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StPO II: Zulässigkeit des Besetzungseinwandes, oder: Keine Bezugnahmen/Verweisungen

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Im zweiten Posting dann mal wieder etwas zum Besetzungseinwand (§ 222b StPO), und zwar noch einmal zur ausreichenden Begründung. Dem KG war hier der vom Angeklagten erhobene Besetzungseinwand nicht ausreichend begründet, weshalb er ihn im KG, Beschl. v. 20.02.2024 – 2 Ws 21/24 – 161 GWs 2/24 – als unzulässig verworfen hat:

„b) Allerdings genügt der Einwand in formeller Hinsicht nicht den an ihn nach § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO zu stellenden Anforderungen, wonach die Tatsachen, aus denen sich die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung ergeben soll, anzugeben sind. Die durch das Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens vom 10. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2121) eingefügte Vorschrift des § 222b Abs. 3 StPO verlagert die bislang im Wege der Verfahrensrüge nach § 338 Nr. 1 StPO zu erhebende Rüge der vorschriftswidrigen Gerichtsbesetzung aus dem Revisionsverfahren in ein Vorabentscheidungsverfahren (vgl. BT-Drs. 19/14747, Seite 29). Mit dieser Verlagerung hat sich aber nicht der in der Sache anzuwendende Prüfungsmaßstab verändert.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen das Vorabentscheidungsverfahren im Wesentlichen an das Revisionsverfahren angelehnt sein und die für die alte Rechtslage vorgeschriebenen Form- und Fristvoraussetzungen (vgl. insoweit BGHSt 44, 161) sowie die Begründungsanforderungen gemäß § 222b Abs. 2 Satz 2 und 3 erhalten bleiben (vgl. BT-Drs. aaO; Gmel in KK-StPO, 9. Aufl., § 222b Rn. 8).

c) Entsprechend einer Rüge der Gerichtsbesetzung im Revisionsverfahren gemäß § 344 Abs. 2 StPO erfordert die Rüge daher eine geschlossene und vollständige Darstellung der Verfahrenstatsachen; alle einen behaupteten Besetzungsfehler begründenden Tatsachen müssen aus sich heraus – das heißt, ohne Bezugnahmen und Verweisungen auf andere Schriftstücke, insbesondere Anlagen, Aktenbestandteile oder Schriftsätze anderer Verfahrensbeteiligter – so konkret und vollständig innerhalb der Wochenfrist des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO vorgebracht werden, dass eine abschließende Prüfung durch das nach § 222b Abs. 3 Satz 1 StPO zuständige Rechtsmittelgericht ermöglicht wird (vgl. [zur alten Rechtslage] BGHSt aaO; [zur unveränderten neuen Rechtslage] Kammergericht, Beschlüsse vom 3. Mai 2023 – 4 Ws 44/23 – und vom 1. März 2021 – 4 Ws 14/21 –, jeweils mwN, OLG Celle StraFo 2020, 159; OLG München, Beschluss vom 12. Februar 2020 – 2 Ws 138/20, 2 Ws 139/20 –). Hierzu zählt auch, dass Umstände, die geeignet sein könnten, die vom Gericht beschlossene Besetzung zu begründen, nicht verschwiegen werden dürfen (vgl. OLG Celle aaO). Eine Bezugnahme auf Anlagen zur Antragsschrift ist unzulässig, denn es ist nicht Aufgabe des Rechtsmittelgerichts, das Vorbringen an der passenden Stelle zu ergänzen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 12. Mai 2022 – III-5 Ws 114/22 –).

2. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist der Besetzungseinwand unzulässig.

a) Den vorgenannten Anforderungen wird der Vortrag des Angeklagten schon deshalb nicht gerecht, weil nicht dargelegt wird, wann das Gericht dem Angeklagten die Besetzung der Strafkammer mitgeteilt hat, so dass dem Senat als Rechtsmittelgericht die Überprüfung der Rechtzeitigkeit des Besetzungseinwandes verwehrt bleibt (vgl. auch OLG München aaO). Das Datum des Eingangs beim Angeklagten bzw. seinem Verteidiger ergibt sich auch nicht aus der als Anlage beigefügten Besetzungsmitteilung. Insoweit wäre aber ohnehin eine Bezugnahme auf diese Anlage unzulässig.

b) Der Einwand ist aber auch im Übrigen unzulässig.

