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OWi III: Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung, oder: Umfang der Verteidigervollmacht

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Und im dritten Posting habe ich dann noch etwas zum Umfang der Verteidigervollmacht, und zwar den OLG Oldenburg, Beschl. v. 15.08.2024 – 2 ORbs 114/24.

Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 260 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, die er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das OLG hat die Beschränkung als wirksam angesehen:

„Die Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch ist wirksam:

Es kann dahinstehen, ob die Ermächtigung nicht bereits aus der dem Verteidiger erteilten Vertretungsvollmacht folgt. Auch die Rechtsprechung, die dieses ablehnt und zudem unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die bei Übernahme des Mandats im Rahmen der Vollmachtserteilung eingeräumte allgemeine Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln nicht ausreichen lässt (so zum Beispiel Bayerisches Oberstes Landesgericht, ZfSch 2024, 229 f.), macht dann eine Ausnahme, wenn die Vollmacht gerade für die Durchführung eines konkreten Rechtsbehelfs erteilt worden war. So akzeptiert diese Rechtsprechung es als ausreichend, wenn ein Einspruch auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt wurde, nachdem die Vollmacht im Zusammenhang mit dem Erlass eines Bußgeldbescheides erteilt worden ist, wobei dies sogar dann gelten soll, wenn der Bußgeldbescheid zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung noch nicht erlassen war (Bayerisches Oberstes Landesgericht, a. a. O.).

Hier ist die Vollmacht erteilt worden nach „Anhörung im Bußgeldverfahren“ und berechtigte gemäß Ziffer 10 zur „Zurücknahme von Rechtsmitteln“.

In Fortentwicklung der vorgenannten Rechtsprechung, sieht der Senat unter Berücksichtigung der Besonderheit, dass es im Bußgeldverfahren gegen Urteile als Rechtsmittel lediglich die Rechtsbeschwerde bzw. den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gibt, die erteilte Befugnis zur Rücknahme von Rechtsmitteln auch für die Rechtsbeschwerde als ausreichend an. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich beim Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid (s.o.) nicht einmal um ein Rechtsmittel handelt, sondern um einen Rechtsbehelf eigener Art (vgl. BT- Drucks. V/1269 S. 93.).

Unabhängig davon hat der Verteidiger des Betroffenen auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass der Betroffene mit der Beschränkung des Rechtsmittels „ausdrücklich einverstanden“ gewesen sei, so dass der Verteidiger über die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche Ermächtigung verfügt hat.“

Und die Rechtsbeschwerde hatte dann auch Erfolg. Das OLG hat das Fahrverbot entfallen lassen:

„Vorliegend haben folgende Umstände den Senat zu dieser ihm durch § 79 Abs. 6 OWiG ermöglichten eigenen Sachentscheidung veranlasst:

Der Betroffene ist 86 Jahre alt und hat keine Eintragungen im Register. Tatort war eine -wenn auch innerörtliche- Bundesstraße. Die Tatzeit war 23:50 Uhr.

Das Amtsgericht ist offenbar zugunsten des Betroffenen davon ausgegangen, dass dieser “dringend ein Krankenhaus aufsuchen musste“ und ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffenen unter Schmerzen gelitten hat.

Darüber hinaus hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Betroffene selbst nur über eine Rente von 312 € verfüge. Es ist wohl auch davon ausgegangen, dass der Betroffene „nicht gut laufen“ könne. Wie aber Taxifahrten zu den regelmäßigen Arztbesuchen bei einem Einkommen von 312 € bezahlt werden könnten, ist nicht ersichtlich, da die vom Amtsgericht aufgezeigte Möglichkeit einer Kreditaufnahme rein theoretischer Natur sein dürfte. Soweit das Amtsgericht auf ein höheres Einkommen der Ehefrau des Betroffenen abstellt, ist dieses für die gegen ihn zu verhängende Sanktion irrelevant.

Da somit im Hinblick auf die Tat als solche, als auch bezüglich der Auswirkungen eines Fahrverbotes auf den Betroffenen, bereits nach den getroffenen (knappen) Feststellungen, eine Reihe entlastender Umstände vorliegen, hat der Senat das Fahrverbot entfallen lassen. In Anbetracht der Einkommensverhältnisse des Betroffenen hat er auch von einer Erhöhung der Geldbuße abgesehen.“

StPO II: Rechtsmittelbeschränkung in der Berufung, oder: Reicht(e) die Vollmacht?

