Schlagwort-Archive: Zulässigkeit

StPO II: Mal wieder Klageerzwingungsantrag unzulässig, oder: Die Zulässigkeitshürden liegen hoch

Und dann als zweite Entscheidung der OLG Brandenburg. Beschl. v. 08.08.2024 – 2 Ws 88/24 – zu den Anforderungen eines sog. Klageerzwingungsantrages (§ 172 StPO). Auch immer wieder eine „beliebte“ Thematik.

Das OLG hat den Antrag als unzulässig angesehen:

„Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig, weil er nicht der gesetzlichen Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügt.

Danach ist ein Antrag gemäß § 172 Abs. 2 StPO ist nur dann zulässig gestellt, wenn in ihm die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage bzw. die Anordnung der Aufnahme von Ermittlungen begründen sollen, und die Beweismittel angegeben werden (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO). Nach der ständigen Rechtsprechung auch des Senats bedeutet dieses Formerfordernis, dass ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht nur eine aus sich selbst heraus verständliche Schilderung des zugrunde liegenden Sachverhaltes enthalten muss, sondern die Sachdarstellung auch in groben Zügen den Gang der Ermittlungen, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe deren behaupteter Unrichtigkeit wiederzugeben hat. Dadurch soll der jeweils erkennende Senat in die Lage versetzt werden, ohne Rückgriff auf die Ermittlungsakten eine Schlüssigkeitsprüfung vornehmen zu können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, 67. Aufl. § 172 Rn. 27a/27b m.w.N.). Eine Bezugnahme auf beigefügte Schriftstücke bedeutet eine Umgehung der Formvorschrift des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO, wenn erst durch die Kenntnisnahme vom Inhalt der Anlagen die erforderliche geschlossene Sachdarstellung erreicht wird (OLG Düsseldorf StV 1983, 498; KG NStE StPO § 172 Nr. 28).

Ferner muss dem Antrag nach Maßgabe des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO zu entnehmen sein, dass die Fristen gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO und § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO eingehalten worden sind (BVerfG, NJW 1988, 1773). Das Oberlandesgericht ist zu einer Sachentscheidung nur berechtigt, wenn auch die zweiwöchige Frist der Beschwerde gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft eingehalten wurde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 15. Januar 2019, 4 Ws 223/18, BeckRS 2019, 782, Rn. 3 m. w. N.; Senat, Beschluss vom 28. Juli 2022 – 2 Ws 97/22 [S]; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 67. Aufl. § 173 Rn. 27b m. w. N.). Da das Antragsvorbringen das Gericht in die Lage versetzen soll, ohne Rückgriff auf die Akten oder Anlagen eine Schlüssigkeitsprüfung der Erfolgsaussicht des Begehrens in formeller und materieller Hinsicht vorzunehmen, ist auch die Zulässigkeit der Vorschaltbeschwerde vollständig darzulegen.

Den danach geltenden Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht.

Ob eine Frist gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 StPO in Lauf gesetzt worden und eine solche gewahrt worden ist, lässt sich der Antragsschrift nicht hinreichend konkret entnehmen, denn darin werden lediglich die Daten eines Bescheids der Staatsanwaltschaft (22. Januar 2024) sowie der Einlegung einer Beschwerde (10. Februar 2024) mitgeteilt (S. 4). Ob die Beschwerde innerhalb einer laufenden Frist rechtzeitig angebracht wurde, ergibt sich daraus nicht.

