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Unfallschadenregulierung nach einem Zweitunfall, oder: Erneute Abrechnung auf Totalschadenbasis?

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Und dann im letzten Posting vor Pfingsten hier noch etwas zur Unfallschadenregulierung, und zwar zur Schadensberechnung bei erneuter Abrechnung auf Totalschadenbasis nach einem Zweitunfall.

Gestritten wird um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 15.11.2022. Bei derm Unfall kam es zur Kollision zwischen denr Fahrzeugen der Parteien, bei dem das Klägerfahrzeug, welches bereits im Jahr 2020 einen Schaden an der linken hinteren Fahrzeugseite erlitten hatte ebenda erneut beschädigt wurde.

Das Klägerfahrzeug wurde nach dem Zweitunfall vom Kläger für den Restwert in Höhe von 1.455,00 EUR verkauft. Für den Vorschaden hatte der Kläger im Jahr 2020 bereits von der K.-Versicherung Schadensersatz auf Totalschadenbasis in Höhe von 2.300,00 EUR (= Wiederbeschaffungswert gemäß Vorschadensgutachten in Höhe von 3.500,00 EUR minus vorgeblicher Restwert in Höhe von 1.200,00 EUR) erhalten.

Mit anwaltlichem Schreiben wurde die beklagte Versicherung vom Kläger zur Zahlung von Schadensersatz unter Hinweis auf vorgeblich reparierte Vorschäden aufgefordert. Eine Zahlung der Beklagten erfolgte vorgerichtlich jedoch nicht.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, dass durch die Kollision die iin einem eingeholten Privatgutachten vom 25.11.2022 genannten Schäden am Klägerfahrzeug entstanden seien. Altschäden im überlagernden Bereich hätten nicht bestanden. Der Wiederbeschaffungswert würde 4.200,00 EUR brutto betragen. Der Kläger war erstinstanzlich der Ansicht, dass ihm die Beklagten zum Schadensersatz auf Totalschadenbasis inkl. Sachverständigen- und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verpflichtet seien. Er hat einen Betrag von 3.709,61 EUR geltend gemacht.

Die Beklagten hatten erstinstanzlich behauptet, dass durch die Zweitkollision kein weiterer Schaden am Klägerfahrzeug entstanden sei, zumal die vorhandenen Schäden mit der Zweitkollision nicht kompatibel seien. Der Wiederbeschaffungswert würde sich auf unter 3.500,00 EUR brutto belaufen. Sie waren der Ansicht, dass sie mangels Schadensvertiefung an der linken hinteren Fahrzeugseite nicht zur Zahlung von Schadensersatz verpflichtet seien.

Das AG hat der Klage nach Einholung eines Schadensgutachtens eines Sachverständigen  in Höhe von 1.245,00 EUR nebst Unfallpauschale stattgegeben. Das Klägerfahrzeug hätte nach den sachverständigen Feststellungen im Jahr 2020 lediglich oberflächliche, nicht reparierte Verkratzungen an der linken hinteren Seite erlitten und sei nach dem Vorunfall noch uneingeschränkt verkehrs- und betriebssicher gewesen, was nach dem streitgegenständlichen Unfall nicht mehr der Fall gewesen sei, sodass aus technischer Sicht durch den Zweitunfall ein Mehrschaden entstanden sei. Der Wiederbeschaffungswert würde ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens 2.700,00 EUR betragen, sodass sich abzüglich des Restwerts in Höhe von 1.455,00 EUR ein Schadensbetrag in Höhe von 1.245,00 EUR ergeben würde. Hinzu käme die Unfallpauschale in Höhe von 25,00 EUR. Die Kosten des Klägers für die Erstellung des aufgrund der gegenüber dem Privatsachverständigen verschwiegenen Vorschäden unbrauchbaren Privatgutachtens seien hingegen von den Beklagten nicht zu erstatten.

Dagegen die Berufung der Beklagten mit ihrer Berufung. Sie meinen vor, dass das AG zu Unrecht einen Schaden beim Kläger angenommen hätte. Die unbewusste Überzahlung der K.-Versicherung infolge des Erstunfalls in Höhe von 1.500,00 EUR hätte auf den Schadensersatzanspruch des Klägers aus dem Zweitunfall angerechnet werden müssen, da der Kläger ansonsten unter Verstoß gegen das sog. Bereicherungsverbot am Zweitunfall verdienen würde. Entgegen der Annahme des Amtsgerichts sei auch keine klare Abgrenzung zwischen Alt- und Neuschaden möglich.

Die Berufung hatte mit dem LG Ellwangen, Urt. v. 14.05.2025 – 1 S 94/24 – keinen Erfolg:

„Der Anspruch des Klägers Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.245,00 EUR ergibt sich aus §§ 7 Abs. 1 bzw. 18 StVG, hinsichtlich der Beklagten zu 2.) i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG.

a) Zu Recht kam das Amtsgericht im Ausgangspunkt zu der Überzeugung im Sinne von § 286 ZPO, dass durch den streitgegenständlichen Zweitunfall ein neuer technischer wie rechnerischer sowie kompatibler Schaden am Klägerfahrzeug entstanden ist, der sich auf 1.245,00 EUR beziffern lässt (ausführlich zur hier vorliegenden Konstellation „nicht reparierte Altschäden im überlagernden und nicht überlangernden Bereich: Nugel, ZfS 2020, 490; Maschwitz, NZV 2024, 268; Almeroth in: Schadensersatz/ders., 1. Aufl. 2023, Rn. 637 ff. m.d.N.).

So hat der Sachverständige Dipl.-Ing. K. in der Sitzung des Amtsgerichts Neresheim vom 24.07.2024 ein Schadensgutachten mit folgenden Ergebnissen erstattet (Bl. 105 ff. d. AG-eAkte):

– Die Beschädigungen an den beiden unfallbeteiligten Fahrzeugen seien mit dem streitgegenständlichen Unfall hinsichtlich Lage und Intensität kompatibel, sie würden insbesondere an beiden Fahrzeugen jeweils bis in eine statische Höhe von 74 cm reichen.

– Der Vorschaden am Klägerfahrzeug aus dem Jahr 2020 sei nicht repariert worden, andernfalls wären auf den aktuellen Lichtbildern vom Klägerfahrzeug Instandsetzungsspuren zu erwarten.

