Klima: Klimakleber-Straßenblockaden sind Nötigung, oder: Verwerflichkeitsklausel

entnommen wikimedia commons Author Jan Hagelskamp1

Und heute dann Entscheidungen zu Themen, die uns in der letzten Zeit bewegt haben, die derzeit aber nicht so im Fokus stehen, dass man einen ganzen Tag damit füllen kann. Daher gitb es auch keine Zählung 🙂 .

Ich beginne mit einer Entscheidung zu den Klimaaktivisten, und zwar mit dem OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.02.2024 – 2 ORs 35 Ss 120/23 – zur Beurteilung der Verwerflichkeit von Straßenblockaden.

Das OLG ist von folgendem Schverhalt ausgegangen:

„Nach den getroffenen Feststellungen beteiligte sich der Angeklagte am 7.2.2022, am 11.2.2022 und am 15.2.2022 an jeweils nicht angemeldeten und nicht angekündigten Straßenblockaden des Aktionsbündnisses „Aufstand Letzte Generation“ in Freiburg. Blockiert wurden am 7.2.2022 ab ca. 8:20 Uhr die Lessingstraße/B 31a in Höhe der Kronenbrücke einschließlich der Abfahrt zur Kronenstraße, am 11.2.2022 ab ca. 8:20 Uhr die Lessingstraße/B 31a in Höhe der Kaiserbrücke in östlicher Richtung sowie am 15.2.2022 ab ca. 8:14 Uhr die Fahrbahn des Autobahnzubringers A 5 Freiburg Nord an der Einmündung zur L 187/B 294. Der Angeklagte setzte sich jeweils mit weiteren Beteiligten auf die Straße. Bei den Blockaden am 7.2.2022 und am 15.2.2022 klebten sich drei bzw. zwei weitere Beteiligte mit Sekundenkleber am Asphalt der Fahrbahn so versetzt fest, dass jeweils die Möglichkeit zur Bildung einer Rettungsgasse bestand. Polizeilichen Aufforderungen zur Räumung der Fahrbahn kam der Angeklagte jeweils nicht nach, weshalb er jeweils ohne Gegenwehr von der Polizei von der Fahrbahn getragen wurde, bei der Aktion am 7.2.2022 um 9:43 Uhr. Die polizeiliche Räumung der Fahrbahn war am 11.2.2022 um 8:57 Uhr und am 15.2.2022 um 9:15 Uhr beendet.

Zu den Auswirkungen der Blockaden sind im Urteil folgende Feststellungen getroffen:

? 7.2.2022: Der Verkehr kam vollständig zum Erliegen. Es entstanden innerhalb kürzester Zeit ein mehrere Kilometer langer Rückstau bis hin zur Berliner Allee und eine Zeitverzögerung von mindestens 30 – 45 Minuten.

? 11.2.2022: Trotz sofort durch die Polizei eingeleiteter Umleitungsmaßnahmen kam es zu vorübergehenden Verkehrsbeeinträchtigungen.

? 15.2.2022: Es kam zu erheblichen Verkehrsbeeinträchtigungen. Der Verkehr auf der BAB A 5 staute sich in südlicher Richtung bis auf ungefähr 18 Kilometer. Der Verkehr normalisierte sich erst gegen 10:08 Uhr wieder.

Mit den Sitzblockaden wollte der Angeklagte auf das Problem der Lebensmittelverschwendung hinweisen und für ein entsprechendes „Essen-Retten-Gesetz“, nach dem große Supermärkte genießbares Essen nicht mehr wegwerfen dürften, sondern weiterverteilen müssten, eintreten. Durch die Demonstrationen wollte der Angeklagte sowohl mediale Aufmerksamkeit als auch bei den Autofahrern für die Verschwendung von Lebensmitteln und den zu hohen CO2-Ausstoß insgesamt schaffen. Ziel sei es, durch ein entsprechendes Gesetz die Ernährungssicherheit für die Zukunft zu schaffen und die Freisetzung von Treibhausgasen zu reduzieren. Zudem tritt die „Letzte Generation“ auch für eine Mobilitätswende ein und fordert u.a. eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h auf Autobahnen. Das Aktionsbündnis möchte mit den Blockaden auch darauf hinweisen, dass die Bundesregierung aktuell zu wenig für den Klimaschutz unternehme. Ein „Deeskalationsteam“ versuchte dazu mit den Autofahrern ins Gespräch zu kommen und verteilte entsprechende Flyer.

Das AG hat den Angeklagten aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Es hat zwar jeweils den Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) als verwirklicht angesehen, jedoch in allen Fällen die die Rechtswidrigkeit begründende Verwerflichkeit gemäß § 240 Abs. 2 StGB verneint. Dagen die Revision der Staatsanwaltschaft , die Erfolg hatte.

Ich stelle hier, das die Fragen ja nicht neu sind, nur den Leitsatz der Entscheidung ein. Rest dann bitte selbst lesen:

    1. Bei Blockadeaktionen mit Versammlungscharakter ist bei der Prüfung der Verwerflichkeit (§ 240 Abs. 2 StGB) eine Beurteilung aller für die Mittel-Zweck-Relation wesentlicher Umstände und eine Abwägung der auf dem Spiel stehenden Rechte, Güter und Interessen nach ihrem Gewicht im jeweiligen Einzelfall vorzunehmen, ohne dass das mit der Blockade verfolgte inhaltliche Anliegen bewertet werden darf.
    2. Um die so vorgenommene Bewertung nachvollziehbar zu machen, müssen die tatsächlichen Grundlagen der im Einzelfall wesentlichen Umstände im Urteil festgestellt sein.

 

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