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OWi I: Entbindung von der Anwesenheitspflicht, oder: Antragstellung auch noch zu Beginn der HV möglich

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Und dann vor Weihnachten auch noch einmal ein OWi-Tag.

Zum Warmwerden hier zunächst etwas zum Warmwerden, und zwar der OLG Naumburg, Beschl. v. 06.03.2023 – 1 ORbs 63/23, also schon etwas älter. Die Problematik ist bekannt und schon häufig(er) entschieden worden, nämlich: Zeitpunkt zur Stellung des sog. Entbindungsantrags. Das geht – sagt das OLG wie die h.M. – auch noch zu Beginn der Hauptverhandlung:

„Die Rüge ist auch begründet, wobei der Senat vollumfänglich auf die Ausführungen in der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 28. Februar 2023 Bezug nimmt. Diese hat wie folgt ausgeführt:

„Das Amtsgericht Wernigerode hätte dem Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen stattgeben müssen. Ein Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung nach § 73 Abs. 2 OWiG kann, wie hier geschehen, noch zu Beginn der Hauptverhandlung gestellt werden (OLG Celle VRS 116, 451; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 258). Dass der Betroffene die Ladung des Gerichts nicht befolgt hat, führt nicht zu einem unentschuldigten Ausbleiben im Termin der Hauptverhandlung. Da mit der Erklärung des Verteidigers, die Fahrereigenschaft werde eingeräumt, die gesetzlichen Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen, auch wenn eine Erklärung zum Schweigerecht des Betroffenen fehlt, war die Anordnung des persönlichen Erscheinens unter keinem Gesichtspunkt mehr erforderlich, zumal der Verteidiger eine Gehaltsabrechnung des Betroffenen mit sich führte und insoweit die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hätten aufgeklärt werden können. Hinzu tritt, dass der Verteidiger über eine Vollmacht verfügte, die ihn ermächtigte, den Betroffenen in dessen Abwesenheit in der Hauptverhandlung zu vertreten und Erklärungen für seinen Mandanten abzugeben. Vom Erscheinen des Betroffenen war eine nähere Aufklärung der entscheidungserheblichen Umstände nicht zu erwarten. Bei der gegebenen Sachlage kommt es auf den persönlichen Eindruck des Betroffenen nicht an (vgl. OLG Stuttgart NStZ-RR 2003, 273). Weitere Auskünfte hätte der Verteidiger als Vertreter des Betroffenen i. S. d. § 73 Abs. 3 OWiG ohne Weiteres erteilen können.

Das angefochtene Urteil beruht auf diesem Rechtsfehler. Es ist deshalb mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen.“

Wenn das AG das bisher noch nicht wusste, jetzt sollte es – hoffentlich – bekannt sein.

Pflichti I: Vorliegen der Bestellungsvoraussetzungen?, oder: Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich

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Heute dann der nächste Tag mit Pflichtverteidigungsentscheidungen.

Ich beginne mit einem Beschluss des AG Erfurt zur „rückwirkenden Beiordnung“. Gegen die Beschuldigte bestand aufgrund einer Anzeige des Geschädigten vom 18.04.2019 der Verdacht des Diebstahls in einem besonders schweren Fall (Tatzeit 17.01.2019, Schaden ca. 23.000,00 EUR). Das Verfahren wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Erfurt vom 19.03.2021 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Bereits am 04.09.2020 hatte die Kollegin Klein, die mir den AG Erfurt, Beschl. v. 27.04.2022 – 30 Gs 962/22 – geschickt hat, gegenüber der ermittelnden Polizeiinspektion Weimar die Verteidigung angezeigt, Akteneinsicht sowie Ihre Beiordnung als Pflichtverteidigerin beantragt. Das Schreiben befand sich zum Zeitpunkt der Einstellungsverfügung nicht in der Akte, wurde also offenbar nicht an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Im Nachgang erinnerte die Kollegin mehrfach an die Bearbeitung ihres Anliegens, wobei sie auf Aufforderung der Staatsanwaltschaft Erfurt vom 07.03.2022 die entsprechenden Anträge nochmals übersandte.