Darüber hinaus ist der Antrag jedenfalls deshalb unzulässig, wie er den Inhalt der (Vor)Ermittlungen und die Gründe für die Ablehnung eines Tatverdachtes nur oberflächlich schildert und der Senat auf Grundlage dieses nur lückenhaften Vorbringens ohne Rückgriff auf den Akteninhalt oder Anlagen zum Schriftsatz nicht hinreichend zu überprüfen vermag, ob ein Tatverdacht zu Unrecht verneint worden ist. Insbesondere werden die Aussage der als Zeugen vernommenen Polizisten („Name 01“) und („Name 02“), die Auswertung des Funkverkehrs, der Bericht über waffen- und munitionstechnische Untersuchungen vom 12. April 2023, sowie der Inhalt des Bescheids der Staatsanwaltschaft vom 22. Januar 2024 zum Vorliegen einer Notwehrlage nur unzureichend – und nicht wie geboten dem wesentlichen Inhalt nach – dargetan. Zur gebotenen Darstellung des Verfahrensganges und der angefochtenen Entscheidungen genügt es nicht, nur auf einzelne Erkenntnisse aus Zeugenbefragungen und Würdigungen der Ermittlungsbehörden einzugehen, etwa diejenigen, die das Antragsbegehren stützen. Vielmehr ist das gesamte für die objektive und subjektive Tatseite bedeutsame Ermittlungsergebnis einschließlich der Tatsachen, die dem Antragsbegehren den Boden entziehen könnten, mitzuteilen (OLG Koblenz NStZ-RR 2007, 317). Daran fehlt es.“

Nichts Neues. Und auch nicht neu ist <<Werbemodus an>, dass die mit dem Klageerzwingungsverfahren zusammenhängenden Fragen eingehend von mir sowohl in Burhoff (Hrsg. Handbuch für die strafrechtlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe, 3. Aufl., 2024, als auch in Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl., 2025, behandelt sind. Die Bücher sind natürlich neu 🙂 und man kann sie hier bestellen. Und das erklärt auch das Bild zu dem Posting 🙂 . Wenn man die (abgebildete) Trilogie bestellt, spart man übrigens recht ordentlich .<<Werbemodus aus>>.

Pflicht II: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: LG Magdeburg topp, LG Arnsberg ein Flopp

Bild von Sabine Kroschel auf Pixabay

Und im zweiten Posting dann zwei weitere Entscheidungen zur Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, eine topp und eine hopp, und  zwar:

1. Nach dem endgültigen Abschluss eines Strafverfahrens kommt die nachträgliche Beiordnung eines Verteidigers grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Allerdings ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung vieler Landgerichte eine rückwirkende Bestellung – unabhängig davon, ob eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 154 Abs. 1 StPO, § 170 Abs. 2 StPO oder der Eintritt der Rechtskraft eines Urteils oder Strafbefehls eine Verfahrensbeendigung herbeigeführt hat – ausnahmsweise dann zulässig, wenn ein entsprechender Beiordnungsantrag rechtzeitig gestellt worden ist, die Voraussetzungen für eine Beiordnung vorgelegen haben und die Entscheidung durch justizinterne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte.

2. Zur Beiordnung eines Pflichtverteidigers wegen Unfähigkeit der Selbstverteidigung.

Eine rückwirkende Beiordnung eines Pflichtverteidigers, zumal für einen begrenzten Zeitraum, kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn auf Wunsch des Angeschuldigten die Beiordnung eines anderen Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger tatsächlich inzwischen erfolgt ist.

Nun, der Entscheidung des LG Magdeburg ist nichts hinzuzügen. Sie ist zutreffend.

Die des LG Arnsberg ist unzutreffend und eröffnet – wie überhaupt die Rechtsprechung zur Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung – der Einflussnahme des Richters auf die konkrete Person des Verteidigers Tür und Tor. Zum Hintergrund muss man wissen – so hat es mir der Kollege, der mir den Beschluss geschickt hat, mitgeteilt: Gegen den Mandanten war ein europäischer Haftbefehl erlassen und er in den Niederlanden beim Ermittlungsrichter vorgeführt worden. Der Kollege hatte sich unter Vollmachtsvorlage im Januar 2023 für den bereits früher von ihm vertretenen Mandanten (ebenfalls früher beigeordnet) bestellt und seine Beiordnung beantragt. Ein Fall der notwendigen Verteidigung lag erkennbar vor. Das AG Arnsberg ließ seinen Antrag, ebenso wie zwei seiner Erinnerungen schlicht unbeachtet.

