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Rechtsprechung zum Verkehrszivilrecht vom BGH, oder: Gebrauch des Kfz, Werkstattrisiko, Betriebsgefahr

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Und heute im „Kessel Buntes“ dann Verkehrszivilrecht. Und da hat sich in der letzten Zeit einiges angesammelt. Ich mache daher zwei (kleine) Rechtsprechungsübersichten, einmal BGH und einmal andere Gerichte. Es gibt aber jeweils nur die Leitsätze.

Ich beginne hier mit dem BGH, und zwar:

Der Entladevorgang gehört zum „Gebrauch“ des Fahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen daran beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann „durch den Gebrauch“ des Kraftfahrzeugs entstanden, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt worden ist. Das Entladen eines Tanklastzugs mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe ist danach dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt.

Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen. Lässt sich beim Vorbeifahren an einem Müllabfuhrfahrzeug ein ausreichender Seitenabstand, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann.

Auch bei unbezahlter Werkstattrechnung kann sich der Geschädigte auf das sogenannte Werkstattrisiko berufen und in dessen Grenzen Zahlung von Reparaturkosten, Zug um Zug gegen Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger, verlangen, allerdings nicht an sich selbst, sondern an die Werkstatt. Tritt der Geschädigte bei unbezahlter Werkstattrechnung seine Forderung gegen den Schädiger ab, trägt der Zessionar das Werkstattrisiko.

Und dann gibt/gab es noch einiges zum Dieselskandal – das sind immer die Entscheidungen mit den „VIa-er-Aktenzeichen“. Dazu muss ich allerdings einräumen, dass ich bei den Fragen inzwischen den Überblick verloren haben. Ich stelle daher dazu nicht mehr vor.

Unfallschaden II: Reparaturauftrag aufgrund eines SV-Gutachtens, oder: Werkstattrisiko

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In der zweiten Entscheidung, dem LG Saarbrücken, Urt. v. 22.10.2021 – 13 S 69/21 – geht es um überhöhte Reparaturkosten.

Getritten wird um restliche Reparaturkosten aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte allein haftet. Der Kläger holte vorgerichtlich ein Schadengutachten ein, das Reparaturkosten in Höhe von 4.163,80 EUR ausweist. Auf Grundlage des Gutachtens ließ der Kläger das Fahrzeug  reparieren, die ihm hierfür mit – bislang nicht beglichener – Rechnung einen Betrag von 4.190,86 EUR Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich einen Betrag von 3.905,50 EUR.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf restliche Reparaturkosten in Höhe von 285,36 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch. Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, die in Rechnung gestellten Reparaturkosten seien zur Schadensbehebung erforderlich. Die Beklagte treffe zudem das Werkstatt- und Prognoserisiko. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die erforderlichen Reparaturkosten beliefen sich lediglich auf 3.905,50 EUR da nicht alle von der Werkstatt vorgenommenen Reparaturmaßnahmen erforderlich gewesen seien. Im Fall einer unbezahlten Rechnung der Reparaturwerkstatt könne sich der Geschädigte nicht auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung berufen, ferner trage der Schädiger auch nicht das Werkstattrisiko. Der Kläger könne einen Ausgleich auch nur Zug um Zug gegen Abtretung seiner etwaigen Ansprüche gegen die Reparaturwerkstatt verlangen.

Das AG hat die Beklagte zur Zahlung von 285,36 EUR verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Geschädigte könne im Fall einer tatsächlich durchgeführten Reparatur die Reparaturkosten stets in dem Umfang verlangen, in dem sie angefallen seien. Die durch die Rechnung ausgewiesenen Kosten indizierten deren Erforderlichkeit auch dann, wenn der Geschädigte die Rechnung noch nicht bezahlt habe. Die Indizwirkung ergebe sich bei der konkreten Schadensberechnung alleine daraus, dass die Reparaturarbeiten auf Grundlage eines zuvor erstellten Gutachtens veranlasst worden seien. Die Beklagte treffe auch im Fall einer unbeglichenen Reparaturrechnung das Werkstattrisiko.

Hiergegen richtet sich die vom AG zugelassene Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt und hilfsweise eine Verurteilung Zug um Zug gegen Abtretung der dem Kläger gegenüber der Reparaturwerkstatt zustehenden Schadensersatzansprüche begehrt. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

In der Sache hatte die Berufung beim AG teilweise Erfolg, aber u.a. nur insoweit als die Beklagte zur Zahlung des begehrten Schadensersatzes nur Zug um Zug gegen Abtretung möglicher gegenüber der Reparaturwerkstatt bestehender Schadensersatzansprüche verlangen kann.

Das LG fasst seine Begründung in folgenden Leitsätzen zu der Entscheidung zusammen:

  1. Hat der Geschädigte die Reparaturkostenrechnung noch nicht bezahlt, kann der auf Grundlage eines Schadengutachtens erteilte Reparaturauftrag ein Indiz für den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sein.

  2. Das Prognose- und Werkstattrisiko trifft den Schädiger ab Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat.