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Die „Fortentwicklung der StPO“ im Bundestag, oder: Nachts um 00.20 Uhr in Berlin

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Ich erinnere: In der Pipeline des Gesetzgebungsverfahrens befindet sich für diese Legislaturperiode noch das „„Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.. Ich habe über dieses Gesetzesvorhaben schon mehrfach berichtet (vgl. Nach der “Effektivierung” und der “Modernisierung” kommt die “Fortentwicklung” der StPO, oder: Warum?und Aktueller Stand der “Fortentwicklung der StPO” oder: “Mehr, mehr, mehr schrie der kleine Häwelmann”.

Stand des Verfahrens war zuletzt, dass im Bundestag am 14.04.2021 im Rechtsausschuss die Anhörung der Experten stattgefunden hatte mit einem Teilverriss der geplanten Neuerungen. Danach war dann Ruhe.

Nun, inzwischen ist dann aber der Gesetzgeber wieder erwacht und hat gemeint, diese „Fortentwicklung“ auf jeden Fall noch in dieser Legislaturperiode durchpeitschen zu müssen. Ja, anders kann man m.E. nämlich das, was da in dieser Woche gelaufen ist, nicht nennen. Es hat nach fast acht Wochen Stillstand – zumindest nach außen – am Mittwoch (09.06.2021) dann eine Sitzung des Rechtsausschusses stattgefunden, in der eine Beschlussempfehlung beschlossen worden ist (vgl. BT-Drucks 19/30517). Und dann hat man das „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ eben noch im  Bundestag beschlossen, und zwar in der vergangenen Nacht (10.06.2021) um 00.20 Uhr als „ZP 24“ der Tagesordnung (ZP = Zusatzpunkt), angesiedelt zwischen der „Rechtsdienstleistung“ und der „Tabaksteuermodernisierung“. Es hat natürlich fulminante Reden gegeben J – Ironiemodus aus. Nein, die hat es natürlich gegeben, sondern die sind zu Protokoll gegeben worden (vgl. die Tagesordnung). Das bedeutet: Die wird wahrscheinlich nie jemand lesen.

Was mich an dem Verfahren so ärgert. Da meint man, die StPO „fortentwicklen“ zu müssen – was m.E. nicht seine. Und das macht man dann aber mal eben so nebenbei nachts um 00.20 Uhr. Das zeigt, welchen Stellenwert das Strafverfahren hat. Nämlich keinen. Denn wie anders soll man es deuten, wenn nachts um 00.20 Uhr die StPO, an der man ja nun schon seit vier Jahren herumdoktert, fortentwickelt. Dafür hatte man doch Zeit genug. Aber nein. Das muss man jetzt noch durchpeitschen. Ebenso wie die Änderungen im Wiederaufnahmerecht der StPO – Stichwort: Wiederaufnahme zu ungusten des Beschuldigten -, die dann noch für heute mal eben auf der Tagesordnung stehen.

In der Sache sind die Änderungen in etwa so gekommen, wie sie in der BT-Drucksache 19/27654 vorgesehen waren. Über einige kleinere Änderungen kann man hinwegsehen. Allerdings wird es eine weitere Änderung geben, die nicht ganz unwesentlich ist. Denn man hate – mal eben so – § 104 StPO noch einmal – über die Defintion der „Nachtzeit“ hinaus – erweitert, nämlich um einen Abs. 2, in dem es dann demnächst heißt:

„1) Zur Nachtzeit dürfen die Wohnung, die Geschäfts-räume und das befriedete Besitztum nur in folgenden Fällen durchsucht werden:

1.bei Verfolgung auf frischer Tat,

2.bei Gefahr im Verzug,

3.wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass während der Durchsuchung auf ein elektronisches Speichermedium zugegriffen werden wird, das als Beweismittel in Betracht kommt, und ohne die Durchsuchung zur Nachtzeit die Auswertung des elektronischen Speichermediums, insbesondere in unverschlüsselter Form, aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre oder

4.zur Wiederergreifung eines entwichenen Gefangenen.“

Zur Begründung dieser Erweiterung siehe S. 19 des Entwurfs. Da heißt es u.a.:

