Archiv der Kategorie: Zivilrecht

Gefährdungshaftung – beim Betrieb eines Kfz, oder: Fahrzeugkollision auf dem Sylt Shuttle

Bild von Peter Hauschild auf Pixabay

Und dals zweite Entscheidung dann der OLG Schleswig, Beschl. v. 31.07.2024 – 7 U 48/24 – zur Frage der Gefährdungshaftung nach § 7 StVG  bei einer Kollision der abgestellten Fahrzeuge auf dem Autozugtransport nach Sylt, also dem Sylt Shuttle.

Die Klägerin, eine GmbH verlangt Schadensersatz wegen der Beschädigung ihres Pkws während der Fahrt auf einem Autozug nach Sylt (Sylt-Shuttle).

Am 24.08.2022 wurde der Pkw der Klägerin (Mercedes-Benz) in Niebüll auf den Autozug nach Westerland (Sylt) verladen. Im Pkw befanden sich der Geschäftsführer der Klägerin sowie die Zeugin H.. Entsprechend einer Lautsprecherdurchsage der DB als Betreiberin der Zugverbindung war im klägerischen Fahrzeug die Handbremse angezogen und ein Gang eingelegt. Hinter diesem Pkw stand ein Mercedes Sprinter mit französischen Kennzeichen, geführt vom Fahrer T.. Dieser Sprinter wurde von DB-Mitarbeitern vor der Fahrt angegurtet. Während des ersten Abschnitts der Fahrt des Zuges nach Sylt kam es zweimal dazu, dass nach einem Anfahren und Abstoppen des Zuges der Sprinter von hinten gegen das klägerische Fahrzeug stieß, die Gurte waren gerissen. Am Klägerfahrzeug entstand ein Schaden in Höhe ca. 20.000,– EUR.

Die Klägerin hat behauptet, der französische Fahrer habe die Handbremse nicht angezogen und keinen Gang eingelegt gehabt. Die Gurte hätten nur der zusätzlichen Sicherung neben Handbremse und Gang gedient, unter diesen Umständen das Gewicht des Beklagtenfahrzeugs aber nicht halten können. Nach den zwei Anstößen habe der französische Fahrer die Bremse angezogen, deshalb sei es danach zu keinen weiteren Aufschlägen mehr gekommen.

Die Beklagte hat behauptet, dass selbst bei nicht angezogener Handbremse (was bestritten sei) die Gurte nicht hätten reißen dürfen, dies sei nur durch Verschleiß/Materialermüdung zu erklären. Außerdem sei für den Schaden allein die DB verantwortlich. Die straßenverkehrsrechtliche Gefährdungshaftung für das Kraftfahrzeug greife nicht, weil dieses lediglich wie eine Ware auf dem Zug transportiert worden sei.

Das LG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin H. Außerdem hat es den Geschäftsführer der Klägerin persönlich angehört und dann der Klage gem. §§ 7,17 StVG in vollem Umfang stattgegeben. Dagegen richtet sich die Berufung der beklagten Versicherung, die keinen Erfolg hatte. Darauf hatte das LG hingewiesen und die Beklagte dann dann ihre Berufung zurückgenommen.

„Der Senat hat mit Verfügung vom 31.7.2024 auf Folgendes hingewiesen und der Beklagten geraten, die Rücknahme ihrer Berufung – aus Kostengründen- in Erwägung zu ziehen:

