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Kollision Rechtseinbieger mit Fahrbahnverenger, oder: Befahren der linken Fahrbahnhälfte

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Und im zweiten Posting dann noch einmal etwas zur Haftungsverteilung nach dem StVG, und zwar das OLG Saarbrücken, Urt. v. 13.12.2024 – 3 U 23/24. Es geht um die Haftungsverteilung bei der Kollision eines nach rechts in eine bevorrechtigte Straße Einbiegenden und einem von rechts kommenden Vorfahrtsberechtigten, der in zulässiger Weise an parkenden Fahrzeugen vorbeifährt, die die Fahrbahn verengen.

Der Kläger hatte mit seinem Transporter VW T4 die fragliche Straße pp. in Fahrtrichtung pp.. Der Zweitbeklagte befuhr mit seinem bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug die pp. und wollte nach rechts in die Straße pp. einbiegen. Dabei stieß er mit dem von rechts kommenden klägerischen Fahrzeug zusammen.

Das LG hatte der der Klage auf der Grundlage einer Haftungsverteilung von 75% zu 25% zulasten der Beklagten stattgegeben. Zur Begründung hatte es ausgeführt, die Beklagten hafteten für den Unfall, weil der Zweitbeklagte die Vorfahrt des Klägers verletzt habe. Allerdings habe auch der Kläger für die Unfallfolgen einzustehen, weil die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs erhöht gewesen sei. Den Kläger treffe zwar kein Verschulden. Die Situation sei aber mit einem Unfall vergleichbar, bei dem das Rechtsfahrgebot missachtet worden sei. Schon das Befahren der linken Fahrbahnhälfte führe zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges.

Dagegen die Berufung des Klägers, die in vollem Umfang Erfolg hatte. Nach Auffassung des OLG haften die Beklagten voll:

„1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- als auch die Beklagtenseite grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellt. Dies wird von den Parteien in der Berufung nicht in Zweifel gezogen und begegnet auch keinen Bedenken.

2. Im Rahmen der danach gebotenen Entscheidung über die Haftungsverteilung gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG, in der alle festgestellten, d. h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO bewiesenen Umstände des Einzelfalls, die sich auf den Unfall ausgewirkt haben, zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2023 – VI ZR 287/22, Rn. 12, juris), hat das Landgericht eine Mithaftung des Klägers von 25% angenommen. Dies hält berufungsgerichtlicher Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

a) Das Landgericht hat zunächst auf Beklagtenseite einen unfallursächlichen Verstoß des Zweitbeklagten gegen § 8 Abs. 2 Satz 2 StVO festgestellt, weil der Zweitbeklagte an der nicht durch Verkehrszeichen geregelten Einmündung (zum Begriff der Einmündung vgl. stellv. BGH, Urteil vom 05.02.1974 – VI ZR 195/72, VersR 1974, 600; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl., § 8 StVO Rn. 34 m.w.N.) die Vorfahrt des Klägers, der aus Sicht des Zweitbeklagten von rechts kam (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO), missachtet hat. Dies ist – auch im Hinblick auf die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis auf den Streitfall (vgl. dazu KG, Urteil vom 15. Januar 1996 – 12 U 304/95, Rn. 5, 7, juris; OLG Köln, Urteile vom 13. August 1997 – 27 U 30/97, Rn. 5, juris, und vom 31. März 2000 – 19 U 159/99, Rn. 2 juris; Geigel/Freymann, 29. Aufl., Kapitel 27 Rn. 258) – zutreffend und wird von den Parteien in der Berufung hingenommen.

