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Befangen III: SV-Befangenheitsantrag in der Revision, oder: Begründung der Verfahrensrüge

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Und dann noch etwas Verfahrensrechtliches zur Befangenheit, nämlich der BGH, Beschl. v. 16.05.2024 – 3 StR 112/23. Da war mit der Revision geltend gemacht worden, das LG habe einen Befangenheitsantrag gegen eine Sachverständige rechtsfehlerhaft abgelehnt.

Ohne Erfolg. Die Verfahrenrüge war unzulässig:

„2. Die mit der Revisionsbegründung des Verteidigers erhobene Verfahrensrüge, das Landgericht habe einen Befangenheitsantrag gegen die psychiatrische Sachverständige (§ 74 Abs. 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 StPO) rechtsfehlerhaft abgelehnt, ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügt. Denn weder das Ablehnungsgesuch noch der dieses zurückweisende Beschluss der Jugendkammer sind vom Revisionsführer vorgelegt oder zumindest in ihrem Inhalt vollständig mitgeteilt worden. Das aber wäre erforderlich gewesen, um dem Senat eine Überprüfung der Entscheidung auf Rechtsfehler zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2018 – 1 StR 437/17, NJW 2018, 1030 Rn. 9; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 39, 43, 47; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 74 Rn. 21; MüKoStPO/Trück, 2. Aufl., § 74 Rn. 25).“

Befangen II: Befangene SV im „Amoklauf-Verfahren“, oder: Forensisch-psychiatrisches Fallseminar geplant

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In der zweiten Entscheidung, dem LG Wuppertal, Beschl.  v. 05.06.2024 – 23 KLs 11/24 (45 Js 27/24), geht es um die Besorgnis der Befangenheit einer Sachverständigen. Dem jugendlichen Angeschuldigten wird versuchter Mord u. a. vorgeworfen. Der Angeschuldigte hat die (gerichltiche) Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung seines Antrages hat er im Wesentlichen vorgebracht: Das Institut für Forensische Psychiatrie und Sexualforschung in Essen habe nur knapp eine Woche nach Anklageerhebung – am 03.05.2024 – für den 28.05.2024, 17:00 bis 19:15 Uhr ein Fallseminar beworben, wonach Frau PD Dr. Pp., Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, über den „Amoklauf“ eines 16-jährigen Jugendlichen an einem Gymnasium in Wuppertal berichten werde (wegen der weiteren Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext).

Der Antrag hatte Erfolg:

„Das Ablehnungsgesuch des Angeschuldigten vom 27.05.2024 ist begründet.

Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1 StPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters (§ 24 StPO) berechtigen. Die Besorgnis der Befangenheit setzt daher Umstände voraus, die auf eine innere Haltung des Sachverständigen hinweisen, die seine Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen könnte. Ohne Bedeutung ist, ob der Sachverständige wirklich befangen ist; es kommt nur darauf an, ob vom Standpunkt des Ablehnenden aus verständigerweise ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen gerechtfertigt erscheint und ob dem Ablehnungsgesuch vernünftige, jedem unbeteiligten Dritten einleuchtende Gründe zugrunde liegen, wobei mehrere Gründe in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind.

Dies trifft vorliegend in der Gesamtschau aller Umstände zu. Denn die Sachverständige plante die Durchführung eines forensisch-psychiatrischen Fallseminars in Form einer Intervision von forensischen Sachverständigen, wobei es thematisch um das hiesige Strafverfahren gehen sollte, das sich noch im Zwischenverfahren befindet und gegen einen jugendlichen Angeschuldigten richtet. Dieses Seminar wurde mittels einer E-Mail beworben, in der es u. a. hieß, dass Frau PD Dr. Pp. über einen „Amoklauf“ eines 16-jährigen Jugendlichen an einem Gymnasium in Wuppertal berichten wird. Diese E-Mail wurde an ausgesuchte Teilnehmer geschickt, die überwiegend selbst Mitarbeiter der LVR-Universitätsklinik waren. Die Durchführung des Seminars war in einem geschlossenen Rahmen an der LVR-Klinik Essen mit 20 bis 25 Teilnehmern geplant, wobei alle Teilnehmenden namentlich bekannt waren und eine Verschwiegenheitserklärung unterschrieben hatten. Der Name des Angeschuldigten sollte nicht genannt werden. Zu der Durchführung des Seminars kam es letztlich nicht.