„In Deliktsbereichen, die vorwiegend durch die Nutzung von Computern und Ähnlichem begangen werden, stehen die Ermittlungsbehörden vermehrt vor dem Problem, dass die Täter ihre Datenträger durch den Einsatz von Verschlüsselungstechnologien vor dem Zugriff durch die Strafverfolgungsbehörden schützen. Gelingt die Entschlüsselung nicht und zeigt sich der Beschuldigte auch nicht kooperativ, hat dies zur Folge, dass eine digital-forensische Auswertung nicht erfolgen kann. Daher ist es für die Ermittlungsbehörden zur effektiven Aufklärung von Straftaten von großer Bedeutung, Datenträger möglichst dann zu beschlagnahmen, wenn sie sich in unverschlüsseltem Zustand befinden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie während der Durchsuchung vom Beschuldigten genutzt werden. Diese Problematik stellt sich gerade bei Ermittlungen im Bereich der Kinderpornographie und des sexuellen Missbrauchs von Kindern immer wieder. ……

Positiv anzumerken ist, dass es dabei bleibt, dass das in § 163g StPO-E neu geschaffene Instrument der Automatischen Kennzeichenlesesysteme (AKLS) zunächst dann vorrangig nur zu Zwecken der Fahndung geregelt werden soll. Der Bundesrat hatte zwar um Prüfung gebeten, ob der Einsatz von AKLs darüber hinaus in Rahmen von Ermittlungen wegen besonders schwerer Straftaten auf weitere Ermittlungszwecke erweitert werden und insbesondere eine vorübergehende ungefilterte Speicherungsbefugnis von Kennzeichen aller Verkehrsteilnehmer geschaffen werden könne. Dieser Vorschlag war von einigen Sachverständigen in der Anhörung vom 14. April 2021 aus Sicht der staatsanwaltschaftlichen Praxis (sic!!) unterstützt worden. Daran hat man sich dann aber doch wohl wegen des damit verbundenen intensiven Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sämtlicher Verkehrsteilnehmer nicht in einem Schnellverfahren getraut.

Wie geht es weiter? Nun, das Gesetz wird am 25.06.2021 im Bundesrat beraten werden und den passieren. Und dann haben wir sicherlich noch im Juli die StPO „fortentwickelt“.

Und dazu dann: Es wird zu den Änderungen wieder ein Ebook von mir geben. Und zwar wie gehabt zum Download unter dem Titel: „Fortentwicklung der StPO u.a. Die Änderungen in der StPO 2021 – ein erster Überblick“. Das kann man dann ab jetzt hier vorbestellen. Das Buch/PDF kommt dann nach Inkrafttreten des „Gesetz zur Fortentwicklung der StPO u.a.“ automatisch.

Effektivere Bekämpfung von Nachstellungen, oder: Bessere Erfassung des Cyberstalkings?

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Und dann gleich noch ein Gesetzentwurf zur „Effektivierung“ bestehender Regelungen, auf den ich hinweisen kann. Nämlich:

Veröffentlicht worden ist der Referentenentwurf zum „Gesetzentwurf zur effektiveren Bekämpfung von Stalking„.  Danach soll der Straftatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) ausgeweitet werden und digitales Stalking im Netz und über Apps erfassen.

Dazu das BMJV und die allseits beliebte Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz in einer PM:

“ Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat heute den Entwurf eines „Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – effektivere Bekämpfung von Nachstellungen und bessere Erfassung des Cyberstalkings“ veröffentlicht. Länder und Verbände können hierzu nun bis zum 1. März 2021 Stellung nehmen.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erklärt:

„Stalking ist für Betroffene oft schrecklicher Psychoterror – mit traumatischen Folgen. Stalker verfolgen, belästigen und bedrohen Menschen oft Tag und Nacht, und das über lange Zeit. Die Übergriffe reichen bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt.