1. Bei der Neufassung des § 7 Abs. 1 StVG zum 01.08.2002 hat sich der Gesetzgeber bei der Bestimmung des „Betriebsbegriffs“ – abweichend von der engen maschinentechnischen Auffassung des Reichsgerichts- von der verkehrstechnischen Auffassung leiten lassen. Der Zweck des Gesetzes, die Verkehrsteilnehmer vor den wachsenden Gefahren des Kraftfahrzeugverkehrs zu schützen, macht es erforderlich, den Begriff „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ weit zu fassen. Die Gefahren, die durch das Kraftfahrzeug in den Verkehr getragen werden, gehen nicht nur von dem Motor und seiner Einwirkung auf das Fahrzeug aus, sondern mit der Zunahme des Verkehrs mehr und mehr von der gesamten Abwicklung des Verkehrs und im besonderen Maße von Kraftfahrzeugen, die nach der diese Umstände nicht berücksichtigenden maschinenrechtlichen Auffassung eigentlich nicht „im Betrieb“ sind. Die Haftung aus Betriebsgefahr verwirklicht sich auch dann, wenn einzig die von außen wirkende Kraft des Windes den Schaden im ruhenden Verkehr bewirkt (vgl. BGH v. 11.02.2020 – VI ZR 286/19ZfSch 2020, 614 ff. „Der umgewehte Auflieger“) Denn § 7 Abs. 1 StVG beschränkt die Einstandspflicht nicht auf fahrzeugspezifische Gefahren in dem Sinne, dass der in Rede stehende Schaden allein durch ein Fahrzeug verursacht werden können müsste. Die Beeinflussung von Fahrzeugen (insbesondere mit höheren Aufbauten) durch Wind stellt grundsätzlich auch eine typische Gefahrenquelle des Straßenverkehrs dar, die bei wertender Betrachtung vom Schutzzweck der Gefährdungshaftung miterfasst wird (vgl. Laws/Lohmeyer/Vinke in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 7 StVG, Rn. 29). 2) Das Beweisangebot (Zeugnis des Fahrers T.) dürfte gem. §§ 529, 531 ZPO verspätet sein. Der Zeuge wurde – wie das Landgericht richtig erkannt hat – erstinstanzlich nur für die unstreitige Tatsache benannt, dass die Spanngurte im Verlauf der Fahrt rissen und es zu einem Kontakt zwischen dem Sprinter und dem klägerischen Mercedes kam. Erstmals im zweiten Rechtszug ist der Zeuge jedoch für die Behauptung benannt worden, dass er beim Bahntransport tatsächlich die Handbremse angezogen und einen Gang eingelegt hatte. Dies hat die Klägerin stets bestritten, im Übrigen spricht auch das Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme dagegen.

Die Beklagte hat daraufhin Ihre Berufung mit Schriftsatz vom 8.8.2024 zurückgenommen. Die Entscheidung des Landgerichts zur Haftung der Beklagten aus §§ 7 I STVG, 115 VVG ist damit rechtskräftig geworden.“

 

Grundlage für Schätzung des merkantilen Minderwerts, oder: Abzug des Umsatzsteueranteils

Bild von ElisaRiva auf Pixabay

Heute im Kessel Buntes mal wieder zwei Entscheidungen zum Verkehrszivilrecht.

Zunächst hier ein Hinweis auf das BGH, Urt. v. 16.7.2024 – VI ZR 205/23 zum Schadensersatz nach einem Kfz-Unfall und da zur Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts und zum Abzug des Umsatzsteueranteils.

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem ihr Fahrzeug erheblich beschädigt wurde. Die volle Haftung des Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.

Die Klägerin ist vorsteuerabzugsberechtigt. Eine Sachverständige ermittelte einen merkantilen Minderwert in Höhe von 500 EUR. Der Beklagte erstattete insoweit lediglich einen Betrag in Höhe von 420,17 EUR mit der Begründung, dass ein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen sei. Die Klägerin hat eingewandt, die Berechnung durch die Sachverständige sei bereits auf der Grundlage des Nettowertes getroffen worden. Mit der Klage hat sie die Differenz in Höhe von 79,83 EUR nebst Zinsen geltend gemacht.

Das AG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Berufung der Klägerin hat das LG zurückgewiesen. Mit der vom LG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter. Sie hatte in der Revision beim BGH Erfolg.

Wegen der Einzelheiten verweise ich auf den verlinkten Volltext. Die BGH-Entscheidung hat folgende Leitsätze:

    1. Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs. Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen.
    2. Wurde davon abweichend der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem „Umsatzsteueranteil“ entsprechender Betrag abgezogen wird.