b) Im Ergebnis zutreffend ist die Erstrichterin auch davon ausgegangen, dass dem Kläger im Rahmen der Haftungsabwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG kein zu einem Verschulden führender Pflichtenverstoß vorgehalten werden kann, der seine Mithaftung begründen könnte. Denn der Kläger war gegenüber dem Zweitbeklagten weder zur Beachtung des § 6 StVO (Vorbeifahren) noch des Rechtsfahrgebots (§ 2 Abs. 2 StVO) verpflichtet, da beide Regelungen nicht dem Schutz des einbiegenden Verkehrs dienen (zu § 6 StVO vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5. Februar 1982 – 5 Ss OWi 634/81 I, VRS 63, 60; OLG Hamm, Urteil vom 2. September 2022 – I-7 U 5/21, Rn. 14, juris; Helle, in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 2. Aufl., § 6 Rn. 30; zum Rechtsfahrgebot vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2011 – VI ZR 282/10, Rn. 11, juris; Saarl. OLG, Urteil vom 29. März 2018 – 4 U 56/17, Rn. 52, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14. Februar 2012 – I-1 U 243/10, Rn. 37; OLG Hamm, Urteil vom 23. September 2022 – I-7 U 93/21, Rn. 16, juris; Geigel/Freymann aaO Rn. 58).

c) Entgegen der Auffassung der Erstrichterin war die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs auch nicht aufgrund des Befahrens der linken Fahrbahnhälfte durch den Kläger erhöht.

aa) Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass das Befahren der linken Fahrbahnhälfte durch den Vorfahrtsberechtigten zu einer Erhöhung der Betriebsgefahr des Kraftfahrzeuges führen und eine Mithaftung gegenüber dem Wartepflichtigen begründen kann. Dies setzt indes nach allgemeiner Auffassung einen unfallursächlichen Verstoß des Vorfahrtsberechtigten gegen das Rechtsfahrgebot nach § 2 Abs. 2 StVO voraus (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 29. März 2018 – 4 U 56/17, Rn. 57, juris; OLG Hamm, Urteil vom 23. September 2022 – I-7 U 93/21, Rn. 15, 27, juris; KG, Urteil vom 12. November 1992 – 12 U 5617/91, Rn. 5, juris, und Beschluss vom 28. Dezember 2006 – 12 U 47/06, Rn. 22 ff., juris; OLG Köln, Urteile vom 19. Juni 1991 – 2 U 1/91, Rn. 16, juris, und vom 13. August 1997 – 27 U 30/97, Rn. 8 f., juris; OLG Oldenburg, Urteil vom 4. März 2002 – 15 U 63/01, Rn. 15, 18, juris; Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 9. Mai 2000 – 5 U 1346/99, Rn. 7, juris; Spelz in: Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, 2. Aufl., § 8 StVO Rn. 48), von dem im Streitfall nicht ausgegangen werden kann.

bb) Nach § 2 Abs. 2 StVO ist „möglichst weit rechts“ zu fahren. Das Rechtsfahrgebot bedeutet nicht, äußerst rechts oder soweit technisch möglich rechts zu fahren (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2011 – I-1 U 232/07, Rn. 8, juris; OLG Zweibrücken, Urteil vom 24. April 1987 – 10 U 81/85, NZV 1988, 22). Es gilt vielmehr, wie schon der Wortlaut erkennen lässt, nicht starr, sondern gewährt je nach den Umständen im Rahmen des Vernünftigen einen gewissen Beurteilungsfreiraum. Welche Anforderungen das Rechtsfahrgebot im konkreten Fall stellt, ist daher unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Örtlichkeit, der Fahrbahnbreite und -beschaffenheit, der Fahrzeugart, eines vorhandenen Gegenverkehrs, der erlaubten und der gefahrenen Geschwindigkeit sowie der jeweiligen Sichtverhältnisse zu bestimmen (vgl. BGHZ 74, 25; BGH, Urteil vom 9. Juli 1996 – VI ZR 299/95, Rn. 7, juris; Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 29. März 2018 – 4 U 56/17, Rn. 54, juris, und vom 18. Juni 2020 – 4 U 4/19, Rn. 72, juris).