Nachdem der Kollege die Akte von der Staatsanwaltschaft ohne Angabe von Gründen ebenfalls einen Monat nicht erhalten hat, hat der Mandant offenbar das Vertrauen verloren und beauftragte, ohne den Kollegen, zu informieren eine andere Kollegin, die ihre Beiordnung beantragte und beigeordnet wurde. Erst hiernach erhielt der Kollege eine Zuschrift vom Ermittlungsrichter, ob er nach der nunmehr vom Mandanten beauftragten Anwältin noch an meinem Antrag festhalten würde. Der Kollege hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass er einer Umbeiordnung nicht entgegen treten werde. da inzwischen (wenige Tage zuvor) das Mandat beendet worden sei, dass er jedoch auf seiner Beiordnung bisher bestehe, da es keinen Grund gab, ihn nicht beizuordnen. Die o.a. Entscheidung ist das Resultat. Sie ist – im Grunde – eine Frechheit: Da passiert offenbar monatelang nichts – die StPO spricht von „unverzüglich“ – und dann wird eine anderer Rechtsanwalt beigeordnet und dem Antragsteller, den man schlicht – warum? Faulheit? Keine Lust? – ignoriert hat, wird dann gesagt: Nee, Rückwirkung gibt es nicht. Armselig.

 

 

 

 

Pflichti II: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: LG Halle versus LG Neuruppin/AG/LG Krefeld

Bild von Tumisu, please consider ☕ Thank you! 🤗 auf Pixabay

Und dann hier einige „Rückwirkungsentscheidungen“.

    1. Eine rückwirkende Bestellung zum Pflichtverteidiger ist jedenfalls dann vorzunehmen, wenn der Beschuldigte rechtzeitig eine Pflichtverteidigerbestellung ausdrücklich beantragt hatte, wenn die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung zum Zeitpunkt der Antragstellung vorgelegen haben und wenn eine Entscheidung über den Beiordnungsantrag ohne zwingenden Grund nicht unverzüglich erfolgt ist, da die Entscheidung durch behördeninterne Vorgänge unterblieben ist, auf die ein Außenstehender keinen Einfluss hatte.
    2. Eine Vorlage des Antrages auf Bestellung des Pflichtverteidigers beim zuständigen Ermittlungsrichter mehr als drei Wochen nach dem (erstmaligen) Eingang des Antrages bei der Polizei ist nicht mehr unverzüglich.
    1. Der Verteidiger kann gegen die Ablehnung seiner Bestellung als Pflichtverteidiger nicht im eigenen Namen sofortige Beschwerde ein legen, weil er nicht in eigenen Rechten verletzt ist.
    2. Eine rückwirkende nachträgliche Bestellung eines Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger kommt nicht in Betracht (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist nicht zulässig.

Die Entscheidung des LG Halle ist zutreffend, die des LG Neuruppin bzw. die von AG/LG Krefeld sind falsch.

Ich verstehe bei der Entscheidung des LG Neuruppin schon nicht, warum man den richtigen Weg, den man mal gegangen ist, nun verlässt und sich dabei mit der richtigen anderslautenden Rechtsprechung nicht auseinandersetzzt, sie ja noch nicht einmal erwähnt. Und das in einer Sache, in der die Frage überhaupt keine Rolle gespielt hat. Denn, wenn die sofortige Beschwerde unzulässig war, kam es auf die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung nicht an. Warum problematisiert man das dann und warum ändert man dann gerade in der Sache seine Rechtsprechung. Das sieht ein wenig nach „Herr Lehrer, ich weiß was.“ aus. Zudem dürfte das LG die Frage der Beschwerdebefugnis wohl nicht richtig entschieden haben. Denn: Warum geht man nicht den Weg der Auslegung, den andere Gerichte gegangen sind und sieht die sofortige Beschwerde als im Namen des Mandanten eingelegt an. Letztlich müsste man aber den genauen Wortlaut der Beschwerdeschrift kennen.

Beim AG Krefeld „erstaunt“ die Kürze der Begründung – gelinde ausgedrückt. Man kann dem Satz: „Zudem ist das Verfahren bereits eingestellt.“ entnehmen, dass das AG das Für und Wider erwogen und sich mit den für und gegen die rückwirkende Bestellung auseinandergesetzt hat. Oder doch nicht? Jedenfalls hat diese tiefschürfende Begründung das LG nicht davon abgehalten, sich mit dem Satz: „Die Kammer schließt sich auch in der Begründung den zutreffenden Erwägungen des mit der Beschwerde angegriffenen Beschlusses an.“ Man möchte schreien, wenn man es liest. Beides ist schlicht eine Unverschämtheit. Zumindest von einem LG als Beschwerdegericht sollte man mehr erwarten dürfen.