Auf Erledigung gerichtetes Telefonat des Anwalts, oder: Terminsgebühr im Zivilrecht

Bild von Stefan Kuhn auf Pixabay

Im RVG-Teil dieser Woche dann heute zwei Entscheidungen aus dem Bereich von Teil 3 VV RVG.

Hier kommt zunächst das BGH, Urt. v. 20.06.2024 – IX ZR 80/23 – zur Terminsgebühr nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVGbei Teilnahme des Rechtsanwalts an der Erledigung des Verfahrens. Dazu der BGH, der die Frage anders als das OLG gesehen hat. Das hatte „ausgeführt, die Beklagte könne bereits auf der Grundlage ihres Sachvortrags keine Terminsgebühr beanspruchen. Das erste Telefonat am 6. August 2019 habe keine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung beinhaltet, weil bereits zehn Minuten nach dem Gespräch Berufung eingelegt worden sei, obwohl der Vergleichsvorschlag noch von der gegnerischen Rechtsanwältin an die Bank habe weitergeleitet und besprochen werden müssen. Hinsichtlich des zweiten Telefonats am 8. Oktober 2019 sei maßgeblich, dass die Rechtsanwältin der Bank darin nach dem Klägervorbringen einerseits die Weiterleitung des Vergleichsvorschlags zugesagt, andererseits aber in dem – nur zwei Minuten dauernden – Gespräch erklärt habe, dass sie nicht davon ausgehe, dass Vergleichsbereitschaft bestehe. Jedenfalls für eine solche Fallgestaltung sei die Rechtsprechung dahingehend zu verstehen, dass eine Terminsgebühr nicht allein dadurch anfalle, dass der Gegner die Weiterleitung des Vorschlags an seinen Mandanten zusage.

Dazu dann der BGH:

„Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts lässt sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht bejahen.

1. Es trifft allerdings zu, dass der Rechtsanwalt aus dem Anwaltsvertrag mindestens entsprechend §§ 675, 667 BGB verpflichtet ist, denjenigen Teil eines ihm geleisteten Vorschusses zurückzuzahlen, der die tatsächlich geschuldete Vergütung übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2019 – IX ZR 143/18, WM 2019, 738 Rn. 6; vom 16. Dezember 2021 – IX ZR 81/21, ZIP 2022, 217 Rn. 9). Zudem ist es richtig, dass im Fall eines rechtsschutzversicherten Mandanten der Rückzahlungsanspruch wegen eines nicht verbrauchten Gebührenvorschusses gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergeht, weil die Rechtsschutzversicherung eine Schadensversicherung ist und der Versicherer mit der Vorschussleistung an den Rechtsanwalt seinem Versicherungsnehmer im Sinne der Bestimmung „einen Schaden ersetzt“ (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2020 – IX ZR 90/19, ZIP 2020, 561 Rn. 10; vom 16. Dezember 2021 – IX ZR 81/21, ZIP 2022, 217 Rn. 15).

2. Hingegen kann der Anfall der Terminsgebühr mit der Begründung des Berufungsgerichts nicht verneint werden. Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte mit dieser Regelung der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert werden; die Gebühr soll insbesondere bereits dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen mitwirkt, insbesondere, wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Einigung zielen (BT-Drucks. 15/1971, S. 148, 209).