– Nach dem Unfall im Jahr 2020 sei das Klägerfahrzeug noch uneingeschränkt verkehrs- und betriebssicher gewesen, sodass durch den streitgegenständlichen Unfall aus technischer Sicht ein zusätzlicher Schaden eingetreten sei. So hätte die hintere linke Tür des Klägerfahrzeugs nach dem ersten Unfall nur lackiert, nach dem zweiten Unfall ausgetauscht werden müssen. Darüber hinaus sei (nur) beim zweiten Unfall das Rad hinten links beaufschlagt und die Heckverkleidung seitlich links verkratzt worden.

– Der im Jahr 2020 vom damaligen Privatgutachter angegebene Restwert des Klägerfahrzeugs in Höhe von 1.200,00 EUR brutto sei nicht nachvollziehbar, was allein schon die Tatsache zeige, dass das (unreparierte) Klägerfahrzeug nach dem streitgegenständlichen Zweitunfall für 1.455,00 EUR brutto weiterverkauft wurde. Der Wiederbeschaffungswert hätte nach dem Erstunfall im Hinblick auf die seinerzeit weiterhin gegebene Verkehrs- und Betriebssicherheit sowie die bloß optischen Schäden 2.700,00 EUR betragen.

Dieses amtsgerichtliche Beweisergebnis ist für die Kammer gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bindend. Lediglich in eng begrenzten Fällen, insbesondere wenn Rechtsfehler im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO vorliegen, etwa Beweismaß oder Beweislast verkannt werden, einzelne beweiswürdigende Darlegungen nachvollziehbarer Grundlage entbehren oder ganz fehlen, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wird oder Verfahrensfehler unterlaufen sind, wäre der Kammer eine Nachprüfung der Beweiswürdigung möglich. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall, insbesondere hat das Amtsgericht den Sachverständigen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht falsch verstanden. Auf dessen oben dargestellte überzeugende Argumentation kann vollumfänglich verwiesen werden.

b) Da der Restwert des Klägerfahrzeugs ausweislich des eingeholten Sachverständigengutachtens K. nach dem Erstunfall richtigerweise 2.700,00 EUR, nach dem Zweitunfall unstrittig 1.455,00 EUR betrug, hat das Amtsgericht die Beklagten in konsequenter Durchführung der Differenzhypothese folglich zu Recht u.a. zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.245,00 EUR verurteilt (vgl. Zur, DAR 2024, 442 [442], wonach, wenn das Fahrzeug bereits vor dem Unfall ein wirtschaftlicher Totalschaden war, nur ein Schaden bestehen kann, wenn der Restwert durch den Unfall noch weiter herabgesetzt wurde).

Entgegen der Ansicht der Beklagten war dieses Ergebnis nicht deshalb unter Wertungsgesichtspunkten zu korrigieren, weil der Kläger – wie sich nun anhand des überzeugenden Schadensgutachtens des Sachverständigen Kast herausgestellt hat – von der K.-Versicherung infolge des Erstunfalls eine Überzahlung in Höhe von 1.500,00 EUR erhalten hatte.

Abgesehen davon, dass die (unbewusste) Überzahlung der K.-Versicherung aus dem Jahr 2020 und der Zweitunfall – wie das Amtsgericht richtig ausführt – in keinerlei Zusammenhang stehen, hatte die Zahlung der K.-Versicherung (unstrittig) nicht den Zweck, künftige Haftpflichtversicherer von ihrer Schadensersatzpflicht zu entlasten, weswegen sich der Kläger im hiesigen Haftpflichtfall die seinerzeitige Überzahlung nicht anrechnen zu lassen hat (vgl. die Rechtsprechungsübersichten zu den Kriterien einer Vorteilsanrechnung bei: BeckOGK/Brand, 1.3.2022, BGB § 249 Rn. 294 ff.; MüKoBGB/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB § 249 Rn. 233 ff.).

c) Ein Entfallen des Schadensersatzanspruchs nach § 242 BGB für den hiesigen Fall des Verschweigens bzw. Leugnens von überlagernden, unreparierten Altschäden wird von der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung einhellig abgelehnt (Rechtsprechungsübersicht bei Almeroth, a.a.O., Rn. 648), da dem deutschen Zivilrecht derartige Strafgedanken fremd sind (Zur, a.a.O., [445] m.d.N.).“

Vortrag bei fiktiver (Unfall)Schadensabrechnung, oder: Kein Vortrag zu Reparaturkosten in Türkei notwendig

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Heute habe ich im „Kessel Buntes“ zwei zivilrechtliche Entscheidungen.

Zunächst kommt hier etwas vom BGH, und zwar das BGH, Urt. v. 28.01.2025 – VI ZR 300/24 – zur fiktiven Schadensabrechnung im Rahmen der Unfallschadenregulierung.

Folgender Sachverhalt: Der Kläger nimmt den beklagten Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Meinerzhagen in Anspruch. Bei diesem Verkehrsunfall war im März 2022 das in Deutschland zugelassene Fahrzeug des in Deutschland wohnenden Klägers beschädigt worden. Das von ihm eingeholte Sachverständigengutachten, auf dessen Grundlage er seinen Schaden gegenüber der Beklagten abrechnete, wies Reparaturkosten in Höhe von 3.087,80 EUR netto aus. Während eines Urlaubs in der Türkei ließ der Kläger sein Fahrzeug vollständig sach- und fachgerecht reparieren. Zu den Kosten dieser Reparatur macht er keine Angaben.

Mit seiner Klage verlangt der Kläger Schadensersatz in Höhe von 4.178,05 EUR (3.087,80 EUR Reparaturkosten, merkantiler Minderwert, Sachverständigenkosten, Nutzungsausfallentschädigung, Unkostenpauschale) nebst Rechtsanwaltskosten und Zinsen. Das AG hat die Klage abgewiesen, da diese unschlüssig sei; der Kläger könne nur die im Ausland tatsächlich angefallenen Reparaturkosten verlangen, zu denen er aber nicht vorgetragen habe.