Die Kammer hat maßgeblich gewürdigt, dass durch die Beschreibung des Seminars in der E-Mail – „Amoklauf“ eines 16-jährigen Jugendlichen an einem Gymnasium in Wuppertal – in Verbindung mit der überregionalen medialen Präsenz des Geschehens und trotz des Umstandes, dass der Angeschuldigte nicht namentlich genannt werden sollte, eine Zuordnung zu dem hiesigen Strafverfahren auf der Hand liegt. Bereits dieser Umstand führt dazu, dass jedenfalls aus der Sicht des Angeschuldigten Anlass zu der Besorgnis bestand, dass die Sachverständige seine Persönlichkeit nicht mehr mit der gebotenen Unvoreingenommenheit würdigen werde, wenn sie geplant hatte, ohne ihn zuvor danach zu fragen, seine Probleme in Gegenwart Dritter zu erörtern und ihn damit – jedenfalls aus seiner Sicht – bloßzustellen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.01.1980, Az.: 2 StR 387/79).

Auch ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass sich das Strafverfahren gegen einen Jugendlichen richtet, dem, was sich auch dem Rechtsgedanken des § 48 JGG entnehmen lässt, ein besonderer Schutz seiner Privatsphäre zusteht, was ebenfalls – vom Standpunkt des Ablehnenden aus – ein gerechtfertigtes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Sachverständigen nahelegt. Denn die geplanten Äußerungen der Sachverständigen im Rahmen des Fallseminars waren nicht allgemeiner Natur, sondern konkret auf das Verfahren gegen den Angeschuldigten bezogen, was sich schon aus der Beschreibung des Seminars in der E-Mail ergibt. Bei dieser Sachlage rückt für die Bewertung in den Hintergrund, dass sich die Sachverständige nicht vor einer breiteren Öffentlichkeit (etwa durch eine Publikation o. ä.) äußern wollte, sondern gegenüber einem begrenzten, zur Verschwiegenheit verpflichteten Teilnehmerkreis. Letztlich sollte das Seminar dazu dienen, der Sachverständigen zu ermöglichen, ihre bisherigen Überlegungen im Sinn einer Intervision gegenüber Dritten, nicht am Verfahren beteiligten Personen, zur Diskussion zu stellen. Ein solche Intervision, wie sie gegebenenfalls bei einer Heilbehandlung erforderlich sein könnte, sieht die Strafprozessordnung im Rahmen einer sachverständigen Begutachtung indes nicht vor.

Hinzu kommt, dass dieses Fachseminar ohne die Kenntnis der Kammer und weiteren Verfahrensbeteiligten mit einem für diese unbekannten Teilnehmerkreis, der möglicherweise auch aus Personen besteht, die nicht selbst Mitarbeiter des LVR-Universitätsklinikums sind, stattfinden sollte. Auch der genaue Inhalt des Seminars war nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund in Verbindung mit dem Umstand, dass das Seminar noch vor einer möglicherweise durchzuführenden Hauptverhandlung stattfinden sollte, kann sich jedenfalls aus Sicht des Angeschuldigten der Eindruck einer inneren Haltung der Sachverständigen verfestigen, die ihre Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit störend beeinflussen könnte.

Schließlich erscheint aus Sicht der Kammer auch der in der E-Mail verwendete Begriff „Amoklauf“ bedenklich, auch wenn dieser in Anführungszeichen gesetzt wurde und das Thema schlagwortartig beschreiben sollte, da dies auf eine endgültige Bewertung hindeuten kann, obwohl eine etwaige Hauptverhandlung noch nicht stattgefunden hat.

Die Kammer hat auch gewürdigt, dass das Seminar letztlich nicht stattgefunden hat. Maßgeblich ist indes bereits, dass es geplant war und die Absage erst im Hinblick auf den Befangenheitsantrag des Angeschuldigten erfolgte.“

StPO II: Wenn das Berufungsurteil „viele Fehler“ hat, oder: Man mag es nicht glauben

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Als zweites dann der BayObLG, Beschl. v. 04.06.2024 – 203 StRR 184/24. Das ist mal wieder so eine Entscheidung, bei der man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und rufen möchte: „Das kann doch nicht wahr sein.“ Das bezieht sich allerdings nicht aus den BayObLG-Beschluss, sondern aus das landgerichtliche Berufungsurteil, das grob fehlerhaft ist/war. Daher was bei mir die Entscheidung des BayObLg auch mit dem Zusatz „viele Fehler“ gespeichert.