a) Dementsprechend stellt der Bundesgerichtshof an das Merkmal der – auch telefonisch durchführbaren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2010 – I ZB 14/09, ZfSch 2010, 286 Rn. 8) – Besprechung keine besonderen Anforderungen und sieht die Terminsgebühr als entstanden an, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 – II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286 Rn. 7; vom 21. Januar 2010, aaO Rn. 7; vom 9. Mai 2017 – VIII ZB 55/16, NZM 2017, 439 Rn. 8) oder sich auch nur an Gesprächen mit dem Ziel einer Einigung interessiert zeigt (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 – XI ZB 38/05, NJW 2007, 2858 Rn. 10; vom 9. Mai 2017, aaO). Dagegen genügt es nicht, wenn es in dem Gespräch nur um die grundsätzliche Bereitschaft oder abstrakte Möglichkeit einer Einigung (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007, aaO; vom 21. Januar 2010, aaO) oder um Verfahrensabsprachen wie beispielsweise um die Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007, aaO Rn. 10; vom 6. März 2014 – VII ZB 40/13, ZfSch 2014, 286 Rn. 12) geht. Verweigert der Gegner von vornherein ein sachbezogenes Gespräch oder eine gütliche Einigung, kommt eine auf die Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechung bereits im Ansatz nicht zustande (BGH, Beschluss vom 20. November 2006, aaO Rn. 8; vom 6. März 2014, aaO Rn. 15; vgl. ebenso BAG, NZA 2013, 395 Rn. 14; BVerwG, ZfSch 2018, 703 Rn. 6). Die Voraussetzungen für die Auslösung einer Terminsgebühr durch eine außergerichtliche Besprechung können auch in einem Berufungsverfahren, in dem ein Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO erteilt wird, erfüllt sein, wenn die Besprechung bereits vor Erteilung des Hinweises geführt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – II ZB 4/11, MDR 2012, 376 Rn. 6 ff).

b) An diesen Grundsätzen ist auch unter Berücksichtigung einer teilweise abweichenden und von dem Berufungsgericht zugrunde gelegten instanzgerichtlichen Rechtsprechung, wonach die bloße Erklärung des anderen Prozessbevollmächtigten, das Angebot an den Mandanten zur Prüfung weiterzuleiten, nicht genügen soll (vgl. OLG Nürnberg, AnwBl. 2006, 495, 496; OVG Hamburg, AGS 2016, 62, 68 f), festzuhalten (vgl. ebenso Schneider, AGS 2016, 64 f). Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Entstehung der Terminsgebühr führt zu einer einfachen, klaren und rechtssicheren Abgrenzung.“

Corona II: Reisestorno wegen Corona-Warnung, oder: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um

Bild von cromaconceptovisual auf Pixabay

Und dann im zweiten „Corona-Posting“ die zivilrechtliche Entscheidung. Es handelt sich um das BGH, Urt. v. 09.07.2024 – X ZR 101/23. Es geht um die Stornierung einer Reise wegen der Covid-19-Pandemie und die Rückzahlung einer Anzahlung für diese Pauschalreise.

Die Klägerin verlangt die Rückzahlung einer Anzahlung, die sie für für eine Pauschalreise gezahlt hat. Die Klägerin hatte am 01.07.2021 bei der Beklagten für sich und eine weitere Mitreisende zum Gesamtpreis von 1.552 EUR eine Flugreise mit Hotelaufenthalt und Verpflegung nach Palma de Mallorca gebucht. Die Reise sollte vom 30.07.2021 bis zum 06.082021 stattfinden sollte. Die Klägering leistete auf den Reisepreis eine Anzahlung von 1.242 EUR.

Nach dem geschlossenen Vertrag konnte die Reise bis 21 Tage vor Reiseantritt kostenlos storniert und bis 14 Tage vorher gebührenfrei umgebucht werden. Im Übrigen sollten die AGB der Beklagten gelten. Diese sehen eine Stornierungspauschale vor, und zwar bei einem Rücktritt des Reisenden bis vier Tage vor Reiseantritt 75 % des Reisepreises und ab drei Tage vor Reiseantritt 80 %.

Am 09.07.2021 stufte das RKI Spanien einschließlich der Balearen als Risikogebiet ein. Am 23.07. 2021 kündigte das Institut die Einstufung als Hochrisikogebiet ab dem 27.07.2021 an und das Auswärtige Amt hat eine Reisewarnung ausgesprochen.

Am 26.07.2021 stornierte die Klägerin die Reise unter Bezugnahme auf diese Maßnahmen und forderte die Beklagte zur Rückzahlung der Anzahlung auf. Die Beklagte teilte der Klägerin am gleichen Tag mit, infolge des Rücktritts falle eine Stornierungsgebühr in Höhe von 1.164 EUR an.