Die Staatsanwaltschaft Erfurt übersendete die Akte dem AG Erfurt und beantragte, den Antrag abzulehnen, da die Voraussetzungen für eine Pflichtverteidigerbestellung nicht vorlägen. Weiterhin wurden nach weiterer Aufforderung die Protokolle aus dem Verfahren 880 Js 8857/19 übersandt, da dieses Verfahren in der näheren Begründung des Pflichtverteidigerantrags der Kollegin explizit erwähnt wurde. Aus den Protokollen ergab sich folgendes:

Das Verfahren 880 Js 8857/19 war zunächst am AG Weimar -Strafrichter- anhängig. Nach mündlicher Verhandlung am 07.05.2020 wurde das Verfahren an das AG Weimar – Schöffengericht – verwiesen, da sich der Anfangsverdacht eines Verbrechens nach § 244 StGB (Wohnungseinbruchsdiebstahl) ergab. Am 11.01.2021 wurde das Verfahren vor dem Schöffengericht Weimar verhandelt und schließlich nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.

Das AG hat die „rückwirkende Bestellung“ beschlossen, wobe es sich mit dem Hin und Her in der Rechtsprechung nicht weiter befasst, sondern:

„Ein Fall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 StPO liegt vor, weil wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint.

Hinsichtlich der Beurteilung ist auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Weiterhin hat das Gericht eine Prognose hinsichtlich der zu erwartenden Rechtsfolgen anzustellen, wobei die Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung i.d.R. dann zu bejahen sind, wenn die zu erwartende Rechtsfolge eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr übersteigt, wobei dies nicht als starre Grenze an-zusehen ist. In die Gesamtbetrachtung sind auch weitere anhängige und möglicherweise gesamtstrafenfähige Verfahren mit einzubeziehen.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung durch Rechtsanwältin K. war die mündliche Verhandlung im Verfahren 880 Js 8857/19 vor dem Amtsgericht Weimar -Strafrichter- bereits durchgeführt und das Verfahren an das Amtsgericht Weimar – Schöffengericht – verwiesen. Die dortige Hauptverhandlung war noch nicht durchgeführt. Die Verweisung eines Verfahrens an das Schöffengericht begründet für sich genommen bereits die Annahme der Erwartung einer Freiheitsstrafe von über einem Jahr. Die hiesige Tat wäre zudem noch gesamtstrafenfähig gewesen, sodass diese Erwartung erst recht bestand.

Dass das Verfahren 880 Js 8857/19 letztlich – ebenso wie hiesiges Verfahren – eingestellt wurde, ändert an dieser Bewertung nichts, denn die jeweilige Einstellung erfolgte weit nach Antragstellung von Rechtsanwältin K. Die Grundsätze der effektiven Verteidigung gebieten indes eine Abstellung auf den Zeitpunkt der Antragstellung. Zu diesem Zeitpunkt (04.09.2020) lagen die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 StPO vor, sodass die Bestellung rückwirkend vorzunehmen war.“

Geht doch.

Strafrechtsentschädigung, oder: Nach Teileinstellung gibt es (noch) keine Entschädigung

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Die zweite Entscheidung des Tages stammt aus dem Bereich der Strafrechtsentschädigung. Das OLG Celle hat im OLG Celle, Beschl. v. 29.01.2020 – 4 Ws 3/20 – zur Strafrechtsentschädigung Stellung genommen.

Die OLG Entscheidung hat folgenden Sachverhalt:

„Der Beschuldigte begehrt Entschädigung für die am 23. Mai 2018 durchgeführte Durchsuchung seiner Wohnung und die Sicherstellung der dabei aufgefundenen Sachen.

Die Bundesanwaltschaft leitete Ende des Jahres 2017 gegen den Antragsteller ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland gemäß §§ 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB ein. Dem lagen Angaben des Beschuldigten zugrunde, die dieser im Rahmen seines Asylverfahrens vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 13. Oktober 2017 in B. getätigt hatte. Danach habe sich der Beschuldigte – möglicherweise gezwungenermaßen – ab März bzw. April 2015 für gut eineinhalb Monate in einem Ausbildungslager der in S. operierenden militant-islamistischen Gruppierung Al-Shabab aufgehalten und sei dort militärisch – insbesondere in der Erlernung von Enthauptungstechniken –  unterwiesen worden.

Nach Abgabe des Verfahrens an die Generalstaatsanwaltschaft Celle erließ der Ermittlungsrichter beim Oberlandesgericht Celle am 6. April 2018 einen Durchsuchungsbeschluss betreffend die Person des Beschuldigten und seine Wohnung. Bei der am 23. April 2018 durchgeführten Durchsuchung wurden die im Tenor benannten Gegenstände sichergestellt.

