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StPO II: Zulässige Beschlagnahme eines Briefes?, oder: Potenzielle Beweisbedeutung

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Und dann vom BGH der BGH, Beschl. v. 29.05.2024 – StB 24/24 -zur Beweisbedeutung in Zusammenhang mit der Beschlagnahme.

Gegen den Beschuldigten ist Anklage u.a. wegen des Vorwurfs der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB erhoben worden. Das OLG hat einen Brief an den Angeklagten gemäß §§ 94, 96 StPO beschlagnahmt, weil das Schreiben als Beweismittel von Bedeutung sein könnte. Der Staatsschutzsenat hat angeordnet, dass eine beglaubigte Ablichtung zu den Akten genommen und das Original in den Postweg gegeben wird. Gegen den Beschluss wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde. Die hatte keinen Erfolg:

„Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde (§ 304 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 Nr. 1 Variante 6, § 306 Abs. 1 und 2 StPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Voraussetzungen für eine richterliche Beschlagnahme gemäß §§ 94, 98 StPO liegen vor. Dem Inhalt des Briefes kommt insgesamt eine potenzielle Beweisbedeutung zu.

1. Ein Gegenstand hat dann potenzielle Bedeutung als Beweismittel, wenn die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, ihn im Verfahren zu Untersuchungszwecken in irgendeiner Weise zu verwenden (BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2018 – StB 13/18, StV 2021, 558 Rn. 6; vom 11. Januar 2024 – StB 75/23, NStZ-RR 2024, 82). Diese Voraussetzungen liegen aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung vor, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird. In dem beschlagnahmten Brief identifizierte die Verfasserin den Angeklagten auf einem in einem Presseartikel veröffentlichten Bild als Teilnehmer eines Treffens mit weiteren mutmaßlichen Mitgliedern der Vereinigung am 9. September 2022 in der Nähe von K. Das Schreiben könnte somit als Indiz zu der Überzeugung beitragen, dass der Angeklagte bei dieser Zusammenkunft anwesend war. Der Brief hat auch im Übrigen Beweisbedeutung. Denn aus seinem Inhalt wird ersichtlich, dass die Verfasserin dem Angeklagten besonders nahesteht und es deshalb gerade ihr möglich ist, ihn zu identifizieren. Das aus dem Schreiben ersichtliche Näheverhältnis zwischen beiden ist daher ebenfalls relevant (zu den Unterschieden zwischen einem wissenschaftlichen Einzelvergleich anthropologisch-morphologischer Merkmale und einem laienhaften Wiedererkennen vgl. BGH, Urteile vom 15. Februar 2005 – 1 StR 91/04, BGHR StPO § 244 Abs. 2 Sachverständiger 19 mwN; vom 7. Februar 2022 – 5 StR 542/20 u.a., juris Rn. 89; Beschluss vom 19. Dezember 2023 – 3 StR 160/22, NStZ 2024, 312 Rn. 85).

2. Die Beschlagnahmeanordnung entspricht zudem unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Belange des Angeklagten dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahme ist mit Blick auf die weiteren in der Anklageschrift genannten Beweismittel zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich. Insbesondere stellt die Fertigung einer Ablichtung des Schreibens ein milderes Mittel als die Beschlagnahme des Originaldokuments dar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Juli 2008 – 2 BvR 2016/06, NJW 2009, 281, 282; BGH, Beschluss vom 9. Januar 1989 – StB 49/88 u.a., BGHR StPO § 94 Verhältnismäßigkeit 1). Zudem steht der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. September 1991 – 2 BvR 279/90, NJW 1992, 551, 552). Entgegen dem Beschwerdevorbringen begründet ferner die unterbliebene Schwärzung der weiteren Passagen nicht die Unverhältnismäßigkeit der Anordnung. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche teilweise Unkenntlichmachung aus Verhältnismäßigkeitsgründen geboten sein kann (vgl. OLG München, Beschluss vom 5. Dezember 1977 – 1 Ws 1309/77, NJW 1978, 601), kann hier dahinstehen. Denn das aus dem gesamten Inhalt des Briefes erkennbare Näheverhältnis zwischen der Verfasserin und dem Angeklagten hat, wie oben dargelegt, Beweisbedeutung.