(1) Soweit sich der Angeklagte gegen die Zuständigkeit der 27. Strafkammer wendet, fehlen Darlegungen, woraus sich die Unzuständigkeit der 27. Strafkammer ergeben soll. Der Angeklagte teilt bereits nicht mit, wie die Regelung nach Rn. 107 des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Berlin lautet. Diese Regelung findet sich zwar in einer der beigefügten Anlagen, wobei diese Anlage bereits nicht nummeriert oder überschrieben ist. Diese Bezugnahme ist indes unzulässig; erforderlich wäre eine wörtliche oder zumindest sinngemäße Wiedergabe der vermeintlich fehlerhaft angewendeten Regelung des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Berlin. Es wird auch nicht mitgeteilt, woraus sich die Annahme des Angeklagten ergeben soll, dass die Zuteilung an die Strafkammer erfolgen solle, die nummerisch auf die Strafkammer folgt, deren Sache zurückverwiesen wurde.

Auch fehlen jegliche Ausführungen zu der von der Eingangsregistratur des Landgerichts Berlin vorgenommenen Zuteilung der Sache an die 27. Strafkammer. Woraus sich ergeben soll, dass die numerisch vorgehenden Strafkammern – so der Vortrag des Angeklagten – nicht überlastet gewesen seien, bleibt unklar.

(2) Soweit sich der Einwand des Angeklagten zudem gegen die Besetzung der 27. Strafkammer wendet, ist er ebenfalls unzulässig.

Eine „vorschriftswidrige Besetzung“ im Sinne des § 222b Abs. 1 Satz 1 StPO ist lediglich dann gegeben, wenn das erkennende Gericht mit einem oder mehreren Richtern besetzt war, bei denen es sich nicht um den bzw. die gesetzlichen Richter i.S.v. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG handelt. Wer gesetzlicher Richter ist, bestimmt sich nach dem Gerichtsverfassungsgesetz und der Umsetzung der dortigen Vorgaben durch den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts, dem der fragliche Spruchkörper angehört (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 2016 – 1 StR 422/15 –).

Die vollständige Besetzung der 27. Strafkammer wird vom Angeklagten bereits nicht mitgeteilt. Der Geschäftsverteilungsplan des nunmehr zuständigen Landgerichts Berlin I für das Jahr 2024, aus dem sich die reguläre Besetzung der 27. Strafkammer ergeben würde, wird nicht vorgelegt.

Der Besetzungseinwand teilt insoweit nur mit, dass „nicht mehr Richter x Mitglied der Kammer wäre, sondern Richter am Landgericht x“. Aus dem Vorbringen des Angeklagten lässt sich zwar ansatzweise erkennen, dass er die Besetzung der Hauptverhandlung mit Richter x beanstandet, hingegen lässt sich daraus nicht erkennen, unter welchem konkreten rechtlichen Aspekt (vgl. § 222b Abs. 1 Satz 3 StPO) die Vorschriftswidrigkeit der Besetzung geltend gemacht werden soll. Die angedeutete Verhinderung von Richter am Landgericht x würde nur dann zu einer „vorschriftswidrigen Besetzung“ des Gerichts führen, wenn Richter am Landgericht x gesetzlicher Richter gewesen wäre. Das hat der Angeklagte aber nicht ausreichend dargelegt. Aus der Besetzungsrüge ist auch nicht zu entnehmen, dass ein Verhinderungsgrund betreffend Richter am Landgericht x nicht vorgelegen habe. Ob beispielsweise eine förmlich festgestellte Verhinderung des Richters am Landgericht x vorliegt oder dieser beispielsweise wegen Urlaubs oder Krankheit an der Teilnahme an der Hauptverhandlung gehindert war, wird von dem Angeklagten in seinem Einwand nicht mitgeteilt (vgl. BGH NStZ 2020, 757 f.). Auch fehlt es an Darlegungen zur Bestimmung des zuständigen Vertreters nach den Regelungen des Geschäftsverteilungsplanes des Landgerichts Berlin I für das Jahr 2024, die eine Überprüfung der ggf. fehlerhaften Heranziehung von Richter x ermöglichen würden.