In der Sache geht es um eine Verurteilung wegen eines Ladendiebstahls. Die beanstandet das BayObLG. Ich stelle hier, weil es sonst zu viel wird, nur die Ausführungen des BayObLG zu den insoweit tatsächlichen Feststellungen vor – und verweise noch einmal darauf: Es handelte sich um ein Urteil einer Berufungskammer:

„1. Die Feststellungen des Landgerichts genügen nicht, um eine Verurteilung des Angeklagten wegen vollendeten Diebstahls zu tragen. Das Landgericht hat außer Acht gelassen, dass die in den Urteilsgründen gewählte Formulierung „entwendete“ ohne nähere Darlegung der Vorgehensweise des Täters nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Darstellung eines vollendeten Diebstahls in einem Ladengeschäft genügt.

a) Der Begriff des Entwendens lässt offen, wie sich die Tat abgespielt hat und ob die Wegnahme im Rechtssinne vollendet wurde (St. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juli 2023 – 203 StRR 255/23 -, unveröffentlicht; BayObLG, Beschluss vom 7. April 2021 — 202 StRR 33/21 —, juris; KG Berlin, Beschluss vom 23. Oktober 2019 — 3 Ss 89/19 —, juris Rn. 8 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 12. März 2015 — 2 OLG 22 Ss 14/15 —, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2013 – 111-5 RVs 111/13 juris; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Mai 2013 – 111-5 RVs 38/13 juris; Quentin in MüKo-StPO, 2. Aufl., § 318 Rn. 39). Für eine vollendete Wegnahme ist erforderlich, dass der Täter hinsichtlich der zuzueignenden Sache fremden Gewahrsam gebrochen und neuen begründet hat (St. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 6. März 2019 – 5 StR 593/18-, juris m.w.N.; Schmitz in MüKo-StGB, 4. Aufl. § 242 Rn. 83 ff.; Bosch in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 242 Rn. 37 ff.; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 242 Rn. 16 ff.). Für die Frage des Wechsels der tatsächlichen Sachherrschaft bei einem Ladendiebstahl ist entscheidend, dass der Täter diese derart erlangt, dass er sie ohne Behinderung durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben kann und dieser über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne seinerseits die Verfügungsgewalt des Täters zu brechen (BGH, Urteil vom 6. März 2019 — 5 StR 593/18 —, juris Rn. 3). Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls (vgl. zu den möglichen Fallkonstellationen beim Ladendiebstahl Vogel/Brodowski in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 242 Rn. 100 ff.; Bosch a.a.O. Rn. 39). Allein der Umstand, dass die Sache zurückgegeben wurde, lässt noch keinen verlässlichen Schluss auf die Begründung von Gewahrsam von Seiten des Täters zu (vgl. BayObLG, Beschluss vom 7. April 2021 a.a.O. Rn. 5). Entsprechendes gilt für die Feststellung der gewerbsmäßigen Begehungsweise. Weder der Verweis auf ein Geständnis des Angeklagten noch die Darlegung seiner Absicht kann die fehlenden Ausführungen zu den Gewahrsamsverhältnissen kompensieren (zum Geständnis vgl. Senat a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 14. November 2013 – III-5 RVs 111/13 -, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 6. Mai 2013 — III-5 RVs 38/13 juris).

b) Auch die in den Urteilsgründen nach § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO erfolgte Bezugnahme auf mehrere Lichtbilder, die die entwendeten Parfums zeigen, vermag die fehlenden Feststellungen nicht zu ersetzen. Nach § 267 Abs. 1 §. 1 und §. 3 StPO müssen die Urteilsgründe im Falle einer Verurteilung die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; wegen der Einzelheiten kann auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, verwiesen werden. Satz 3 der Vorschrift gestattet jedoch nur die ergänzende Heranziehung von Abbildungen, nicht jedoch eine Verweisung auf ein Schriftstück, soweit es auf den Wortlaut ankommt (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 — 6 StR 319/21 juris Rn. 10; BGH, Urteil vom 20. Januar 2021 —2 StR 242/20 —, juris Rn. 19, 21). Da der Tatrichter nur auf die – eine Wegnahme nicht belegenden – Lichtbilder verwiesen hat, könnte der Senat aus den Abbildungen einen Gewahrsamsbruch nicht ableiten. Dass auch ein außerhalb der Lichtbilder befindlicher Text Gegenstand der Inaugenscheinnahme gewesen wäre und vom Gericht und den Beteiligten wahrgenommen worden ist, lässt sich den Ausführungen im Urteil nicht entnehmen. Der Senat darf daher die Bildunterschrift in der Revision nicht zur Kenntnis nehmen. Auf die in der Rechtsprechung nicht endgültig geklärte Frage, inwieweit ein Text innerhalb einer Abbildung von der Regelung des § 267 Abs. 1 §. 3 StPO erfasst ist (vgl. BayObLG5 Beschluss vom 31 . Januar 2022 – 202 ObOWi 106/22 juris; KG, Beschluss vom 23. April 2021BeckRS 2021, 12952; BeckOK StPO/Peglau, 51. Ed. 1.4.2024, StPO § 267 Rn. 9; Bartel in KK-StPO, 9. Aufl., § 267 Rn. 43), kommt es daher nicht an.“

Den Rest dann bitte selbst lesen. Hier müssen die Leitsätze dann reichen, und twar.