Die Beschlagnahmeanordnung verletzt den Angeklagten überdies nicht in seinem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Grundrecht auf Wahrung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. April 1973 – 2 BvR 701/72, BVerfGE 35, 35, 39 f.). Denn der Inhalt des Briefes geht nicht über allgemeine Zuneigungsbekundungen hinaus und berührt weder die Intimsphäre des Angeklagten noch der Verfasserin.“

StPO II: Bedeutung als Beweismittel, oder: Herausgabe des bei der Durchsuchung beschlagnahmten Handys

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Die zweite Entscheidung kommt aus Bayern. Es handelt sich um den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 18.03.2021 – 12 Qs 9/21.

Gegenstand des Verfahrens ist der Streit um die Beschlagnahme eines Handys. Das AG hat die Durchsuchung des Wohnanwesens des Beschuldigten angeordnet. Dem Durchsuchungsbeschluss lag der Verdacht zugrunde, der Beschuldigte habe am 06.08.2019 eine Straftat nach § 201 Abs. 1 Nr. 1, § 205 Abs. 1 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) begangen, indem er das zwischen ihm und zwei Polizeibeamten – PHK pp. und PHM´in pp. – anlässlich einer Verkehrskontrolle geführte Gespräch heimlich mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet habe, obwohl er gewusst habe, dass er dazu nicht berechtigt sei.

Mit Beschluss vom 25.02.2021 ordnete das AG dann die Beschlagnahme der sichergestellten Speichermedien an, wobei sich darunter auch ein Mobiltelefon Samsung Galaxy xCover 4s, Seriennummer: pp., mit SIM Karte, befand, welches im Eigentum der Firma pp. GmbH & Co. KG, der Arbeitgeberin des Beschuldigten, steht und dem Beschuldigten zu Nutzung als Diensthandy überlassen worden war.

Die Firma hat dann Herausgabe des Mobiltelefons verlangt mit der Begründung, dass das Mobiltelefon erst am 22.04.2020 und damit ein halbes Jahr nach dem dem Beschuldigten zur Last liegenden Vorgang angeschafft wurde. Es sei daher nicht möglich, dass der Beschuldigte das Gespräch mit diesem Mobiltelefon aufgezeichnet habe.

Die StA hat der Herausgabe widersprochen und dazu u.a. ausgeführt, dass das Mobiltelefon zwar erst am 22.04.2020 angeschafft worden sei, es könne allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschuldigte die Aufnahme auf dieses Mobiltelefon überspielt und dort gespeichert habe. Dies lasse sich erst nach Auswertung des Mobiltelefons klären, welche jedoch noch andauere.

Das AG hat dann die Akten dem LG vorgelegt. Das hat das Handy herausgegeben:

„Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1 StPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die vom Amtsgericht Nürnberg gemäß §§ 94,98 StPO angeordnete Beschlagnahme des Mobiltelefons der Beschwerdeführerin Samsung Galaxy xCover 4s, Seriennummer: pp., mit SIM Karte war aufzuheben, da dieses vorliegend nicht als Beweismittel von Bedeutung ist.

