffenen der Umfang einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 45 km/h ggf. nicht exakt bekannt war, steht der Annahme von (bedingtem) Vorsatz nicht entgegen. Denn die Differenz zwischen erlaubter und tatsächlich gefahrener Geschwindigkeit ist in diesem Fall so erheblich, dass jeder Kraftfahrer merken musste, dass er nicht nur zu schnell, sondern erheblich zu schnell fuhr.

Erfolgt die Geschwindigkeitsbestimmung mittels des Messgerätes ProVida 2000 modular durch eine Zeit-/Wegstreckenmessung und eine manuelle Berechnung der Geschwindigkeit durch nachträgliche Auswertung des Videomaterials, sind die spezifischen Toleranzwerte für Zeit- (plus 0,1 % der gemessenen Zeit vermehrt um 0,02 s) und Wegstreckenmessungen (abzüglich 4 % des gemessenen Wegs, mindestens aber 4 m) anzuwenden.

OWi I: Vorsatzverurteilung statt Fahrlässigkeit, oder: Abwesender/entbundener Betroffener

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Am heutigen Donnerstag ist „OWi-Tag“, und zwar mit drei verfahrensrechtlichen OLG-Entscheidungen.

Ich stelle zunächst den OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2025 – 1 ORbs 4/25 – vor.

Vorgeworfen wird dem Betroffenen zunächst eine fahrlässige Geschwindigkeitsüberschreitung. Gegen den deswegen ergangenen Bußgeldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Das AG bestimmte dann Hauptverhandlungstermin für den 26.09.2024. Mit der Ladung wies das AG den Betroffenen und seinen Verteidiger gemäß §§ 46 Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG, 265 StPO darauf hin, dass „im Hinblick auf den nach dem Messprotokoll vor der Messstelle vorhandenen Geschwindigkeitstrichter im Falle der Verurteilung auch die Annahme von grober Fahrlässigkeit und dann eine höhere Geldbuße als im Bußgeldbescheid in Betracht kommt“.

Zum Hauptverhandlungstermin am 26.09.2024 erschienen weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Da dieser im Vorfeld einen entsprechenden Antrag gestellt hatte, entband der Bußgeldrichter den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen und verhandelte in seiner Abwesenheit zur Sache. Im Verhandlungsprotokolls heißt es: „Die Vorsatzproblematik wurde erörtert und im Hinblick auf die qualifizierte Geschwindigkeitsüberschreitung von über 50 % im Bereich des Autobahndreiecks Havelland (besondere Gefährdung dort bei derartigen Überschreitungen) als hier vorliegend mitgeteilt. …“.

Verurteilt hat das AG den Betroffenen dann wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Dagegen die Rechtsbeschwerde, die Erfolg hatte:

„2. In der Sache hat sie – vorläufig – Erfolg. Der Betroffene dringt mit seiner Verfahrensrüge einer Verletzung seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs durch.

a) Der Betroffene hat mit seiner Beschwerdebegründung in einer den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344 Abs. 2 S. 2 StPO genügenden Weise vorgetragen, dass der Bußgeldrichter ihn nicht auf eine mögliche Verurteilung wegen Vorsatzes hingewiesen habe.
b) Eines solchen Hinweises auf die Änderung der Schuldform (Vorsatz statt Fahrlässigkeit) bedurfte es gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 265 StPO. Auf eine Änderung der Schuldform muss hingewiesen werden (BGH VRS 49, 184; OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 179; OLG Oldenburg StraFo 2011, 401; OLG Jena, Beschluss vom 30. Oktober 1996, 1 Ss 171/96, Juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Auflage, zu § 265, Rz. 11).

Der Hinweis war hier auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. Die Bußgeldbehörde hatte in ihrem Bescheid zwar nicht ausdrücklich eine Schuldform angegeben, war aber, wie die Höhe der dort verhängten Geldbuße (385,00 €) zeigt, von fahrlässiger Begehungsweise ausgegangen.