Ich möchte die Betroffenen besser schützen. Es müssen mehr Stalking-Fälle vor Gericht kommen und die Täter konsequent zur Verantwortung gezogen werden. Der Straftatbestand der Nachstellung hat bisher zu hohe Hürden. Der Straftatbestand greift bisher nur bei beharrlichem Täterverhalten und schwerwiegenden Eingriffen in das Leben der Betroffenen. Ich möchte die Anwendung der Strafvorschrift erleichtern und die Strafbarkeitsschwellen senken. Auch im Netz und über Apps werden Menschen immer wieder ausgeforscht und eingeschüchtert, falsche Identitäten vorgetäuscht und Betroffene diffamiert. Auch diese Taten möchten wir ausdrücklich als digitales Stalking unter Strafe stellen.“

Stalking richtet sich meist gegen Frauen, seltener aber auch gegen Männer. Nach wissenschaftlichen Untersuchungen werden 11 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben Opfer von Stalkern.

Nachgewiesen werden muss derzeit ein „beharrliches“ Nachstellungsverhalten, das geeignet ist, die Lebensgestaltung des Opfers „schwerwiegend“ zu beeinträchtigen. Diese Hürden sollen abgesenkt werden. Im Gesetzestext soll das Wort „beharrlich“ durch „wiederholt“ und das Wort „schwerwiegend“ durch „nicht unerheblich“ ersetzt werden.

Der Strafrahmen soll weiter eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsehen. Zugleich soll der Gesetzentwurf aber eine Neuregelung für besonders schwere Fälle vorsehen, bei denen eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren ausgesprochen werden kann. Hierzu sollen u.a. Fälle von Nachstellungen über lange Zeiträume oder Taten gehören, durch die der Täter eine Gesundheitsschädigung des Opfers oder einer dem Opfer nahestehenden Person verursacht.

Beispiele für Stalking sind:

  • Anrufe oder Nachrichten zu allen Tages- und Nachtzeiten
  • Verfolgen und Auflauern vor der Wohnung oder dem Arbeitsplatz
  • Veranlassen von Dritten, Kontakt zum Opfer aufzunehmen (zum Beispiel durch Erstellung von Fake-Profilen auf Single-Portalen)
  • Warenbestellungen unter dem Namen der Opfer
  • Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigungen“

Etwas Gutes hat das Ganze ja: Die Zeitschriften haben Stoff zum Berichten 🙂 .

Strafzumessung III: Änderungen im Anti-Doping-Gesetz, oder: Kronzeugenregelung geplant

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Vor ein paar Tagen ist eine PM des BMJV über die Ticker gelaufen. Das dort angekündigte Gesetzesvorhaben hat, wenn es umgesetzt wird, Auswirkungen auf die Strafzumessung.

Geplant ist danach eine Kronzeugenregelung im Anti-Doping-Gesetz. In der PM heißt es:

Sichtbarer Anreiz, Informationen über dopende Leistungssportlerinnen und Leistungssportler, Hintermänner und kriminelle Netzwerke preiszugeben

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat heute einen Gesetzentwurf veröffentlicht, mit dem eine Kronzeugenregelung im Anti-Doping-Gesetz eingeführt werden soll. Der Gesetzentwurf ist durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und das BMJV gemeinsam erarbeitet worden. Länder und Verbände können bis zum 1. März 2021 dazu Stellung nehmen.

Bei Ermittlungen in Doping-Fällen sind die Ermittlungsbehörden in besonderer Weise auf Informationen von Sportlerinnen und Sportlern und ihrem Umfeld angewiesen. Meist handelt es sich um geschlossene Strukturen, in denen nur schwer ohne Hilfe von Insiderinformationen ermittelt werden kann. Das Ziel ist, einen sichtbaren Anreiz für Täterinnen und Täter zu schaffen, Informationen über dopende Leistungssportlerinnen und Leistungssportler, Hintermänner und kriminelle Netzwerke preiszugeben. Es soll, in Anlehnung an § 31 des Betäubungsmittelgesetzes, eine zusätzliche, bereichsspezifische Regelung zur Strafmilderung oder zum Absehen von Strafe bei Aufklärungs- und Präventionshilfe eingeführt werden.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht:
„Doping hat ganze Sportarten an den Rand des Abgrunds gebracht. Das Anti-Doping-Gesetz ist ein deutliches Zeichen des Rechtsstaats, Betrüger und ihre Hintermänner zur Verantwortung zu ziehen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass wir weitergehen müssen: Wir wollen eine spezifische Kronzeugenregelung schaffen, um die Insider zu ermutigen, mit ihrem Wissen Doping offenzulegen. Wir brauchen diesen sichtbaren Anreiz, um den Strafverfolgungsbehörden die Ermittlungen in diesem abgeschotteten Bereich zu erleichtern.“