Auf die Berufung des Klägers hat das LG das Urteil des AG teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte auf der Grundlage einer Haftungsquote von 40 % zu ihren Lasten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 1.583,48 EUR (davon 1.132,38 EUR Reparaturkosten) nebst Rechtsanwaltskosten und Zinsen verurteilt. Mit der vom LG zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des AG. Ohne Erfolg:

„2. Das Berufungsgericht hat aufgrund der vom Kläger gewählten fiktiven Schadensabrechnung die Reparaturkosten rechtsfehlerfrei zuerkannt. Entgegen der Ansicht der Revision war der Kläger nicht verpflichtet, zu den tatsächlichen Kosten der sach- und fachgerecht durchgeführten Reparatur in der Türkei vorzutragen.

a) Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Eigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte. Der Geschädigte ist nach diesem in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB verankerten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann (vgl. Senatsurteil vom 29. Oktober 2019 – VI ZR 45/19 , NJW 2020, 144 Rn. 9 mwN). Darüber hinaus gilt für die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Der Geschädigte soll zwar volle Herstellung verlangen können (Totalreparation), aber an dem Schadensfall nicht „verdienen“. Diese Grundsätze gelten sowohl für die konkrete als auch für die fiktive Schadensabrechnung ( Senatsurteile vom 26. Mai 2023 – VI ZR 274/22 , NJW 2023, 2421 Rn. 8; vom 29. Oktober 2019 – VI ZR 45/19 , NJW 2020, 144 Rn. 11 f. mwN).

Der Geschädigte eines Kraftfahrzeugsachschadens hat bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet. Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer abstrahierten Grundlage zufrieden gibt (vgl. Senatsurteile vom 12. Oktober 2021 – VI ZR 513/19 , NJW 2022, 543 Rn. 19; vom 24. Januar 2017 – VI ZR 146/16 , NJW 2017, 1664 Rn. 6; vom 3. Dezember 2013 – VI ZR 24/13 ,VersR 2014, 214Rn. 10; jeweils mwN).

b) Nach diesen Grundsätzen hat der Geschädigte regelmäßig Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon, ob er das Fahrzeug voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Bei der fiktiven Schadensabrechnung genügt der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Allgemeinen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat; dasselbe gilt für die Kosten der Ersatzteile ( Senatsurteil vom 26. Mai 2023 – VI ZR 274/22 , NJW 2023, 2421 Rn. 9 mwN). Allerdings muss sich der Geschädigte bei fiktiver Schadensabrechnung gemäß § 254 Abs. 2 BGB vom Schädiger – auch noch im Rechtsstreit – auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen lassen, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden ( Senatsurteile vom 18. Februar 2020 – VI ZR 115/19 , NJW 2020, 1795 Rn. 8; vom 25. September 2018 – VI ZR 65/18 , NJW 2019, 852 Rn. 6; vom 3. Dezember 2013 – VI ZR 24/13 ,VersR 2014, 214Rn. 9; vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09 , NJW 2010, 2725 Rn. 7; vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09 , BGHZ 183, 21 Rn. 9; jeweils mwN).

c) Angesichts dieser Rechtslage hat der Senat entschieden, dass auf der Grundlage einer preiswerteren Reparaturmöglichkeit abzurechnen ist, wenn ein Verweis der Schädigerseite darauf nicht einmal erforderlich ist, weil der Geschädigte die Möglichkeit einer vollständigen und fachgerechten, aber preiswerteren Reparatur selbst darlegt und sogar wahrgenommen hat ( Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 – VI ZR 24/13 ,VersR 2014, 214Rn. 11).

Mit Verweis auf dieses Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 (VI ZR 24/13 ,VersR 2014, 214) vertreten nicht nur die Revision und das Amtsgericht im Streitfall, sondern auch Teile der Rechtsprechung und Literatur die Ansicht, wenn eine sach- und fachgerechte Reparatur des Fahrzeugs in dem Umfang erfolgt sei, den der Sachverständige für notwendig gehalten habe, dann sei der Schadensersatz auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten begrenzt. Andernfalls bestehe die Gefahr einer unzulässigen Bereicherung durch den Unfall. Die Forderung weiterer fiktiver Reparaturkosten sei dann unschlüssig (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. Mai 2016 – 11 U 93/15 , juris Rn. 5 f. mit zust. Anm. Exter, NZV 2017, 582; OLG Stuttgart, NJW 2014, 3317, 3319 mit abl. Anm. Druckenbrodt; OLG Schleswig,DAR 2017, 145, juris Rn. 37; Zwickel in Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 6. Aufl., § 27 Rn. 27.43 und 27.45). Auf dieser Grundlage wird eine Verpflichtung zur Darlegung der tatsächlichen Reparaturkosten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. Mai 2016 – 11 U 93/15 , juris Rn. 6; OLG Schleswig,DAR 2017, 145, juris Rn. 30) oder zur Vorlage der Reparaturrechnung (Staudinger/Höpfner, BGB (2021), § 249 Rn. 240; Wimber in Burmann/Heß/Hühnermann, Straßenverkehrsrecht, 28. Aufl., § 249 BGB Rn. 34a) angenommen.

Die Gegenmeinung verweist darauf, wenn der Geschädigte bei erfolgter sach- und fachgerechter Reparatur den tatsächlichen Aufwand darlegen müsse, bedeute dies die Aufgabe der Rechtsprechung zur fiktiven Abrechnung. Dies sei dem Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 (VI ZR 24/13 ,VersR 2014, 214) nicht zu entnehmen und führe zu zufälligen Ergebnissen, je nachdem, ob der Geschädigte die Reparatur vor oder nach Abschluss der Schadensregulierung durchführen lasse (vgl. OLG München, NJW-RR 2021, 340 Rn. 10 ff. mit zust. Anm. Figgener, NJW-Spezial 2021, 75; KG,VersR 2018, 758, 759, juris Rn. 9; Freymann/Rüßmann in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 249 BGB, Stand: 14.10.2024, Rn. 147; Freymann, ZfSch 2019, 4, 7; wohl auch Geigel/Schmidt, Der Haftpflichtprozess, 29. Aufl., Kapitel 36 Rn. 25 aE).