StPO II: Zulässigkeit des Besetzungseinwandes, oder: Keine Bezugnahmen/Verweisungen

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Im zweiten Posting dann mal wieder etwas zum Besetzungseinwand (§ 222b StPO), und zwar noch einmal zur ausreichenden Begründung. Dem KG war hier der vom Angeklagten erhobene Besetzungseinwand nicht ausreichend begründet, weshalb er ihn im KG, Beschl. v. 20.02.2024 – 2 Ws 21/24 – 161 GWs 2/24 – als unzulässig verworfen hat:

„b) Allerdings genügt der Einwand in formeller Hinsicht nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO zu stellenden Anforderungen, wonach die Tatsachen, aus denen sich die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung ergeben soll, anzugeben sind. Die durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) eingefügte Vorschrift des § 222b Abs. 3 StPO verlagert die bislang im Wege der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO zu erhebende Rüge der vorschriftswidrigen Gerichtsbesetzung aus dem Revisionsverfahren in ein Vorabentscheidungsverfahren (vgl. BT-Drs. 19/14747, Seite 29). Mit dieser Verlagerung hat sich aber nicht der in der Sache anzuwendende Prüfungsmaßstab verändert.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen das Vorabentscheidungsverfahren im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein und die für die alte Rechtslage vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen (vgl. insoweit BGHSt 44, 161) sowie die Begründungsanforderungen gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 und 3 erhalten bleiben (vgl. BT-Drs. aaO; Gmel in KK-StPO, 9. Aufl., § 222b Rn. 8).

c) Entsprechend einer Rüge der Gerichtsbesetzung im Revisionsverfahren gemäß § 344 Abs. 2 StPO erfordert die Rüge daher eine geschlossene und vollständige Darstellung der Verfahrenstatsachen; alle einen behaupteten Besetzungsfehler begründenden Tatsachen müssen aus sich heraus – das heißt, ohne Bezugnahmen und Verweisungen auf andere Schriftstücke, insbesondere Anlagen, Aktenbestandteile oder Schriftsätze anderer Verfahrensbeteiligter – so konkret und vollständig innerhalb der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO vorgebracht werden, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird (vgl. [zur alten Rechtslage] BGHSt aaO; [zur unveränderten neuen Rechtslage] Kammergericht, Beschlüsse vom 3. Mai 2023 – 4 Ws 44/23 – und vom 1. März 2021 – 4 Ws 14/21 –, jeweils mwN, OLG Celle StraFo 2020, 159; OLG München, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 2 Ws 138/20, 2 Ws 139/20 –). Hierzu zählt auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen (vgl. OLG Celle aaO). Eine Bezugnahme auf Anlagen zur Antragsschrift ist unzulässig, denn es ist nicht Aufgabe des Rechtsmittelgerichts, das Vorbringen an der passenden Stelle zu ergänzen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. Mai 2022 – III-5 Ws 114/22 –).

2. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist der Besetzungseinwand unzulässig.

a) Den vorgenannten Anforderungen wird der Vortrag des Angeklagten schon deshalb nicht gerecht, weil nicht dargelegt wird, wann das Gericht dem Angeklagten die Besetzung der Strafkammer mitgeteilt hat, so dass dem Senat als Rechtsmittelgericht die Überprüfung der Rechtzeitigkeit des Besetzungseinwandes verwehrt bleibt (vgl. auch OLG München aaO). Das Datum des Eingangs beim Angeklagten bzw. seinem Verteidiger ergibt sich auch nicht aus der als Anlage beigefügten Besetzungsmitteilung. Insoweit wäre aber ohnehin eine Bezugnahme auf diese Anlage unzulässig.

b) Der Einwand ist aber auch im Übrigen unzulässig.

