Und als zweite Entscheidung zum RVG hier der OLG Braunschweig, Beschl. v. 07.03.2025 – 1 AR 21/24. Es geht um den richtigen Zeitpunkt für einen Pauschgebührantrag.
Der Angeklagte ist am 8.10.2024 vom Vorwurf der Vergewaltigung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern freigesprochen worden. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Eine Entscheidung des BGH steht noch aus.
Der Rechtsanwalt hat als Pflichtverteidiger am 23.10.2024 die Bewilligung einer Pauschgebühr beantragt. Der Bezirksrevisor hält diesen Antrag für verfrüht. Auch die Voraussetzungen zur Bewilligung eines Vorschusses auf die Pauschgebühr (§ 51 Abs. 1 S. 5 RVG) lägen nicht vor. Das OLG hat den Antrag abgelehnt.
„Der Antrag ist abzulehnen, weil die Voraussetzungen des § 51 RVG derzeit nicht vorliegen.
Eine Pauschgebühr gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 RVG kommt – zumindest bei Fortbestand der Beiordnung – auch für abgeschlossene Verfahrensabschnitte nur nach Eintritt der Rechtskraft in Betracht. Dass die Regelung des § 51 Abs. 1 S. 1 und S. 3 RVG auch die Möglichkeit vorsieht, eine Pauschgebühr für einzelne Verfahrensabschnitte zu bewilligen, ändert daran nichts (OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Juli 2024, 2 ARs 12/24, juris, Rn. 4; OLG Bamberg, Beschluss vom 7. Juni 2017, 10 AR 30/16, juris, Rn. 7; OLG Celle, Beschluss vom 16. Juni 2016, 1 ARs 34/16 P, juris, Rn. 3; KG Berlin, Beschluss vom 15. April 2015, 1 ARs 22/14, juris, Rn. 7, 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. Dezember 2005, 111-3 (s) RVG 154/05, juris, Rn. 4f). Diese Rechtsprechung ist verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. August 2024, 1 BvR 1680/24, juris, Rn. 3) und folgt daraus, dass der Anspruch auf Bewilligung einer Pauschgebühr – insoweit abweichend von § 8 Abs. 1 S. 2 RVG – erst mit rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens fällig wird (KG Berlin, a.a.O.; OLG Celle, a.a.O., Rn. 4; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Denn zuvor ist die gebotene Gesamtbetrachtung des gesamten Verfahrens nicht möglich (KG Berlin, a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Celle, a.a.O., Rn. 4). Die Annahme einer Fälligkeit des Anspruchs auf Bewilligung einer Pauschgebühr bereits im Zeitpunkt des § 8 Abs. 1 S. 2 RVG könnte zudem in Konflikt mit potentiellen Anträgen gemäß § 42 Abs. Abs. 1, Abs. 2 S. 2 RVG treten, die erst nach Rechtskraft der Kostenentscheidung zulässig sind (§ 42 Abs. 2 S.1 RVG). Denn zuvor kann jedenfalls nicht beurteilt werden, ob der Angeklagten gegen die Staatskasse einen Erstattungsanspruch hat (vgl. § 52 Abs. 2 RVG).
Die begehrte Pauschgebühr kann dem Antragsteller auch nicht als Vorschuss auf die zu erwartende Pauschgebühr (§ 51 Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 RVG) bewilligt werden. Unabhängig davon, dass kein „Vorschussantrag“ (vgl. Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, § 51 Rn. 100) gestellt ist, liegen jedenfalls die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Vorschusses nicht vor. Denn ein solcher ist nur zu bewilligen, wenn eine Pauschgebühr nicht nur mit Sicherheit zu erwarten ist und das Verfahren lange gedauert hat/dauern wird, sondern dem Verteidiger zudem nicht zugemutet werden kann, die endgültige Festsetzung abzuwarten (BVerfG, Beschluss vom 1. Juni 2011, 1 BvR 3171/10, juris, Rn. 20). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 10. Januar 2007, 2 13vR 2592/06, juris, Rn. 5; Beschluss vom 1. Juni 2011, 1 BvR 3171/10, juris, Rn. 31) ist für das letztgenannte Erfordernis eine detaillierte Einnahmen-Ausgaben Aufstellung der Kanzlei zu verlangen, weil das Gericht sonst nicht prüfen kann, ob und in welcher Höhe ein Vorschuss notwendig ist, um die Einbußen auszugleichen, die auf der Übernahme der Pflichtverteidigung beruhen. Daran fehlt es.“
M.E. hätte man auch anders entscheiden können. Denn das RVG nennt keinen Zeitpunkt für die Stellung des Pauschgebührantrags. Es ist zwar richtig, dass der Pauschgebührenantrag grds. erst gestellt werden, wenn die zu vergütende Tätigkeit abgeschlossen ist und die gesetzliche Gebühr gem. § 8 RVG fällig ist. I.d.R. wird das dann sein, wenn zumindest die Instanz abgeschlossen ist (so die allgemeine Meinung in der Literatur und ältere Rechtsprechung von OLGs ). Die h.M. in der OLG-Rechtsprechung zum RVG (siehe die o.a. Zitate des OLG) sieht das aber leider anders. Also empfiehlt es sich, mit einem Pauschgebührantrag zu warten, bis der BGH entschieden hat. Das erspart doppelte Antragstellung. In der Zwischenzeit sollte der Pflichtverteidiger ggf. seine gesetzlichen Gebühren geltend machen und dann ggf. überlegen, später Kostenerstattung für den Mandanten zu beantragen. Aber auch da: Vorsicht und Reihenfolge beachten!!!