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In der zweiten Entscheidung, dem 12 – geht es um die Wirksamkeit der Rechtsmittelbeschränkung in der Berufung im Strafbefehlsverfahren, und zwar um die Frage, ob die der Verteidigerin erteilte Vollmacht dafür ausreichte. Dazu führt das KG aus:

„a) Dem Rechtsmittel wäre gleichwohl der Erfolg versagt geblieben, weil die frühere Verteidigerin auf Grundlage der Vollmacht vom 26. März 2019 die Rechtsmittelbeschränkung wirksam erklären konnte. Im Hinblick auf die erhobene Sachrüge hatte der Senat die Wirksamkeit der Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch von Amts wegen und ohne Bindung an die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu überprüfen (vgl. BGHSt 27, 70, 72; Senat RuP 2020, 238, 240 und Beschluss vom 8. März 2013 — (4) 161 Ss 21/13 (28/13) — [juris-Rdn. 5]; OLG Braunschweig NStZ 2016,563; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 65. Aufl., § 318 Rdn. 33, § 352 Rdn. 4).

Die in der Hauptverhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl vor dem Amtsgericht am 21. Februar 2020 für den abwesenden Angeklagten als Vertreterin aufgetretene vormalige Verteidigerin war aufgrund der Vollmacht vom 26. März 2019 (BI. 31 d.A.) nach § 411 Abs. 2 StPO zur Erklärung der Beschränkung des Einspruchs auf das Strafmaß ermächtigt. § 411 Abs. 2 StPO verlangt im Interesse des Angeklagten eine über die Bevollmächtigung als Beistand gemäß § 137 Abs. 1 Satz 1 StPO hinausgehende nachgewiesene Vollmacht zur Vertretung im Prozess (vgl. BGHSt 9, 356, 357; KG StraFo 2019, 470, 471 und NStZ 20.16, 234 mit Anm. Mosbacher; OLG Karlsruhe NStZ 1983, 43; OLG Saarbrücken NStZ 1999, 265, 266; Maur in KK-StPO 8. Auflage, § 411 Rdn. 12; Eckstein in MüKo-StPO, § 411 Rdn. 29, 30; Gaede in LR-StPO 27. Aufl., § 411 Rdn. 31, 32; Metzger in KMR-StPO, § 411 Rdn. 13; Degener in SK-StPO 5. Aufl., § 411 Rdn. 12; Momsen in SSW-StPO 4. Aufl., § 411 Rdn. 8; Brauer in HK-StPO 6. Aufl., § 411 Rdn. 11; Andrejtschitsch in HK-GS 5. Aufl., § 411 Rdn. 7; Alexander in Radtke/Hohmann, StPO, § 411 Rdn. 17). Dem genügt die schriftliche Vollmacht vom 26. März 2019, die in der Sache, wegen Beleidigung“ zur „Verteidigung und Vertretung. insbesondere auch in meiner Abwesenheit“, in allen Instanzen ermächtigte und in der Hauptverhandlung über den Einspruch gegen den Strafbefehl vorlag. Nicht erforderlich ist, dass die Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO in der Vollmacht besonders erwähnt wird (vgl. BGHSt 9, 356, 357 und OLG Düsseldorf VRS 81, 292 [es muss nicht einmal die „Vertretung in Abwesenheit“ genannt sein]; Metzger a.a.O.; Degener a.a.O.). Der Umstand, dass die Vollmacht bereits im Ermittlungsverfahren vor Erlass des Strafbefehls unterzeichnet wurde, steht einer wirksamen Ermächtigung nach § 411 Abs. 2 StPO nicht entgegen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

b) Der Senat hat bereits entschieden, dass ein mit solcher ausdrücklicher Vollmacht ausgestatteter Verteidiger als Vertreter des Angeklagten im Sinne des § 411 Abs. 2 StPO befugt ist, sämtliche zum Verfahren gehörenden Erklärungen abzugeben, zu denen Rechtsmittelrücknahmen und somit auch Rechtsmittelbeschränkungen, die Teilrücknahmen darstellen, gehören (vgl. Senat, Beschlüsse vorn 1. Juli 2020 — (4) 121 Ss 71/20 (74/20) — [juris-Rdn. 4] und vom 13. Mai 2009 — (4) 1 Ss 155/09 (94/09) —, jeweils mwN).