cc) Nach diesen Grundsätzen kann ein unfallursächlicher Verstoß des Klägers gegen das Rechtsfahrgebot schon deshalb nicht angenommen werden, weil nach den tatsächlichen, von den Parteien nicht angegriffenen Feststellungen des Erstgerichts (§ 529 Abs. 1 ZPO) die rechte Seite der unmarkierten Fahrbahn des Klägers durch ein in der Nähe der Einmündung parkendes Fahrzeug blockiert war (vgl. Lichtbild Bl. 277 GA). Dem Kläger war es deshalb erlaubt, nach Maßgabe des § 6 StVO an diesem Fahrzeug vorbeizufahren und hierzu die linke Fahrbahnseite zu benutzen (vgl. hierzu Helle aaO § 6 StVO Rn. 9, 11), während der Zweitbeklagte als Wartepflichtiger ohne weiteres mit Gegenverkehr auf der eigenen Fahrbahnhälfte zu rechnen hatte, dem auch durch möglichst weites Rechtsfahren beim Einbiegen nicht sicher ausgewichen werden konnte (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Mai 2011 – I-1 U 232/07, Rn. 8, juris; LG Saarbrücken, Urteil vom 29. April 2016 – 13 S 3/16 –, juris Rn. 24 f.; vgl. auch Spelz aaO Rn. 37).

d) Für die Annahme einer Mithaftung des Klägers aus der einfachen Betriebsgefahr seines Fahrzeugs besteht keine Veranlassung. Vielmehr gilt auch in einem Fall wie hier der Grundsatz, dass die einfache Betriebsgefahr des bevorrechtigten Fahrzeugs gegenüber dem Verkehrsverstoß gegen § 8 StVO zurücktritt (vgl. LG Saarbrücken, Urteil vom 29. April 2016 – 13 S 3/16, juris m.w.N.).

3. Auf der Grundlage dieser Haftungsverteilung steht dem Kläger Ersatz seines vollen, der Höhe nach unstreitigen Schadens (einschließlich vorgerichtlicher Anwaltskosten) nebst Zinsen zu.“

Etwas Verkehrzivilrechtliches „aus der Instanz“, oder: Unklare Verkehrslage, falsches Betanken, USt usw.

Und dann kommt hier ein kleiner Überblick zu verkehrsrechtlichen Entscheidungen, die nicht vom BGH stammen, und zwar auch wieder nur die Leitsätze und: Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

1. Eine unklare Verkehrslage i. S. d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO und damit ein unzulässiges Überholen kommt in Betracht, wenn das vorausfahrende Fahrzeug bei einem ordnungsgemäß angekündigten Rechtsabbiegen in ein Grundstück zunächst erkennbar – unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 2 StVO – nach links ausholt. In diesem Fall hat der Überholende mit einem weiteren Ausscheren des Vorausfahrenden nach links vor dem eigentlichen Abbiegen zu rechnen.

2. Im Falle einer seitlichen Kollision zwischen einem unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei unklarer Verkehrslage Überholenden und einem nach rechts in ein Grundstück abbiegenden Vorausfahrenden, der sich entgegen § 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 StVO zunächst nach links zur Fahrbahnmitte hin einordnet und unmittelbar vor dem Rechtsabbiegen nach links ausholt, kommt eine Haftungsverteilung von 60 % zu 40 % zulasten des Überholenden in Betracht.

Es ist nicht der Betriebsgefahr i. S. d. § 7 Abs. 1 StVG eines Tanklastwagens zuzurechnen, wenn sich ein eigenständiger Gefahrenkreis aus der Risikosphäre des Bestellers verwirklicht (hier: fehlerhafte Füllstandsanzeige am Tank) und der Schadenseintritt beim Befüllvorgang weder auf ein Verschulden des Tanklastwagenfahrers noch auf einen Defekt des Tanklastwagens oder seiner Einrichtungen zurückzuführen ist.

    1. Nach den AKB 2015 ist eine Mehrwertsteuer in der Kaskoversicherung nur zu erstatten, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist.
    2. Eine solche Mehrwertsteuer ist nicht angefallen, wenn schon Monate vor dem Unfallereignis ein Nachfolgefahrzeug im Rahmen einer Fahrzeugfinanzierung bestellt worden ist, der Vertrag dann wegen Lieferschwierigkeiten für eine Bereitstellung des Ersatzfahrzeuges verlängert wird und in der Zwischenzeit vor der Lieferung des Ersatzfahrzeuges der Versicherungsfall eintritt.
    1. Es ist anerkannt, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung auch konkludent oder stillschweigend zustande kommen kann. Dabei ist für die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Beschaffenheit als vereinbart gilt, nicht nur auf die Beschreibung der Beschaffenheit im Kaufvertrag abzustellen, sondern es sind auch weitere schriftliche Angaben des Verkäufers an anderer Stelle des Vertragsformulars oder auch sonstiger Erklärungen des Verkäufers außerhalb der Vertragsurkunde in die Bewertung einzubeziehen.
    2. In dem bloßen Bestreiten von Mängeln kann nicht ohne weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung gesehen werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn neben dem Bestreiten des Vorhandenseins von Mängeln weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer ordnungsgemäßen Nacherfüllungsforderung werde umstimmen lassen.

