Schlagwort-Archive: Gesetzesvorhaben

Was kommt denn nun ggf. neu in StPO, StGB und RVG?, oder: Wahrscheinlich viel Lärm um nichts?

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Ich hatte ja gestern darüber berichtet, dass die FDP noch drei Gesetzesentwürfe zu Änderungen im StGB, in der StPO und im RVG auf den Weg – sprich im Bundestag eingebracht hat (vgl. hier: News: Was kommt morgen noch in den Bundestag???, oder: StGB- und StPO-Modernisierung, aber auch RVG.

Nun gestern standen die zu diesen Vorhaben gehörenden BT-Drucksachen noch nicht auf der Homepage des Bundestages. Heute sind sie dort eingestellt und es soll am Nachmittag um 14.20 Uhr „beraten“ werden, d.h., dass man die Anträge ohne Aussprache in den Rechtsausschuss überweist. Der darf es dann richten, oder auch nicht.

Ich stelle hier mal die drei BT-Drucksachen ein, und zwar:

und

und

Was ist geplant bzw. was soll geändert werden.

Nun, zu den Änderungen des StGB verweise ich auf meinen Beitrag: Was kommt in 2024 „vielleicht“ an neuen Gesetzen, oder: Eckpunkte StGB, RVG-Erhöhung und digitale HV (?).  Da sind/waren die wesentlichen Änderungen aufgelistet. Die FDP-Fraktion hat das übernommen.

Für die Änderungen im Verfahrensrecht – StPO und JGG – ist Folgendes vorgesehen:

  • In den Fällen der notwendigen Verteidigung sollen alle Beschuldigten unabhängig von einem eigenen Antrag spätestens mit Beginn der ersten Vernehmung über einen Verteidiger verfügen.
  • Auch die Anwesenheitsrechte der Verteidigung im Ermittlungsverfahren werden gestärkt und die Kommunikation zwischen dem oder der Beschuldigten und der Verteidigung wird schon bei der Anbahnung eines Mandatsverhältnisses geschützt.
  • Die Nutzung der Videotechnologie bei der Vernehmung von Zeugen soll ausgeweitet und
    optimiert werden, wobei insbesondere auch die Belange von minderjährigen Zeugen in den Blick genommen werden sollen.
  • Urteile sollen künftig auf digitale Dateien verweisen können.
  • Englischsprachige Urkunden sollen in Zukunft nicht mehr in jedem Fall zeitaufwändig übersetzt werden müssen, sondern eine Zulassung im Original soll möglich werden.
  • Ein allgemeines Beweisverwertungsverbotes in Fällen, in denen Personen dazu verpflichtet sind, den Behörden Auskünfte zu erteilen, die möglicherweise sie selbst oder ihre Angehörigen belasten, soll eingeführt werden.
  • Die Zeugnisverweigerungsrechte für Angehörige in der StPO und in der Zivilprozessordnung (ZPO) sollen grundlegend umgestaltet werden. Es sollen neue
    Zeugnisverweigerungsrechte für Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft
    in einem gemeinsamen Haushalt oder Partner, deren Eheschließungstermin amt-
    lich festgesetzt wurde, geschaffen werden. Des Weiteren soll ein Zeugnisverwei-
    gerungsrecht für Personen, die durch eine soziale Eltern-Kind-Beziehung oder so-
    ziale Geschwisterbeziehung verbunden sind, eingeführt werden.
  • Im JGG soll es durch die Aufnahme einer jugendstrafrechtlichen Sonderregelung u.a. ermöglicht werden, zur Vermeidung einer Entwicklungsgefährdung des betroffenen Jugendlichen von einer Anordnung der Einziehung des Wertersatzes ganz oder teilweise abzusehen.

Und dann noch das RVG. Da hat man eine Anpassung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung im Auge. Dabei sollen die Betragsrahmen- sowie die Festgebühren um 9 % und die Wertgebühren um 6 % steigen.

