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Keine Terminsgebühr und Auslagen für Termin im Vollstreckungshilfeverfahren, oder: Wenn das OLG „Kleinigkeiten“ übersieht

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Bei der zweiten gebührenrechtlichen Entscheidung des heutigen „Money-Friday“ handelt es sich um den OLG Dresden, Beschl. v. 18.06.2018 – 2 (S) AR 48/17. Er ist nach einem Vollstreckungshilfeverfahren ergangen, in dem der Verteidiger an einer Anhörung nach den §§ 85 ff. IRG teilgenommen hatte. Dafür hat er eine Terminsgebühr Nr. 6102 VV RVG geltend gemacht. Die Anhörung diente der Befragung des Verurteilten, ob er mit der Vollstreckung der Strafe in der Republik Polen einverstanden sei.

Das OLG gewährt weder die Gebühr noch Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld:

„Der Pflichtbeistand kann für die Teilnahme an der Anhörung des Verfolgten durch den Ermittlungsrichter des Amtsgerichts am 14. August 2017 keine Gebühr gemäß Nr. 6102 VV RVG und damit verbundene Auslagen beanspruchen.

Die Gebühr gemäß Nr. 6102 VV RVG erfasst nur die Verhandlung nach §§ 30 Abs. 3, 31 IRG, nicht jedoch andere gerichtliche Termine (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2007 – OLG 33 Ausl 84/06 – und 1. Dezember 2017 – OLGAusl 111/16 -, jeweils juris). Zwar sind diese Entscheidungen zur Frage einer Vergütung einer Teilnahme an einer Vernehmung im Auslieferungsverfahren nach § 28 IRG ergangen. Es besteht jedoch aus den darin angestellten grundsätzlichen Erwägungen keine Veranlassung, die Anhörung im Vollstreckungshilfeverfahren nach §§ 85 ff. IRG als Verhandlung anzusehen.

Die Anhörung im Vollstreckungshilfeverfahren dient der Befragung des Verfolgten, ob er mit einer Überstellung zur weiteren Vollstreckung der gegen ihn verhängten Strafe in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union einverstanden ist, weil ein Einverständnis zu Protokoll eines Richters zu erklären wäre (§ 85 Abs. 2 Satz 2 IRG). Der Verurteilte wird in diesem Termin über die Rechtsfolgen eines Einverständnisses und dessen Unwiderruflichkeit belehrt (§ 85 Abs. 2 Satz 4 IRG), in dem Termin wird indes nicht verhandelt. Der Richter beim Amtsgericht ist auch nicht zu einer Entscheidung befugt. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Vollstreckung ist dem Oberlandesgericht vorbehalten (§§ 85a, 85c IRG).2

Über das Entstehen der Gebühr kann man streiten – insoweit gilt dasselbe wie im Auslieferungsverfahren für die Termine nach § 28 IRG. M.E. falsch ist die Entscheidung hinsichtlich der Auslagen. Denn wird die Teilnahme an dem Anhörungstermin nicht über die Nr. 6102 VV RVG abgegolten, dann aber über die Verfahrensgebühr Nr. 6101 VV RVG. Und dann sind auch Auslagen zu erstatten. Dass die Gebühr Nr. 6102 VV RVG nicht entsteht, bedeutet ja nicht, dass der Rechtsanwalt nicht auch für die Teilnahme an dem Anhörungstermin beigeordnet war. Solche (vermeintlichen) „Kleinigkeiten“ kann man aber als OLG schon mal übersehen.

Anhörungstermin, oder: Wie komme ich da hin – Ausführung oder Sammeltransport?

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Die zweite vollzugsrechtliche Entscheidung, die ich heute vorstelle, ist der KG, Beschl. v. 13.06.2016 – 2 Ws 143/16. Er hat eine mit dem Anhörungstermin (eines Sicherungsverwahrten) zusammenhängende Frage zum Gegenstand. Der Gefangene hatte nämlich an dem Anhörungstermin nicht teilgenommen. Er hatte die Fahrt zum Termin mit einem Gefangenensammeltransport verweigert und auch eine sog. Ausführung bestanden. Das KG sagt: Es besteht regelmäßig kein (gebundener) Anspruch (eines Sicherungsverwahrten) auf Ausführung zu einem Anhörungstermin anstelle einer Fahrt mit einem Gefangenensammeltransport.

1.) Die Strafvollstreckungskammer war durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer bei der Anhörung am 20. April 2016 nicht anwesend war, an einer Sachentscheidung nicht gehindert. Es lag zwar kein Absehensgrund i.S.d. § 454 Abs. 1 Satz 4 StPO vor, jedoch konnte die Strafvollstreckungskammer aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers davon ausgehen, dass er auf eine Anhörung berechtigterweise verzichtet (vgl. OLG Hamm NStZ 2011, 119; Senat, Beschluss vom 19. Dezember 2011 – 2 Ws 564/11 –), jedenfalls aber das Recht auf Anhörung verwirkt hat. So beruht die Verweigerung der Vorführung zum Anhörungstermin nicht auf einem von der Strafvollstreckungskammer zu berücksichtigen und ggf. zu behebenden wichtigen und nachvollziehbaren Grund (vgl. hierzu OLG Frankfurt a.M. NStZ-RR 2003, 59). Vielmehr ergibt sich aus dem Verhalten und dem im Anhörungstermin durch seine Rechtsanwältin verlesenem Schreiben vom 8. April 2016, dass er zu einer Teilnahme am Termin nur unter den von ihm aufgestellten Forderungen bereit war.