Rechtsprechung zum Verkehrszivilrecht vom BGH, oder: Gebrauch des Kfz, Werkstattrisiko, Betriebsgefahr

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Und heute im „Kessel Buntes“ dann Verkehrszivilrecht. Und da hat sich in der letzten Zeit einiges angesammelt. Ich mache daher zwei (kleine) Rechtsprechungsübersichten, einmal BGH und einmal andere Gerichte. Es gibt aber jeweils nur die Leitsätze.

Ich beginne hier mit dem BGH, und zwar:

Der Entladevorgang gehört zum „Gebrauch“ des Fahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen daran beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann „durch den Gebrauch“ des Kraftfahrzeugs entstanden, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt worden ist. Das Entladen eines Tanklastzugs mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe ist danach dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt.

Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen. Lässt sich beim Vorbeifahren an einem Müllabfuhrfahrzeug ein ausreichender Seitenabstand, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann.

Auch bei unbezahlter Werkstattrechnung kann sich der Geschädigte auf das sogenannte Werkstattrisiko berufen und in dessen Grenzen Zahlung von Reparaturkosten, Zug um Zug gegen Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger, verlangen, allerdings nicht an sich selbst, sondern an die Werkstatt. Tritt der Geschädigte bei unbezahlter Werkstattrechnung seine Forderung gegen den Schädiger ab, trägt der Zessionar das Werkstattrisiko.

Und dann gibt/gab es noch einiges zum Dieselskandal – das sind immer die Entscheidungen mit den „VIa-er-Aktenzeichen“. Dazu muss ich allerdings einräumen, dass ich bei den Fragen inzwischen den Überblick verloren haben. Ich stelle daher dazu nicht mehr vor.

Gefährdungshaftung bei „passiver“ Unfallbeteiligung?, oder: Zweitanstoß im Verlauf eines Schleudervorgangs

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Und als zweite Entscheidung dann das OLG Celle, Urt. v.  10.05.2023 – 14 U 56/21 – zur Gefährdungshaftung von „passiv“ unfallbeteiligten Fahrzeugen.

Der Kläger verlangt in dem Verfahren von der Beklagten die Feststellung der Haftung für einen Verkehrsunfall, der sich am 11.08.2018 auf einer BAB ereignet hate. Der Kläger, ein zum Unfallzeitpunkt gesunder zehnjähriger Junge, saß angeschnallt im Fahrzeug seiner Mutter, die als Halterin ihr Fahrzeug VW Golf  zum Unfallzeitpunkt steuerte, auf einem Kindersitz im linken Bereich der Fahrzeugrückbank. Vor dem klägerischen Fahrzeug fuhr der Beteiligte E. mit seinem Fahrzeug welches bei der Beklagten haftpflichtversichert ist. Beide Fahrzeuge befuhren die rechten Fahrspur und verlangsamten ihre Fahrt, als sich vor ihnen ein Stau aufbaute.

Von hinten kommend auf der Überholspur näherte sich das Fahrzeug Dodge Ram 1500 der Beteiligten B. . Die Beteiligte B., bei der nach dem Unfall eine erhebliche Alkoholisierung festgestellt worden war (AAK von 1,1 Promille), wechselte aus ungeklärtem Grund von der Überholspur mit ca. 120 km/h nach rechts und prallte ungebremst auf das klägerische Fahrzeug. Durch die Wucht des Aufpralls wurde dieses in das vor ihm fahrende Fahrzeug des Beteiligten E. geschleudert. Das Beklagtenfahrzeug wurde seinerseits ebenfalls gegen das voranfahrende Fahrzeug der Beteiligten K. geschoben. Insgesamt waren vier Fahrzeuge an dem Unfall beteiligt.