(1) Soweit sich der Angeklagte gegen die Zuständigkeit der 27. Strafkammer wendet, fehlen Darlegungen, woraus sich die Unzuständigkeit der 27. Strafkammer ergeben soll. Der Angeklagte teilt bereits nicht mit, wie die Regelung nach Rn. 107 des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Berlin lautet. Diese Regelung findet sich zwar in einer der beigefügten Anlagen, wobei diese Anlage bereits nicht nummeriert oder überschrieben ist. Diese Bezugnahme ist indes unzulässig; erforderlich wäre eine wörtliche oder zumindest sinngemäße Wiedergabe der vermeintlich fehlerhaft angewendeten Regelung des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Berlin. Es wird auch nicht mitgeteilt, woraus sich die Annahme des Angeklagten ergeben soll, dass die Zuteilung an die Strafkammer erfolgen solle, die nummerisch auf die Strafkammer folgt, deren Sache zurückverwiesen wurde.

Auch fehlen jegliche Ausführungen zu der von der Eingangsregistratur des Landgerichts Berlin vorgenommenen Zuteilung der Sache an die 27. Strafkammer. Woraus sich ergeben soll, dass die numerisch vorgehenden Strafkammern – so der Vortrag des Angeklagten – nicht überlastet gewesen seien, bleibt unklar.

(2) Soweit sich der Einwand des Angeklagten zudem gegen die Besetzung der 27. Strafkammer wendet, ist er ebenfalls unzulässig.

Eine „vorschriftswidrige Besetzung“ im Sinne des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO ist lediglich dann gegeben, wenn das erkennende Gericht mit einem oder mehreren Richtern besetzt war, bei denen es sich nicht um den bzw. die gesetzlichen Richter i.S.v. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG handelt. Wer gesetzlicher Richter ist, bestimmt sich nach dem Gerichtsverfassungsgesetz und der Umsetzung der dortigen Vorgaben durch den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts, dem der fragliche Spruchkörper angehört (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2016 – 1 StR 422/15 –).

Die vollständige Besetzung der 27. Strafkammer wird vom Angeklagten bereits nicht mitgeteilt. Der Geschäftsverteilungsplan des nunmehr zuständigen Landgerichts Berlin I für das Jahr 2024, aus dem sich die reguläre Besetzung der 27. Strafkammer ergeben würde, wird nicht vorgelegt.

Der Besetzungseinwand teilt insoweit nur mit, dass „nicht mehr Richter x Mitglied der Kammer wäre, sondern Richter am Landgericht x“. Aus dem Vorbringen des Angeklagten lässt sich zwar ansatzweise erkennen, dass er die Besetzung der Hauptverhandlung mit Richter x beanstandet, hingegen lässt sich daraus nicht erkennen, unter welchem konkreten rechtlichen Aspekt (vgl. § 222b Abs. 1 Satz 3 StPO) die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung geltend gemacht werden soll. Die angedeutete Verhinderung von Richter am Landgericht x würde nur dann zu einer „vorschriftswidrigen Besetzung“ des Gerichts führen, wenn Richter am Landgericht x gesetzlicher Richter gewesen wäre. Das hat der Angeklagte aber nicht ausreichend dargelegt. Aus der Besetzungsrüge ist auch nicht zu entnehmen, dass ein Verhinderungsgrund betreffend Richter am Landgericht x nicht vorgelegen habe. Ob beispielsweise eine förmlich festgestellte Verhinderung des Richters am Landgericht x vorliegt oder dieser beispielsweise wegen Urlaubs oder Krankheit an der Teilnahme an der Hauptverhandlung gehindert war, wird von dem Angeklagten in seinem Einwand nicht mitgeteilt (vgl. BGH NStZ 2020, 757 f.). Auch fehlt es an Darlegungen zur Bestimmung des zuständigen Vertreters nach den Regelungen des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Berlin I für das Jahr 2024, die eine Überprüfung der ggf. fehlerhaften Heranziehung von Richter x ermöglichen würden.