Zwar trifft die aus § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO folgende Vortragslast den Angeklagten bzw. seine Verteidiger nur in Bezug auf die Tatsachen, die ihm zugänglich sind, wobei die Anforderungen nicht überspannt werden dürfen (vgl. Schmitt, in Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Aufl., StPO, § 344 Rn. 22 mwN). Der Angeklagte bzw. sein Verteidiger hat – soweit ersichtlich – gar keine Anstrengungen unternommen, die Gründe für die Besetzung der Kammer zu ermitteln, so beispielsweise durch Nachfragen bei der Kammer oder der Gerichtsverwaltung. Dass Informationen erfragt, aber nicht mitgeteilt worden wären, trägt der Besetzungseinwand nicht vor.“

Nichts Neues, sondern nur noch einmal Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung. Die findet man dann (demnächst) auch bei <<Werbemodus an>> Burhoff (Hrsg.), Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 10. Aufl. 2025, bzw. bei Burhoff (Hrsg.), Handbuch für die strafrechtliche Hauptverhandlung, 11. Aufl. 2025, die man einzelne, als Paket oder als sog. Trilogie hier vorbestellen kann. <<Werbemodus aus>>.

Frist I: Was gehört zur Zulässigkeit der Anhörungsrüge?, oder: Der BGH sagt es uns noch einmal

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Und heute dann zum Wochenstart zweimal etwas zu Fristen und was damit zu tun hat.

Ich stelle hier dann zunächst den BGH, Beschl. v. 04.04.2024 – 1 StR 450/23 – ein. Der äußert sich zur Anhörungsrüge (§ 356a StPO) und zeiht noch einmal schön, worauf man achten muss, damit die Anhörungsrüge zumindest zulässig ist. Das war sie hier nämlich nicht:

„Der Senat hat die Revision des Verurteilten mit Beschluss vom 7. Februar 2024 als unbegründet verworfen. Dagegen wendet sich der mit der Vertretung des Verurteilten in der Revisionsinstanz bevollmächtigte Verteidiger mit Schreiben vom 28. Februar 2024 und erhebt die Anhörungsrüge. Er führt aus, dass er nach Erhalt der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. Dezember 2023 mit dem Antrag, die auf die nicht näher ausgeführte Sach- und Verfahrensrüge gestützte Revision durch Beschluss als unbegründet zu verwerfen, die Revision mit Schreiben vom 26. Dezember 2023 ausführlich begründet und der Generalbundesanwalt mit Schreiben vom 17. Januar 2024 hierzu Stellung genommen habe. Er beanstandet, dass er diese Stellungnahme am 19. Januar 2024 vom Senat mit der Bitte um Kenntnisnahme „kommentarlos“ zugeleitet bekommen und der Senat sodann die Revision, ohne den Revisionsführer zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts anzuhören, mit Beschluss vom 7. Februar 2024 als unbegründet verworfen habe. Der Rechtsbehelf hat keinen Erfolg.

1. Die Anhörungsrüge erweist sich bereits als unzulässig.

a) Der Verteidiger trägt vor, er habe den Beschluss des Senats vom 7. Februar 2024 – „übermittelt laut Poststempel mit Datum vom 13.02.2024 an den Verteidiger“ – erst am 21. Februar 2024 nach Rückkehr von einer Urlaubsreise vom 29. Januar 2024 bis zum 20. Februar 2024 zur Kenntnis genommen, weshalb er die Anhörungsrüge vom 28. Februar 2024 fristgerecht innerhalb einer Woche erhoben habe.

b) Die Anhörungsrüge ist nicht fristgerecht erhoben. Der Verteidiger des Verurteilten hat den Senatsbeschluss nach eigenem Vorbringen mit Poststempel vom 13. Februar 2024 erhalten. Die Gehörsrüge ist infolge urlaubsbedingter Abwesenheit des Verteidigers erst am 28. Februar 2024, mithin nach Ablauf der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO , beim Revisionsgericht eingegangen. Ohnehin wäre ein etwaiges Verschulden des Verteidigers an der Fristversäumung dem Verurteilten zuzurechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2020 – 1 StR 280/19 Rn. 3). Dem Verteidiger hätte es nach Erhalt der Stellungnahme des Generalbundesanwalts am 19. Januar 2024 freigestanden, hierzu vor Urlaubsantritt Ausführungen zu machen, jedenfalls aber mit Rücksicht auf die anstehende, urlaubsbedingte längere Abwesenheit die Bestellung eines Vertreters zu veranlassen ( § 53 BRAO ).