d) Die zuerst genannte Ansicht wie auch die Revision, die der Meinung ist, der Kläger müsse im Streitfall zu den Reparaturkosten in der Türkei vortragen, verkennen die Tragweite der Ersetzungsbefugnis und der Dispositionsfreiheit des Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB (vgl. hierzu näher Senatsurteil vom 29. Januar 2019 – VI ZR 481/17 , NJW 2019, 1669 Rn. 21 f.). Bei der fiktiven Abrechnung hat der Geschädigte weder darzulegen, dass er seinen Unfallwagen hat reparieren lassen, noch auf welche Weise und in welchem Umfang die Reparatur durchgeführt worden ist (vgl. Senatsurteile vom 12. Oktober 2021 – VI ZR 513/19 , NJW 2022, 543 Rn. 19; vom 17. September 2019 – VI ZR 396/18 , NJW 2020, 236 Rn. 9; jeweils mwN). Dem Geschädigten kann auch nicht mangels Vorlage einer Reparaturkostenrechnung oder Vortrags zu den tatsächlich angefallenen Reparaturkosten Schadensersatz versagt werden. Richtschnur für den vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zu leistenden Ersatz sind nicht die vom Geschädigten tatsächlich aufgewendeten Reparaturkosten, sondern der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag ( Senatsurteil vom 12. Oktober 2021 – VI ZR 513/19 , NJW 2022, 543 Rn. 19). Bei der Ermittlung dieses Betrags sind im Rahmen der fiktiven Abrechnung Gesichtspunkte, die eine tatsächlich durchgeführte Reparatur (gleich an welchem Ort) betreffen, grundsätzlich irrelevant.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 (VI ZR 24/13 ,VersR 2014, 214). Darin heißt es zwar: „Deshalb beläuft sich auch im Rahmen einer fiktiven Abrechnung der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag auf die tatsächlich angefallenen Bruttokosten, wenn der Geschädigte seinen Kraftfahrzeugsachschaden sach- und fachgerecht in dem Umfang reparieren lässt, den der eingeschaltete Sachverständige für notwendig gehalten hat, und die von der beauftragten Werkstatt berechneten Reparaturkosten die von dem Sachverständigen angesetzten Kosten unterschreiten“ ( Senatsurteil vom 3. Dezember 2013 – VI ZR 24/13 ,VersR 2014, 214Rn. 12). Diese Aussage bezieht sich jedoch auf einen vom Streitfall abweichenden Sachverhalt. Im dortigen Fall war ein Verweis der Schädigerseite auf eine gleichwertige, aber günstigere Reparaturmöglichkeit in einer dem Geschädigten mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Werkstatt nicht erforderlich, weil der Geschädigte hierzu selbst – auch zu den Kosten der in einer Fachwerkstatt an seinem Wohnort durchgeführten Reparatur – vorgetragen hatte. Damit hatte der Geschädigte selbst eingeräumt, dass die Voraussetzungen der Schadensminderungspflicht erfüllt sind.

So liegt der Fall hier aber nicht. Der Kläger hat die fiktive Abrechnung der Reparaturkosten gewählt und nicht selbst zu einer gleichwertigen, aber günstigeren Reparaturmöglichkeit in einer ihm mühelos und ohne Weiteres zugänglichen Werkstatt vorgetragen. Um eine solche Werkstatt, auf die die Beklagte den Kläger hätte verweisen können, handelt es sich bei der Reparaturmöglichkeit in der Türkei von vornherein nicht, wie die Revision selbst erkennt (vgl. zu einer 130 km entfernten Werkstatt mit einer Annahmestelle am Wohnsitz des Geschädigten Senatsurteil vom 28. April 2015 – VI ZR 267/14 , NJW 2015, 2110 Rn. 14 mwN). Etwaige finanzielle Vorteile, die der in Deutschland wohnende Kläger durch die Reparatur seines hier zugelassenen Fahrzeugs in der Türkei erzielt hat, sind im Rahmen der fiktiven Schadensabrechnung nicht zu berücksichtigen.“

Rechtsprechung zum Verkehrszivilrecht vom BGH, oder: Gebrauch des Kfz, Werkstattrisiko, Betriebsgefahr

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Und heute im „Kessel Buntes“ dann Verkehrszivilrecht. Und da hat sich in der letzten Zeit einiges angesammelt. Ich mache daher zwei (kleine) Rechtsprechungsübersichten, einmal BGH und einmal andere Gerichte. Es gibt aber jeweils nur die Leitsätze.

Ich beginne hier mit dem BGH, und zwar:

Der Entladevorgang gehört zum „Gebrauch“ des Fahrzeugs im Sinne des § 1 PflVG, solange das Kraftfahrzeug oder seine an und auf ihm befindlichen Vorrichtungen daran beteiligt sind. Der Schaden, der beim Hantieren mit Ladegut eintritt, ist dann „durch den Gebrauch“ des Kraftfahrzeugs entstanden, wenn es für die schadensstiftende Verrichtung aktuell, unmittelbar, zeitlich und örtlich nahe eingesetzt worden ist. Das Entladen eines Tanklastzugs mittels einer auf ihm befindlichen Pumpe ist danach dem Gebrauch des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, solange der Druck der Pumpe noch auf das abzufüllende Öl einwirkt und die Flüssigkeit durch den Schlauch heraustreibt.

Die Gefahr, die von einer gerade entleerten Mülltonne auf der Straße für andere Verkehrsteilnehmer ausgeht, ist dem Betrieb des Müllabfuhrfahrzeugs zuzurechnen. Lässt sich beim Vorbeifahren an einem Müllabfuhrfahrzeug ein ausreichender Seitenabstand, durch den die Gefährdung eines plötzlich vor oder hinter dem Müllabfuhrfahrzeug hervortretenden Müllwerkers vermieden werden kann, nicht einhalten, so ist die Geschwindigkeit gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Satz 2 StVO so weit zu drosseln, dass der Verkehrsteilnehmer sein Fahrzeug notfalls sofort zum Stehen bringen kann.

Auch bei unbezahlter Werkstattrechnung kann sich der Geschädigte auf das sogenannte Werkstattrisiko berufen und in dessen Grenzen Zahlung von Reparaturkosten, Zug um Zug gegen Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger, verlangen, allerdings nicht an sich selbst, sondern an die Werkstatt. Tritt der Geschädigte bei unbezahlter Werkstattrechnung seine Forderung gegen den Schädiger ab, trägt der Zessionar das Werkstattrisiko.