Was wird nun daraus? Ich denke, wenn ich die Beiträge bei LTO und die dort zitierten BT-Abgeordneten richtig verstehe – zum StGB und zur StPO hier: StGB- und StPO-Moder­ni­sie­rung kommen noch in den Bun­destag und zum RVG hier: Ampel­par­teien wollen höhere Anwalts­ver­gü­tung durch­boxen – nicht viel. Und das ist m.E. für die Änderungen in StGB und StPO auch gut, denn die gehen m.E. so weit, dass man sie nicht mal eben so im Vorbeigehen beschließen sollte. Etwas anderes ist es beim RVG. Da habe ich noch ein wenig Hoffnung, aber da kommt es auf den politischen Willen an, vor allem darauf, ob SPD und Grüne, der FDP – gerade der 🙂 – den Erfolg gönnen. Also wahrscheinlich: Viel Lärm um nichts.

News: Was kommt morgen noch in den Bundestag???, oder: StGB- und StPO-Modernisierung, aber auch RVG

Bild von Neel Shakilov auf Pixabay

LTO meldet gerade: StGB- und StPO-Modernisierung kommen noch in den Bundestag.
Dabei geht es um „Reformen von Strafrecht und Strafprozessrecht“, die uns schon mal beschäftigt haben (vgl. hier Was kommt in 2024 „vielleicht“ an neuen Gesetzen, oder: Eckpunkte StGB, RVG-Erhöhung und digitale HV (?) und hier), die die gescheiterte Ampel aber nicht durch die Ressortabstimmung bekommen hatte. Nun will/hat die FDP, wahrscheinlich mit dem gescheiterten Bundesjustizminister a.D. Marco Buschmann an der Spitze, das Projekt aber noch in den Bundestag bringen/gebracht und dort sollen die Anträge ohne Aussprache am Donnerstag, also am 19.12.2024, direkt in den Rechtsausschuss überwiesen werden (so steht es zumindest auf der Tagesordnung der morgigen Bundestagssitzung).

Dort sollen sie dann offenbar hoppla hopp noch mal eben beraten und dann offenbar auch noch im Bundestag zur Abstimmung gestellt und beschlossen werden. Wenn man das liest, fasst man sich an den Kopf und fragt sich, ob die bei der FDP, insbesondere wahrscheinlich Marco Buschmann, noch richtig ticken. Das Ganze war ja schon im Koalitionsvertrag vorgesehen, aber man/er hat es drei Jahre nicht auf die Reihe bekommen. Jetzt will man aber einen Schnelldurchgang machen. Ohne Länderbeteiligung (?), ohne Expertenanhörung (wahrscheinlich meint die FDP, Marco Buschmann sei Experte genug, ist er aber nicht).

Leute, lasst es gut sein. Ihr bzw. euer Minister habt/hat es in drei Jahren Ampel nicht geschafft. Da muss man jetzt nicht noch mal eben in einem Parforce-Ritt solche Änderungen noch voran treiben. Auch in der Gesetzgebung gilt m.E. der Satz: Sine ira et studio. Oder braucht ihr Wahlkampfmunition? Dafür sollten Euch das StGB und die StPO zu schade sein.

Auf der morgigen Tagesordnung steht dann aber auch unter ZP 9 l die Änderung des RVG. Also das dann auch. Nun, da ist es etwas anders. Da hatte man ja zumindest schon mal einen Referentenentwurf, und die Änderungen waren dann ja auch schon mit den Ländern abgestimmt. Zudem geht es da nicht mehr um wirkliche „Änderungen“, sondern nur noch um Anpassungen der Gebührensätze. Auch da aber über das Prozedere Kopfschütteln (vgl. dazu hier). Aber das für alle Parteien.

Und Edit am 19.12.2024:

Weitere Infos dann unter: Was kommt denn nun ggf. neu in StPO, StGB und RVG?, oder: Wahrscheinlich viel Lärm um nichts?

Entscheidungen/Nachlese/Neues aus dem Bundesrat, oder: Kinderporno, KCanG und Video in der ZPO

Bild von Thomas Ulrich auf Pixabay

Und dann hier mal wieder etwas aus Berlin, und zwar zur gestrigen Bundesratssitzung. Ich will auf drei Punkte aus der umfangreichen Tagesordnung hinweisen. Quelle sind die PM des Bundesrates.