Der Beschwerdeführer wurde aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 6. April 2016 zum Anhörungstermin am 20. April 2016 geladen und seine Vorführung angeordnet. In Kenntnis des Termins beantragte er gegenüber seinem damaligen Sozialarbeiter in der Justizvollzugsanstalt Tegel eine Ausführung zu dem Termin. Die Justizvollzugsanstalt hat eine Ausführung rechtsfehlerfrei abgelehnt. Ausführungen als vollzugsöffnende Maßnahmen (§ 39 SVVollzG Bln) dienen nach § 43 Abs. 2 SVVollzG Bln der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung und der Vorbereitung von weiteren Lockerungen. Die Teilnahme an einem Anhörungstermin bei Gericht dient weder der Erhaltung seiner Lebenstüchtigkeit noch der Förderung seiner Behandlung.

Soweit eine Ausführung auch aus sonstigem Grund i.S.d. § 44 Abs. 1 SVVollzG Bln möglich ist, handelt es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung der Vollzugsbehörde. Hierbei muss erkennbar sein, dass die Vollzugsbehörde ihr Ermessen erkannt und ausgeübt, die anzuwenden Rechtsbegriffe nicht verkannt und die Grenzen der Ermessensfreiheit nicht durch unzulässige und sachfremde Erwägungen überschritten hat und hierdurch willkürlich oder grob missbräuchlich verfahren wurde. Die Vollzugsbehörde hat ihre Entscheidung darauf gestützt, dass kein wichtiger Anlass nach § 44 Abs. 1 SVVollzG Bln für eine Ausführung vorlag, eine Vorführung daher über § 46 SVVollzG Bln im Sammeltransport zu erfolgen habe. Einen wichtigen Anlass hätte die Vollzugsanstalt dann angenommen oder zumindest geprüft, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen wäre, an einem solchen Transport teilzunehmen. Daher forderte ihn der Sozialarbeiter auf, diese medizinischen Gründe durch eine ärztliche Bescheinigung des Arztes oder der Arztgeschäftsstelle in der Sicherungsverwahrung zu belegen. Dieser zumutbaren Mitwirkung ist der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt nachgekommen. Die Justizvollzugsanstalt konnte daher in rechtlich beanstandungsfreier Weise bei ihrer Entscheidung bereits den „wichtigen Anlass“ für eine Ausführung verneinen und durfte ergänzend die enge Personalsituation heranziehen und die Vorführung nach § 46 SVVollzG Bln als weiterhin geeignet ansehen. Da der Beschwerdeführer bereits am 8. April 2016 sein im Anhörungstermin verlesenes Schreiben anfertigte, muss vielmehr von einer grundsätzlichen Verweigerungshaltung ausgegangen werden. Dazu passt im Übrigen auch seine Ankündigung im Schreiben vom 26. März 2015 (VH Bd. II Bl. 198f.), in dem er angekündigte, zu etwaigen Anhörungen nicht mehr zu erscheinen.

Weiterhin ergibt sich auch aus den vorgetragenen Gründen in der Beschwerdebegründung kein Anhaltspunkt dafür, dass eine Vorführung im Gefangenentransport unzumutbar und unmöglich gewesen wäre. Soweit vorgebracht wird, eine Anhörung innerhalb des Gerichts sei dem Beschwerdeführer unmöglich und unzumutbar, da er aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung keine Treppen steigen könne, überzeugt der Einwand nicht. So fehlt es schon an einem nachvollziehbaren Nachweis für eine solch gravierende Beeinträchtigung; von der ihm aufgezeigten Möglichkeit dies ärztlich bescheinigen zu lassen, hat der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht. Ungeachtet dessen hätte ihm – körperliche Defizite insoweit unterstellt – mit Hilfe von Wachtmeistern und weiteren Hilfsmitteln (Rollstuhl oder Krankenbahre) ein Transport im Gebäude ermöglicht werden können. Außerdem steht im Gerichtsgebäude jederzeit eine Krankenschwester zur Verfügung, um in akuten Notfällen einzugreifen. Der Vortrag, der Beschwerdeführer werde durch eine Vorführung „stigmatisiert“, ist nicht nachvollziehbar und steht einer Teilnahme an der Anhörung ebenso wenig entgegen.

Schließlich bestimmt allein das Gericht Zeit und Ort der Anhörung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 59. Aufl. § 454 Rdn. 33 mit weit. Nachweisen), einen Anspruch auf die Terminsdurchführung in der Justizvollzugsanstalt gibt es nicht. ………..“