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Pflicht II: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: LG Magdeburg topp, LG Arnsberg ein Flopp

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Und im zweiten Posting dann zwei weitere Entscheidungen zur Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, eine topp und eine hopp, und  zwar:

1. Nach dem endgültigen Abschluss eines Strafverfahrens kommt die nachträgliche Beiordnung eines Verteidigers grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Allerdings ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung vieler Landgerichte eine rückwirkende Bestellung – unabhängig davon, ob eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO, § 170 Abs. 2 StPO oder der Eintritt der Rechtskraft eines Urteils oder Strafbefehls eine Verfahrensbeendigung herbeigeführt hat – ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein entsprechender Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist, die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorgelegen haben und die Entscheidung durch justizinterne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte.

2. Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung.

Eine rückwirkende Beiordnung eines Pflichtverteidigers, zumal für einen begrenzten Zeitraum, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn auf Wunsch des Angeschuldigten die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger tatsächlich inzwischen erfolgt ist.

Nun, der Entscheidung des LG Magdeburg ist nichts hinzuzügen. Sie ist zutreffend.

Die des LG Arnsberg ist unzutreffend und eröffnet – wie überhaupt die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung – der Einflussnahme des Richters auf die konkrete Person des Verteidigers Tür und Tor. Zum Hintergrund muss man wissen – so hat es mir der Kollege, der mir den Beschluss geschickt hat, mitgeteilt: Gegen den Mandanten war ein europäischer Haftbefehl erlassen und er in den Niederlanden beim Ermittlungsrichter vorgeführt worden. Der Kollege hatte sich unter Vollmachtsvorlage im Januar 2023 für den bereits früher von ihm vertretenen Mandanten (ebenfalls früher beigeordnet) bestellt und seine Beiordnung beantragt. Ein Fall der notwendigen Verteidigung lag erkennbar vor. Das AG Arnsberg ließ seinen Antrag, ebenso wie zwei seiner Erinnerungen schlicht unbeachtet.

Nachdem der Kollege die Akte von der Staatsanwaltschaft ohne Angabe von Gründen ebenfalls einen Monat nicht erhalten hat, hat der Mandant offenbar das Vertrauen verloren und beauftragte, ohne den Kollegen, zu informieren eine andere Kollegin, die ihre Beiordnung beantragte und beigeordnet wurde. Erst hiernach erhielt der Kollege eine Zuschrift vom Ermittlungsrichter, ob er nach der nunmehr vom Mandanten beauftragten Anwältin noch an meinem Antrag festhalten würde. Der Kollege hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass er einer Umbeiordnung nicht entgegen treten werde. da inzwischen (wenige Tage zuvor) das Mandat beendet worden sei, dass er jedoch auf seiner Beiordnung bisher bestehe, da es keinen Grund gab, ihn nicht beizuordnen. Die o.a. Entscheidung ist das Resultat. Sie ist – im Grunde – eine Frechheit: Da passiert offenbar monatelang nichts – die StPO spricht von „unverzüglich“ – und dann wird eine anderer Rechtsanwalt beigeordnet und dem Antragsteller, den man schlicht – warum? Faulheit? Keine Lust? – ignoriert hat, wird dann gesagt: Nee, Rückwirkung gibt es nicht. Armselig.

 

 

 

 

Pflichti I: Bestellung bei „drohender Gesamtstrafe“, oder: KiPo? Nein, kannst selbst Akteneinsicht nehmen.

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Heute kommen dann ein paar Entscheidungen zu Pflichtverteidigungsfragen, alle Entscheidungen stammen „aus der Instanz“.

Ich beginne mit zwei Entscheidungen zu den Beiordnungsgründen, und twar:

Von einem Fall notwendiger Verteidigung ist regelmäßig ab einer Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe auszugehen. Bei der Festsetzung der zu erwartenden Strafhöhe ist nicht auf Einzelstrafen, sondern auf die Gesamtstrafe abzustellen. Dies gilt auch für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung, soweit das anhängige Verfahren die Strafe nicht nur unwesentlich beeinflusst.

Das nur eingeschränkte Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten in bei der Akte befindliche Beweismittel mit kinderpornographischen Inhalten erfordert nicht die Bestellung eines Pflichtverteidigers, weil die Hauptakte auch für den Beschuldigten selbst einsehbar ist und die Beweismittelakte bei der Staatsanwaltschaft eingesehen werden kann.

Die Entscheidung des LG Frankfurt am Main ist zutreffend, sie entspricht der ständigen Rechtsprechung in der Frage.

