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Teilnahme des Verteidigers am Anhörungstermin, oder: OLG sagt: Doch Vernehmungsterminsgebühr

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Und heute dann Gebührenrecht.

Und ich beginne mit einem OLG Brandenburg-Beschluss. Dabei handelt es sich um die Rechtsmittelentscheidung zu dem LG Potsdam, Beschl. v. 12.08.2024 – 25 KLs 5/23, über den ich im September 2024 berichtet habe (vgl. hier: Teilnahme des Verteidigers am Anhörungstermin, oder: Keine Vernehmungsterminsgebühr).

Es ging um die Frage, ob die Teilnahme des Verteidigers an einem Anhörungstermin zur vorübergehende Unterbringung zur Vorbereitung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 81 StPO mit eine Vernehmungsterminsgebühr gemäß Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG honoriert wird. Das LG Potsdam hatte das verneint. Das OLG Brandenburg hat das jetzt im OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.01.2025 – 1 Ws 136/24 (S)  – auf das Rechtsmittel des Verteidigers anders gesehen und die Gebühr festgesetzt:

„Die Teilnahme an einem Anhörungstermin zur Erörterung der ob wiederholten Nichterscheinens zur gerichtlich angeordneten Exploration bei dem Sachverständigen erwogenen vorübergehenden Unterbringung zur Vorbereitung des Gutachtens gemäß 81 StPO unterfällt dem Tatbestand von Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG.
Grundsätzlich werden Termine außerhalb der Hauptverhandlung nicht zusätzlich vergütet, sondern sind vielmehr durch die jeweilige Verfahrensgebühr mit abgegolten, die sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts im jeweiligen Verfahrensabschnitt umfasst (vgl. hierzu und dem Folgenden: OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. August 2011, Az.: 1 Ws 89/11).
Den gebührenrechtlichen Regelungen in Teil 4 des Vergütungsverzeichnisses sind nur zwei Ausnahmetatbestände zu entnehmen; namentlich die hier in Rede stehende Nr. 4102 VV RVG und Nr. 4141 VV RVG. Mit diesen Regelungen sollte im Verhältnis zur früher geltenden BRAGO die anwaltliche Tätigkeit, insbesondere die des Pflichtverteidigers im Ermittlungsverfahren, grundsätzlich besser honoriert werden, und der Verteidiger zur Mitwirkung durch Teilnahme an derartigen Terminen animiert werden, da sich der Gesetzgeber hiervon eine verfahrensabkürzende Wirkung versprach (vgl hierzu BT-Drucksache 15/1971, S. 222; Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV, Rn. 2).
Aus dieser gesetzgeberischen Intention folgt auch die (weitere) Voraussetzung für die Auslösung des Gebührentatbestandes Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG, namentlich das Verhandeln, was hier unstreitig auch seitens des Landgerichts in seinem angefochtenen Beschluss für das Verhalten des Verteidigers am 29. August 2023 positiv festgestellt wurde. Dabei sieht Nr. 4102 in Satz 1 Nr. 3 VV RVG ihrem Wortlaut nach die zusätzliche Vergütung bei außerhalb der Hauptverhandlung stattfindenden Verhandlungen „über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung“ vor. Dass hier der Wortlaut der amtlichen Überschrift des § 126a StPO durch den Gesetzgeber gewählt wurde, wurde auch durch das Landgericht als Begründung dafür herangezogen, dass nur die einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG unterfällt, nicht aber die Unterbringung nach § 81 StPO. Indes ist Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG keine Bezugnahme auf die Paragraphen der 112 ff. und 126a StPO zu entnehmen. Und auch wenn in der Literatur dies teils derart in Bezug genommen wird (vgl. Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV RVG, Rn. 6: „Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft (§§ 115, 118 StPO) oder der einstweiligen Unterbringung (§ 126 i.V.m. §§ 115, 118 StPO)“; textliche Hervorhebung dient der Verdeutlichung), so findet die Unterbringung über die Wiedergabe des Gesetzestextes hinaus in großen Teilen der Kommentarliteratur zu Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG keine Erwähnung (vgl. Bischof/ Jungbauer/ Bräuer/ Hellstab/ Klipstein/ Klüsener/ Kerber, RVG Kommentar, 9. Auflage, Nr. 4100 – 4103 W, Rn. 78; Gerold/Schmidt, RVG Kommentar, 25 Auflage, VV 4102, 4103, Rn. 12), ohne dass dortseits die Anwendung auf eine (einstweilige) Unterbringung in Abrede gestellt werden dürfte. Die Überschriften, denen Ausführungen zu Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG in der Kommentarliteratur nachfolgen, sprechen von „Termine(n) in Untersuchungshaft – und Unterbringungssachen“ (Ahlmann/ Kapischke/ Pankatz/ Rech/ Schneider/ Schütz, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 11. Auflage 2024, Rn. 12), von „(Haftprüfungs)Termin(en) außerhalb der Hauptverhandlung“ (Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV, Rn. 6) oder „Teilnahme an Haftprüfungsterminen“ (Gerold/ Schmidt, RVG Kommentar, 25 Auflage, VV 4102, 4103, Rn. 12) und halten damit den exakten Terminus unter Verwendung der Begrifflichkeiten „Untersuchungshaft“ und „einstweilige Unterbringung“ nicht ein. Vielmehr erfolgt danach zusammenfassend eine Unterteilung in „Haft“ und „Unterbringung“. Zudem gilt mit einem Selbstverständnis die Verhandlung zu § 230 StPO außerhalb der Hauptverhandlung als von der Regelung Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG umfasst (LG Berlin, Beschluss vom 08. November 2010, Az. 524 – 58/09; Gerold/ Schmidt, RVG Kommentar, 25. Auflage, VV 4102, 4103, Rn. 13; Burhoff/ Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Auflage, Nr. 4102 VV, Rn. 32). Folgt man der landgerichtlichen Annahme, dass der Gesetzeswortlaut eng begrenzt nur die exakt dem Wortlaut entsprechenden freiheitsentziehenden Maßnahmen der StPO inkludiert, wäre die praktizierte (direkte) Anwendung der Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG auf Verhandlungen zu § 230 StPO contra legem, da es sich bei § 230 StPO um keine Untersuchungshaft handelt, sondern vielmehr um eine Haft zur Verfahrenssicherung, die auch nicht den Anforderungen des § 112 StPO unterliegt. Ferner führt die unstreitige Anwendung auf Verhandlungen zu § 230 StPO außerhalb der Hauptverhandlung dazu, dass der – aus Sicht des Senats ob der Definition von „einstweilig“ als „vorläufig, vorübergehend“ ohnehin kritisch zu bewertenden Annahme -, dass nur die einstweilige – und damit „grundsätzlich bis auf Weiteres angeordnete“ Unterbringung nach § 126a StPO von Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG umfasst sei, hingegen nicht die – maximal sechswöchige – Unterbringung zur Vorbereitung der Begutachtung nach § 81 StPO, der Boden entzogen wird. Denn die Hauptverhandlung ist im Falle der Vollstreckung des Haftbefehls nach § 230 StPO in angemessener Frist durchzuführen, die sich im zeitlichen Rahmen der Dauer der Unterbringung nach § 81 StPO bewegt, wohingegen die zeitliche Parallele von § 126a StPO zu §§ 112 ff. StPO zu ziehen sein dürfte. Unter besonderem Augenmerk auf die eingangs benannte Intention des Gesetzgebers, den Verteidiger zu einer verfahrensabkürzenden Mitwirkung zu animieren, dürfte diese – wie der vorliegende Fall zudem deutlich macht – auch im Anwendungsbereich des § 81 StPO erfüllen, da der Verteidiger durch seine Verhandlung im Anhörungstermin am 29. August 2023 die Unterbringung nach § 81 StPO ob der erwirkten Mitwirkung des Verurteilten zur Exploration obsolet werden ließ.
Die ebenfalls durch das Landgericht argumentativ herangezogene – nicht unstreitige – Tatsache, dass der zu Begutachtende anders als bei § 126a StPO i.R.v. § 81 StPO nicht anzuhören sei, führt zu keiner anderen gebührenrechtlichen Wertung, da es nicht auf die entfaltete Tätigkeit des Probanden für die Entstehung des Vergütungstatbestandes ankommt, sondern auf die des Verteidigers, der im Übrigen auch bei § 81 StPO zwingend anzuhören ist.

2. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die landgerichtlichen Ausführungen zur fehlenden Analogiefähigkeit von Nr. 4102 Satz 1 Nr. 3 VV RVG uneingeschränkt geteilt werden. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des hiesigen Oberlandesgerichts (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 12. Januar 2023, Az. 2 Ws 156/22).“

Mich überzeugt das nicht. Verteidiger wird die Entscheidung allerdings freuen und sie werden ihrem Kollegen dankbar sein, dass er die Frage der Anwendbarkeit der Nr. 4102 Ziff. 3 VV RVG auf den hier stattgefundenen Anhörungstermin bis zum OLG getragen hat, obwohl in der Praxis sicherlich nicht häufig solche Anhörungstermine stattfinden werden. Mich lässt die Entscheidung bzw. die Begründung der Auffassung des OLG allerdings ein wenig ratlos zurück. Ich verstehe nämlich nicht so richtig, was das OLG hier macht: Ist es eine erweiternde Auslegung oder ist es doch eine Analogie, die das LG ja ausdrücklich abgelehnt hatte, was vom OLG ebenso ausdrücklich gebilligt wird. Dann also eine „versteckte Analogie“, versteckt nämlich unter dem Deckmantel der Auslegung? Die überzeugt mich aber auch nicht, denn der Wortlaut, dem die OLG sonst gern erhebliche Bedeutung beimessen, spricht nun mal eindeutig von „einstweiliger Unterbringung“. Hier soll also der Wortlaut dann keine Bedeutung haben? Nun ja, nehmen wir es hin. Es gibt Schlimmeres.

Vollstreckung II: Verzicht auf mündliche Anhörung?, oder: Schweigen auf Nachfrage ist kein Verzicht

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Und im Mittagsposting dann der OLG Braunschweig, Beschl. v. 05.10.2023 – 1 Ws 206/23 – (nochmals) zum Verzicht des Verurteilten auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen im Verfahren zur Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung.

Der Verurteilte ist wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Nach vollständiger Verbüßung dieser Strafe wird die Sicherungsverwahrung seit dem 23.08.2015 vollstreckt.

Zur Vorbereitung der Entscheidung über die weitere Fortdauer der SV holte die Strafvollstreckungskammer ein forensisch-psychiatrisches Gutachten eine Sachverständigen  ein. Dieses Sachverständigengutachten datiert vom 26.06.2023. Der Verurteilte sollte am 20.07.2023 durch die StVK persönlich angehört werden. Zu diesem Termin war zunächst – auch der Sachverständige geladen worden. Unter dem 12.07.2023 vermerkte ein Mitglied der StVK, dass der Verteidiger in einem Telefonat vom selben Tage auf eine Anhörung des Sachverständigen im Termin am 20.07.2023 verzichtet habe. Mit jeweiliger E-Mail vom selben Tage verzichteten auch die JVA und die StA auf eine Anhörung des Sachverständigen. Daraufhin lud die StVK den Sachverständigen vom Anhörungstermin ab. Der Verurteilte teilte mit Schreiben vom 19.07.2023 mit, dass er an der Anhörung am 20.07.2023 nicht teilnehmen wolle. Am 20.07.2023 wurde der Anhörungstermin ohne den Verurteilten und ohne den Sachverständigen durchgeführt. Im Anhörungstermin erklärte der Verteidiger, dass der Verurteilte auf seine Nachfrage, ob er auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichte, nicht reagiert habe; aus seiner Sicht sei die mündliche Anhörung des Sachverständigen nicht erforderlich.

Die StVG hat die Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen die sofortige Beschwerde, die Erfolg hatte:

„1. Die angefochtene Entscheidung leidet an einem wesentlichen Verfahrensfehler, der zu ihrer Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an die Strafvollstreckungskammer zwingt. Denn der mit der Begutachtung des Beschwerdeführers beauftragte Sachverständige Dr. med. B. wurde unter Verstoß gegen §§ 463 Abs. 3 Satz 3, 454 Abs. 2 Satz 3 StPO am 20. Juli 2023 nicht mündlich zur Frage der Fortdauer der Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung angehört.

Die Verpflichtung zur mündlichen Anhörung dient nicht nur der Verwirklichung des Anspruchs des Verurteilten auf rechtliches Gehör, sondern soll vor allem die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer vorbereiten und ihre materielle Richtigkeit (gestützt auf aktuelles, geprüftes Expertenwissen) gewährleisten (KG Berlin, Beschluss vom 16. September 2019, 2 Ws 144/19121 AR 205/19, juris, Rn. 4). Die mündliche Erörterung eines solchen Gutachtens in Anwesenheit der Verfahrensbeteiligten gibt diesen Gelegenheit, das Sachverständigengutachten eingehend zu diskutieren, das Votum des Sachverständigen zu hinterfragen und zu dem Gutachten Stellung zu nehmen (KG Berlin, a.a.O. m.w.N.).