Die Auswertung der sichergestellten Gegenstände haben keine Hinweise ergeben, die eine Mitgliedschaft oder Nähe des Beschuldigten zur terroristischen ausländischen Vereinigung der Al-Shabab belegten. Die Generalstaatsanwaltschaft hat daher durch Verfügung vom 4. Dezember 2019 das Verfahren, soweit es eine Straftat nach §§ 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2, 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB oder wegen Vortäuschens einer Straftat nach § 145d StGB zum Gegenstand hatte, mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und die noch sichergestellten Gegenstände freigegeben.

Aufgrund abweichender Angaben des Beschuldigten im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung am 23. Mai 2018 zu seinen zuvor im Rahmen des Asylverfahrens getätigten Ausführungen sowie Auswertungen von auf den Mobiltelefonen gespeicherten Chatverläufen hat die Generalstaatsanwaltschaft hingegen im selben Zuge einen Anfangsverdacht wegen einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG bejaht und deshalb unter dem Aktenzeichen 41 Js 34/19 ein – noch nicht abgeschlossenes – Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das Verfahren ist im weiteren Verlauf an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig abgegeben worden (dortiges Az. 651 Js 69295/29).

Der Bescheid über die Teileinstellung des Verfahrens ist dem Beschuldigten am 7. Januar 2020 zugestellt worden. Mit am 21. Januar 2020 beim Senat eingegangenen Schreiben begehrt der Beschuldigte, die Entschädigungspflicht für die im Tenor benannten Maßnahmen festzustellen.“

Das OLG meint dazu:

„Der Antrag auf Feststellung einer Entschädigungspflicht für in diesem Verfahren erlittene Strafverfolgungsmaßnahmen erweist sich bereits als (derzeit) nicht zulässig.

Ob und inwieweit eine Entschädigung für die dem Beschuldigen durch bisherigen Strafverfolgungsmaßnahmen erlittenen Schäden aufgrund der gesetzlich geregelten Ausschlussgründe nach den §§ 5, 6 StrEG zu versagen ist, ist daher in der Sache nicht zu entscheiden.

1. Die Zuständigkeit des Senats für die Entscheidung über den Antrag ergibt sich aus § 9 Abs. 1 Nr. 2 StrEG.

2. Zwar ist der Antrag fristgerecht binnen einen Monats nach Zustellung der Einstellungsmitteilung erhoben (§ 9 Abs. 1 S. 4 StrEG).

3. Gleichwohl war die Feststellung einer Entschädigungsverpflichtung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht veranlasst.

a) Im Falle einer Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft kommt eine Grundentscheidung über die Feststellung einer Entschädigung regelmäßig nur dann in Betracht, wenn es sich um eine endgültige Einstellung des Ermittlungsverfahrens und nicht lediglich um eine Teileinstellung handelt (vgl. MüKoStPO/Kunz, 1. Aufl. 2018, StrEG § 9 Rn. 6-7). Dies ist darin begründet, dass bei der Behandlung von Strafverfolgungsmaßnahmen der Grundsatz der Verfahrenseinheit gilt (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1982, 252, NStZ 1991, 141; OLG Koblenz NStZ-RR 1999, 52; MüKoStPO aaO). Denn Entschädigungsfragen lassen sich auch in einem auf verschiedene Tatvorwürfe gerichteten oder sogar in verschiedenen Teilabschnitten durchgeführten Straf- bzw. Ermittlungsverfahren regelmäßig erst nach Abschluss des gesamten Verfahrens einheitlich beurteilen. Eine isolierte Betrachtung von in unterschiedlichen Verfahrensabschnitten erlittenen Strafverfolgungsmaßnahmen scheidet für gewöhnlich aus, da am Ende des Verfahrens eine Gesamtabwägung zwischen den insgesamt verhängten Rechtsfolgen und sämtlichen Strafverfolgungsmaßnahmen vorzunehmen ist (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1982, 252 m.w.N.).

Anders liegt der Fall nur dann, wenn beispielsweise bei verschiedenen prozessualen Taten nach § 264 StPO eine eindeutige Ausscheidbarkeit im Sinne einer klaren Zuordnung der Maßnahme zu dem Verfahrensteil, der die Teileinstellung betrifft, möglich ist (vgl. OLG Düsseldorf NStZ 1991, 141; Kunz, StrEG 4. Aufl. § 4 Rn. 8). Dies setzt jedoch voraus, dass sich eine Strafverfolgungsmaßnahme völlig isoliert auf denjenigen Verfahrensteil bezogen hat, welcher mit der Teileinstellung beendet worden ist.