Für die Bejahung der Bedeutung als Beweismittel für die Untersuchung ist es sowohl erforderlich als auch ausreichend, dass bei einer ex ante-Betrachtung die Möglichkeit bejaht wird, dass der Gegenstand im weiteren Verfahren zu Beweiszwecken verwendet werden kann (BVerfG NJW 1988, 890 (894); BGH NStZ 1981, 94; OLG Düsseldorf StV 1991, 473; NJW 1993, 3278; OLG München NJW 1978, 601). Einer (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit bedarf es zwar nicht, jedoch bedarf es zumindest der Erwartung, dass der Gegenstand oder dessen Untersuchung Schlüsse auf verfahrensrelevante Tatsachen zulässt (BeckOK StPO/Gerhold, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 94 Rn. 11). Dies ist jedenfalls im Hinblick auf das hier genannte Mobiltelefon Samsung Galaxy der Beschwerdeführerin nicht gegeben. Das Mobiltelefon wurde erst über ein halbes Jahr nach der dem Beschuldigten zur Last liegenden Tat angeschafft. Mithin ist es ausgeschlossen, dass der Beschuldigte die Tat mit diesem Mobiltelefon begangen hat. Zwar ist – wie die Staatsanwaltschaft ausführt – das Mobiltelefon zur Speicherung der Aufnahme geeignet, die Annahme, der Beschuldigte könnte die von ihm mutmaßlich am 6. August 2019 getätigte Aufnahme des Gesprächs mit den Polizeibeamten über ein halbes Jahr später auf sein Diensthandy überspielt haben, hält die Kammer bei lebensnaher Betrachtung für ausgeschlossen. Der Beschuldigte verfügte über zahlreiche eigene Speichermedien, welche ebenfalls beschlagnahmt wurden. Bei lebensnaher Betrachtung ist allenfalls denkbar, dass der Beschuldigte die Aufnahme auf einem anderen Speichermedium, welches in seinem Eigentum steht, gesichert hat. Eine Speicherung der Aufnahme auf seinem Diensthandy ist hingegen nicht zu erwarten.

In den Blick genommen werden muss dabei auch, dass die Beschlagnahme des Mobiltelefons, von der vorliegend in erster Linie nur die völlig unbeteiligte Beschwerdeführerin betroffen ist, auch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts stehen und für die Ermittlungen notwendig sein (BeckOK StPO/Gerhold, 39. Ed. 1.1.2021, StPO § 94 Rn. 18 m.w.N., BVerfG, NJW 2021, 763). Auch wenn die vorgeworfene Straftat nicht lediglich geringfügig (zu diesem Gesichtspunkt BVerfG, Beschluss vom 28. September 2008 – 2 BvR 1800/07, juris Rn. 20) ist und auch der Tatverdacht angesichts der eigenen Angaben des Beschuldigten im Ordnungswidrigkeitenverfahren stark ist, so ist aus den oben genannten Gründen eine Beschlagnahme des Diensthandys des Beschuldigten für die Ermittlungen nicht notwendig. Nach der Argumentation der Staatsanwaltschaft könnte man die Beschlagnahme auch auf sämtliche Speichermedien von Personen, die mit dem Beschuldigten in Kontakt stehen, ausweiten, da auch diese geeignet sind, die Aufnahme des Beschuldigten zu speichern und es in der Theorie auch denkbar wäre, dass der Beschuldigte die Aufnahme an andere Personen verschickt haben könnte. Dies überspannt jedoch in jedem Fall den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“

Polizeibeamter unterschlägt 100.000 €, oder: Durchsuchung auch bei verjährter Tat?

entnommen openclipart.org

Die 9. KW. eröffne ich mit zwei Entscheidungen zur Durchsuchung. Beide m.E. ganz interessant.

Ich starte mit dem LG Düsseldorf, Beschl. v. 07.02.2018 – 8 Qs 2/18. Ist schon etwas älter, ich bin auf ihn aber erst jetzt in anderem Zusammenhang bei beck-online gestoßen. Die Entscheidung hat einen ganz interessanten Ausgangssachverhalt:

„Mit Verfügung vom 12.12.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Ermittlungsrichter den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses für die Wohnräume, Nebengelasse, Fahrzeuge und Person des Betroffenen. Es bestehe der Verdacht, dass der Betroffene, der Polizeibeamter ist, am 12.01.2012 im Rahmen einer Leichenschau aus der Wohnung des Verstorbenen 100.000,00 Euro Bargeld an sich genommen habe. Da die Tat, rechtlich eingeordnet als Unterschlagung, inzwischen verjährt sei, werde der Antrag auf §§ 102, 105 StPO i.V.m. § 76a Abs. 2 S. 1, 73 StGB gestützt mit dem Ziel im Rahmen der Durchsuchung weitere Anhaltspunkte zu dem möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro zu finden und gegebenenfalls eine selbstständige Einziehung des Wertes von Tatbeiträgen zu betreiben.