Zwar trifft die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgende Vortragslast den Angeklagten bzw. seine Verteidiger nur in Bezug auf die Tatsachen, die ihm zugänglich sind, wobei die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (vgl. Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Aufl., StPO, § 344 Rn. 22 mwN). Der Angeklagte bzw. sein Verteidiger hat – soweit ersichtlich – gar keine Anstrengungen unternommen, die Gründe für die Besetzung der Kammer zu ermitteln, so beispielsweise durch Nachfragen bei der Kammer oder der Gerichtsverwaltung. Dass Informationen erfragt, aber nicht mitgeteilt worden wären, trägt der Besetzungseinwand nicht vor.“

Nichts Neues, sondern nur noch einmal Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung. Die findet man dann (demnächst) auch bei <<Werbemodus an>> Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl. 2025, bzw. bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl. 2025, die man einzelne, als Paket oder als sog. Trilogie hier vorbestellen kann. <<Werbemodus aus>>.

Frist I: Was gehört zur Zulässigkeit der Anhörungsrüge?, oder: Der BGH sagt es uns noch einmal

© Dan Race Fotolia .com

Und heute dann zum Wochenstart zweimal etwas zu Fristen und was damit zu tun hat.

Ich stelle hier dann zunächst den BGH, Beschl. v. 04.04.2024 – 1 StR 450/23 – ein. Der äußert sich zur Anhörungsrüge (§ 356a StPO) und zeiht noch einmal schön, worauf man achten muss, damit die Anhörungsrüge zumindest zulässig ist. Das war sie hier nämlich nicht:

„Der Senat hat die Revision des Verurteilten mit Beschluss vom 7. Februar 2024 als unbegründet verworfen. Dagegen wendet sich der mit der Vertretung des Verurteilten in der Revisionsinstanz bevollmächtigte Verteidiger mit Schreiben vom 28. Februar 2024 und erhebt die Anhörungsrüge. Er führt aus, dass er nach Erhalt der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. Dezember 2023 mit dem Antrag, die auf die nicht näher ausgeführte Sach- und Verfahrensrüge gestützte Revision durch Beschluss als unbegründet zu verwerfen, die Revision mit Schreiben vom 26. Dezember 2023 ausführlich begründet und der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 17. Januar 2024 hierzu Stellung genommen habe. Er beanstandet, dass er diese Stellungnahme am 19. Januar 2024 vom Senat mit der Bitte um Kenntnisnahme „kommentarlos“ zugeleitet bekommen und der Senat sodann die Revision, ohne den Revisionsführer zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts anzuhören, mit Beschluss vom 7. Februar 2024 als unbegründet verworfen habe. Der Rechtsbehelf hat keinen Erfolg.

1. Die Anhörungsrüge erweist sich bereits als unzulässig.

a) Der Verteidiger trägt vor, er habe den Beschluss des Senats vom 7. Februar 2024 – „übermittelt laut Poststempel mit Datum vom 13.02.2024 an den Verteidiger“ – erst am 21. Februar 2024 nach Rückkehr von einer Urlaubsreise vom 29. Januar 2024 bis zum 20. Februar 2024 zur Kenntnis genommen, weshalb er die Anhörungsrüge vom 28. Februar 2024 fristgerecht innerhalb einer Woche erhoben habe.

b) Die Anhörungsrüge ist nicht fristgerecht erhoben. Der Verteidiger des Verurteilten hat den Senatsbeschluss nach eigenem Vorbringen mit Poststempel vom 13. Februar 2024 erhalten. Die Gehörsrüge ist infolge urlaubsbedingter Abwesenheit des Verteidigers erst am 28. Februar 2024, mithin nach Ablauf der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO , beim Revisionsgericht eingegangen. Ohnehin wäre ein etwaiges Verschulden des Verteidigers an der Fristversäumung dem Verurteilten zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2020 – 1 StR 280/19 Rn. 3). Dem Verteidiger hätte es nach Erhalt der Stellungnahme des Generalbundesanwalts am 19. Januar 2024 freigestanden, hierzu vor Urlaubsantritt Ausführungen zu machen, jedenfalls aber mit Rücksicht auf die anstehende, urlaubsbedingte längere Abwesenheit die Bestellung eines Vertreters zu veranlassen ( § 53 BRAO ).