Und dann gibt/gab es noch einiges zum Dieselskandal – das sind immer die Entscheidungen mit den „VIa-er-Aktenzeichen“. Dazu muss ich allerdings einräumen, dass ich bei den Fragen inzwischen den Überblick verloren haben. Ich stelle daher dazu nicht mehr vor.

Schadensminderungspflicht und Mietwagenkosten, oder: Waren die Mietwagenkosten unverhältnismäßig?

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Und die zweite Entscheidung kommt mit dem OLG Celle, Urt. v. 13.09.2023 – 14 U 19/23 – vom OLG Celle. Gestritten worden ist in dem Verfahren um Mietwagenkosten. Die beklagte Versicherung hatte die nach einem Verkehrsunfall als unverhältnismäßig angesehen. Das LG war dem zum Teil gefolgt. Dagegen dann die Berufung der Klägering, die beim OLG Erfolg hatte:

„1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten in Höhe von insgesamt 5.939,17 € gem. § 7 Abs. 1 StVG, § 6 AuslPflVG, § 398 BGB, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG.

a) Gem. § 249 Abs. 2 BGB sind grundsätzlich die Kosten zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich des Gebrauchsentzuges seines Fahrzeuges für erforderlich halten durfte (BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80, Rn. 9, juris). Allerdings dürfen dem Schädiger keine unverhältnismäßigen Aufwendungen auferlegt werden. Das ergibt sich aus dem Grundsatz der Schadensminderungspflicht. Die Vorschrift des § 254 Abs. 2 BGB findet im Rahmen des § 249 BGB sinngemäß, d.h. mit ihrem letztlich auf § 242 BGB zurückzuführenden Grundgedanken Anwendung (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2014 – 13 U 213/11, Rn. 22, juris).

Der Unfallgeschädigte hat nach diesem Grundsatz die Pflicht, diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach allgemeiner Auffassung nach Treu und Glauben von einem ordentlichen Menschen getroffen werden müssen, um den Schaden von sich abzuwenden oder zu mindern, wobei für einen schuldhaften Verstoß gegen diese Pflicht bzw. diese Obliegenheit der Schädiger beweispflichtig ist (OLG Koblenz, Urteil vom 6. März 2023 – 12 U 1409/22, Rn. 6, juris).

Einen Verstoß gegen die der Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht konnte der Beklagte nach den Feststellungen des Landgerichts nicht beweisen. Insoweit hätte festgestellt werden müssen, dass der Geschädigten bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten die grundsätzliche Möglichkeit einer Notreparatur und deren Wirtschaftlichkeit ggü. den anfallenden Mitwagenkosten bekannt waren und sie diese dennoch unterlassen haben. Eine derartige Behauptung hat bereits der Beklagte nicht erhoben und ist auch ansonsten nicht ersichtlich.

Unstreitig lag der Geschädigten ein Gutachten ihres Privatsachverständigen M. vom 17. August 2017 vor (Anlage K15, Bl. 82 ff), der eine Reparatur vorschlug und dafür ca. 8.247,12 € (brutto) veranschlagte. Mit Schreiben vom 28.3.2018 (Anlage K11, Bl. 44) wies er darauf hin: „Eine Notreparatur für das in Rede stehende Fahrzeug hätte einen erheblichen Aufwand erfordert und wäre unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt gewesen.“ Mit einer weiteren Stellungnahme vom 30. April 2018 (Anlage K19, Bl. 112) erläuterte der Privatsachverständige seine Auffassung wie folgt: „Um das Fahrzeug mittels Notreparatur in einen verkehrssicheren sowie fahrfähigen Zustand zu versetzen, wäre ein erheblicher Eingriff in die Karosserie notwendig.“

Die Geschädigte durfte dieser plausiblen und nachvollziehbaren Einschätzung ihres Sachverständigen folgen. Darauf, welche Schadensbehebung objektiv erforderlich und möglich gewesen wäre, kommt es wegen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung nicht an; das sog. Werkstattrisiko (hier: welche Art der Schadensbehebung, Lieferverzögerung des Ersatzteils) geht zu Lasten des Schädigers (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 16. Februar 2023 – 2 U 226/21, Rn. 7, juris).

Es muss vielmehr auf die zum Zeitpunkt der Schadensbeseitigung gegebenenfalls beschränkten Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten des Geschädigten abgestellt werden. Diese wirken im Rahmen der sog. subjektbezogenen Schadensbetrachtung allenfalls anspruchserweiternd, nicht jedoch anspruchsverkürzend (BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 – VI ZR 393/18, Rn. 25; BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 528/12, Rn. 19; BGH, Urteil vom 7. Februar 2023 – VI ZR 137/22, Rn. 53, alle juris).

Es sind auch keine sonstigen Umstände ersichtlich oder von dem Beklagten behauptet, nach denen die Geschädigte Zweifel an der Unabhängigkeit oder an der Qualifikation des von ihr ausgewählten Sachverständigen hätte haben müssen.

Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die o.g. Feststellungen des Sachverständigen in letzter Konsequenz tragen. Der vom Landgericht beauftragte Sachverständige hat insoweit – entgegen den privatgutachterlichen Feststellungen – dargelegt, dass er eine Notreparatur für möglich und wirtschaftlich erachtet hätte. Er hat in seiner persönlichen Anhörung aber auch bekundet, dass der Privatgutachter die Wirtschaftlichkeit bzw. Möglichkeit einer Notreparatur nicht hätte erkennen können, weil dieser – unterstellt – keinen Zugriff auf das VW-Bestellsystem gehabt habe. Ebenso hätte die Geschädigte als Laiin nicht die Möglichkeit einer Notreparatur erkennen können (Protokoll vom 7.11.2022, Seite 3, Bl. 273).

Soweit das Landgericht der Rechtsprechung des OLG Oldenburg gefolgt ist, nach der der Geschädigte aus einem Verkehrsunfall mit wirtschaftlichem Totalschaden die ihm obliegende Schadenminderungspflicht verletzt, wenn er das verunfallte Fahrzeug nach einer zumutbaren Notreparatur und Bestellung eines Ersatzwagens nicht weiterbenutzt, sondern einen Mietwagen anmietet (OLG Oldenburg (Oldenburg), Urteil vom 8. September 1989 – 6 U 106/89, juris, bzw. mit Entscheidungsgründen bei beck-online: OLG Oldenburg Urt. v. 8.9.1989 – 6 U 106/89, BeckRS 2008, 18830, beck-online), hält der Senat diesen Sachverhalt nicht für uneingeschränkt übertragbar.