b) So liegt der Fall hier jedoch nicht. Zwar betrifft der Verdacht einer möglichen mitgliedschaftlichen Betätigung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland aufgrund von Handlungen des Beschuldigten im März bzw. April 2015 eine andere prozessuale Tat als etwaige unrichtige Angaben im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 13. Oktober 2017 in B. Gleichwohl lassen sich sowohl die erfolgte Durchsuchung als auch die dabei sichergestellten Gegenstände nicht ausschließlich dem Verdacht einer mitgliedschaftlichen Betätigung an einer terroristischen Vereinigung im Ausland zuordnen. Vielmehr dienten als Grundlage des Tatverdachts für eine Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG neben den Angaben des Beschuldigten auch die Erkenntnisse, die aufgrund der Auswertung der bei der Durchsuchung erlangten Aufzeichnungen sowie elektronischen Geräte erlangt worden sind. Die Durchsuchung diente damit der weiteren Sachverhaltsaufklärung sowohl in Bezug auf einen Anfangsverdacht für eine Mitgliedschaft in der Vereinigung Al-Shabab als auch bezüglich unrichtiger Angaben im Rahmen des Asylverfahrens. Eine Trennbarkeit von Ermittlungshandlungen, welche eine Abweichung vom Prinzip der Verfahrensidentität rechtfertigen würde, liegt daher gerade nicht vor. Die Beurteilung des Gesamtvorgangs der Durchsuchung und der dabei sichergestellten Gegenstände lässt sich vorliegend mithin erst nach Abschluss des weiter anhängigen Strafverfahrens wegen des Verdachts nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG treffen.c

c) Der Antragsteller ist deshalb gehalten, seinen Antrag auf Feststellung einer Entschädigungspflicht gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt zu stellen, wenn auch das derzeit noch anhängige Verfahren wegen eines Verstoßes nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG abgeschlossen ist. Zuständig für die dann zu treffende Entscheidung ist dass für das Verfahren wegen der Tat nach § 45 AufenthG zuständige Gericht. (§ 9 Abs. 1 S. 1 StrEG; vgl. OLG Koblenz NStZ-RR 1999, 52).“

Gebührenrechtlicher Dauerbrenner Erstreckung, oder: Nichts Neues aus Celle

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Heute ist „Moneyday“. Und den Tag eröffne ich mit dem OLG Celle, Beschl. v. 06.09.2019 – 2 Ws 253/19. Er nimmt mal wieder zu Fragen in Zusammenhang mit dem gebührenrechtlichen Dauerbrenner (für Pflichtverteidiger), nämlich der Erstreckung nach § 48 Abs. 6 RVG, Stellung.

Die vom OLG angesprochenen Fragen sind nicht neu, daher reichen m.E. hier die Leitsätze der Entscheidung, die lauten:

  1. Die Vorschrift des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG gilt für alle Fälle der Verfahrensverbindung, unabhängig davon, ob die Beiordnung als Pflichtverteidiger vor oder nach der Verbindung erfolgt ist.
  2. Eine Erstreckung der Beiordnung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG setzt nicht zwingend voraus, dass vor der Verbindung bereits ein Antrag auf Beiordnung als Pflichtverteidiger in dem hinzuverbundenen Verfahren gestellt wurde.

Dazu folgendes Anmerkungen:

1. Dem OLG ist weitgehend zuzustimmen. Dass die Erstreckung nicht davon abhängig ist, dass vor der Verbindung bereits ein Beiordnungsantrag gestellt worden ist, haben im Übrigen außer dem OLG Celle bereits andere Gerichte zutreffend entschieden (KG RVGreport 2012, 56 = StRR 2012, 78 = StraFo 2012, 292; LG Cottbus StRR 2013, 305; LG Kiel RVGprofessionell 2006, 202). Lediglich zur Frage der Erforderlichkeit der Antragstellung auch in den Fällen, in denen die Verbindung bereits vor der Beiordnung erfolgt ist, kann man m.E. dem OLG nicht folgen. Allerdings ist das eine Frage, die ausdiskutiert ist. Neue Argumente für die von ihm vertretene, in meinen Augen nicht zutreffende, Auffassung hat auch das OLG Celle nicht gebracht. Das führt erneut zum Rat für den Rechtsanwalt/Verteidiger, immer dann, wenn er in mehreren Verfahren tätig (gewesen) ist, die dann miteinander verbunden werden, auf jeden Fall die Erstreckung zu beantragen. Dann ist er auf der sicheren Seite.