Die Entscheidung des LG Hannover ist in meinen Augen falsch – und lebensfremd. Das LG setzt sich auch mit keinem Wort mit anders lautender Rechtsprechung zur Beiordnung in den KiPo-Fällen auseinander. Ich frage mich, wie das in der Praxis gehen soll. Der Beschuldigte erscheint bei der Geschäftsstelle der StA oder dem Gericht, um Einsicht in die Beweismittelakte zu nehmen. Er sitzt dann ggf. stundenlang dort herum, muss beaufsichtigt werden usw. Wenn er mit seinem Verteidiger kommt, müssen die beiden Gelegenheit haben, sich „unbelauscht“ zu den einzelnen Bildern austauschen zu können usw. Die Geschäftsstellen wird das freuen. Wie gesagt: Lebensfremd, aber „mia san mia“.

 

Pflichti II: Nochmals „Schwere der Rechtsfolge“, oder: „Drohende“ Gesamtstrafenbildung

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Im zweiten Posting dann etwas aus der Instanz zur Pflichtverteidigung. So ganz viel ist es aber nicht. Es handelt sich nur um eine LG-Entscheidung. Ich habe in meinem Ordner zwar noch eine zweite LG-Entscheidung hängern, die stelle ich aber dann erst demnächst vor, da wir die Problematik „Rückwirkung“ schon recht oft in der Berichterstattung hatten.

Hier stelle ich vor den LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 04.09.2024 – 18 Qs 34/24. In ihm geht es – auch noch einmal – um die „Schwere der Rechtsfolge“. Die Staatsanwaltschaft führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Vergehens nach dem Gewaltschutzgesetz. Sein Verteidiger hat seine Beiordnung als Pflichtverteidiger unter Verweis auf ein weiteres gegen den Beschuldigten bei der Staatsanwaltschaft geführtes Ermittlungsverfahren beantragt. In diesem Verfahren liegen dem Beschuldigten gefährliche Körperverletzung, versuchte gefährliche Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung zur Last.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 19.07.2024 wurde der Antrag von Rechtsanwalt pp., ihn zum Pflichtverteidiger des Beschuldigten im Verfahren Az.: 951 Js 163055/24 zu bestellen, abgelehnt. Zur Begründung führte das Amtsgericht aus, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung gem. § 140 Abs. 1, 2 StPO nicht vorliege. Der Beschluss wurde dem Verteidiger am 24.07.2024 und dem Beschuldigten am 25.07.2024 zugestellt.

Das AG hat die Bestellung abgelehnt. Dagegen legte der Beschuldigte  Beschwerde ein und begründete diese damit, dass aufgrund der notwendigen Verteidigung in dem anderen Verfahren auch im hiesigen Verfahren ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben sei. Das Rechtsmittel hatte beim LG Erfolg:

„1. Gemäß § 140 Abs. 2 StPO ist ein Fall notwendiger Verteidigung anzunehmen, wenn wegen der Schwere der Tat, der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann. Nach herrschender Meinung ist die Erwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe die Grenze, ab der aufgrund der Schwere der Tat, bzw. der Schwere der zu erwartenden Rechtsfolge ein Fall notwendiger Verteidigung gegeben ist. Die Schwelle von einem Jahr Freiheitsstrafe gilt auch bei Gesamtstrafenbildung, denn maßgeblich ist der Umfang der Rechtsfolgen, die insgesamt an den Verfahrensgegenstand geknüpft sind, nicht die Höhe der Einzelstrafen. Dies gilt auch, wenn die Gesamtstrafe aus der verfahrensgegenständlichen Verurteilung und künftigen Verurteilungen aus noch nicht abgeschlossenen Verfahren gebildet werden wird (BeckOK StPO/Krawczyk, 52. Ed. 1.7.2024, StPO § 140 Rn. 24 m.w.N). Die Notwendigkeit der Beiordnung eines Verteidigers hinge sonst von bloßen Zufälligkeiten, nämlich von der Frage ab, ob die Verfahren verbunden werden oder nicht (LG Magdeburg, Beschl. v. 01.06.2022, 21 Qs 23/22 m.w.N.). Ein Fall der notwendigen Verteidigung liegt hingegen nicht vor, wenn die verfahrensgegenständliche Verurteilung voraussichtlich geringfügig ausfallen und die Gesamtstrafenbildung nur unwesentlich beeinflussen wird (OLG Stuttgart, Beschl. v. 02.03.2012, 2 Ws 37/12 m.w.N.).