Das Bußgeldgericht hatte den Betroffenen und seinen Verteidiger in der Ladungsverfügung auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen grober Fahrlässigkeit hingewiesen, nicht aber auf eine solche wegen Vorsatzes. Gerade mit Blick auf diesen Hinweis durfte der Betroffene darauf vertrauen, nicht wegen einer Vorsatztat verurteilt zu werden.

Die „Erörterung der Vorsatzproblematik“ in der Hauptverhandlung war nicht geeignet, das rechtliche Gehör des Betroffenen zu wahren, denn dieser war mit Blick auf die antragsgemäß beschlossene Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung berechtigt nicht erschienen. Auch sein Verteidiger war nicht anwesend, sodass für den Betroffenen niemand von der „Erörterung der Vorsatzproblematik“ Kenntnis erhielt. Dem Beschwerdeführer ist zuzugeben, dass der Bußgeldrichter in dieser Situation verpflichtet war, die Hauptverhandlung zu unterbrechen oder gar auszusetzen, um den Hinweis schriftlich zu erteilen und dem Betroffenen Gelegenheit zu geben, seine Verteidigung hierauf einzurichten (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 05. November 2015, 2 Ws 215/15, Rz. 8 f., Juris).“

OWi II: Vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung, oder: „Geschwindigkeitstrichter“ übersehen?

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Die zweite Entscheidung kommt dann auch aus Bayern, und zwar handelt es sich um den BayObLG, Beschl. v. 17.02.2025 – 201 ObOWi 26/25 -, den ich heute wegen der Ausführungen des BayObLG zum Vorsatz vorstelle. Wegen der anderen Frage komme ich auf die Entscheidung nochmals zurück.

Das AG hat den Betroffenen wegen „fahrlässiger“ Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerorts um 90 km/h verurteilt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts.  Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil im Tenor dahingehend zu berichtigen, dass der Betroffene der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig ist und im Übrigen zu verwerfen.

Das BayObLG kommt dem Antrag nach:

„c) Soweit das Amtsgericht in seinen Gründen von vorsätzlichem Verhalten des Betroffenen ausgegangen ist, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.

Die Annahme eines vorsätzlichen Geschwindigkeitsverstoßes erfordert grundsätzlich, dass sich der Täter der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auch bewusst ist. Dies gilt insbesondere für den auf einer Bundesautobahn begangenen Verstoß, weil dort für Pkw keine allgemeine Höchstgeschwindigkeit besteht (§ 3 Abs. 3 Nr. 2c, § 18 Abs. 5 StVO). Insoweit ist erforderlich, dass der Betroffene die Beschränkung der Geschwindigkeit durch Verkehrszeichen tatsächlich wahrgenommen hat (OLG Koblenz, Beschl. v. 17.10.2012 – 2 SsBs 76/12 bei juris = ZfSch 2013, 471). Denn einen Erfahrungssatz, wonach gut sichtbare Verkehrszeichen immer gesehen werden, gibt es nicht (OLG Bamberg, Beschl. v. 26.04.2013 – 2 Ss OWi 349/12, bei juris = DAR 2014, 38).

Der Tatrichter muss die Möglichkeit, dass der Betroffene ein solches Verkehrszeichen übersehen hat, aber auch nur dann in Rechnung stellen und in den Urteilsgründen erörtern, wenn hierfür Anhaltspunkte vorliegen oder der Betroffene dies im Verfahren konkret einwendet (OLG Celle, Beschl. v. 28.10.2013 – 322 SsRs 280/13 bei juris = NZV 2014, 232). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Da die Geschwindigkeitsüberschreitung im Baustellenbereich stattfand und der Betroffene vor der Messung viermal doppelseitig aufgestellte Verkehrszeichen passiert hatte, mit denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit sukzessive auf 80 km/h herabgesetzt wurde (Geschwindigkeitstrichter), drängte sich im Gegenteil der Schluss, dass er die Begrenzung auch bemerkt hatte, geradezu auf.