c) Zudem ist dem Vorbringen des Verteidigers nicht zu entnehmen, wann der Verurteilte von der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs Kenntnis erlangt hat. In Fällen, in denen sich – wie hier – die Einhaltung der Frist des § 356a Satz 2 StPO nicht schon aus dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensgang ergibt, gehören die Mitteilung des für den Fristbeginn maßgeblichen Zeitpunkts der Kenntniserlangung von den tatsächlichen Umständen, aus denen sich die Gehörsverletzung ergeben soll, und dessen Glaubhaftmachung ( § 356a Satz 3 StPO ) zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsbehelfs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 2; vom 3. September 2019 – 3 StR 226/19 Rn. 5; vom 1. August 2019 – 5 StR 85/19 Rn. 4 und vom 22. Juli 2016 – 1 StR 579/15 Rn. 2, jeweils mwN). Hierbei kommt es entscheidend auf die Kenntnis desjenigen Beteiligten an, dessen Anspruch auf rechtliches Gehör durch die Entscheidung des Revisionsgerichts verletzt sein soll (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2016 – 5 StR 524/15 Rn. 2 mwN), hier also des Verurteilten als Revisionsführer. Vorliegend verhält sich die Anhörungsrüge allein zur Kenntniserlangung durch den neu mandatierten Verteidiger des Verurteilten.

2. Die Anhörungsrüge hätte aber auch in der Sache keinen Erfolg.

a) Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden ist, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen oder dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in sonstiger Weise verletzt. Die Gegenerklärung der Verteidigung vom 26. Dezember 2023 zur Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts hat der Senat auch inhaltlich vor Fassung des Verwerfungsbeschlusses zur Kenntnis genommen.

b) Aus dem Umstand, dass der Senat sodann die Verwerfung der Revision nicht weiter begründet und insbesondere zu der vom Verteidiger erst nach Erhalt der Zuleitungsschrift des Generalbundesanwalts vom 5. Dezember 2023 abgegebenen Begründung der zunächst nur allgemein erhobenen Sachrüge keine Ausführungen gemacht hat, kann nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs geschlossen werden.

aa) Eine Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2014 – 1 StR 82/14 , NStZ-RR 2014, 222 mwN; BVerfG, Beschluss vom 23. August 2005 – 2 BvR 1066/05 , NJW 2006, 136; vgl. auch BVerfG [Kammer], Beschluss vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 ,wistra 2014, 434mwN). Die Vorschrift des § 349 Abs. 2 StPO sieht keine Begründung des die Revision verwerfenden Beschlusses vor.

bb) Das gilt auch dann, wenn – erstmals – in einer Gegenerklärung zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts die Sachrüge näher begründet wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 5; vom 21. November 2019 – 1 StR 563/18 Rn. 4 und vom 24. Januar 2019 – 5 StR 619/18 Rn. 3). Denn das System der Revisionsentscheidung im Beschlussverfahren nach § 349 Abs. 2 und 3 StPO baut darauf auf, dass der Beschwerdeführer die Gründe für die Anfechtung eines Urteils bereits in der Revisionsbegründung anführt ( § 344 Abs. 1 StPO ). Hierzu nimmt die Revisionsstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift Stellung und legt – sofern sie die Beanstandungen nicht für durchgreifend erachtet – die hierfür maßgebenden Gründe in ihrem Antrag auf Verwerfung des Rechtsmittels näher dar. Folgt das Revisionsgericht einstimmig der Auffassung der Staatsanwaltschaft, so kann es die Revision durch Beschluss verwerfen, ohne dass dieser einer näheren Begründung bedarf. Dieses System kann der Beschwerdeführer nicht dadurch außer Kraft setzen, dass er seine Sachrüge während der Revisionsbegründungsfrist nicht weiter ausführt, seine Einzelbeanstandungen vielmehr erst nachschiebt, nachdem die Staatsanwaltschaft ihre Antragsschrift beim Revisionsgericht eingereicht hat, und dieser damit die Möglichkeit zu der gesetzlich vorgesehenen spezifizierten Stellungnahme nimmt. In diesem Fall hat der Beschwerdeführer gemäß Art. 103 Abs. 1 GG zwar Anspruch darauf, dass das Revisionsgericht seine nachgeschobenen Ausführungen zur Kenntnis nimmt und prüft; er kann jedoch nicht verlangen, dass ihm die Gründe, aus denen seine Beanstandungen für nicht durchgreifend erachtet werden, im Verwerfungsbeschluss mitgeteilt werden ( BGH, Beschlüsse vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 5; vom 21. August 2008 – 3 StR 229/08 Rn. 3 und vom 23. November 2022 – 5 StR 184/22 Rn. 3).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 465 Abs. 1 StPO ( BGH, Beschluss vom 28. November 2023 – 1 StR 311/23 Rn. 6 mwN).“

Alles kein Hexenwerk.