 Das Amtsgericht – Ermittlungsrichter – hat den Erlass auf Anordnung einer Durchsuchung mit Beschluss vom 20.12.2017 zurückgewiesen mit der Begründung, dass der Strafverfolgung aufgrund der Verjährung nicht behebbare Verfahrenshindernisse entgegenstünden und eine Durchsuchung gemäß § 102 StPO daher unstatthaft sei. Auch eine Durchsuchung nach § 103 StPO scheide aus, da keine bewiesenen Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die Durchsuchung zur Auffindung eines konkreten Beweismittels führen wird.

 Unter Hinweis auf § 76a Abs. 2 StGB hat die Staatsanwaltschaft am 02.01.2018 Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Beschluss eingelegt. Das Amtsgericht hat dieser nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt mit der Begründung, die Staatsanwaltschaft könne einen Antrag auf selbstständige Einziehung nach § 435 StPO stellen und (erst) im Rahmen dieses Verfahrens könne das Gericht gemäß § 202 StPO Nachermittlungen anordnen.“

Das LG hat anders als das AG die Durchsuchung angeordnet und meint:

„Gemäß § 76a Abs. 2 StGB kann unter den Voraussetzungen der §§ 73, 73b und 73c StGB auch in den Fällen, in denen die Tat verjährt ist, eine selbstständige Anordnung der Einziehung des Tatertrages bzw. des Wertes des Tatertrages erfolgen. § 76a Abs. 2 StGB soll danach nach dem Willen des Gesetzgebers die rechtliche Möglichkeit einer nachträglichen Vermögensabschöpfung schaffen, um so zu verhindern, dass materielle Nutzen der Tat beim Täter oder Teilnehmer auch nach Verjährung der Straftat verbleiben (siehe dazu auch Gesetzentwurf Drucks. 18/11640, S. 82).

Voraussetzung der §§ 73, 73b und 73c StGB ist allerdings, dass der sichere Nachweis der Begehung der Anknüpfungsstraftat geführt werden kann. Um diesen zu führen, muss die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit haben, Ermittlungen durchzuführen, um gegebenenfalls später ein selbstständiges Einziehungsverfahren gemäß § 435 StPO anzuordnen. Könnte man den staatsanwaltlichen Ermittlungen nun den Einwand der Verjährung vorhalten, würde die Vorschrift des § 76a Abs. 2 StPO im Ergebnis leerlaufen. Dementsprechend eröffnet § 435 StPO die Möglichkeit eines selbständigen Einziehungsverfahrens dann, wenn die Anordnung nach dem Ergebnis der Ermittlungen zu erwarten ist. Bereits aus dieser Formulierung ergibt sich die Zulässigkeit von Ermittlungen nach den Vorschriften der StPO – zu denen auch die Durchsuchung gehört – auch im selbständigen Einziehungsverfahren.

 Die Durchführung eines selbstständigen Einziehungsverfahrens ist gemäß § 435 StPO zurzeit auch noch nicht zielführend, da die Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft noch nicht abgeschlossen sind. Der Gang über § 202 StPO, wonach das Gericht dann (erst im gerichtlichen selbstständigen Einziehungsverfahren) gegebenenfalls ergänzende Beweiserhebungen anordnen kann, ist nicht weiterführend, da – wie das Amtsgericht zutreffend bemerkt – eine möglicherweise gebotene Nachholung wesentlicher Teil des Ermittlungsverfahrens nicht in Betracht kommt.

III.