Es entspricht weiterhin der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass bei erheblichen Geschwindigkeitsüberschreitungen um mehr als 40% regelmäßig von vorsätzlicher Tatbegehung des Betroffenen ausgegangen werden kann, wenn dieser, wie hier, die zulässige Höchstgeschwindigkeit kannte (vgl. nur BayObLG, Beschl. v. 10.07.2023 – 201 ObOWi 621/23 bei juris m.w.N.). Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Ausnahmekonstellation sind nicht ersichtlich.

d) Richtig ist, dass der Betroffene laut des Tenors des ihm zugestellten Urteils nur wegen fahrlässigen Verhaltens verurteilt wurde. Der Senat berichtigt insoweit den Schuldspruch.

Bei einer Abweichung des Urteilstenors von der rechtlichen Würdigung liegt ein Widerspruch innerhalb der schriftlichen Urteilsgründe vor, der auf die Sachrüge hin zu beachten ist. Der Senat sieht insoweit keinen Anlass, von Amts wegen nachzuprüfen, welcher Tenor verkündet wurde, denn eine zulässige Verfahrensrüge ist nicht erhoben worden (vgl. BGH, Beschl. v. 23.06.2020 – 5 StR 189/20; v. 27.01.2021 – 6 StR 399/20; u.v. 03.05.2019 – 3 StR 462/18 jew. bei juris m.w.N.).

Vielmehr kann er auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen selbst auf den zutreffenden und rechtsfehlerfrei begründeten schwereren Schuldspruch erkennen, ohne durch das Verschlechterungsverbot gehindert zu sein (BGH, Beschl. v. 23.06.2020 a.a.O.).“

OWi I: Verwirrende Beschilderung wegen „Klappschild“, oder: Bemerkenswerte Diktion des OLG Frankfurt/Main

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Heute dann OWi-Entscheidungen.

Den Reigen eröffne ich mit dem OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 20.01.2025 – 2 ORbs 4/25. Das AG hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 86 km/h zu einer Geldbuße von 900,00 Euro verurteilt sowie ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet.

Der Betroffene hatte mit 146 km/h die A 7 befahren. Auf Grund einer Lkw-Kontrolle war dort an der „Vorfallsstelle“ in zur Sicherung der Kontrolle und der damit betroffenen Personen die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h reduziert und ein Überholverbot für Lkw und Busse angeordnet worden. Zu diesem Zweck waren sog. „Klappschilder“ verwendet worden. Diese sind vorbereitet an der Autobahn abgebracht und können „ausgeklappt“ werden, so dass damit für den Sicherungszweck – hier die Lkw-Kontrolle – situationsbezogen die Geschwindigkeit reduziert wird.

Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er zusammengefasst einwendet, das Schild, das die Geschwindigkeit reduziert hat, nicht verstanden, bzw. nicht auf sich bezogen zu haben, da es sich um „eine völlig verwirrende Beschilderung“ gehandelt habe.

Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg, sondern:

„Der Senat macht davon Gebrauch die Schuldform auf Grund der rechtsfehlerfreien Feststellungen des Amtsgerichts auf „vorsätzliche“ Begehung umzustellen. An der gebotenen Erhöhung des Bußgeldes ist der Senat wegen des Verschlechterungsverbots rechtlich gehindert.

Die Verteidigung begründet ihren Vortrag „einer völlig verwirrenden Beschilderung“ durch Vorlage der Lichtbilder der Beschilderung. Darauf ist die Geschwindigkeitsreduktion auf 60 km/h und darunter ein Überholverbot für Lkw und Busse angeordnet. Was an dieser einfach zu verstehenden Beschilderung „verwirrend“ sein soll, wird nicht ausgeführt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Dass der Betroffene bereits diese einfache und klar verständliche Anordnung nicht versteht, begründet kein Verbotsirrtum, wie die Verteidigung vorträgt, sondern lediglich die Notwendigkeit der Überprüfung, ob der Betroffene nach eigenem Bekunden noch kognitiv in der Lage ist weiter am Straßenverkehr teilzunehmen. Das ergibt sich im Übrigen auch schon daraus, dass derjenige, der „etwas nicht versteht“ und sich damit in einer „unsicheren oder ungewissen“ Verkehrssituation befindet bereits nach § 1 StVO zu „ständigen Vorsicht und gegenseitige Rücksicht verpflichtet ist und sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird“.