Zunächst: Der Bundesrat hat die Strafmaß-Änderung bei Kinderpornographie gebilligt. Angepasst wird die Mindeststrafe, „um mehr Flexibilität in der Strafverfolgung zu ermöglichen und das Strafmaß besser der Schwere des individuellen Falls anzupassen. Für das Verbreiten kinderpornographischer Inhalte ist nun eine Mindeststrafe von sechs Monaten, für den Besitz und Abruf von drei Monaten Freiheitsstrafe vorgesehen. Die Höchststrafe von zehn Jahren bleibt unangetastet. Dazu gehört diese: Beschlussdrucksache: Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 StGB – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte.

Und dann: Der Bundesrat hat Änderungen am Konsumcannabisgesetz gebilligt, die den Länder u.a. mehr Flexibilität im Umgang mit Großanbauflächen für Cannabis zu erhalten. Das Gesetz soll es den Behörden ermöglichen, Anbauvereinigungen die erforderliche Erlaubnis zu verweigern, wenn sich deren Anbauflächen im gleichen Gebäude oder Objekt wie Anbauflächen anderer Vereinigungen oder in unmittelbarer Nähe zu solchen befinden. So sollen kommerzielle „Plantagen“ für Cannabis ausgeschlossen werden, da diese dem Zweck des Eigenanbaus zum Eigenkonsum durch die aktive Mitarbeit der Mitglieder einer Anbauvereinigung entgegenstünden. Dazu gehört Beschlussdrucksache: Gesetz zur Änderung des Konsumcannabisgesetzes und des Medizinal-Cannabisgesetzes.

Und: Hinzuweisen ist noch auf den Beschluss, wonach – nach der Einigung im Vermittlungssausschuss –  gegen den weiteren Ausbau der Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und an den Fachgerichtsbarkeiten kein Einspruch eingelegt werden soll. Das betrifft aber nur die Zivilgerichtsbarkeit. Die Entscheidung zum Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz hat man am 12.06.2024 vertagt

 

Angenommen: Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, oder: Weisungen der StA/höhere Streitwerte geplant

Bild von megapixel.click – betexion – photos for free auf Pixabay

Und im zweiten „Bericht aus Berlin-Posting“ weise ich dann auf folgende Änderungen und Vorhaben hin, und zwar:

Zunächst:  Der Bundestag hat am 06.06.2024, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts (20/9471, 20/10015, 20/10131 Nr. 1.21) in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (20/11661) angenommen.

In das Gesetz aufgenommen wurden weitere Tatbestände der sexualisierten Gewalt. Dazu gehören der Vorlage zufolge unter anderem die Tatbestandsalternativen des „sexuellen Übergriffes“, der „sexuellen Sklaverei“, des „Gefangenhaltens eines unter Zwang geschwängerten Menschen“ sowie des „erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs“. Mit der Anpassung wird laut Entwurf auch auf bereits vorgenommene Änderungen im Strafgesetzbuch reagiert.

Die erweiterten Tatbestandsalternativen kommen sowohl beim Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 des VStGB) als auch beim Tatbestand des Kriegsverbrechens gegen Personen (§ 8 VStGB) zum Tragen. Zudem wird „die sexuelle Orientierung als unzulässiger Grund für die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft durch Entziehung oder wesentliche Einschränkung grundlegender Menschenrechte“ aufgenommen.