c) Entgegen der Annahme des Verteidigers lag den von ihm herangezogenen Entscheidungen des OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25. Februar 2013 — 111-3 RVs 24/13 — [juris]) und des Kammergerichts (NJW 2009, 1686) jeweils ein anderer Sachverhalt zugrunde, weshalb sich die Entscheidungen nicht mit einer Beschränkungserklärung eines nach § 411 Abs. 2 StPO zur Vertretung befugten und hierzu bereiten Verteidigers in der Hauptverhandlung befassen (vgl. dazu jeweils im Einzelnen Senatsbeschluss vom 1. Juli 2020 — (4) 121 Ss 71/20 (74/20) — [juris-Rdn. 7 ff.]).

Das gilt auch für die vom Verteidiger zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 22. August 2016 — 2 Ss 233/16 [juris]), in der der zunächst unbeschränkte Einspruch schriftlich — und nicht gemäß § 411 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung — beschränkt wurde, so dass die allgemeinen Rechtsgrundsätze hinsichtlich des Erfordernisses einer ausdrücklichen Ermächtigung des Verteidigers zur Rechtsmittelrücknahme nach § 302 Abs. 2 StPO angewendet wurden.

Da sich die Entscheidungen des OLG. Frankfurt und des OLG Düsseldorf hiernach nicht mit einer Beschränkungserklärung eines nach § 411 Abs. 2 StPO zur Vertretung befugten und hierzu bereiten Verteidigers in der Hauptverhandlung befassen, war die Sache entgegen der Auffassung des Verteidigers nicht gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorzulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 1. Juli 2020 — (4) 121 Ss 71/20 (74/20) — [juris-Rdn. 8]).

Der vom Verteidiger erwähnten Senatsentscheidung StV 2016, 152 (Ls) lag die schriftliche Rücknahme einer Berufung zugrunde, für welche der Verteidigerin die ausdrückliche Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO fehlte (vgl. zu den Gründen Beschluss vom 8. Januar 2015 — 4 Ws . 128/14 — [juris-Rdn. 1]). Zur Berufungshauptverhandlung war weder der Angeklagte, der sich in Untersuchungshaft befand, noch seine Verteidigerin erschienen. In einem Telefonat der Vorsitzenden mit der Verteidigerin hatte letztere erklärt, sie nehme die Berufung als bevollmächtigte Wahlverteidigerin zurück und werde ein gleichlautendes Fax übersenden. Mit Schriftsatz vom selben Tage erklärte die Verteidigerin die Berufungsrücknahme.

Auch diese Entscheidung setzt sich folgerichtig nicht mit den Befugnissen der Verteidigerin im Falle der Vertretung nach § 411 Abs. 2 StPO auseinander.

Ähnlich lag es schließlich bei der: vom Verteidiger zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 2. August 2000 — 3 StR 284/20 — [juris]). Dort hatte der Verteidiger mittels eines Schriftsatzes die Rücknahme der Revision erklärt; als Vertreter des Angeklagten nach § 411 Abs. 2 StPO war er nicht aufgetreten. Für die Rücknahme hätte • es — wie in den zuvor erwähnten Entscheidungen — einer ausdrücklichen Ermächtigung nach § 302 Abs. 2 StPO bedurft, die nicht in der bei Übernahme des Mandats erteilten allgemeinen Ermächtigung zur Rücknahme von Rechtsmitteln lag.“

Rechtsmittel II. Beschränkung des Einspruchs in der HV, oder: Erinnerungslücke beim Verteidiger?

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Die zweite Entscheidung des Tages, der KG, Beschl. v. 17.03.2022 – 3 Ws (B) 33/22 – ja ich weiß, schon etwas älter – nimmt u.a. zur Rücknahme einer Rechtsmittelbeschränkung und zur Ermächtigung des Verteidigers zur Rechtsmittelbeschränkung Stellung. Er stammt zwar aus dem Bußgeldverfahren, aber die Ausführungen des KG haben darüber hinaus Geltung.