Die Voraussetzungen für eine Durchsuchung gemäß §§ 102, 105 StPO liegen vor.

Voraussetzung jeder Durchsuchung ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat begangen und nicht nur straflos vorbereitet ist, wobei tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen (vgl. Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO; 60. Auflage 2017, § 102 Rn. 2 m.w.N.).

Gegen den Betroffenen besteht der Verdacht am 12.01.2012 Bargeld in Höhe von 100.000,00 Euro aus dem Nachlass des Verstorbenen X2, N-Straße in M-Stadt, unterschlagen zu haben. Der Betroffene war am Tattag als Polizeibeamter mit der Leichenschau des Verstorbenen befasst. Nach Abschluss der polizeilichen Arbeiten des Betroffenen vor Ort sollen aus der Wohnung 100.000,00 Euro, die der Verstorbene nach Angaben der Hinterbliebenen an einem bestimmten Ablageort deponiert haben soll, gefehlt haben. Eine durchgeführte Kontoverdichtung für den tatrelevanten Zeitraum hat ergeben, dass der Betroffene ab Ende Januar 2012 regelmäßig hohe Bargeldbeträge einbezahlt hat, deren Herkunft nicht ermittelt werden konnte. Insgesamt wurden nahezu 88.000,00 Euro eingezahlt.

 Der Betroffene ist ins Visier der Ermittlungen geraten, nachdem er bei einer Leichenschau am 06.05.2017 die Unterschlagung von 320,00 Euro aus dem Nachlass der Verstorbenen zugegeben hat.

 Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln, die für die Ermittlungen von Bedeutung sind, führen wird wie z.B. Bargeld, Einzahlungsbelege über Bargeld, Kontoauszüge, Unterlagen über größere Ausgaben oder Finaztransaktionen und weitere Anhaltspunkte für den möglichen Verbleib der 100.000,00 Euro.

Es fehlt trotz des Vorliegens des nicht behebbaren Verfahrenshindernisses der Verjährung auch nicht an einer Beweisbedeutung der aufzufindenden Gegenstände, da § 76a Abs. 2 StGB gerade ermöglichen soll, auch bei verjährten Verfahren eine selbstständige Einziehung anzuordnen. Dementsprechend ist es auch zulässig, Ermittlungen durchzuführen.“

Beschlagnahme, oder: Was keine Beweisbedeutung hat, darf nicht beschlagnahmt werden

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Heute dann mal ein „Mixed-Day“ – sowohl von den Gerichtsszügen her als auch von der Themati. Fangen wir „unten“ an , also mit einer LG-Enscheidung. Es ist der LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 22.12.2017 – 18 Qs 49/17. Es geht um die Komplettspiegelung von Datenträgern, also der „Datensicherung “ der internen Festplatte eines Notebooks und einer weiteren externen Festplatte, beim ehemals Beschuldigten in einem Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Der Beschuldigte hatte u.a. Notebook und Festplatte freiwillig herausgegeben und zudem weitere Unterlagen.  Nach „Durchsicht der Papiere“ (§ 110 StPO) und Beendigung der Durchsuchung wird (teilweise) die Beschlagnahme angeordnet. Der Beschuldigte legt „Rechtsmittel“ ein. Und sein „Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ hat Erfolg, auch noch nach „Abschluss“ des Verfahrens, denn: „Angesichts der mit der Sicherung sämtlicher – also auch überschießender – Daten einhergehenden besonderen Intensität des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 94 Rn. 18a m.w.N.) steht die Erledigung der Maßnahme ihrer Überprüfung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entgegen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 98 Rn. 23 a.E.).