Durch den Unfall erlitt der Kläger schwere, lebensgefährliche Verletzungen.

Die klägerische Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung und diejenige der Beteiligten B. erklärten eine gesamtschuldnerische Haftung für die Schäden des Klägers. Mit seiner Klage begehrt der Kläger eine gleichlautende Erklärung von der Beklagten, die dies ablehnt. Die Parteien streiten darum, ob der zweite Aufprall des klägerischen Fahrzeugs auf das Beklagtenfahrzeug zu weiteren Verletzungen beim Kläger geführt hat und ob somit auch die Beklagte für die Unfallfolgen des Klägers einstandspflichtig ist.

Das LG hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Unfall sei für den Beteiligten E. ein unabwendbares Ereignis gem. § 17 Abs. 3 StVG gewesen. Das Fahrzeug sei bei einer wertenden Betrachtung nicht gem. § 7 StVG „bei Betrieb“ gewesen. Allein die Tatsache, dass es ein Hindernis gebildet habe, reiche nicht aus, um eine Gefährdungshaftung anzunehmen. Weder seine Fahrweise noch sein Betriebsvorgang hätten das Unfallgeschehen geprägt.

Dagegen die Berufung des Klägers, die in der Sache überwiegend begründet war:

„Der Kläger hat einen Anspruch auf die Feststellung gem. § 256 Abs. 1 ZPO, dass die Beklagte als Gesamtschuldnerin neben den im Antrag genannten Gesamtschuldnern für alle Folgen aus dem Verkehrsunfall vom 11. August 2018 gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 421 BGB haftet.

a) Gem. 7 Abs. 1 StVG ist der Halter zum Schadensersatz verpflichtet, wenn bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs ein Mensch verletzt wird. Gem. § 7 Abs. 2 StVG ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird.

aa) Die Ersatzpflicht der Beklagten ist nicht durch höhere Gewalt ausgeschlossen. Gem. 7 Abs. 2 StVG beruht auf höherer Gewalt ein außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter (betriebsfremder) Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch nach den Umständen äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und das auch nicht im Hinblick auf seine Häufigkeit in Kauf genommen zu werden braucht (vgl. Hentschel, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Aufl. 2019, § 7 StVG, Rn. 32; Filthaut, Haftpflichtgesetz, 6. Aufl., § 1 Rn. 158; Steffen, DAR 1998, 135; jeweils mwN).

Zusammengefasst muss es sich um eine Einwirkung von außen handeln, die außergewöhnlich und nicht abwendbar ist. Alle drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, wenn höhere Gewalt vorliegen soll (vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 2005 – 14 U 231/04, Rn. 13, juris).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Es fehlt bereits an einer von außen kommenden, mithin an einer betriebsfremden Einwirkung auf das Fahrzeug der Beklagten. Zwar kann eine solche Einwirkung grundsätzlich nicht nur in einem Naturereignis, sondern auch in einem menschlichen Verhalten bestehen. Hierunter fallen aber insbesondere vorsätzliche Eingriffe dritter Personen in den Verkehr, z. B. in Selbsttötungsabsicht, durch Sabotageakte oder durch absichtliches Stoßen eines Unbeteiligten vor ein Fahrzeug (vgl. Senat, Urteil vom 12. Mai 2005 – 14 U 231/04, Rn. 14f., juris).

Weder bei der Kollision zwischen der Beteiligten B. und dem klägerischen Fahrzeug noch bei der darauffolgenden Kollision zwischen dem Beklagten- und dem Klägerfahrzeug hat es sich um vorsätzliches Dazwischentreten eines Dritten gehandelt, der den Zurechnungszusammenhang zum Beklagtenfahrzeug unterbrechen könnte. Vielmehr hat sich ein typisches Risiko verwirklicht, das auf Autobahnen aufgrund der dort gefahrenen Geschwindigkeiten besteht.