Im dortigen Fall handelte es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden, es war aber unstreitig eine Notreparatur möglich, die der Geschädigte nicht hat vornehmen lassen. Der dortige Kläger stand demnach vor der Frage, ob er sein Fahrzeug notdürftig instandsetzen und bis zum Erwerb eines Ersatzfahrzeuges weiterbenutzen oder ob er ein anderes Fahrzeug mieten sollte. Bei verständiger Betrachtung hätte der dortige Kläger zu dem Ergebnis kommen müssen, dass die Mietwagenkosten gänzlich außer Verhältnis zu den Kosten einer Notreparatur stehen würden (OLG Oldenburg Urt. v. 8.9.1989 – 6 U 106/89, BeckRS 2008, 18830, beck-online).

Im hiesigen Fall war der Privatsachverständige der Geschädigten der Ansicht, eine Notreparatur sei gemessen an den anschließenden (erforderlichen) Reparaturkosten nicht wirtschaftlich. Dieser Ansicht durfte die Geschädigte folgen (s.o.). Überdies war auch unklar, wann das für die Reparatur erforderliche Seitenteil eintreffen würde (vgl. Anlage K12, Bl. 45; Anlage K8, Bl. 50). Der Prozessbevollmächtigte gibt an, der Geschädigten sei bei telefonischen Erkundigungen bei der Werkstatt mitgeteilt worden, es sei in „allernächster Zeit“ mit der Lieferung der Ersatzteile zu rechnen (Anlage K20, Bl. 114).

Eine durchgeführte Notreparatur und ein kurz darauf eintreffendes Seitenteil hätten ebenso zum Vorwurf der Schadensminderungspflichtverletzung für die Geschädigten werden können.

b) Es liegt auch kein Fall von unverhältnismäßig hohen Mietwagenkosten vor, die jeden Maßstab einer wirtschaftlich vernünftigen Schadensbehebung sprengen und den Geschädigten veranlassen müssten, einen Gebrauchtwagen als Interimsfahrzeug anzuschaffen oder sich zunächst einmal mit einer Notreparatur zufrieden zu geben (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, beide juris).

So lag der Sachverhalt in einem vom OLG Karlsruhe zu entscheidendem Fall:  Mietwagenkosten bei der Anschaffung eines Neufahrzeugs von über 100.000,00 € bei einem Wiederbeschaffungswert von 9.500,-€ brutto und Reparaturkosten von 9.802,57 €. Das dortige Fahrzeug wäre mit einem geringen Kosten- und Zeitaufwand in einen verkehrssicheren Zustand zu versetzen gewesen, aufgrund dessen es in dem zu überbrückenden Zeitraum bis zur Auslieferung des Neufahrzeugs ohne Bedenken als Rettungswagen von der Klägerin hätte eingesetzt werden können (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 10. Februar 2014 – 13 U 213/11, juris).

Auch diese Rechtsprechung ist nicht vergleichbar. Zwar kann ein Vergleich von Reparaturaufwand und Wiederbeschaffungswert seine Aussagekraft für die Berechtigung der Reparatur verlieren, wenn die Mietwagenkosten bei der Reparatur in krassem Missverhältnis zu denjenigen bei einer Ersatzbeschaffung stehen (siehe BGH, Urteil vom 15. Oktober 1991 – VI ZR 314/90, juris).

Der Gesamtbetrag von Nettoreparaturkosten und Nettomietwagenkosten von insgesamt ca. 14.000,00 € liegt hier jedoch deutlich unter dem Betrag, der für eine Ersatzbeschaffung des beschädigten Fahrzeugs hätte aufgewendet werden müssen. Dieser Betrag dürfte nach einer überschlägigen Schätzung bei mindestens 30.000,00 € liegen, wobei sich die 3,5t Zuglastanforderung preiserhöhend auswirkt, wie der Senat aufgrund seiner Spezialisierung im Verkehrsunfallrecht einzuschätzen vermag.

Überdies war der Geschädigten die Möglichkeit einer Notreparatur als nicht möglich bzw. wirtschaftlich dargelegt worden (s.o.).“

Unfallregulierung/Anmietung eines Ersatzes, oder: Wirtschaftlichkeitsgebot/Bereicherungsverbot

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Die zweite Entscheidung des Tages, das OLG Zweibrücken, Urt. v. 25.01.2023 – 1 U 100/22 – befasst scih ebenfalls mit der Unfallschadenregulierung, und zwar hier mit den Kosten für einen Mietwagen. Gestritten wird um den Schadensersatz aus einem Unfall, für den der Beklagte unstreitig zu 100 % haftet. Das LG hatte der Klage nur teilweise stattgegeben. Das OLG spricht hingegen weiter teilweise zu. Hier sollen nur die Ausführungen des OLG zum Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges eingestellt werden. Dazu das OLG:

„2. Die Kosten der Anmietung von Ersatzfahrzeugen bis zum 29.07.2020 kann der Kläger nur in Höhe von 3.893,71 € ersetzt verlangen. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht, da der Kläger insoweit gegen das aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Gebot verstoßen hat, den Schaden möglichst gering zu halten.

a) Da der vom Kläger neu erworbene Pkw infolge des Unfalls nicht fahrbereit war, löste die Anmietung der diversen Ersatzwagen grundsätzlich ersatzfähige Unfallfolgekosten aus; diese Vermögenseinbußen (in Form herausgeforderter Aufwendungen) wären ohne den Unfall nicht entstanden. Ohne Erfolg bleibt insoweit der Berufungseinwand des Beklagten, dass Mietwagenkosten nicht zu erstatten seien, weil die zugehörigen Verträge nicht vorgelegt worden sind. Dass – nicht formbedürftige – Mietverträge abgeschlossen worden sind, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass entsprechende Rechnungen nach dem jeweiligem Ende der Nutzungszeit gestellt und bezahlt bzw. erfüllungshalber Abtretungen der zugehörigen Schadensersatzansprüche gegen die unfallgegnerische Versicherung vorgenommen wurden. Für die Schlüssigkeit der Klage genügte der Vortrag, dass während der Dauer der Reparatur in konkreten Zeiträumen (belegt durch die Rechnungen) Mietwagen kostenpflichtig genutzt worden sind.

b) Entgegen der Annahme des Beklagten ist ein Verstoß des Klägers gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung nicht schon darin zu erblicken, dass er über mehrere Wochen Ersatzfahrzeuge anmietet hatte. Dies ist vielmehr vom Beklagten zu verantworten und begrenzt das Schadensersatzbegehren des Klägers nicht.