Mit ihrer Klage hat verlangte die Klägerin u.a. die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung. Das AG hat die Beklagte zur Zahlung von 78 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer Berufung hat die Klägerin ihr Begehren in voller Höhe weiterverfolgt. Das LG hat der Klägerin die Verzugspauschale sowie einen Teil der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zugesprochen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Revision hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt, ohne Erfolg:

„2. Zu Recht ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klage in dem zweitinstanzlich verfolgten Umfang dennoch unbegründet ist, weil die Beklagte dem Anspruch auf Erstattung der Anzahlung einen Entschädigungsanspruch aus § 651h Abs. 1 Satz 3 BGB entgegenhalten kann und dieser Anspruch im Streitfall nicht nach § 651h Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen ist.

a) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Covid-19-Pandemie im Streitfall einen unvermeidbaren und außergewöhnlichen Umstand im Sinne von § 651h Abs. 3 Satz 2 BGB darstellt.

Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, ist es in der Regel nicht zu beanstanden, dass ein Tatrichter die Covid-19-Pandemie als Umstand bewertet, der grundsätzlich geeignet ist, die Durchführung der Pauschalreise erheblich zu beeinträchtigen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. März 2023 – X ZR 78/22, NJW-RR 2023, 828 = RRa 2023, 118 Rn. 21; Urteil vom 14. November 2023 – X ZR 115/22, NJW-RR 2024, 193 Rn. 18; Urteil vom 23. Januar 2024 – X ZR 4/23, NJW-RR 2024, 466 Rn 17).

Dies gilt auch für den im Streitfall maßgeblichen Reisezeitraum im Juli und August 2021 (BGH, Urteil vom 14. November 2023 – X ZR 115/22, NJW-RR 2024, 193 Rn. 19).

b) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht entschieden, dass im Streitfall keine erhebliche Beeinträchtigung der Reise zu besorgen war.

aa) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass für die Frage, ob eine erhebliche Beeinträchtigung besteht, von Bedeutung sein kann, ob die mit der Durchführung verbundenen Risiken bei Buchung der Reise bereits bestanden oder zumindest absehbar waren.

Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, kann eine erhebliche Beeinträchtigung jedenfalls dann zu verneinen sein, wenn bei Vertragsschluss Umstände vorliegen oder absehbar sind, die der Durchführung der Reise zwar nicht zwingend entgegenstehen, aber doch so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte. Einem Reisenden, der in einer solchen Situation eine Reise bucht, ist es in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen (BGH, Urteil vom 19. September 2023 – X ZR 103/22, NJW-RR 2023, 1540 Rn. 41).

Absehbar in diesem Sinne ist ein Risiko nicht nur dann, wenn es im Zeitpunkt der Buchung nahezu unausweichlich erscheint, dass sich das Risiko bis zum geplanten Beginn der Reise verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, wenn im Zeitpunkt der Buchung ungewiss ist, wie sich die Situation weiter entwickeln wird, und eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass es innerhalb kurzer Zeit zu gravierenden Veränderungen kommt.

bb) Vor diesem Hintergrund ist die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, dass die im Streitfall vorliegenden Umstände nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB geführt haben, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(1) Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Reisewarnung des Auswärtigen Amts zwar Indizwirkung zukommt, hieraus aber nicht zwingend folgt, dass eine erhebliche Beeinträchtigung zu bejahen ist.

(2) Wie der Senat bereits entschieden hat, ist es dem Reisenden in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn bereits bei Buchung der Reise eine Reisewarnung bestanden hat, diese auch bei Reisebeginn weiterhin oder wieder besteht und die Risikolage sich nicht wesentlich verändert hat (BGH, Urteil vom 19. September 2023 – X ZR 103/22, NJW-RR 2023, 1540 Rn. 41).

(3) Im Streitfall hat sich die Risikolage zwischen dem Zeitpunkt der Buchung und dem Zeitpunkt des vorgesehenen Reisebeginns zwar verändert. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war aber bereits bei Buchung aus allgemein zugänglichen Informationsquellen ersichtlich, dass aufgrund des Verhaltens von Urlaubern auf Mallorca ein schneller Anstieg der damals noch relativ geringen Infektionsraten befürchtet wurde.