Wer wie der Betroffene „Verkehrsschilder“ nicht versteht oder verstehen will, auf denen Verhaltensregeln angezeigt werden, die einen Regelungseingriff in den Verkehrsfluss vorgeben und statt der gebotenen Rücksicht, genau das Gegenteil tut, indem er statt 60 km/h 146 km/h fährt, entscheidet sich bewusst und gewollt dazu Regelungen und Verkehrssituation zu ignorieren. Er stellt sich mit Absicht gegen die Rechtsordnung, gefährdet bewusst und gewollt Andere und dies alleine um des eigenen schnelleren Fortkommens willen.

In der Folge sind auch im Rechtsfolgenausspruch keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ersichtlich. Insbesondere tragen die getroffenen Feststellungen auch die Anordnung des dreimonatigen Regelfahrverbots nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit BKatV Anlage Nr. 11.3.10. Die grobe Pflichtverletzung ergibt sich vorliegend aus der Geschwindigkeitsüberschreitung von 86 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften, für die in Lfd. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 c) BKatV ein Regelfahrverbot von 3 Monaten vorgesehen ist.

Das Fahrverbot war zu verhängen, da die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und keine außergewöhnlichen Umstände gegeben sind (st. Rspr. des OLG Frankfurt am Main, vgl. z. B. Beschluss vom 26.04.2023 – 3 ORbs 69/23). Insbesondere vermag der Umstand, dass der Betroffene aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen ist, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nur dann zu rechtfertigen, wenn die Maßnahme in Bezug auf den Grad des Verstoßes zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art führen würde. Eine derartige Härte kann gegeben sein, wenn die Maßnahme zum belastbar nachgewiesenen Verlust des Arbeitsplatzes oder zur Existenzgefährdung führen würde und diese Folgen nicht durch zumutbare eigene Kompensationshandlungen vermieden werden können. Dazu gehören neben der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel, auch unbezahlter Urlaub, die Einstellung eines Fahrers, oder die Kreditaufnahme zur Finanzierung derartiger Kompensationen. Sonstige berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art sind grundsätzlich als Folge der Tat hinzunehmen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.02.2023 – 1 Ss-OWi 12/23).

Derartige durchgreifende Härten sind weder in prozessual zulässiger Weise, noch belastbar, vorgetragen, und auch sonst nicht ersichtlich.“

Eine „bemerkenswerte“ Diktion des OLG.

 

StGB I: Beimischung von Heizöl zur Diesellieferung, oder: Steuerhinterziehung des Tankwagenfahrers?

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Und ich setze heute die Berichterstattung fort mit StGB-Entscheidungen.

Den Reigen eröffne ich mit dem BGH, Beschl. v. 11.09.2024 – 1 StR 304/24 – zur Frage der Steuerhinterziehung eines Tankwagenfahrers.

Das LG hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 63 Fällen verurteilt. Dagegen die Revision, die beim BGH Erfolg hatte:

„1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die bisherigen Feststellungen tragen zwar den objektiven Tatbestand einer täterschaftlich verwirklichten Steuerhinterziehung, nicht jedoch die Annahme, der Angeklagte habe insoweit vorsätzlich gehandelt.

a) Der Angeklagte war im Tatzeitraum als angestellter Tankwagenfahrer in dem Betrieb des früheren, zwischenzeitlich verstorbenen Mitangeklagten tätig. Als das Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten war, fasste der frühere Mitangeklagte spätestens Anfang 2015 den Entschluss, den Angeklagten und weitere angestellte Kraftfahrer anzuweisen, Diesellieferungen verdeckt Heizöl beizumischen. Die Kunden sollten so veranlasst werden, für die gesamte bezogene Menge den höheren Preis für Diesel inclusive der im Vergleich zum Heizöl deutlich höheren Energiesteuer zu entrichten. Die Preisdifferenz zwischen dem tatsächlich gelieferten Heizöl und dem Diesel sowie der Steuervorteil, der daraus resultierte, dass der frühere Mitangeklagte für den beigemischten Anteil an Heizöl auch nur die insoweit anfallende – gegenüber Diesel merklich niedrigere – Energiesteuer abführte, sollten den Fortbestand des Unternehmens und damit auch des Arbeitsplatzes des Angeklagten sowie der weiteren Angestellten sichern.