2. Und: Inzidenter nimmt das OLG auch zur der Frage Stellung, dass ein Erstreckungsantrag auch noch nach (rechtskräftigem) Abschluss des Verfahrens zulässig ist (so auch KG RVGreport 2012, 56 = StRR 2012, 78 = StraFo 2012, 292; OLG Düsseldorf, RVGreport 2008, 140; OLG Hamm, Beschl. v. 29.1.2008 – 4 Ws 9/08; OLG Zweibrücken RVGreport 2018, 14 = NStZ-RR 2018, 64 = JurBüro 2018, 79; LG Braunschweig StraFo 2015, 349 = RVGreport 2015, 374 = StRR 2015, 398; LG Cottbus StRR 2013, 305; LG Dresden RVGreport 2008,140; LG Düsseldorf StraFo 2012, 117; LG Freiburg RVGreport 2006, 183). Aber auch insoweit sollte der Verteidiger Glück nicht über Gebühr strapazieren, damit ihm keine Gebühren verloren gehen. Daher: Antrag so früh wie möglich stellen.

Erstreckung, Erstreckung, Erstreckung, oder: Immer einen Antrag stellen

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Heute dann mal wieder zwei gebührenrechtliche Entscheidungen. Zunächst stelle ich den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 24.10.2017 – 1 Ws 196/17 – vor. Dauerthema/-brenner: Erstreckung nach § 48 Abs. 6 RVG. Es geht mal wieder um die Frage des Anwendungsbereichs der § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG und dabie darum, ob es darauf ankommt, ob die Verfahrensverbindung vor oder nach der in einem der verbundenen Verfahren vorgenommenen Pflichtverteidigerbeiordnung angeordnet wird. Das OLG sagt, anders als das LG:

„Zutreffend weist das Landgericht allerdings darauf hin, dass sich der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG nicht nach dem Gesetzeswortlaut bestimmen lässt. Dem Landgericht ist auch zuzugestehen, dass es gute Gründe dafür gibt, die Vorschrift auf die vorliegende Fallgestaltung nicht anzuwenden (so Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, Beschluss vom 07. August 2012, Ws 137/11, zit. nach juris, noch zu § 48 Abs. 5 a. F.). Der Senat folgt aber der u. a auch von dem Oberlandesgericht Koblenz zu dieser Frage vertretenen Auffassung (OLG Koblenz, Beschluss vom 30. Mai 2012, 2 Ws 242/12; auch OLG Oldenburg, Beschluss vom 27. Dezember 2010, 1 Ws 583/10 <beide noch zu § 48 Abs. 5 a. F.>; OLG Braunschweig, Beschluss vom 22. April 2014, 1 Ws 48/14; zit. nach juris). Für diese Auffassung spricht, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 48 Abs. 5 Satz 3 RVG a. F. nach der Gesetzesbegründung einerseits klarstellen wollte, dass die Rückwirkung sich nicht automatisch auf verbundene Verfahren erstreckt, in denen bisher kein Pflichtverteidiger bestellt war, andererseits dem Gericht aber die Möglichkeit zur Erstreckung einräumen wollte. Eine Erstreckung sollte insbesondere dann in Betracht kommen, wenn in einem der verbundenen Verfahren eine Bestellung unmittelbar bevorgestanden hätte (BT-Drs 15/1971, S. 201). Dies verdeutlicht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers eine Vergütung des Verteidigers aus der Staatskasse für hinzuverbundene Verfahren auf solche Fälle beschränkt werden soll, in denen dies aus sachlichen Gründen geboten ist. Dass der Zeitpunkt der Verbindung für die Anwendbarkeit der Vorschrift von Bedeutung sein soll, lässt sich der Begründung dagegen nicht entnehmen (OLG Braunschweig a. a. O., Rn. 34).“

M.E. so nicht zutreffend, aber egal. Denn:

„Entgegen der Auffassung der Bezirksrevisorin ist die Sache allerdings nicht entscheidungsreif. Der Verteidiger kann den Erstreckungsantrag auch noch nach rechtskräftigem Verfahrensabschluss im Kostenfestsetzungsverfahren stellen (KG Berlin, Beschluss vom 27. September 2011, 1 Ws 64/10, Rn. 5, zit. nach juris). Wie das Amtsgericht und das ihm auch insoweit als Beschwerdegericht übergeordnete Landgericht über den Erstreckungsantrag entscheiden würden, lässt sich der Akte nicht entnehmen. Der Senat kann darüber nicht selbst entscheiden, weil er hier – auch als Beschwerdegericht – nicht dazu berufen ist.“

Es bleibt dabei: Immer einen Erstreckungsantrag stellen.