Hintergrund der Ausführungen ist, die Frage, ob der Verteidiger In der Hauptverhandlung die Beschränkung des Einspruchs auf die Rechtsfolgen erklärt hatte. Das KG hält den Verteidiger/Betroffenen am Inhalt des Protokolls fest:

„Soweit der Vortrag des Verteidigers, er könne sich an die Abgabe einer Beschränkungserklärung nicht erinnern, nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 300 StPO dahin auszulegen ist, eine wirksame Erklärung dieser Art existiere nicht, dringt er damit nicht durch. Die auf die Sachrüge durch das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen vorzunehmende Prüfung (vgl. Senat NStZ 2020, 428; Beschlüsse vom 6. Juli 2021 – 3 Ws (B) 154/21 – und 26. August 2020 – 3 Ws (B) 163/20 -, juris) hat durchgreifenden Bedenken weder an der Existenz der Erklärung der Einspruchsbeschränkung, noch an deren Wirksamkeit ergeben.

Dass eine solche Erklärung abgegeben worden ist, ergibt sich unmissverständlich aus dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls, das gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 274 Satz 1 StPO vollen Beweis darüber erbringt. Ausweislich Seite 2, letzter Absatz des Protokolls vom 31. August 2021 ist die vom Verteidiger erklärte Einspruchsbeschränkung vorgelesen und von diesem genehmigt worden. Hinzu tritt, dass sich der zuständige Amtsrichter, durch den Senat freibeweislich befragt, zwar nicht mehr an die Einzelheiten des Zustandekommens der Erklärung erinnern konnte, wohl aber daran, dass sie vom Verteidiger tatsächlich abgegeben worden ist.

(2) Die Rechtsmittelbeschränkung ist wirksam. Gemäß § 67 Abs. 2 OWiG kann der Einspruch auf einzelne Beschwerdepunkte, namentlich – wie hier – auf die Rechtsfolgen insgesamt, beschränkt werden, sofern die im Bußgeldbescheid beschriebene Tat als solche hinreichend konkretisiert ist (vgl. Senat, Beschluss vom 26. August 2020 a.a.O.; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 67 Rdn. 34e; Ellbogen in KK-OWiG 5. Aufl., § 67 Rdn. 55 m.w.N.). Das ist hier der Fall, denn der Bußgeldbescheid enthält alle nach § 66 OWiG erforderlichen Angaben als Grundlage für einen Rechtsfolgenausspruch einschließlich einer hinreichend präzisen Angabe zum Ort der Tat im Sinne von § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG; der Angabe einer Hausnummer bedarf es – anders als der Verteidiger in seinem Schriftsatz vom 15. März 2022 meint – nicht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2018 – 3 Ws (B) 238/18 -, juris). Dass im Bußgeldbescheid ausdrückliche Angaben zur verwirklichten Schuldform fehlen, steht einer hinreichenden Tatkonkretisierung nicht entgegen. Denn die Bußgeldbehörde hat – worauf die zitierte Nummer 11.3.6 des Anhangs zur BKatV hindeutet – die dort normierte Regelbuße allein wegen der Voreintragungen erhöht, wofür daneben spricht, dass sich in den zitierten Vorschriften der im Falle vorsätzlicher Tatbegehung zu zitierende § 3 Abs. 4a Satz 1 BKatV nicht findet.