Überdies stellt auch das Fehlverhalten anderer Verkehrsteilnehmer keine höhere Gewalt dar. Auch grobe Regelverstöße sind bereits wegen ihrer Häufigkeit nicht geeignet, einen Haftungsausschluss zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 1966 – VI ZR 280/64, Rn. 13, juris).

Auf die noch vom Landgericht thematisierte Frage, dass der Unfall vom Beteiligten E. nicht hätte verhindert werden können, kommt es nicht an, weil es bereits an den beiden ersten Begriffsmerkmalen der höheren Gewalt fehlt. Nach der Änderung des § 7 Abs. 2 StVG durch das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) begründet eine mögliche Unvermeidbarkeit des Unfalls für sich allein keinen Haftungsausschluss zugunsten des Fahrzeughalters mehr.

bb) Die Verletzungen des Klägers sind bei dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs entstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18, Rn. 8; Urteil vom 11. Februar 2020 – VI ZR 286/19, juris) ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen (vgl. die ähnliche Auslegung der „Verwendung eines Fahrzeugs“ im EU-Recht, vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2019 – C-100/18, VersR 2019, 1008). Denn die Haftung nach 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird. Die Vorschrift will alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, Rn. 5; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, Rn. 5; vom 31. Januar 2012 – VI ZR 43/11, Rn. 17; Senat, Urteil vom 22. Januar 2020 – 14 U 150/19, Rn. 42, alle zitiert nach juris). Erforderlich ist aber, dass die Fahrweise oder der Betrieb des Kraftfahrzeugs zu dem Unfallgeschehen beigetragen hat (BGH, Urteil vom 21. September 2010 – VI ZR 263/09, Rn. 3, juris).

cc) Die Grenzen einer Haftung aus 7 StVG ergeben sich ebenfalls aus dem Schutzzweck der Vorschrift (BGHZ 79, 259, 263). Die Haftung wird nicht schon durch jede Verursachung eines Schadens begründet, der im weitesten Sinne im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges ausgelöst worden ist. Eine Haftung tritt vielmehr erst dann ein, wenn das Schadensereignis dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges nach dem Schutzzweck der Gefährdungshaftung auch zugerechnet werden kann.

Gemessen daran befand sich das Fahrzeug des Beteiligten E. im Betrieb als es mit dem klägerischen Fahrzeug kollidierte. Es diente seiner Fortbewegungs- und Transportfunktion als Verkehrsmittel als sich der Unfall ereignete. Es hat insofern im Sinne einer Mitursächlichkeit durch seinen Betrieb („fahren“) zu dem Unfallgeschehen beigetragen. Im Sinne einer conditio sine qua non könnte das fahrende Beklagtenfahrzeugs auf der BAB 20 nicht weggedacht werden, ohne dass der Unfall passiert wäre.

Soweit die Beklagte meint, der Unfall habe nichts mit der spezifischen Gefährdung eines Fahrzeuges zu tun, weswegen es nicht mehr in den Bereich der Gefahren falle, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden sei, folgt der Senat dem nicht.

Die Gefährdungshaftung des § 7 StVG zielt gerade darauf ab, das Gefahrenpotential zu erfassen, das entsteht, wenn sich Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr bewegen. Geradezu typische risikoreiche Situationen entstehen auf Autobahnen, auf denen viele Verkehrsteilnehmer ihre Fahrzeuge mit hohen Geschwindigkeiten fahren. Entsteht sodann – wie hier – am Ende eines plötzlich aufgebauten Staus ein Auffahrunfall, hat sich genau das Risiko verwirklicht, für das § 7 StVG mit der Gefährdungshaftung erlassen wurde. Es geht bei § 7 StVG nicht um den Ausgleich von Verhaltensunrecht, sondern um eine erfolgsbezogene Haftung (vgl. BGH, Urteil vom 17. März 1992 – VI ZR 62/91, Rn. 10, juris; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 45. Aufl. 2019, § 7 StVG, Rn. 1 mwN).