Zwar bietet § 454 Abs. 2 Satz 4 StPO die Möglichkeit, von der mündlichen Anhörung des Sachverständigen abzusehen, wenn der Verurteilte, sein Verteidiger und die Staatsanwaltschaft ausdrücklich darauf verzichten. Der erforderliche Verzicht muss aber eindeutig erklärt werden; das bloße Schweigen auf eine Zuschrift des Gerichts genügt nicht (KG Berlin, a. a. O., Rn. 8; KG Berlin, Beschluss vom 22. November 2013, 2 Ws 558/13141 AR 616/13, juris, Rn.10; OLG Hamm, Beschluss vom 30. August 2018, III-3 Ws 363/18, juris, Rn. 12).

Eine solche ausdrückliche Verzichtserklärung liegt hier nur von dem Verteidiger und der Staatsanwaltschaft vor. Die zudem notwendige ausdrückliche Verzichtserklärung des Verurteilten ist hingegen nicht erteilt worden.

Dem bloßen Schweigen des Verurteilten auf die Nachfrage des Verteidigers, ob er auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichte, kann eine solche ausdrückliche Verzichtserklärung nicht entnommen werden, da dieses – wie auch das ebenfalls unzureichende Schweigen auf eine gerichtliche Anfrage – bereits keine eindeutige Erklärung darstellt.

Auch die Mitteilung des Verurteilten vom 19. Juli 2023 kann nicht als Verzicht auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen aufgefasst werden. Der Verurteilte hat darin nur mitgeteilt, dass er nicht an der Anhörung am 20. Juli 2023 teilnehmen wolle. Zu der Anhörung ist der Verurteilte dann auch tatsächlich nicht erschienen. In der Ablehnung der Teilnahme an dem Anhörungstermin kann ein ausdrücklicher Verzicht auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen aber nicht erblickt werden (OLG Braunschweig, Beschluss vom 28. September 2023, 1 Ws 165/23, nicht veröffentlicht), da sie sich zu einer solchen gerade nicht ausdrücklich verhält. Dazu, ob er auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen verzichten wolle, ist der Verurteilte im Vorfeld der Anhörung nur seitens des Verteidigers befragt worden. Indes hat er auf diese Befragung, wie bereits dargetan, nicht reagiert. Auch vor diesem Hintergrund erscheint es mangels eindeutiger Reaktion des Verurteilten auf die Nachfrage des Verteidigers ausgeschlossen, seiner Weigerung zur Teilnahme an der – ohne den Sachverständigen stattfindenden – Anhörung die Erklärung eines Verzichts auf die mündliche Anhörung des Sachverständigen zu entnehmen.

Da der Verteidiger seine Erklärung als Verfahrensbeteiligter und nicht im Namen des Verurteilten vorgenommen hat, kann auch dessen Erklärung jene des Verurteilten nicht ersetzen (Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. März 2006, 1 Ws 105/06, juris, Rn. 13; Graalmann-Scheerer in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 454 Rn. 64).“

Keine Terminsgebühr und Auslagen für Termin im Vollstreckungshilfeverfahren, oder: Wenn das OLG „Kleinigkeiten“ übersieht

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Bei der zweiten gebührenrechtlichen Entscheidung des heutigen „Money-Friday“ handelt es sich um den OLG Dresden, Beschl. v. 18.06.2018 – 2 (S) AR 48/17. Er ist nach einem Vollstreckungshilfeverfahren ergangen, in dem der Verteidiger an einer Anhörung nach den §§ 85 ff. IRG teilgenommen hatte. Dafür hat er eine Terminsgebühr Nr. 6102 VV RVG geltend gemacht. Die Anhörung diente der Befragung des Verurteilten, ob er mit der Vollstreckung der Strafe in der Republik Polen einverstanden sei.

Das OLG gewährt weder die Gebühr noch Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld:

„Der Pflichtbeistand kann für die Teilnahme an der Anhörung des Verfolgten durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts am 14. August 2017 keine Gebühr gemäß Nr. 6102 VV RVG und damit verbundene Auslagen beanspruchen.