(3) Zwar kann die Einspruchsbeschränkung eines Betroffenen nach allgemeinen Grundsätzen wegen der Art und Weise seines Zustandekommens unwirksam sein. Das gilt etwa, wenn seine Willensentschließung beeinträchtigt worden ist – sei es durch Drohung, Täuschung oder auch eine nur versehentlich unrichtige Auskunft des Gerichts oder der Staatsanwaltschaft – oder er in seiner Verteidigung und dem Recht der Besprechung mit ihr unzulässig beschränkt worden ist (vgl. BGHSt 45, 51, 53; BGH NJW 2002, 1436; StV 2001, 556; KG Beschluss vom 23. März 2004 – (5) 1 Ss 249/01 (36/01) -, juris m.w.N.). Im vorliegenden Fall ist aber zu beachten, dass nicht er selbst die Prozesserklärung zur Einspruchsbeschränkung abgegeben hat, sondern ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 31. August 2021 sein Verteidiger. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Willensentschließung oder die Verfahrensrechte des Betroffenen unzulässig beeinträchtigt worden sind, sondern diejenigen des Verteidigers. Der Behauptung des Betroffenen, er habe mangels hinreichender Kenntnis der deutschen Sprache die Bedeutung der Prozesserklärung seines Verteidigers nicht erfasst, wäre darum für die Frage, ob die Prozesserklärung des Verteidigers in der beschriebenen Weise beeinflusst worden, nur dann Bedeutung zugekommen, wenn dadurch zugleich auch die Willensentschließung des Verteidigers in beschriebener Weise beeinträchtigt worden wäre. Dafür gibt das Beschwerdevorbringen jedoch nichts her.

(4) Es ist zudem davon auszugehen, dass der Verteidiger zu der Rechtsmittelbeschränkung, die rechtlich eine teilweise Rechtsmittelrücknahme darstellt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 302 Rdn. 2), vom Betroffenen nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 302 Abs. 2 StPO ermächtigt war…..“

OWi III: Bei einem Fahrverbot droht Kündigung, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

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Und zum Tagesschluss dann noch eine OLG-Entscheidungen zu den Rechtsfolgen, und zwar zum Fahrverbot.

Ich verweise auf den OLG Hamm, Beschl. v. 03.03.2022 – 5 RBs 48/22. Das OLG hat sich  umfangreich in Zusammenhang mit der Frage des Absehens vom Fahrverbot wegen einer vom Betroffenen geltend gemachten Kündigung durch den Arbeitgeber geäußert. Das AG hatte abgesehen, dem OLG reicht die Begründung des AG nicht. Wegen der umfangreichen Begründung ordne ich das Selbstleseverfahren an. Hier müssen/sollen die Leitsätze des OLG reichen:

    1. Will das Amtsgericht aufgrund einer angenommen unbilligen Härte von der Verhängung des Regelfahrfahrverbots absehen, ist es gehalten, in den Urteilsgründen eine eingehende, auf Tatsachen gestützte Begründung niederzulegen, die es dem Senat ermöglicht, die Annahme einer unbilligen Härte rechtlich überprüfen zu können. Bei der Beurteilung, ob für den Betroffenen eine solche unbillige Härte aufgrund eines konkret drohenden Verlustes des Arbeitsplatzes vorliegt, ist es dem Tatrichter zwar nicht schlechthin verwehrt, einer Behauptung des Betroffenen oder einer schriftlichen Bestätigung des Arbeitgebers, aus dem sich solche konkreten Anhaltspunkte ergeben können, zu glauben. Er hat jedoch die Angaben des Betroffenen oder des Arbeitgebers auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen und im Urteil darzulegen, aus welchen Gründen er diese für glaubhaft erachtet.
    2. Ist für einen schweren Verkehrsverstoß ein mehrmonatiges Regelfahrverbot vorgesehen, so ist ggf. zu prüfen, ob zur Abwendung einer (tatsächlich feststellbaren) Existenzgefährdung die Reduzierung der Dauer des Fahrverbots ausreicht.

Solche Entscheidungen zeigen m.E. dann immer auch, womit sich der Verteidiger befassen muss bzw., was in vergleichbaren Fällen vorgetragen werden muss/sollte, damit sich das AG dann damit auseinandersetzt.

Rechtsmittel II: Wirksamkeit einer (irrigen) Beschränkung, oder: Umfang der Feststellungen

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um den zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehenen BGH, Beschl. v. 26.09.2019 – 5 StR 206/19. In ihm hat der BGH – auf Vorlage des OLG Hamburg gegen Entscheidungen des OLG Hamm bzw. des BayObLG zur Frage der Wirksamkeit einer Revisionsbeschränkung Stellung genommen.