Erst wenn sich in einem Schadensfall ein Risiko verwirklicht, das aus einem eigenständigen Gefahrenkreis stammt, wird dieser nicht mehr vom Schutzzweck der Norm des § 7 StVG erfasst. Der Bundesgerichtshof geht dabei von einer weiten wertenden Betrachtung aus, die typische Gefahrenquellen des Straßenverkehrs erfassen soll (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 2020 – VI ZR 286/19; Urteil vom 7. Februar 2023 – VI ZR 87/22, beide juris, zur Anhängerhaftung).

(a) Ein eigenständiger neuer Gefahrenkreis, der geeignet gewesen wäre, die Gefährdungshaftung entfallen zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1991 – VI ZR 6/91, juris [Schweinemast]; Senat, Urteil vom 18. November 2020 – 14 U 84/20, nachgehend BGH, Beschluss vom 19. Oktober 2021 – VI ZR 1339/20, Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen [Laternenmast]) oder eine Selbstgefährdung (vgl. BGH, Urteil vom 3. Juli 1990 – VI ZR 33/90, juris, Herausforderungsfall), liegen nicht vor, wie ausgeführt.

(b) Soweit die Beklagte meint, der vorliegende Unfall sei mit der Konstellation eines sog. berührungslosen Unfalls vergleichbar, folgt der Senat dem ebenfalls nicht.

Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebs eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis ist, dass über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus das Fahrverhalten seines Fahrers in irgendeiner Art und Weise das Fahrmanöver des Unfallgegners beeinflusst hat (vgl. st. Rspr. BGH, Urteil vom 22. November 2016 – VI ZR 533/15, Rn. 14 mwN, juris).

Dies ist vorliegend der Fall. Das Beklagtenfahrzeug war unmittelbar an einem Unfall beteiligt, es handelte sich nicht um einen berührungslosen Unfall oder eine vergleichbare Konstellation. Das Risiko der Gefahrenquelle hat sich – im Gegenteil – realisiert.

dd) Der Unfall stand ferner in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Betrieb des Beklagtenfahrzeugs. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht (BGH, Urteil vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, Rn. 5 mwN, juris). Auch dies war der Fall (s.o.).

ee) Die Verletzungen des Klägers sind kausal auf das Unfallereignis mit dem Beklagtenfahrzeug zurückzuführen…..“

Ampelausfall war für den Linksabbieger erkennbar?, oder: Wie verhält sich der „Idealfahrer“?

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Und als zweite „Verkehrsunfallentscheidung“ stelle ich das OLG Schleswig, Urt. v. 20.09.2022 – 7 U 201/21 – vor.

Dem Verfahren liegt ein Verkehrsunfall von Ende Oktober 2020 zugrunde. Die Klägerin befuhr mit ihrem PKW gegen 6:20 Uhr die Kreuzung der S.-Str. /W.-Str. auf der S.-Str. aus B. kommend. Sie wollte an der Kreuzung nach links in die W.-Str. einbiegen. Auf der S.-Str. ist für das Linksabbiegen in die W.-Str. eine eigene Abbiegespur mit „Linksabbieger-Ampel“ eingerichtet. Die Klägerin ordnete sich auf der Linksabbiegerspur in Richtung W.-Str. ein und bog dann ab.

In Gegenrichtung fuhr der Beklagte zu 2) mit einem Omnibus auf der S-Str. aus Richtung L. Innenstadt kommend in Fahrtrichtung B.

Der PKW der Klägerin wurde während des Abbiegevorgangs durch den Omnibus hinten rechts angefahren und beschädigt. Die Ampelanlage war zum Zeitpunkt der Kollision unstreitig ausgefallen, wobei Einzelheiten zwischen den Parteien streitig gewesen sind.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Dagegen die Berufung der Beklagten, die teilweise Erfolg hatte. Das OLG ist unter Abwägung der Verursachungsbeiträge „nur“ von einer Haftungsquote von 80 % zu 20 % zu Gunsten der Klägerin ausgegangen:

„1. Die Beklagten haben mit der Berufung die wesentlichen Feststellungen nicht angegriffen, insbesondere die zu Lasten des Beklagten zu 2) festgestellten Verkehrsverstöße nicht beanstandet. Auch die Feststellung, dass alle Kreuzungsampeln, mithin auch die zuvor für die Klägerin grünes Licht anzeigende „Linksabbiegerampel“, erst ausfielen, als die Klägerin die „Linksabbiegerampel“ bereits nicht mehr wahrnehmen konnte, da sie diese bereits bei für sie geltendem Grünlicht passiert hatte, wird mit der Berufung nicht beanstandet.