2. Unter Würdigung dieser Vorgaben ist ein Fall der notwendigen Verteidigung gegeben.

a) Dem Beschuldigten droht bei Bildung einer Gesamtstrafe mit der im Verfahren Az.: 951 Js 161267/24 zu erwartenden Verurteilung eine Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als einem Jahr.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth hat gegen den Beschuldigten im Verfahren Az.: 951 Js 161267/24 Anklage zum Schöffengericht erhoben. Dies bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft davon ausgeht, dass gegen den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt werden wird, vgl. § 28 i.V.m. § 25 Nr. 2 GVG.

Das Gesetz sieht für Vergehen nach dem Gewaltschutzgesetz Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor, § 4 GewSchG. Im vorliegenden Verfahren liegen dem Beschuldigten zwei derartige Verstöße zur Last. Im Falle einer Verurteilung wäre mit einer Strafe aus dem Verfahren Az.: 951 Js 161267/24 eine (nachträgliche) Gesamtstrafe zu bilden. Unter Zugrundelegung der Straferwartung, welche die Anklage zum Schöffengericht impliziert, ist davon auszugehen, dass gegen den Beschuldigten eine (nachträgliche) Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren verhängt würde.

Es kommt dabei nicht darauf an, dass der Beschuldigte im vorliegenden Strafverfahren isoliert betrachtet keine Freiheitsstrafe von einem Jahr zu erwarten hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass allein wegen der Taten im hiesigen Verfahren gegen den Beschuldigten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt würde. Denn die Verstöße gegen den Beschluss gem. § 1 GewSchG stellen sich jeweils nicht besonders gravierend dar. Der Beschuldigte hat die Geschädigte nicht angesprochen oder gar körperlich angegangen. Zudem liegt die Verurteilung des Beschuldigten wegen Nachstellung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen mit Strafbefehl des Amtsgerichts Fürth vom 08.11.2019 fast fünf Jahre zurück.

b) Es ist ohne Belang, dass gegen den Beschuldigten im hiesigen Verfahren noch keine Anklage erhoben wurde.

Denn aus § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO folgt, dass die Pflichtverteidigerbestellung unverzüglich zu erfolgen hat, wenn dem Beschuldigten der Tatvorwurf eröffnet worden ist. Vorliegend wurde dem Beschuldigten der Tatvorwurf mit seiner Ladung zur Beschuldigtenvernehmung am 08.04.2024 eröffnet, sodass auf den entsprechenden Antrag des Verteidigers vom 16.04.2024 hin dessen Bestellung zum Pflichtverteidiger angezeigt gewesen wäre.

c) Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die verfahrensgegenständliche Tat im Falle ihrer Anklage und Verurteilung die Gesamtstrafenbildung nur unwesentlich beeinflussen würde.

Vor dem Hintergrund, dass der Beschuldigte nur zwei Wochen nach der versuchten gefährlichen Körperverletzung zum Nachteil seiner ehemaligen Lebensgefährtin gegen den im Nachgang hierzu erwirkten Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 19.03.2024 verstieß, ist davon auszugehen, dass dem Beschuldigten im hiesigen Verfahren eine nicht nur unerhebliche Strafe, möglicherweise eine Freiheitsstrafe droht. Diese würde dann auch im Rahmen einer (nachträglichen) Gesamtstrafenbildung mit einer Strafe aus dem Verfahren Az.: 951 Js 161267/24 nicht nur unerheblich ins Gewicht fallen. Andererseits liegt in dem Verfahren Az.: 951 Js 161267/24 kein bereits für sich genommen so gewichtiger Tatvorwurf vor, dass der Unrechtsgehalt der vorliegenden Straftaten dem gegenüber gänzlich in den Hintergrund treten würde.“

Pflichti I: „Pflichti-Versäumnisse, Verteidigerwechsel, oder: Wahlanwalt, Zeitpunkt des Bestellungsantrags

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Und dann heute mal wieder Pflichtverteidigungsentscheidungen, darunter einiges vom BGH.

Ich beginne mit den BGH-Entscheidungen, zu denen ich hier aber nur die Leitsätze vorstelle:

Etwaige Versäumnisse eines Pflichtverteidigers können dem Staat nur ausnahmsweise angelastet werden, da die Führung der Verteidigung Sache des Angeklagten und seines Pflicht- oder Wahlverteidigers ist. Für Behörden und Gerichte besteht eine Verpflichtung zum Eingreifen nur, wenn das Versagen eines Pflichtverteidigers für die Justiz offenkundig ist oder sie davon unterrichtet wird.