Der Angeklagte kam dieser Anweisung seines Vorgesetzten nach und mischte in der Zeit von 26. Januar 2016 bis 27. April 2017 bei 63 Lieferungen Diesel jeweils einen Anteil zwischen 3,044 und 8,3 Prozent Heizöl bei. Er war sich dabei bewusst, dass die Beimischung von Heizöl aus steuerrechtlichen Gründen verboten ist. Das hierdurch bedingte Entstehen einer besonderen Steuerlast, für die zumindest der frühere Mitangeklagte als Verantwortlicher des Unternehmens anmeldepflichtig war, hielt er für möglich und nahm billigend in Kauf, dass sein Chef durch die Verletzung seiner Anmeldepflicht Steuern in erheblichem Umfang verkürzte. Dass der Angeklagte auch mit der Möglichkeit rechnete, selbst anmeldepflichtig zu sein, hat die Strafkammer indes nicht festgestellt.

b) Das Landgericht hat den Angeklagten wegen 63 in Mittäterschaft begangenen Taten der Steuerhinterziehung verurteilt ( § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO , § 25 Abs. 2 StGB , § 21 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 Satz 1 und 4 EnergieStG , § 46 Abs. 1 , § 48 Abs. 1 Nr. 1a Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes [EnergieStV]). Es ist dabei davon ausgegangen, der Angeklagte habe bezogen auf die Anmeldepflicht des Mitangeklagten nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG , § 46 Abs. 1 , § 48 Abs. 1 Nr. 1a EnergieStV mit dem früheren Mitangeklagten mittäterschaftlich eine Steuerhinterziehung durch Unterlassen begangen.

c) Die Urteilsfeststellungen tragen im Ergebnis den objektiven Tatbestand einer in Mittäterschaft begangenen Steuerhinterziehung durch Unterlassen ( § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO , § 25 Abs. 2 StGB ).

Zwar hat das Landgericht übersehen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Senats Täter einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen nur derjenige sein kann, der selbst zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 9. April 2013 – 1 StR 586/12 , BGHSt 58, 218 Rn. 52 und 64 mwN), mithin täterschaftliches Handeln des Angeklagten in Bezug auf die Anmeldepflicht des früheren Mitangeklagten nicht in Betracht kommt.

Es ist jedoch im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Anmeldepflicht nach § 21 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 Satz 1 und 4 EnergieStG neben den Mitangeklagten auch den Angeklagten trifft. Denn Steuerschuldner nach § 21 Abs. 1 Satz 1 , Abs. 2 Satz 1 EnergieStG ist jeder, der die in § 21 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG genannten Handlungen (Bereithalten, Abgeben, Mitführen oder Verwenden) vornimmt. Verwirklichen mehrere Personen bezogen auf dasselbe Energieerzeugnis die genannten Handlungen, so entsteht die Steuer mehrfach; die Täter haften als Gesamtschuldner ( § 21 Abs. 2 Satz 2 EnergieStG ). Der Angeklagte gab das Diesel-Heizölgemisch ab und war daher Steuerschuldner nach § 21 Abs. 2 Satz 1 EnergieStG .

d) Da die Urteilsfeststellungen indes nicht belegen, dass der Angeklagte auch in Bezug auf seine eigene Anmeldepflicht vorsätzlich handelte, hält der Schuldspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Urteil unterliegt daher der Aufhebung. Hiervon nicht betroffen sind die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, die bestehen bleiben ( § 353 Abs. 2 StPO ).“18 Rn. 52 und 64 und vom 22. September 2021 – 1 StR 345/19 Rn. 40 jeweils mwN).