Man muss wissen, wer das Rechtsmittel eingelegt hat, oder: Kann man den Rechtsmittelführer ermitteln?

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Und heute im „Kessel Buntes“ zwei verfahrensrechtliche Entscheidungen des BGH. Bei aus Zivilverfahren, aber die vom BGh aufgestellten Grundsätze gelten auch für andere Verfahren, also ggf. im Straf- oder Bußgeldverfahren.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 24.01.2024, XII ZB 39/23. In ihm geht es um die Frage, dass bei einem Rechtsmittelerkennbar sein muss, wer es eingelegt hat. Das, was der BGH in der Entscheidung sagt, ist nicht ganz neu. Ähnliches hat er schon mal 2020 im BGH, Beschl. v. 12.02.2020 – XII ZB 475/19 ausgeführt.

Ergangen ist die Entscheidung in einem familiengerichtlichen Verfahren. Es geht um die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs, in dem sich der Kindesvater verpflichtet hatte, für seine Kinder Unterhalt zu Händen der Kindesmutter zu zahlen. Zunächst richtete sich der Antrag nur gegen Kindesmutter. Nach einem rechtlichen Hinweis wird auf die Kinder umgestellt. Da zwischen den Beteiligten u.a. auch streitig war, ob das angerufene AG international zuständig ist, hat sich dieses mit Zwischenbeschluss für international und örtlich zuständig erklärt. Im Rubrum dieses Beschlusses sind nur die vier Kinder als Antragsgegner aufgeführt.

Gegen diesen Beschluss hat die Kindesmutter, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, Beschwerde eingelegt. In dem Beschwerdeschriftsatz wird als Beschwerdeführerin allein die Kindesmutter benannt und die Beschwerde ausdrücklich „namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin“ eingelegt. Mit der nach Ablauf der Frist zur Einlegung der Beschwerde eingegangenen Beschwerdebegründung, in der nunmehr die Kinder, vertreten durch die Kindesmutter, als „Antragsgegner und Beschwerdeführer“ bezeichnet werden, wenden sich diese gegen die vom Amtsgericht angenommene internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte.

Das OLG hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richten sich die Rechtsbeschwerden der Antragsgegner und der Kindesmutter. Der BGH hat die Rechtsbeschwerde als unzulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO) verworfen:

„2. Dies hält sich im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

a) Nach § 64 Abs. 2 Satz 3 FamFG muss die Beschwerdeschrift die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Diesem Erfordernis ist nur dann genügt, wenn bei der Einlegung des Rechtsmittels aus der Rechtsmittelschrift selbst oder in Verbindung mit sonstigen Unterlagen oder Umständen der Rechtsmittelführer erkennbar ist oder doch jedenfalls bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist erkennbar wird. Die Einhaltung dieser an den Inhalt der Beschwerdeschrift zu stellenden Anforderung dient – sowohl für das Beschwerdegericht als auch im Interesse der Beteiligten – dem geregelten Ablauf des Verfahrens und der Rechtssicherheit (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 475/19FamRZ 2020, 778 Rn. 11 mwN). Denn bei der Beschwerde, die einen neuen Verfahrensabschnitt vor einem anderen als dem bis dahin mit der Sache befassten Gericht eröffnet, müssen aus Gründen der Rechtssicherheit zur Erzielung eines geordneten Verfahrensablaufs die Beteiligten des Rechtsmittelverfahrens und insbesondere die Person des Rechtsmittelführers bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Rechtsmitteleinlegung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erkennbar sein (vgl. BGH Beschluss vom 18. April 2000 – VI ZB 1/00NJW-RR 2000, 1371, 1372 mwN zu § 518 Abs. 2 ZPO aF).

Das bedeutet indes nicht, dass die Person des Rechtsmittelführers wirksam nur ausdrücklich und nur in der Beschwerdeschrift selbst angegeben werden kann. Vielmehr ist die Rechtsmitteleinlegung einer Auslegung zugänglich. Den Belangen der Rechtssicherheit ist deshalb auch dann genügt, wenn eine verständige Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung jeden Zweifel an der Person des Rechtsmittelführers ausschließt. Daher ist es ausreichend, wenn jedenfalls mit Hilfe weiterer Unterlagen bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eindeutig zu erkennen ist, wer Beschwerdeführer sein soll (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 475/19FamRZ 2020, 778 Rn. 11 mwN).

b) Gemessen hieran bestehen bei verständiger Würdigung keine Zweifel, dass mit der Beschwerdeschrift allein die Kindesmutter Beschwerde gegen den amtsgerichtlichen Zwischenbeschluss eingelegt hat.