(1) Die allgemeine Anerkennung der Gebrauchsmöglichkeit eines Pkw als Vermögensgut führt nicht dazu, dass jedwede Nutzungsbeeinträchtigung als Schaden im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auszugleichen wäre. Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadens-rechtlichen Grundsätze der subjektiven Schadensbetrachtung, des Wirtschaftlichkeitsgebotes und des Bereicherungsverbots (vgl. nur BGH. Urteil vom 10.03.2008, Az. VI ZR 211/08, Juris). Außerdem bedarf die Beantwortung der Frage, ob die entbehrte Nutzung einen durch den Unfall verursachten Vermögensschaden darstellt, einer wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigende Abwägung im Einzelfall, soll die Regelung in § 253 Abs. 1 BGB nicht ausgehöhlt werden. Der Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Fahrzeug eingetretenen Schadens, sondern es handelt sich (nur) um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch der Höhe nach ohne Einzelfallprüfung feststeht.

Insoweit hat der Vorderrichter allerdings – für den Senat bindend (§ 529 ZPO) – festgestellt, dass der Kläger beabsichtigt hatte, den erst unmittelbar vor dem Unfall erhaltenen Opel künftig für seine Fahrten in den Urlaub, zum Wochenendgrundstück und zur Arbeitsstätte zu nutzen, und dass ihm diese Nutzungsmöglichkeit durch die unfallbedingte Beschädigung des Fahrzeugs — zunächst – genommen wurde. Der Beklagte hat zugestanden, dass eine Benutzung des Fahrzeugs nicht mehr möglich war. Dass bis Ende Juli dem Kläger ein weiteres (eigenes) Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe, wurde vom Beklagten nicht geltend gemacht.

(2) Darüber hinaus ist der Vorderrichter zutreffend davon ausgegangen, dass Mietwagenkosten nach herkömmlicher Rechtsprechung ggfl. auch über die im Schadensgutachten veranschlagte Reparatur- oder die Wiederbeschaffungsdauer hinaus zu ersetzen sind. Denn der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder einen Kredit zur Schadenbeseitigung aufzunehmen (BGH, Urteil vom 16.11.2005, Az. IV ZR 120/04; BGH, Urteil vom 18.02.2002, Az. II ZR 355/00; jeweils Juris). Eine solche Verpflichtung kann im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich dann angenommen werden, wenn der Geschädigte über in mehrfacher Hinsicht ausreichende Mittel verfügt, möglicherweise auch dann, wenn er sich einen Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht (übermäßig, d.h. seine bisherige Lebensführung nennenswert einschränkend) belastet wird, wofür der Schädiger darlegungspflichtig ist (BGH, Urteil vom 16.11.2005, Az. IV ZR 120/04 Rn. 37, Juris). Hinreichender Vortrag des Beklagten hierzu fehlt jedoch. Dieser hat lediglich pauschal behauptet, dass Leistungsfähigkeit durch die Erbschaft Anfang 2020 gegeben gewesen sei. Dies hat der Kläger allerdings in Abrede gestellt; er habe „nur“ das Haus der Mutter erlangt, das erst für einen späteren Verkauf habe hergerichtet werden müssen. Einen Beweis für die Verfügbarkeit von liquiden (weiteren) Geldmitteln hat der Beklagte nicht angetreten. Angesichts der Höhe der kalkulierten Kosten geht der Senat auch bei einem berufstätigen Geschädigten nicht davon aus, dass dieser durch eine Vorfinanzierung des Betrages (so sie ihm überhaupt möglich wäre) nicht spürbar in seiner sonstigen Lebensführung beeinträchtigt worden wäre.

Der Geschädigte ist allerdings verpflichtet, den Schädiger unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen, dass er den Schaden nicht vorfinanzieren will oder kann (OLG München, Urteil vom 18.02.2010, Az. 24 U 725/09 Rn. 19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2007, Az. 1 U 53/07; jeweils Juris; Schäpe/Heberlein, in: Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch der KFZ Schadensregulierung, 5. Aufl. 2021, Kap. 12, Rn. 377). Die Anzeigepflicht gibt dem Schädiger die Gelegenheit, durch Zahlung eines Vorschusses Gegenmaßnahmen gegen den drohenden weiteren Schaden zu ergreifen (OLG Brandenburg, Urteil vom 11.11.2010, Az. 12 U 33/10, Juris). Dieser Pflicht hat der Kläger genügt. Er hatte bereits im ersten (anwaltlichen) Schreiben an den Beklagten vom 16.06.2020, also zeitnah, darauf hingewiesen, dass er zur Vorfinanzierung der beabsichtigten Reparatur, ggfl. auch zu einer Ersatzbeschaffung, nicht in der Lage sei. Er hatte zwar nur um sofortige Bearbeitung gebeten, ohne auch einen Vorschuss zu verlangen. Da er dies jedoch mit dem Hinweis verbunden hatte, dass bis zum Geldeingang der Nutzungsaus-fallschaden bzw. Mietwagenkosten zu erstatten wären, war der Beklagte auch nach Auffassung des Senats ausreichend vor der Entstehung weiteren, nicht unerheblichen Schadens gewarnt.