    1. Die Formulierung „entwendete“ in den Urteilsgründen ohne nähere Darlegung der Vorgehensweise des Täters genügt nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Darstellung eines vollendeten Diebstahls in einem Ladengeschäft.
    2. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO gestattet nur die ergänzende Heranziehung von Abbildungen, nicht jedoch eine Verweisung auf ein Schriftstück, soweit es auf den Wortlaut ankommt.
    3. Bei der Schuldfähigkeitsbeurteilung hat der Tatrichter zwischen der Einsichts- und der Steuerungsfähigkeit zu differenzieren.
    4. In Fällen einer Kumulation von Alkohol und Betäubungsmitteln ist in der Regel die Hinzuziehung eines Sachverständigen sachdienlich.

 

StPO II: Drei Pflichtverteidigungsentscheidungen, oder: Beweisverwertungsverbot, Sachverständiger, Akten

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Und im zweiten Posting dann drei Entscheidungen „aus der Instanz“ zur Pflichtverteidigung, und zwar zu den Gründen für eine Beiordnung, und zwar:

Für die Frage der Erforderlichkeit der Mitwirkung eines Verteidigers in einem Strafverfahren genügt, dass ein Beweisverwertungsverbot nicht völlig fernliegend ist. Das kann der Fall sein, wenn eine im Rahmen des Zwischenverfahrens durchgeführten Wahllichtbildvorlage ggf. nicht den Anforderungen der Rechtsprechung entspricht.

    1. Nicht jede Hinzuziehung eines Sachverständigen begründet die Schwierigkeit einer Sachlage mit der Folge, dass ein Pflichtverteidiger beizuordnen wäre.
    2. Der Beiordnung eines Pflichtverteidigers steht nicht entgegen, wenn der bisherige Wahlverteidiger des Angeklagten im Berufungsverfahren erklärt hat, er würde eine gegenseitige Berufungsrücknahme befürworten, und die Staatsanwaltschaft daraufhin angekündigt hat, im Falle einer Berufungsrücknahme des Angeklagten die ihrerseits eingelegte Berufung ebenfalls zurückzunehmen.

Ist zur Feststellung, ob eine versehentliche Doppelverfolgung des Beschuldigten vorlag, eine Akteneinsicht ebenso erforderlich, wie das verstehende Lesen der beiden Verfahrensakten, ist die Sach- und Rechtslage schwierig.

Ablehnung III: Wenn der Sachverständige befangen ist, oder: Gutachten für Nebenkläger im Vorverfahren

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Und als dritte Entscheidung stelle ich dann noch einen AG-Beschluss vor, und zwar zur Frage der Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen (vgl. dazu neulich auch das AG Schmallenberg, Urt. v. 12.10.2022 – 5 Ds 47/22 und dazu AG III: Wenn der Sachverständige befangen ist, oder: “Diener zweier Herren” geht nicht ).

Im AG Freiberg, Beschl. v. 23.11.2022 – 1 Ds 210 Ja 1296/20 – haben wir eine etwas andere Konstellation, aber es geht in dieselbe Richtung. Ergangen ist der Beschluss in einem Verfahren mit dem Vorwurf einer fahrlässigen Tötung, aufgrund von Behandlungsfehlern des behandelnden Arztes. Der Sachverständige, der nun als gerichtlicher Sachverständiger tätig werden sollte, hatte für die Eltern des Verstorbenen bereits im Ermittlungsverfahren Gutachten erstattet. Das geht so nicht, meint das AG:

„Der Sachverständige Dr. pp. hat für die Eltern des Verstorbenen zunächst das Gutachten vom 23.03,2019 und dann eine Stellungnahme vom 28.6.2019 erstellt. Auftraggeber war jeweils Herr Dr. pp. Dieser hat die Eltern des Verstorbenen im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vertreten und sowohl durch seinen Sachvortrag als auch durch die Vorlage des vorgenannten Gutachtens erreicht, dass die staatanwaltschaftlichen Ermittlungen wieder aufgenommen wurden. Die Eltern haben zwischenzeitlich ihre Zulassung als Nebenkläger beantragt, inzwischen jedoch wieder zurückgezogen. Nichts destotrotz ergibt sich aus der Stellung von Dr. pp. im Ermittlungsverfahren die Besorgnis, dass dieser bei der Erstattung seines Gutachtens im Hauptverfahren nicht unbefangen sein wird. Denn mit dem schriftlichen Gutachten wollten die Eltern ersichtlich Behandlungsfehler der behandelnden Ärzte nachweisen. In dem privat erstatteten Gutachten hat Dr. pp.     bereite Behandlungsfehler erkannt und sich insoweit festgelegt.

Auf Antrag der Verteidiger der beiden Angeklagten ist Dr. pp. daher wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen.

Zur morgigen Hauptverhandlung ist er abzuladen.“