Die von der anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten verfasste Beschwerdeschrift enthält nach ihrem Wortlaut keinen Hinweis darauf, dass die Beschwerde für die Antragsgegner eingelegt werden sollte. In ihr wird ausdrücklich die Kindesmutter als Beschwerdeführerin bezeichnet. Zudem wird dort ausgeführt, dass „namens und im Auftrag der Beschwerdeführerin“ die Beschwerde eingelegt werde. Weitere Umstände, die zu einer Auslegung der Beschwerdeschrift führen können, dass das Rechtsmittel durch die Antragsgegner eingelegt werden sollte, ergaben sich für das Beschwerdegericht bis zum Ablauf der Beschwerdefrist nicht. Entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerde war der Beschwerdeschrift keine Abschrift des angegriffenen Zwischenbeschlusses beigefügt. Die Verfahrensakte wurde dem Beschwerdegericht erst nach Ablauf der Beschwerdefrist übersandt. Daher konnten bei verständiger Würdigung des gesamten Vorgangs der Beschwerdeeinlegung keine Zweifel daran bestehen, dass die Beschwerde allein von der Kindesmutter eingelegt wurde.

Soweit die Rechtsbeschwerde unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Kammergerichts (NJW-RR 2004, 331) die Auffassung vertritt, es greife im Streitfall die Zweifelsregelung, wonach die von einem gesetzlichen Vertreter eingelegte Beschwerde, wenn er selbst nicht beschwerdebefugt sei, im Zweifel als Rechtsmittel des Vertretenen anzusehen sei, kann dem nicht gefolgt werden. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, war in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall die Person des Rechtsmittelführers in der Rechtsmittelschrift nicht bezeichnet und musste daher durch Auslegung ermittelt werden. Im vorliegenden Fall ist die Kindesmutter in der Beschwerdeschrift ausdrücklich als Beschwerdeführerin genannt, so dass gerade kein Zweifelsfall und daher auch kein Anlass zur Anwendung dieser Zweifelsregelung besteht.

c) Soweit sich die Antragsgegner erstmals in der Beschwerdebegründung selbst gegen den Zwischenbeschluss wenden, erfolgte dies weder fristgerecht noch gegenüber dem zutreffenden Adressaten iSd § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdefrist auch für die Antragsgegner bereits abgelaufen, zudem war der Schriftsatz nicht an das Amtsgericht, dessen Zwischenbeschluss angefochten werden soll, sondern an das Beschwerdegericht gerichtet und auch nur dort eingegangen.

d) Nach alldem ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht die Beschwerde der Kindesmutter wegen fehlender Beschwerdebefugnis und die Beschwerden der Antragsgegner wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist verworfen hat.“

Wie gesagt: Die Ausführungen gelten nicht nur für das Zivilverfahren, sondern eben auch für alle anderen Verfahrensarten. Ohne Kenntnis, wer Rechtsmittelführer ist, klappt es nicht. das bedeutet: Als Rechtsanwalt achte ist darauf, dass bei einem Rechtsmittel – egal in welchem Verfahren – immer erkennbar ist, wer Rechtsmittelführer ist. Man sollte sich nicht auf das „dünne Eis“ der Auslegung begeben.

Pflichti III: Zulässigkeit der rückwirkenden Bestellung, oder: Eine fürs Töpfchen, eine fürs Kröpfchen

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Und dann – wie fast immer an einem „Pflichti-Tag“ – noch etwas zur rückwirkenden Bestellung. Ohne diesen Dauerbrenner geht es offenabr nicht. Heute habe ich zu der Problematik zwei Entscheidungen, eine „gute“ und eine „schlechte“, also „eine fürs Töpfchen und eine fürs Kröpfchen“.