Mit dem Anti-Doping-Gesetz wurde im Dezember 2015 erstmalig eine Strafbarkeit für Leistungssportlerinnen und Leistungssportler geschaffen, die Dopingmittel oder Dopingmethoden anwenden, um sich Vorteile in einem Wettbewerb des organisierten Sports zu verschaffen. Ihnen drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafen. Die gewerbsmäßige Herstellung oder der Handel mit Dopingmitteln ist ebenso wie die Abgabe an Jugendliche ein Verbrechen mit einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe.“

Irgendwie merkt man, dass das Ende der Legislaturperiode naht. Es werden Ecken sauber gemacht 🙂 –

Den Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Anti-Doping-Gesetzes findet man hier.

Gutscheine statt Rückerstattung bei Freizeitveranstaltungen, oder: Was ist bei Insolvenz?

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Da erreicht mich gerade die Nachricht des BMJV „Gutscheine statt Rückerstattung bei Freizeitveranstaltungen“. In der heißt es:

„Kabinett beschließt Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht

Die Bundesregierung hat heute die von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht beschlossen. Die Koalitionsfraktionen haben nunmehr die Möglichkeit, den Gesetzentwurf aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringen. Die Formulierungshilfe wurde auf Wunsch der für Veranstaltungen zuständigen Ressorts BKM, BMI und BMBF vom BMJV erstellt.

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht, erklärt:

„Derzeit muss ein Großteil der geplanten Veranstaltungen wie Konzerte oder Sportereignisse abgesagt werden und Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen. Veranstalter und Betreiber sind mit einer Vielzahl von Rückforderungen konfrontiert und geraten zunehmend in Liquiditätsengpässe. Hierdurch gerät eine ganze Branche mit vielen tausend Arbeitsplätzen in Existenznot und droht nicht wiedergutzumachenden Schaden zu nehmen. Die Vielfalt der Kultur- und Freizeitangebote in unserem Land ist dadurch ernsthaft bedroht. Für Verbraucherinnen und Verbraucher steigt gleichzeitig die Gefahr, dass sie bei einer Pleitewelle mit leeren Händen dastehen. Beides müssen wir verhindern. Aus diesem Grunde wollen wir ermöglichen, dass Freizeitveranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen anstelle von Erstattungen gleichwertige Gutscheine ausstellen können. Werden die Gutscheine bis Ende nächsten Jahres nicht eingelöst, wird der volle Wert erstattet. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht somit nichts verloren. Für Menschen, die jetzt dringend die Erstattungen benötigen, weil sie sonst ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, wird es eine Härtefalllösung geben. Durch diese Regelung erreichen wir in der derzeitigen Ausnahmesituation einen fairen Interessenausgleich ohne unnötige Härten.“

Die heute vom Kabinett beschlossene Formulierungshilfe enthält einen Gesetzentwurf, der Regelungen zum Schutz von Veranstaltern von Musik-, Kultur-, Sport-, oder sonstigen Freizeitveranstaltungen und von Betreibern von Freizeiteirichtungen wie Museen, Schwimmbäder oder Sportstudios vor dem wirtschaftlichen Aus vorsieht. Gleichzeitig werden Verbraucherinnen und Verbraucher davor geschützt, dass ihre Erstattungsansprüche durch Insolvenzen wirtschaftlich wertlos würden.

Nach geltendem Recht können die Inhaberinnen und Inhaber von Eintrittskarten oder Saison- und Jahreskarten eine Erstattung ihrer bereits gezahlten Eintrittsgelder von dem jeweiligen Veranstalter oder Betreiber einer Freizeiteinrichtung verlangen, wenn aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Veranstaltung wie ein Konzert oder eine Sportveranstaltung nicht stattfinden konnte oder eine Freizeiteinrichtung geschlossen werden musste. Veranstalter und Freizeiteinrichtungen haben infolge der Krise kaum neue Einnahmen. Müssten sie nun kurzfristig die Eintrittspreise für sämtliche abgesagten Veranstaltungen erstatten, wären viele von ihnen in ihrer Existenz bedroht.