Und dann sind folgende Vorhaben interessant:

  • Es gibt einen Referentenentwurf eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft. Der geht zurück auf das EuGH, Urt. v. 27.05.2019, verbundene Rechtssachen C-508/18 und C-82/19). In dem hatte der EuGH, im Zusammenhang mit der Rolle der deutschen Staatsanwaltschaft als ausstellende Justizbehörde eines Europäischen Haftbefehls festgestellt, dass diese die Gewähr für unabhängiges Handeln unter anderem deshalb nicht biete, weil im GVG nicht näher geregelt sei, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form das Weisungsrecht ausgeübt werden könne. Mit dem Gesetzentwurf soll den Kritikpunkten begegnet und das  Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft ausdrücklich geregelt werden.
  • Und dann noch die Anhebung des Grenzstreitwertes beim Amtsgericht. Ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung sieht dazu vor, dass der in § 23 GVG vorgesehene Zuständigkeitsstreitwert der AG von bisher 5.000 EUR auf nunmehr 8.000 EUR angehoben wird. Daneben soll durch eine streitwertunabhängige Zuweisung bestimmter Sachgebiete an die AG und die LG die Spezialisierung der Justiz gefördert und eine effiziente Verfahrensführung unterstützt werden. So sollen bestimmte nachbarrechtliche Streitigkeiten streitwertunabhängig den AG zugewiesen werden. Streitigkeiten aus Heilbehandlungen, Vergabesachen sowie Veröffentlichungsstreitigkeiten sollen hingegen streitwertunabhängig den LG zugewiesen werden, um so eine weitergehende Spezialisierung zu erreichen.

 

„Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“, oder: Welche Änderungen sind geplant?

Bild von megapixel.click – betexion – photos for free auf Pixabay

Die Justiz ist in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Erfordernisse der Praxis umfassend „digitalisiert“ worden. Insbesondere der elektronische Rechtsverkehr mit den Gerichten ist ausgebaut worden. Nun hat die Bundesregierung am 06.03.2024 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der durch weitere Rechtsanpassungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung die bereits fortgeschrittene Digitalisierung in der Justiz in allen Verfahrensordnungen weiter fördern soll (vgl. BT-Drucks. 20/10943).

Ich habe über die wesentlichen geplanten Änderungen ja schon in meinen Beiträgen Regierungsentwurf zu einem „Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz“ – Die wichtigsten geplanten Änderungen (VRR 3/2024, 13 = StRR 4/2024, 10) berichtet, will aber dennoch heute hier die Änderungen auch noch einmal vorstellen. Damit man weiß, worauf man sich einstellen muss:

Vorgesehen sind u.a. folgende allgemeine Änderungen:

  • Papierakten, die vor dem 1.1.2026 angelegt wurden, dürfen als Hybridakte derart weitergeführt werden, dass in Papier angelegte Aktenteile weiterhin in Papier geführt werden, die Weiterführung der Akte elektronisch jedoch möglich ist (vgl. dazu z.B. § 32 Abs. 1a StPO-E).
  • Bestimmten Verfahrensbeteiligten soll es in allen Verfahrensordnungen ermöglicht werden, die prozessuale Schriftform für von Naturalbeteiligten oder Dritten in Papierform unterzeichnete Anträge oder Erklärungen, z.B. Insolvenzanträge, durch elektronische Übermittlung als Scan zu wahren. Die Regelung im Straf- und Bußgeldverfahren soll auf professionelle Verfahrensbeteiligte, Verteidiger und Rechtsanwälte, beschränkt werden.

Folgende Änderungen in der StPO sind vorgesehen:

  • Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 32d Satz 2 StPO auf die Rücknahme der Berufung und der Revision sowie den Einspruch gegen den Strafbefehl und dessen Rücknahme erstreckt
  • Ersetzung von Schriftformerfordernissen bei Stellung eines Strafantrages/einer Strafanzeige.
  • Wegfall der Schriftformerfordernisse in den §§ 81f, 81g, 81h, § 114b, 424 Abs. 2 StPO
  • Audiovisuelle Teilnahme an der Revisionshauptverhandlung (§ 350 StPO)

Folgende Änderungen im OWiG ist vorgesehen:

  • Erweiterung des § 110c OWiG, der auch für den durch einen Rechtsanwalt eingelegten Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gelten soll.

Folgende Änderung des RVG ist beabsichtigt:

  • § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG soll so geändert werden, dass für die Vergütungsberechnung künftig die Textform genügt.

Wegen der Einzelheiten und weiterer Änderungen, die man an anderen Stelle erwarten kann/muss, verweise ich auf die BT-Drucksache und die o.a. Beiträge-