Die Bestellung eines Pflichtverteidigers setzt gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 StPO voraus, dass die betreffende Person Beschuldigter in einem Strafverfahren ist und die Strafverfolgungsbehörde ihr durch amtliche Mitteilung oder auf sonstige Art und Weise die Einleitung gegen sie gerichteter Ermittlungen zur Kenntnis gebracht hat. Vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens sowie im Zeitraum noch nicht offen geführter Ermittlungen ist für eine Pflichtverteidigerbestellung kein Raum. Dementsprechend sind Anträge auf Pflichtverteidigerbestellung, die bereits vor der amtlichen Bekanntgabe des Tatvorwurfs, etwa aufgrund von Vermutungen über die Einleitung eines Strafverfahrens, gestellt werden, unzulässig.

Gemäß § 143a Abs. 1 Satz 1 StPO ist es – grundsätzlich zwingend – geboten, eine Pflichtverteidigerbestellung aufzuheben, wenn der Beschuldigte einen anderen Verteidiger gewählt und dieser zudem die Wahl angenommen hat. Eine Ausnahme besteht u.a., wenn zu besorgen steht, dass der neue Verteidiger das Mandat demnächst niederlegen und seine Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragen wird.

1. Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs in der Beschwerdeinstanz gilt, dass dem zur Entscheidung über einen Verteidigerwechsel nach § 143a StPO und über die Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers nach § 144 StPO berufenen Richter ein Beurteilungsspielraum zukommt

2. Einer Bestellung eines Pflichtverteidigers im Wege eines konsensualen Verteidigerwechsels steht entgegen, wenn eine angemessene Verteidigung des Angeklagten bei einer Teilnahme an lediglich einem Drittel der Verhandlungstermine nicht gewährleistet ist.

 

 

Pflichti II: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: LG Halle versus LG Neuruppin/AG/LG Krefeld

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Und dann hier einige „Rückwirkungsentscheidungen“.

    1. Eine rückwirkende Bestellung zum Pflichtverteidiger ist jedenfalls dann vorzunehmen, wenn der Beschuldigte rechtzeitig eine Pflichtverteidigerbestellung ausdrücklich beantragt hatte, wenn die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen haben und wenn eine Entscheidung über den Beiordnungsantrag ohne zwingenden Grund nicht unverzüglich erfolgt ist, da die Entscheidung durch behördeninterne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte.
    2. Eine Vorlage des Antrages auf Bestellung des Pflichtverteidigers beim zuständigen Ermittlungsrichter mehr als drei Wochen nach dem (erstmaligen) Eingang des Antrages bei der Polizei ist nicht mehr unverzüglich.
    1. Der Verteidiger kann gegen die Ablehnung seiner Bestellung als Pflichtverteidiger nicht im eigenen Namen sofortige Beschwerde ein legen, weil er nicht in eigenen Rechten verletzt ist.
    2. Eine rückwirkende nachträgliche Bestellung eines Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger kommt nicht in Betracht (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nicht zulässig.

Die Entscheidung des LG Halle ist zutreffend, die des LG Neuruppin bzw. die von AG/LG Krefeld sind falsch.

Ich verstehe bei der Entscheidung des LG Neuruppin schon nicht, warum man den richtigen Weg, den man mal gegangen ist, nun verlässt und sich dabei mit der richtigen anderslautenden Rechtsprechung nicht auseinandersetzzt, sie ja noch nicht einmal erwähnt. Und das in einer Sache, in der die Frage überhaupt keine Rolle gespielt hat. Denn, wenn die sofortige Beschwerde unzulässig war, kam es auf die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung nicht an. Warum problematisiert man das dann und warum ändert man dann gerade in der Sache seine Rechtsprechung. Das sieht ein wenig nach „Herr Lehrer, ich weiß was.“ aus. Zudem dürfte das LG die Frage der Beschwerdebefugnis wohl nicht richtig entschieden haben. Denn: Warum geht man nicht den Weg der Auslegung, den andere Gerichte gegangen sind und sieht die sofortige Beschwerde als im Namen des Mandanten eingelegt an. Letztlich müsste man aber den genauen Wortlaut der Beschwerdeschrift kennen.

Beim AG Krefeld „erstaunt“ die Kürze der Begründung – gelinde ausgedrückt. Man kann dem Satz: „Zudem ist das Verfahren bereits eingestellt.“ entnehmen, dass das AG das Für und Wider erwogen und sich mit den für und gegen die rückwirkende Bestellung auseinandergesetzt hat. Oder doch nicht? Jedenfalls hat diese tiefschürfende Begründung das LG nicht davon abgehalten, sich mit dem Satz: „Die Kammer schließt sich auch in der Begründung den zutreffenden Erwägungen des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses an.“ Man möchte schreien, wenn man es liest. Beides ist schlicht eine Unverschämtheit. Zumindest von einem LG als Beschwerdegericht sollte man mehr erwarten dürfen.