Eine Insolvenzwelle hätte zur Folge, dass die Inhaberinnen und Inhaber von Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen keine Rückerstattung erhalten würden. Diese Folgen sollen mit dem vorliegenden Entwurf möglichst verhindert werden.

Veranstalter sollen berechtigt sein, der Inhaberin oder dem Inhaber einer Eintrittskarte statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen. Dieser Wertgutschein kann dann entweder für die Nachholveranstaltung oder alternativ für eine andere Veranstaltung des Veranstalters eingelöst werden. Entsprechend wird dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung das Recht gegeben, der oder dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht genutzten Teils der Berechtigung wie einer Jahreskarte entspricht.

Die Inhaberin oder der Inhaber eines solchen Gutscheins soll jedoch die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen können, wenn die Annahme eines Gutscheins für sie oder ihn aufgrund der persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar ist oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst wird. In letzterem Fall entspricht der Gutschein einer bloßen Stundung des Erstattungsanspruchs.

Die heute beschlossene Formulierungshilfe geht auf einen Beschluss des sogenannten Corona-Kabinetts vom 2. April 2020 zurück. Die Bundesregierung hatte in dieser Sitzung zusätzlich beschlossen, an die EU-Kommission heranzutreten, um vergleichbare Gutscheinlösungen bei Pauschalreisen und Flugtickets zu ermöglichen. Die Ressorts BMJV, BMWi und BMF haben ein gemeinsames Schreiben zu Pauschalreisen an den zuständigen Kommissar Reynders (DG Just) auf den Weg gebracht. Ein gemeinsames Schreiben der Ressorts BMJV, BMWi und BMVI zu Flugreisen wird über die zuständige Kommissarin Valean (DG Move) an die Kommission gerichtet.

Die heute beschlossene Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht ist hier abrufbar.“

So weit, so gut. oder doch nicht gut? M.E. nicht – und das gilt auch für die geplante „Gutscheinlösung“ bei Reisen. Lassen wir die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Geltung mal außen vor – ich habe da so meine Bedenken – bin da aber nicht näher eingestiegen. Eins ist aber Frau BMJV nicht richtig: „Aus diesem Grunde wollen wir ermöglichen, dass Freizeitveranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen anstelle von Erstattungen gleichwertige Gutscheine ausstellen können. Werden die Gutscheine bis Ende nächsten Jahres nicht eingelöst, wird der volle Wert erstattet. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht somit nichts verloren.“ Das gilt doch nur, wenn es die Veranstalter am Ende des nächsten Jahres noch gibt und die dann zahlungsfähig sind. Was aber, wenn sie insolvent geworden sind. Dann hat der Kunde einen Gutschein, mit dem er sich die Wand tapezieren kann.

Oder sehe ich da etwas falsch?

 

 

Rechteabbau durch das „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“, oder: Sie haben es getan/vor

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Ich hatte im Juni 2019 über die sog. “Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens” berichtet (Eckpunkte zur Modernisierung des Strafverfahrens, oder: Ab in die Tonne).

Die Geschichte geht inzwischen weiter. Denn Anfang August 2019 hat das BMJV einen Referentenentwurf zu einem Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens  vorgelegt. Und wie nicht anders zu erwarten, werden die Eckpunkte des o.a. Papiers natürlich umgesetzt. Also: Rechteabbau für Beschuldigte, was sich m.E. schon bei der Namensgebung für das neue Gesetzesvorhaben angekündigt hat. Denn m.E. geht es immer, wenn das BMJV das Wort „Modernisierung“ in Zusammenhang mit Strafverfahren in den Mund nimmt, um „Vereinfachung und Beschleunigung“. Und auf dem Altar der Beschleunigung werden dann Beschuldigtenrechte geopfert. Man kann m.E. sagen: „Vereinfachung und Beschleunigung“ = Rechteabbau. Was aber wirklich mal eine Modernisierung des Strafverfahrens wäre, nämlich eine Dokumentartion der Hauptverhandlung, das packt man nicht an. Warum auch? Ist doch so viel besser, wenn später nur noch das gilt, was die Richter mitgeschrieben und dann ins Urteil geschrieben haben.