Diese Feststellungen tragen die vom Berufungsgericht vorgenommene tatrichterliche Würdigung, dass die spätere Entwicklung schon bei Buchung absehbar war. Den Feststellungen ist zwar nicht zu entnehmen, dass ein schneller Anstieg der Inzidenzen, die Einstufung als Risiko- bzw. Hochrisikogebiet und eine Reisewarnung im Zeitpunkt der Buchung als nahezu unausweichlich erschienen. Aus ihnen ergibt sich aber, dass ein Zustand der Ungewissheit bestand, der eine erhebliche Wahrscheinlichkeit für kurzfristige Veränderungen dieser Art begründete.

c) Entgegen der Auffassung der Revision sind die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Entschädigungsanspruchs gemäß § 651h Abs. 3 BGB auch nicht deshalb gegeben, weil die Beklagte unter diesen Umständen verpflichtet gewesen wäre, das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines Pauschalreisevertrags abzulehnen oder die Reise erst gar nicht anzubieten.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stand die Einstufung als Risiko-, Hochinzidenz- oder Hochrisikogebiet einer Durchführung der Reise im Streitfall nicht entgegen. Die Konsequenzen einer solchen Einstufung, insbesondere damit verbundene Beschränkungen während des Aufenthalts oder nach der Rückkehr, mögen dennoch von zahlreichen Reisenden als so schwerwiegend eingeschätzt werden, dass sie von einem Antritt der Reise absehen. Auch in Fällen, in denen schon bei Buchung zu erwarten oder zumindest konkret damit zu rechnen ist, dass es zu solchen Beschränkungen kommen kann, ist es dem Reiseveranstalter indes nicht verwehrt, eine Buchung anzubieten.“

Mich überrascht die Entscheidung nicht. Einem Reisenden, der nach Beginn der Pandemie eine Reise gebucht hat, ist es m.E. zur Recht in der Regel zumutbar, die Reise auch dann anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken fortbestehen. es war doch zu der Zeit überhaupt nicht vorhersehbar, wie sich die Pandemie entwickeln würde. Eigenes Risiko eben.

beA: Übereinstimmung von Versender und Urheber, oder: Wenn der Urheber nicht über sein beA versendet

Bild von StartupStockPhotos auf Pixabay

Und dann kommen hier die beA-Entscheidungen, auch Zivil- und/oder Strafverfahren, und zwar:

Den Anforderungen der §§ 32a Abs. 3, 32d Satz 2 StPO ist nicht Genüge getan, wenn die Revisionseinlegungsschrift den bestellten Verteidiger des Angeklagten  maschinenschriftlich als Urheber ausweist, der Schriftsatz aber von einem Kanzleikollegen qualifiziert signiert und über dessen Postfach versandt worden. Etwas anderes kann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Versender als Vertreter des Pflichtverteidigers gemäß § 53 BRAO oder als sonstiger Bevollmächtigter des Angeklagten tätig geworden ist. Diese ergeben sich im Zweifel auch  nicht aus einer etwaigen vormaligen Verteidigerstellung, da die Vollmacht des Wahlverteidigers mit Niederlegung des Wahlmandats bei Bestellung zum Pflichtverteidiger erloschen ist.

Die sog. Kongruenz von Versender und Urheber des elektronischen Dokuments ist nicht erforderlich, wenn der Schriftsatz nach § 32a Abs. 3 Var. 1 StPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des verantwortenden Rechtsanwalts versehen und das elektronische Anwaltspostfach eines anderen Anwalts gleichsam nur zur technischen Übermittlung genutzt wird.

Reicht ein Rechtsanwalt über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einen Schriftsatz, den ein anderer Rechtsanwalt verfasst, aber nicht qualifiziert elektronisch signiert hat, bei Gericht ein, ist dies nicht wirksam (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.02.2024 – IX ZB 30/23NJW 2024, 1660).