Die Gebühr gemäß Nr. 6102 VV RVG erfasst nur die Verhandlung nach §§ 30 Abs. 3, 31 IRG, nicht jedoch andere gerichtliche Termine (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2007 – OLG 33 Ausl 84/06 – und 1. Dezember 2017 – OLGAusl 111/16 -, jeweils juris). Zwar sind diese Entscheidungen zur Frage einer Vergütung einer Teilnahme an einer Vernehmung im Auslieferungsverfahren nach § 28 IRG ergangen. Es besteht jedoch aus den darin angestellten grundsätzlichen Erwägungen keine Veranlassung, die Anhörung im Vollstreckungshilfeverfahren nach §§ 85 ff. IRG als Verhandlung anzusehen.

Die Anhörung im Vollstreckungshilfeverfahren dient der Befragung des Verfolgten, ob er mit einer Überstellung zur weiteren Vollstreckung der gegen ihn verhängten Strafe in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einverstanden ist, weil ein Einverständnis zu Protokoll eines Richters zu erklären wäre (§ 85 Abs. 2 Satz 2 IRG). Der Verurteilte wird in diesem Termin über die Rechtsfolgen eines Einverständnisses und dessen Unwiderruflichkeit belehrt (§ 85 Abs. 2 Satz 4 IRG), in dem Termin wird indes nicht verhandelt. Der Richter beim Amtsgericht ist auch nicht zu einer Entscheidung befugt. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckung ist dem Oberlandesgericht vorbehalten (§§ 85a, 85c IRG).2

Über das Entstehen der Gebühr kann man streiten – insoweit gilt dasselbe wie im Auslieferungsverfahren für die Termine nach § 28 IRG. M.E. falsch ist die Entscheidung hinsichtlich der Auslagen. Denn wird die Teilnahme an dem Anhörungstermin nicht über die Nr. 6102 VV RVG abgegolten, dann aber über die Verfahrensgebühr Nr. 6101 VV RVG. Und dann sind auch Auslagen zu erstatten. Dass die Gebühr Nr. 6102 VV RVG nicht entsteht, bedeutet ja nicht, dass der Rechtsanwalt nicht auch für die Teilnahme an dem Anhörungstermin beigeordnet war. Solche (vermeintlichen) „Kleinigkeiten“ kann man aber als OLG schon mal übersehen.

Anhörungstermin, oder: Wie komme ich da hin – Ausführung oder Sammeltransport?

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Die zweite vollzugsrechtliche Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist der KG, Beschl. v. 13.06.2016 – 2 Ws 143/16. Er hat eine mit dem Anhörungstermin (eines Sicherungsverwahrten) zusammenhängende Frage zum Gegenstand. Der Gefangene hatte nämlich an dem Anhörungstermin nicht teilgenommen. Er hatte die Fahrt zum Termin mit einem Gefangenensammeltransport verweigert und auch eine sog. Ausführung bestanden. Das KG sagt: Es besteht regelmäßig kein (gebundener) Anspruch (eines Sicherungsverwahrten) auf Ausführung zu einem Anhörungstermin anstelle einer Fahrt mit einem Gefangenensammeltransport.

1.) Die Strafvollstreckungskammer war durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer bei der Anhörung am 20. April 2016 nicht anwesend war, an einer Sachentscheidung nicht gehindert. Es lag zwar kein Absehensgrund i.S.d. § 454 Abs. 1 Satz 4 StPO vor, jedoch konnte die Strafvollstreckungskammer aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers davon ausgehen, dass er auf eine Anhörung berechtigterweise verzichtet (vgl. OLG Hamm NStZ 2011, 119; Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2011 – 2 Ws 564/11 –), jedenfalls aber das Recht auf Anhörung verwirkt hat. So beruht die Verweigerung der Vorführung zum Anhörungstermin nicht auf einem von der Strafvollstreckungskammer zu berücksichtigen und ggf. zu behebenden wichtigen und nachvollziehbaren Grund (vgl. hierzu OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2003, 59). Vielmehr ergibt sich aus dem Verhalten und dem im Anhörungstermin durch seine Rechtsanwältin verlesenem Schreiben vom 8. April 2016, dass er zu einer Teilnahme am Termin nur unter den von ihm aufgestellten Forderungen bereit war.