c) Zudem ist dem Vorbringen des Verteidigers nicht zu entnehmen, wann der Verurteilte von der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat. In Fällen, in denen sich – wie hier – die Einhaltung der Frist des § 356a Satz 2 StPO nicht schon aus dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensgang ergibt, gehören die Mitteilung des für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts der Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die Gehörsverletzung ergeben soll, und dessen Glaubhaftmachung ( § 356a Satz 3 StPO ) zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 2; vom 3. September 2019 – 3 StR 226/19 Rn. 5; vom 1. August 2019 – 5 StR 85/19 Rn. 4 und vom 22. Juli 2016 – 1 StR 579/15 Rn. 2, jeweils mwN). Hierbei kommt es entscheidend auf die Kenntnis desjenigen Beteiligten an, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Entscheidung des Revisionsgerichts verletzt sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 – 5 StR 524/15 Rn. 2 mwN), hier also des Verurteilten als Revisionsführer. Vorliegend verhält sich die Anhörungsrüge allein zur Kenntniserlangung durch den neu mandatierten Verteidiger des Verurteilten.

2. Die Anhörungsrüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.

a) Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden ist, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen oder dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in sonstiger Weise verletzt. Die Gegenerklärung der Verteidigung vom 26. Dezember 2023 zur Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts hat der Senat auch inhaltlich vor Fassung des Verwerfungsbeschlusses zur Kenntnis genommen.

b) Aus dem Umstand, dass der Senat sodann die Verwerfung der Revision nicht weiter begründet und insbesondere zu der vom Verteidiger erst nach Erhalt der Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. Dezember 2023 abgegebenen Begründung der zunächst nur allgemein erhobenen Sachrüge keine Ausführungen gemacht hat, kann nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geschlossen werden.

aa) Eine Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14 , NStZ-RR 2014, 222 mwN; BVerfG, Beschluss vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05 , NJW 2006, 136; vgl. auch BVerfG [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 ,wistra 2014, 434mwN). Die Vorschrift des § 349 Abs. 2 StPO sieht keine Begründung des die Revision verwerfenden Beschlusses vor.

bb) Das gilt auch dann, wenn – erstmals – in einer Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts die Sachrüge näher begründet wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 5; vom 21. November 2019 – 1 StR 563/18 Rn. 4 und vom 24. Januar 2019 – 5 StR 619/18 Rn. 3). Denn das System der Revisionsentscheidung im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 und 3 StPO baut darauf auf, dass der Beschwerdeführer die Gründe für die Anfechtung eines Urteils bereits in der Revisionsbegründung anführt ( § 344 Abs. 1 StPO ). Hierzu nimmt die Revisionsstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift Stellung und legt – sofern sie die Beanstandungen nicht für durchgreifend erachtet – die hierfür maßgebenden Gründe in ihrem Antrag auf Verwerfung des Rechtsmittels näher dar. Folgt das Revisionsgericht einstimmig der Auffassung der Staatsanwaltschaft, so kann es die Revision durch Beschluss verwerfen, ohne dass dieser einer näheren Begründung bedarf. Dieses System kann der Beschwerdeführer nicht dadurch außer Kraft setzen, dass er seine Sachrüge während der Revisionsbegründungsfrist nicht weiter ausführt, seine Einzelbeanstandungen vielmehr erst nachschiebt, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Antragsschrift beim Revisionsgericht eingereicht hat, und dieser damit die Möglichkeit zu der gesetzlich vorgesehenen spezifizierten Stellungnahme nimmt. In diesem Fall hat der Beschwerdeführer gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zwar Anspruch darauf, dass das Revisionsgericht seine nachgeschobenen Ausführungen zur Kenntnis nimmt und prüft; er kann jedoch nicht verlangen, dass ihm die Gründe, aus denen seine Beanstandungen für nicht durchgreifend erachtet werden, im Verwerfungsbeschluss mitgeteilt werden ( BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 5; vom 21. August 2008 – 3 StR 229/08 Rn. 3 und vom 23. November 2022 – 5 StR 184/22 Rn. 3).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO ( BGH, Beschluss vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 6 mwN).“

Alles kein Hexenwerk.