Wenn man sich die geplanten Änderungen ansieht und die für die Änderungen angeführten Begründungen, dann hat man den Eindruck, das BMJV geht davon aus, dass alle Anträge, die im Laufe des Verfahrens gestellt werden, nur der Verfahrensverzögerung dienen. Dass sie z.B. aber auch oft das Ziel haben, schlampige Ermittlungen zu reparieren bzw. für den Beschuldigten gümnstige Umstände in das Verfahren einzuführen, übersieht man.

Wer Interesse an den Einzelheiten des Gesetzesvorhaben hat, der mag sich die in Aussicht genommenen Änderungen im Einzelnen ansehen. Hier will und kann ich nur einige Punkte aufgreifen:

  • Die Möglichkeit der DNA-Analyse wird erweitert auf Augenfarbe, Haarfarbe, Hautfarbe sowie Alter, was man als „verhältnismäßig“ ansieht. Ist es das wirklich noch?
  • Ausweitung der Telekommunikationsüberwachung auf Wohnungseinbruchsdiebstahl (§ 244 Abs. 4 StGB), was m.E. unverhältnismäßig ist, wenn zugleich in der Begründung aufführt, dass diese Straftaten um 16.3 % zurück gegangen sind. Warum dann denn die Erweiterung? Nun, „bei einer in der Öffentlichekti intensiv wahrgenommenen Straftat…“ erschließt sich das, oder?
  • Beschränkung des Rechts der Befangenheitsablehnung, u.a. mit der Begründung, dass Befangenheitsantrag oft keinen Erfolg haben. Wenn man das liest, weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Denn woran diese „magere Ausbeute“ wohl liegt?
  • Weitere Beschränkungen des Beweisantragsrechts, die m.E. in die Rechte des Beschuldigten noch weiter eingreifen, den gewünschten Beschleunigungseffekt aber nicht haben werden.
  • Völlige Änderung des Rechts der Besetzungsrügen, und damit „gesetzlicher Richter ade?“ Der BGH ist bei diesen Fragen dann in Zukunft im Zweifel außen vor.
  • Die Unterbrechungsfristen des § 229 StPO werden ausgeweitet, indem man neue Hemmungsfristen und neue Hemmungstatbestände einführt. Zukünftig sind ggf. Pausen bis zu zwei Monaten zulässig, wenn Mutterschutz und Elternzeit das erfordern. Ohne Worte.
  • Bild-Ton-Aufzeichnungen von Zeugenvernehmungen im Ermittlungsverfahren und deren Transfer in die Hauptverhandlung wird erweitert; die Dokumentation der Hauptverhandlung kommt aber immer noch nicht (siehe oben).

Noch Fragen? Ja, ich habe zwei:

1.Wie verträgt sich dieses Gesetzesvorhaben eigentlich mit der – in meinen Augen albernen – Kampagne des BMJV „Wir sind Rechtsstaat“ (vgl. dazu hier die PM des BMJV). Da trommelt man – (wahrscheinlich) unter Einsatz von viel Geld  – für den Rechtsstaat – die „Kämpfer“ sind natürlich weitgehend jung und weiblich -, und hier baut man im Strafverfahren weiter Rechte der Beschuldigten ab. Das versteht man wahrscheinlich nur im BMJV, hoffentlich, oder in der Politik, hoffentlich. Ansonsten wohl eher nicht, ich verstehe es jedenfalls nicht. Für das Geld, das diese Kampagne gekostet hat, hätte man besser Richter eingestellt und hätte damit vermutlich zur Beschleunigung von Verfahren und zu „mehr Rechtsstaat“ beigetragen.

2. Und dann: Was macht eigentlich die neue Hausherrin im BMJV (sonst noch)? Nachdem sich die alte mit satten 15,8 % für die SPD nach Brüssel verabschiedet hat, hat man von der Neuen bisher nicht viel Gutes gehört. Dieses Gesetzesvorhaben zähle ich nun nicht zum „Guten“.