Hier zunächst die „Töpfchen-Entscheidung“, nämlich der LG Erfurt, Beschl. v. 31.01.2024 – 7 Qs 313/23 -, von dem es aber nur die Leitsätze gibt, da die Problematik hier ja nun schon sehr häufig Thema war:

1. Die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers ist ausnahmsweise dann zulässig, wenn der Beiordnungsantrag bereits vor Verfahrensbeendigung gestellt worden ist, die Voraussetzungen für eine Beiordnung zu diesem Zeitpunkt vorlagen und eine Entscheidung über die Beiordnung aufgrund gerichtsinterner bzw. behördeninterner Vorgänge unterblieben ist.
2. Ein Fall der notwendigen Verteidigung ist u.a. dann gegeben, wenn eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zu erwarten ist. Dabei sind auch Verurteilungen aus anderen Verfahren, wenn diese zur Bildung einer Gesamtstrafe führen, zu berücksichtigen.

Und dann die „fürs Köpfchen“, und zwar der LG Limburg, Beschl. v. 26.01.2024 – 2 Qs 4/24 – auch nur mit dem Leitsatz:

Auch nach der Neuregelung der §§ 140 ff. StPO durch die Richtlinie (EU) 2016/1919 vom 26.10.2016 (sog. „PKH-Richtlinie“) und deren Umsetzung durch das Gesetz zur Neuregelung der notwendigen Verteidigung vom 10.12.2019 verbleibt es dabei, dass eine sog. rückwirkende Beiordnung als Pflichtverteidiger ausgeschlossen ist.

Mich überzeugt diese Entscheidung nicht. Ich halte die Rechsprechung, auf die verwiesen wird, für falsch. Und erst recht ist m.E. die Beschwerde in den Fällen nicht „unzulässig“. Die Beschwer ist nicht entfallen, sondern besteht, da man ja um die Bestellung streitet, fort.

Haft I: Ladung eines im Ausland lebenden Angeklagten, oder: Androhung von Zwangsmaßnahmen erlaubt?

entnommen wikimedia.org

Heute – am Valentinstag 🙂 – gibt es hier drei Haftentscheidungen bzw. Entscheidungen, die mit Haftfragen zu tun haben. Passt doch :-).

Ich beginne mit einem Beschluss des KG, und zwar mit dem KG, Beschl. v. 04.09.2023 – 2 Ws 93/23. Die Entscheidung hat insofern mit Haft zu tun als es um die Frage der Zulässigkeit von Androhung von Zwangsmaßnahmen in einer Ladung eines im Ausland lebenden Angeklagten geht.

Ergangen ist die Entscheidung des KG nach dem sog. zweiten Rechtsgang. Der Angeklagte ist 2020 vom AG wegen schweren Bandendienbstahls verurteilt worden. Dagegen die Berufung des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft, die das LG teilweise verworfen hat. Das KG hebt dann auf Revision der Staatsanwaltschaft auf und verweist zurück.

Nach vorangegangenen Versuchen, das Berufungsverfahren weiterzuführen, hat das LG dann am 23.01.2023 einen Hauptverhandlungstermin für den 25.04.2023 angesetzt. Zu diesem Termin wurde der Angeklagte entsprechend der Verfügung der Vorsitzenden durch internationales Einschreiben mit Rückbrief sowie öffentlich geladen, wobei die Ladung in spanischer Sprache erfolgt ist und folgenden, ebenfalls übersetzten, Zusatz enthielt: „Soweit einer Verwerfung ihrer Berufung entgegensteht, dass die Sache vom Revisionsgericht zurückverwiesen wurde, gilt folgendes: wenn Sie ohne genügende Entschuldigung ausbleiben, kann unabhängig von der Anwesenheit einer Verteidigerin/eines Verteidigers mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht Ihre Vorführung oder Ihre Verhaftung angeordnet werden. Die Vollstreckung sämtlicher mit dieser Ladung angedrohten Zwangsmaßnahmen erfolgt ausschließlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.“

Ausweislich des Rückscheins ist dem Angeklagten diese Ladung am 20.01.2023 in Spanien zugestellt worden. Die in deutscher und spanischer Sprache verfasste Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung war darüber hinaus in der Zeit vom 10. bis zum 28.02.2023 an der Gerichtstafel des LG ausgehängt. Zu der Berufungshauptverhandlung am 25.04.2023 ist der Angeklagte ohne Entschuldigung nicht erschienen. Auf eine Vertretungsvollmacht hat sich der anwesende Verteidiger nicht berufen. Daraufhin hat die Kammer nach Feststellung der ordnungsgemäßen Ladung einen Haftbefehl gemäß § 329 Abs. 3 StPO erlassen und die Verhaftung des Angeklagten angeordnet. Die Hauptverhandlung wurde anschließend ausgesetzt.

