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Einziehung/Verfall, oder: Wertgebühr über 80.000 EUR Gegenstandswert oder Rahmengebühr?

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So, es ist Gebührenfreitag und damit stehen gebührenrechtliche Entscheidungen an. Zum Glück habe ich zwei – gerade gestern „rein gekommen“. Fangen wir mit dem OLG Köln, Beschl. v. 28.02.2018 – 2 Ws 73/18 –  an. Es geht um eine Frage in Zusammenhaag mit der Einziehung (§§ 73 ff. StGB). Und zwar wird der Angeklagte durch ein landgerichtliches Urteil wegen Verstößen gegen das BtMG verurteilt. Ferner wird gegen ihn der Wertersatzverfall – es geht noch um „altes Recht“ – in Höhe von 80.000 EUR angeordnet. Nachdem das Urteil zunächst rechtskräftig geworden war, hebt der BGH auf die Revision eines Mitangeklagten des Angeklagten das Urteil teilweise auf; die Teilaufhebung erstreckte sich auch auf die gegen den Angeklagten ausgesprochene Verurteilung. Nicht betroffen von der Teilaufhebung waren jedoch vier gegen den Angeklagten verhängte Einzelstrafen sowie die gegen ihn getroffene Wertersatzverfallsanordnung.

Die nach Teilaufhebung und Zurückverweisung der Sache durch den BGH befasste Strafkammer des LG Aachen stellt das Verfahren gegen den Angeklagten gemäß § 206a StPO wegen eines Verfahrenshindernisses ein. Der Verteidiger des Angeklagten beantragt dann die Einstellung der Vollstreckung aus der Verfallsanordnung und eine entsprechende Mitteilung an die niederländischen Behörden, die u.a. die Vollstreckung des Wertersatzverfalls zwischenzeitlich übernommen hatten. Die StA Aachen weist das Begehren mit der Begründung zurück, die Verfallsanordnung sei als rechtskräftige Nebenentscheidung von dem Einstellungsbeschluss des LG Aachen nicht erfasst. Dagegen der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der keinen Erfolg hat. Die sofortige Beschwerde hat dann beim OLG Erfolg. Das OLG hat der Staatskasse die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen auferlegt.

Der Verteidiger macht dann eine Gebühr Nr. 4142 VV RVG aus einem Gegenstandswert von 80.000 EUR geltend. Die wird nicht gewährt. Dagegen dann die Beschwerde, die keinen Erfolg hat:

„Die Einziehungsgebühr (Nr. 4142 VV RVG) ist für die mit Antragsschrift vom 11.01.2017 eingeleitete Tätigkeit des Verteidigers des Beschwerdeführers, mit dem die Einstellung der Vollstreckung aus der Verfallanordnung sowie eine entsprechende Unterrichtung der niederländischen Behörden begehrt worden ist, nicht angefallen. Nach der Anmerkung im Abs. 3 zu VV 4142 VV RVG entsteht die Einziehungsgebühr für das Verfahren des ersten Rechtszuges einschließlich des vorbereitenden Verfahrens und für jeden weiteren Rechtszug jeweils gesondert (vgl. NK-GK/Stollenwerk, 2. Aufl.,VV RVG Nr. 4141-4147, Rn. 29). Die anwaltliche Tätigkeit ist vorliegend jedoch erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens und damit nicht in einem „weiteren Rechtszug“ im Sinne von Nr. 4142 Abs. 3 VV RVG entfaltet worden. Die nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens vorgenommenen Bemühungen stellen Tätigkeiten im Rahmen der Strafvollstreckung dar und könnten damit nach Teil 4 Abschnitt 2 (Gebühren in der Strafvollstreckung) zu vergüten sein. Ob vorliegend eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4204 VV RVG zzgl. Postentgeltpauschale und Umsatzsteuer angefallen ist, hatte der Senat im Hinblick auf den zu Grunde liegenden Festsetzungsantrag jedoch nicht zu prüfen, wobei sich der aus der Senatsentscheidung vom 27.10.2017 ergebende Kostenerstattungsanspruch ohnehin nur auf die im Beschwerdeverfahren 2 Ws 283/17 angefallenen Kosten bzw. Auslagen bezieht.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt sich den Bestimmungen des RVG nicht entnehmen, dass die nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens vorgenommene Tätigkeit des Verteidigers im Zusammenhang mit der Vollstreckung des Wertersatzverfalls eine Einziehungsgebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG auslösen würde. Nichts anderes ergibt sich im Übrigen daraus, dass im Rahmen der Strafvollstreckung ein Rechtsmittelverfahren durchgeführt wurde, der Beschwerdeführer mit dem von ihm eingelegten Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde erfolgreich war und ihm insofern die Erstattung der im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zugesprochen wurde. Auch insofern ist nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens kein weiterer Rechtszug im Sinne der Ausführungen in Abs. 3 der Nr. 4142 VV RVG eröffnet worden und damit keine Einziehungsgebühr im Sinne der vorstehenden Bestimmung angefallen.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem weiteren Vorbringen im Verteidigerschriftsatz vom 05.02.2018, wonach durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs betreffend der Urteilsaufhebung und Zurückverweisung ein neuer Rechtszug im Sinne des § 21 RVG eröffnet worden sei und die Gebühren der unteren Instanz somit neu entstehen würden. Denn die für den Anfall der Gebühr gemäß 4142 VV RVG maßgebliche Frage eines Wertersatzverfalls war nicht Gegenstand der Teilaufhebung durch den Bundesgerichtshof und damit auch nicht des nach Zurückverweisung durchgeführten weiteren Verfahrens vor dem Landgericht Aachen.“

M.E. richtig. Denn: Die erbrachten Tätigkeiten sind nicht mehr im Erkenntnisverfahren erbracht. Also findet Teil 4 Abschnitt 1 Vv RVG und die Nr. 4142 VV RVG keine Anwendung. Es handelt sich vielmehr um eine sonstige Tätigkeit im Rahmen der Strafvollstreckung, also nach Nr. 4204 VV RVG. Wird den Verteidiger nicht freuen, denn die Gebühr Nr. 4142 VV RVG ist als Wertgebühr natürlich interessanter 🙂 .

Unverständlich ist für mich, dass das OLG die entstandenen Gebühren nicht festsetzt, sondern nur sagt: Könnte entstanden sein, war aber nach dem Antrag nicht festzusetzen. Leuchtet nicht ein, wobei mir die Rechtsprechung zum „Austausch von Positionen“ im Kostenfestsetzungsverfahren bekannt ist. Aber, was soll das? Jetzt geht das Ganze wieder von vorn los. Eine praktische – verfahrensbeendende – Lösung ist das nicht.