Gleichwohl rechtfertigen die festgestellten Tatsachen eine andere Entscheidung. Denn das Landgericht hat zu Unrecht für die Klägerin ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG angenommen. Ein unabwendbares Ereignis liegt nur dann vor, wenn der Unfall auch bei der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Dies erfordert ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus und damit das Verhalten eines Idealfahrers. Ein unabwendbares Ereignis ist zu verneinen, wenn ein besonders umsichtiger Fahrer die Gefahr noch abgewendet hätte (vgl. OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 15.4.2014 – 16 U 213/13, NJOZ 2015, 169).

2. Diesem hohen Maßstab eines Idealfahrers genügt das Verhalten der Klägerin nicht. Ein Idealfahrer hätte aus dem Ausfall des Ampellichts der Fußgängerampel, der für die Linksabbieger erkennbar war, geschlossen, dass es eine Fehlfunktion der Ampelschaltung gibt. Dies wiederum hätte Anlass geben können, den Abbiegevorgang angesichts vorhandenen Gegenverkehrs zunächst abzubrechen um dadurch den Unfall zu vermeiden. Dass die Klägerin, wie das Landgericht angenommen hat, die Fußgängerampel vernachlässigen konnte, weil diese während einem grünen Ampellicht zum Linksabbiegen immer rotes Licht anzeigt, verkennt die besonders hohen Anforderungen an das Verhalten des Idealfahrers, der eine über den gewöhnlichen Fahrdurchschnitt besonders hinausgehende Aufmerksamkeit und Umsicht zeigen muss.

3. Im Rahmen der hiernach bei einem Verkehrsunfall zweier Kraftfahrzeuge erforderlichen Abwägung gemäß § 17 Absatz 1 StVG ist auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, insbesondere darauf, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene und bewiesene Umstände zu berücksichtigen. Jeder Halter hat dabei die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Absatz 1 u. 2 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (vgl. BGH, NZV 1996, S. 231).

Neben den zu Lasten des Beklagten zu 2) zutreffend festgestellten Verkehrsverstößen ist dem Landgericht insoweit zu folgen, dass der Klägerin kein Verkehrsverstoß vorzuwerfen ist. Denn die Nichtbeachtung der Fußgängerampel genügt zwar, um ihr die Berufung auf ein unabwendbares Ereignis zu versagen, es erreicht aber nicht die Qualität eines Verkehrsverstoßes. Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 4 Satz 1 StVO liegt nicht vor. Denn zum Zeitpunkt des Überfahrens der Haltelinie wies die vorhandene „Linksabbiegerampel“ für die Klägerin grünes Ampellicht auf.

Es liegt auch kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO vor, wonach derjenige, der am Verkehr teilnimmt sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Denn derjenige, dem ein grüner Pfeil das Linksabbiegen gestattet, darf darauf vertrauen, dass Gegenverkehr durch Rotlicht gesperrt ist und Fahrzeuge aus der Gegenrichtung das für sie geltende Haltegebot beachten (vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1991 – VI ZR 98/91, NZV 1992, 108, 109). Dieser Vertrauensgrundsatz wird nicht dadurch beseitigt, dass nach Passieren der Lichtzeichenanlage die Anlage ausfällt.

4. Zu Lasten der Klägerin verbleibt somit die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs, die im vorliegenden Fall nicht zurücktritt. Das Zurücktreten eines Verursachungsbeitrags setzt in der Regel eine nicht erheblich ins Gewicht fallende mitursächliche Betriebsgefahr auf der einen Seite und ein grobes Verschulden auf der anderen Seite voraus (vgl. Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., StVG, § 17, Rn. 16). Hier handelt sich um ein Fehlverhalten leichterer Art in einer Verkehrssituation, die nicht alltäglich ist (Ampelausfall). Dies vermag die Einstufung als grober Verstoß nicht zu tragen.“

Na ja…..