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 6. April 2016 zum Anhörungstermin am 20. April 2016 geladen und seine Vorführung angeordnet. In Kenntnis des Termins beantragte er gegenüber seinem damaligen Sozialarbeiter in der Justizvollzugsanstalt Tegel eine Ausführung zu dem Termin. Die Justizvollzugsanstalt hat eine Ausführung rechtsfehlerfrei abgelehnt. Ausführungen als vollzugsöffnende Maßnahmen (§ 39 SVVollzG Bln) dienen nach § 43 Abs. 2 SVVollzG Bln der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung und der Vorbereitung von weiteren Lockerungen. Die Teilnahme an einem Anhörungstermin bei Gericht dient weder der Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit noch der Förderung seiner Behandlung.

Soweit eine Ausführung auch aus sonstigem Grund i.S.d. § 44 Abs. 1 SVVollzG Bln möglich ist, handelt es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde. Hierbei muss erkennbar sein, dass die Vollzugsbehörde ihr Ermessen erkannt und ausgeübt, die anzuwenden Rechtsbegriffe nicht verkannt und die Grenzen der Ermessensfreiheit nicht durch unzulässige und sachfremde Erwägungen überschritten hat und hierdurch willkürlich oder grob missbräuchlich verfahren wurde. Die Vollzugsbehörde hat ihre Entscheidung darauf gestützt, dass kein wichtiger Anlass nach § 44 Abs. 1 SVVollzG Bln für eine Ausführung vorlag, eine Vorführung daher über § 46 SVVollzG Bln im Sammeltransport zu erfolgen habe. Einen wichtigen Anlass hätte die Vollzugsanstalt dann angenommen oder zumindest geprüft, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, an einem solchen Transport teilzunehmen. Daher forderte ihn der Sozialarbeiter auf, diese medizinischen Gründe durch eine ärztliche Bescheinigung des Arztes oder der Arztgeschäftsstelle in der Sicherungsverwahrung zu belegen. Dieser zumutbaren Mitwirkung ist der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt nachgekommen. Die Justizvollzugsanstalt konnte daher in rechtlich beanstandungsfreier Weise bei ihrer Entscheidung bereits den „wichtigen Anlass“ für eine Ausführung verneinen und durfte ergänzend die enge Personalsituation heranziehen und die Vorführung nach § 46 SVVollzG Bln als weiterhin geeignet ansehen. Da der Beschwerdeführer bereits am 8. April 2016 sein im Anhörungstermin verlesenes Schreiben anfertigte, muss vielmehr von einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung ausgegangen werden. Dazu passt im Übrigen auch seine Ankündigung im Schreiben vom 26. März 2015 (VH Bd. II Bl. 198f.), in dem er angekündigte, zu etwaigen Anhörungen nicht mehr zu erscheinen.

Weiterhin ergibt sich auch aus den vorgetragenen Gründen in der Beschwerdebegründung kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Vorführung im Gefangenentransport unzumutbar und unmöglich gewesen wäre. Soweit vorgebracht wird, eine Anhörung innerhalb des Gerichts sei dem Beschwerdeführer unmöglich und unzumutbar, da er aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung keine Treppen steigen könne, überzeugt der Einwand nicht. So fehlt es schon an einem nachvollziehbaren Nachweis für eine solch gravierende Beeinträchtigung; von der ihm aufgezeigten Möglichkeit dies ärztlich bescheinigen zu lassen, hat der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht. Ungeachtet dessen hätte ihm – körperliche Defizite insoweit unterstellt – mit Hilfe von Wachtmeistern und weiteren Hilfsmitteln (Rollstuhl oder Krankenbahre) ein Transport im Gebäude ermöglicht werden können. Außerdem steht im Gerichtsgebäude jederzeit eine Krankenschwester zur Verfügung, um in akuten Notfällen einzugreifen. Der Vortrag, der Beschwerdeführer werde durch eine Vorführung „stigmatisiert“, ist nicht nachvollziehbar und steht einer Teilnahme an der Anhörung ebenso wenig entgegen.

Schließlich bestimmt allein das Gericht Zeit und Ort der Anhörung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl. § 454 Rdn. 33 mit weit. Nachweisen), einen Anspruch auf die Terminsdurchführung in der Justizvollzugsanstalt gibt es nicht. ………..“