Zur Sache führt das LG dann aus:

„Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob die Beschlagnahmeanordnung vom 04.10.2017 formellen Anforderungen noch genügt, obwohl sie keine Darstellung des dem Beschuldigten (seinerzeit) zur Last liegenden Lebenssachverhalts (Tatverdacht) enthält. Dies dürfte in versehentlicher Verkennung des Umstands geschehen sein, dass für die Wohnung, in der die in Rede stehenden Überführungsstücke sichergestellt wurden, gerade kein Durchsuchungsbeschluss vorlag, dessen Tatverdachtsschilderung die angegriffene Anordnung – eine ausdrückliche Bezugnahme einmal unterstellt – als bekannt hätte „voraussetzen“ oder an die sie hätte „anknüpfen“ können. Einer weiteren Aufrechterhaltung des amtlichen Gewahrsams an den Überführungsstücken mit den Kennzeichnungen IIIa/3-IIIa/11 steht entgegen, dass es ihnen auf Basis des zwischenzeitlich erreichten Ermittlungsstands an der einen solchen Grundrechtseingriff rechtfertigenden potentiellen Beweisbedeutung fehlt.

a) Die Beschlagnahme eines Gegenstands setzt gemäß § 94 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 StPO voraus, dass er „als Beweismittel“ für die Untersuchung von Bedeutung sein kann. Damit ist in erster Linie gemeint, dass der betreffende Gegenstand – bei bereits bestehendem oder durch ihn erst ausgelöstem Anfangsverdacht – im späteren gerichtlichen Verfahren den Tatnachweis (mit-)begründen soll. Folglich fehlt es an der erforderlichen Beweisbedeutung, sobald mit hinreichender Sicherheit abzusehen ist, dass es zu keinem Gerichtsverfahren gegen den Beschuldigten oder gegen mit ihm bzw. dem Gegenstand in Verbindung zu bringende Dritte kommen wird (vgl. BGH, BGHSt 9, 351, unter II.4.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 94 Rn. 7).

Vorliegend haben die Ermittlungen der Steuerfahndung ergeben, dass es sich bei der S.à.r.l. entgegen ursprünglicher Verdachtslage nicht um eine Domizilgesellschaft, sondern um ein im Tatzeitraum werbend tätiges Unternehmen handelte. Davon ausgehend ist sie zu dem – nach dem Inhalt des Aktenvermerks vom 13.11.2017 voraussichtlich endgültigen – Ergebnis gelangt, weder das Verhalten des Beschuldigten noch dasjenige der Mitbeschuldigten habe zu Steuerverkürzungen i.S.v. § 370 AO geführt. Damit entfällt die tatnachweisbegründende Beweisbedeutung der in Rede stehenden Überführungsstücke in Gänze. Die Fragen des ursprünglichen Tatverdachts und der ursprünglichen Beweisbedeutung der Überführungsstücke – bezogen auf den Zeitpunkt der Sicherstellung – sind unter den gegebenen Umständen nicht mehr von Belang. Auch kommt es nicht mehr darauf an, dass die Steuerfahndung im Zuge der Aktenvorlage an den Ermittlungsrichter eine Beweisbedeutung nur in Bezug auf die Überführungsstücke mit den Kennzeichnungen IIIa/3, IIIa/4 und IIIa/8 dargelegt hatte.

b) Dem läuft nicht zuwider, dass § 160 Abs. 2 StPO die Ermittlungsbehörden dazu verpflichtet, in gleichem Maße be- wie entlastende Umstände aufzuklären. Allein auf diesen sich zugunsten des Beschuldigten auswirkenden Ermittlungsauftrag können Grundrechtseingriffe wie die Beschlagnahme von Unterlagen nicht gestützt werden, weil es dem Beschuldigten jederzeit möglich ist, solches Material im Rahmen seiner Verteidigung selbst vorzulegen (vgl. BVerfG, NJW 2008, 2422, unter III.3.a). Da die Strafverfolgungstätigkeit vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips (§§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1 StPO) aber auch nachvollziehbar und überprüfbar sein muss, spricht aus verfassungsrechtlichen Gründen nichts dagegen, einzelne rechtmäßig erlangte entlastende Beweismittel zur Vorbereitung einer Verfahrenseinstellung vor Rückgabe der Originale in Kopie zur Akte zu nehmen.“