Am 07.06.2023 hat die Staatsanwaltschaft auf der Grundlage des Haftbefehls vom 25.04.2023 die Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls beantragt, welcher erlassen und der Staatsanwaltschaft vom LG am 09.06.2023 übersandt worden ist. Mit Verfügung vom 22.06.2023 hat die Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf der Grundlage des Europäischen Haftbefehls die Einleitung der internationalen Fahndung veranlasst. Am 14.07.2023 wurde der Angeklagte durch die spanischen Behörden festgenommen und nach zwei Tagen mit der Maßgabe wieder freigelassen, sich am 29.08.2023 seiner Auslieferung zu stellen. Tatsächlich erfolgte die Auslieferung, der sich der Angeklagte entsprechend der vorherigen Ankündigung freiwillig gestellt hat, jedoch erst am 31.08.2023. Er wurde per Flugzeug nach München überführt und dort um 14.40 Uhr festgenommen. Anschließend wurde er noch am selben Tag nach Berlin überführt, wo ihm am 01.09.2023 der Haftbefehl verkündet worden ist.

Gegen den Haftbefehl vom 25. 04.2023 wendet sich der Angeklagte mit der Beschwerde seines Verteidigers. Das KG hat die Beschwerde als unbegründet worden:

„1. Der Angeklagte ist zur Hauptverhandlung ordnungsgemäß geladen worden, zu dieser ist er ohne Entschuldigung nicht erschienen und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden. Da im Hinblick auf die im Raum stehende Bewährungsentscheidung die Anwesenheit des Angeklagten und der persönliche Eindruck vom Angeklagten unerlässlich war, war die Anordnung der Verhaftung des Angeklagten auch geboten und mithin verhältnismäßig (§ 329 Abs. 3 StPO).

2. Auf diese Folge war der Angeklagte mit der Ladung auch ausdrücklich hingewiesen worden – so wie es § 216 Abs. 1 Satz 1 StPO vorschreibt. Lebt der Angeklagte dauerhaft im Ausland, wird diese Warnung in Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, für zulässig (und erforderlich) angesehen, wenn sie den für den Zustellungsempfänger eindeutigen Hinweis enthält, dass die Vollstreckung der angedrohten Zwangsmaßnahmen ausschließlich im Geltungsbereich der Strafprozessordnung erfolgt (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 29. Februar 2008 – I Ws 60/08 –, juris; OLG Saarbrücken NStZ-RR 2010, 49; KG, Beschluss vom 10. November 2010 – 3 Ws 459/10 –, juris mwN – auch hinsichtlich der gegenteiligen Auffassungen). Denn bereits die Androhung von Zwangsmaßnahmen auf dem Territorium eines fremden Staates ist geeignet, dessen Souveränität zu berühren (vgl. KG aaO).

Ebenfalls zutreffend ist die Ansicht des Landgerichts, dass der Erlass eines Europäischen Haftbefehls die Souveränität des ausländischen Staates nicht berührt, da der ersuchte Staat im Rahmen seiner nationalen Rechtsordnung und der dort geltenden Befugnisse eigenständig über die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls und die Auslieferung der gesuchten Person entscheidet. Erst mit der Überstellung nach Deutschland wird der deutsche Haftbefehl – entsprechend der Warnung – vollstreckt.

Anders als das Landgericht Kleve in seiner von der Verteidigung herangezogenen Entscheidung (vgl. LG Kleve, Beschluss vom 24. August 2018 – 120 Qs 45/18 –, juris)  meint, ist es auch nicht widersprüchlich und stellt schon gar keine Täuschung des Angeklagten dar, wenn die Justizbehörden eine Warnung aussprechen, wonach Zwangsmaßnahmen gegen den säumigen Angeklagten nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ergriffen werden, dann aber diese Zwangsmaßnahmen mit Hilfe eines Europäischen Haftbefehls ermöglichen. Die Warnung vor Zwangsmaßnahmen soll dem Angeklagten die Chance eröffnen, sich dem Verfahren freiwillig zu stellen, um Zwangsmaßnahmen gegen sich zu vermeiden. Sie soll ihm keinen Weg aufzeigen, sich dem Verfahren zu entziehen. Die Einschränkung, dass eventuelle Zwangsmaßnahmen nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vollstreckt werden, dient in diesem Zusammenhang – was das Landgericht Kleve verkennt – keineswegs dazu, den Angeklagten wider besseren Wissens in Sicherheit zu wiegen, sondern alleine dazu, die Souveränität des Aufenthaltsstaates zu respektieren.“