Der Angeklagte war durch zwei amtsgerichtliche Entscheidungen zu Freiheitsstrafen verurteilt. Gegen die eine Entscheidung haben der Angeklagte und die StA Berufung eingelegt, beide haben ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Gegen das zweite AG-Urteil haben auch StA und Angeklagter Berufung eingelegt, beschränkt hat jedoch nur die Staatsanwwaltschaft.

Das LG hatte die Verfahren verbunden und „beide angefochtenen Entscheidungen im Rahmen der jetzt notwendigen und nachträglichen Gesamtstrafenbildung“ im Rechtsfolgenausspruch neu gefasst. Das LG ist dabei von einer Beschränkung der Berufung des Angeklagten auch gegen das gegen zweite Urteil und damit von insoweit eingetretener horizontaler Teilrechtskraft ausgegangen, weil die Vorsitzende der Auffassung war, diese Berufung sei in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der StA auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Das Hauptverhandlungsprotokoll belegte eine solche Berufungsbeschränkung aber nicht; seine Berichtigung war nicht möglich, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorgelegen haben.

Gegen das Urteil des LG hat der Angeklagte Revision eingelegt. Er hat die Sachrüge erhoben und beantragt „das Urteil im Strafausspruch aufzuheben und an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Hamburg […] zurückzuverweisen“. Das OLG Hamburg wollte die Beschränkung der Revision des Angeklagten als wirksam zu behandeln und das Berufungsurteil des LG Hamburg infolgedessen lediglich im Rechtsfolgenausspruch überprüfen. Dabei war es der Ansicht, die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der Wirksamkeit der Revisionsbeschränkung habe in diesem Fall unter Zugrundelegung der amtsgerichtlichen Schuldfeststellungen zu erfolgen.

An dieser Entscheidung sah sich das OLG jedoch durch entgegenstehende Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (Urt. v. 13.09.1972 – 4 Ss 1029/72, NJW 1973, 381) und des BayObLG (Beschl. v. 07.12.1994 – 1 St RR 195/94, BayObLGSt 1994, 253) gehindert. Die jeweiligen Entscheidungen haben Revisionsbeschränkungen auf den Rechtsfolgenausspruch für unwirksam erachtet, wenn das Berufungsgericht in der irrigen Annahme der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung zur Schuld des Angeklagten keine Feststellungen getroffen und damit den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf nicht in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nachgeprüft hat.

Das  OLG hält die Rechtsansicht des OLG Hamm und des BayObLG für unzutreffend. Der revisionsgerichtliche Prüfungsumfang obliege durch die Möglichkeit der Revisionsbeschränkung der Disposition des allein revidierenden Angeklagten, wobei es für das Revisionsverfahren infolgedessen unerheblich sei, ob das Berufungsgericht zu Recht oder zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der zuvor eingelegten Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen sei. Eine Überprüfung des durch den Rechtsmittelführer allein angefochtenen Rechtsfolgenausspruchs könne, soweit es dafür auf die Feststellungen zum Schuldspruch ankomme, anhand der Feststellungen des Amtsgerichts erfolgen.

Das OLG Hamburg hatte daher dem BGH die Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein Angeklagter seine Revision gegen ein Urteil des Berufungsgerichts auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs wirksam beschränken kann, „wenn das Berufungsurteil keine Feststellungen zum Schuldspruch enthält, weil das Berufungsgericht irrig von einer wirksamen Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruchs ausgegangen ist, die entsprechende Berufungsbeschränkung aber nicht erklärt worden ist, während sie im Falle ihrer Erklärung im Übrigen wirksam wäre“.

Der BGH hat sich dem OLG Hamburg nicht angeschlossen, sondern die Frage wie folögt beantwortet:

„Die Revision gegen ein Berufungsurteil kann nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt werden, wenn das Berufungsgericht trotz unbeschränkt eingelegter Berufung keinen eigenen Schuldspruch mit zugehörigen Feststellungen getroffen hat. Dies gilt auch, wenn es zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen ist.“

Ich kann mich erinnern, dass die Frage während der Zeit meiner Tätigkeit beim OLG immer wieder eine Rolle gespielt hat. Denn von der Antwort hängt der erforderliche Umfang der Feststellungen und damit ggf. der Erfolg der Revision ab.