Der Beklagte hätte durch Gewährung eines Vorschusses oder eines zinslosen Darlehens diese Folgeschäden effektiv begrenzen können. Sein Einwand, die späte Reparatur sei allein auf eine Entscheidung des Klägers als des „Herren des Restitutionsgeschehens“ zurückzuführen, geht daher fehl. Dieser musste nicht den (umfangreichen und hohe Kosten auslösenden) Reparaturauftrag aktivieren, solange die Zahlung der entstehenden Kosten nicht gesichert war. Die erforderliche Regulierungszusage kam indes erst im September 2020 im Rahmen der ersten Abrechnung des Unfallschadens. Insoweit ist die Überlegung des Vorderrichters nicht zu beanstanden, dass erst ab dem Eingang des Geldes bei der Werkstatt die kalkulierten 10 Arbeitstage als Begrenzung der notwendigen Ausfallzeit anzusetzen sind. Auch die Schätzungen des Vorderrichters zur Dauer der jeweiligen Gutschrift bzw. Weiterleitung des Geldes lassen keine Denkfehler erkennen.

c) Gleichwohl kann der Kläger nicht die tatsächlich aufgewendeten Mietwagenkosten in voller Höhe ersetzt verlangen.

(1) Der Vorderrichter hat insoweit zutreffend – und mit der Berufung insoweit auch nicht angefochten – festgestellt, dass zumindest der im Juli 2020 angemietete Sprinter keine gleichwertige, durch den Unfall bedingte Ersatzbeschaffung darstellte, da das angemietete deutlich größer als das verunfallte Fahrzeug war. Die hiermit verbundenen erhöhten Kosten sind nicht erstattungsfähig; der Kläger würde andernfalls mehr erhalten, als ihm ohne das Unfallereignis zur Verfügung gestanden hätte. Darauf, dass ihm bei der Fa. pp. die Anmietung eines adäquaten Fahrzeugs nicht möglich gewesen sei, kommt es nicht an; denn der Kläger wäre gehalten gewesen, im ihm zumutbaren Umfeld auch bei anderen Fahrzeugvermietern nach Ersatzfahrzeugen Ausschau zu halten.

Es ist daher im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen, welche Kosten die Anmietung eines vergleichbaren Pkw mit Anhängerkupplung verursacht hätte. Die vom Vorderrichter angestellte Berechnung bindet den Senat insoweit nicht, da sie im Detail nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere bleibt offen, aus welcher Quelle der Vorderrichter den in Ansatz gebrachten Wochenmietpreis entnommen hat und warum die Mietpreise für einen der beiden zuvor angemieteten Pkw Kia berücksichtigt wurden. Der Senat ermittelt bei der Schätzung des ersatzfähigen Mietpreises für einen dem unfallgeschädigten Fahrzeug entsprechenden Pkw regelmäßig den Mittelwert zwischen der sog. Fraunhofer-Liste und der sog. Schwacke-Liste und setzt hiervon ersparte Eigenaufwendungen i.H.v. 10% ab. Aus den veröffentlichten Fraunhofer-Listen ergibt sich für einen Opel Insignia (Klasse I nach ACRISS) im Postleitzahlenbereich 66… eine durchschnittliche Wochenmiete von 290,93 € und Tagesmiete von 96,40 € bzw. nach Schwa-cke-Klassifizierung (Klasse 8) ein arithmetisch gemittelter Wochenmietpreis i.H.v. 836,67 € und ein Tagesmietpreis von 151,43 €. Nach Mittelung und Abzug der ersparten Aufwendungen ergibt sich hiernach ein Wochenpreis von 523,62 € und ein Tagespreis von 117,66 €. Da dem Kläger am 30.06.2020 noch der Pkw Kia zur Verfügung stand, können für diesen Tag nicht zu-sätzliche Mietwagenkosten angesetzt werden. Folglich sind 4 Wochen und 1 Tag zu berücksichtigen; dies ergibt einen zu ersetzenden Mietbetrag von 2.212,14 € inkl. MwSt.

Die zusätzlichen Kosten für eine Anhängerkupplung – deren Bedarf der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat – sind vom Vorderrichter zu Recht hinzugesetzt worden (täglich 9,30 €, netto 279 € zzgl. MWSt. i.H.v. 16%, insgesamt 323,64 €). Dagegen sind ohne weitergehenden Vortrag zur Versicherungslage des Klägers vor dem Unfall die vom Vorderrichter zugeschlagenen Kosten für eine Haftungsreduktion ebenso wenig als erforderlich anzusehen wie die Kosten eines Navigationsgerätes, zumal in der heutigen Zeit nahezu jedermann ein Smartphone mit entsprechenden Apps zur Navigation besitzt. Auch die zusätzlichen Kosten für einen „Dieselwunsch“ sind ohne entsprechenden Vortrag zur Erforderlichkeit nicht erstattungsfähig.

(2) Hinsichtlich der beiden im Juni 2020 angemieteten Fahrzeuge ist der Vorderrichter zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte die beiden Rechnungen der Höhe nach nicht bestritten hat. In der Erwiderung auf die Klageerweiterung vom 23.11.2020 wurde insoweit nur gerügt, dass zum Bedarf des Klägers nicht hinreichend vorgetragen worden und zudem eine Abtretung erfolgt sei. Im weiteren Verfahren wurden sodann (nur) die fehlende Vorlage von Vertragsunterlagen, unzureichende Angaben zum Tarif und zur Laufleistung gerügt. Es wurden zudem die hohen Gesamtmietkosten (für knapp 2 Monate) als ersichtlich unwirtschaftlich und übersetzt moniert. Ein Bestreiten der Rechnungshöhe vermag der Senat hierin nicht zu erkennen; es wird nur die Frage der Ersatzfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht diskutiert. Da ohne eine Laufleistungsbegrenzung abgerechnet wurde, ist ohnehin der Mehrwert einer Angabe zu den gefahrenen Strecken nicht erkennbar. In den beiden Rechnungen der Fa. IM sind die gefahrenen Strecken im Übrigen ausgewiesen; es wird auch jeweils der Tarif als „Normaltarif“ und kein spezieller Unfallersatztarif genannt.

Sollte der Beklagte die Kosten für die beiden Mietwagen als überhöht rügen, ist darauf abzustellen, ob eine solche Überhöhung für den Kläger erkennbar war, was regelmäßig nicht der Fall ist. Einen diesbezüglichen konkreten Vortrag hätte der Beklagte halten und einen entsprechenden Nachweis führen müssen; beides hat er indes unterlassen. Der Berufungsangriff wegen der beiden ersten Mietwagenrechnungen bleibt daher ohne Erfolg. Zu erstatten sind dem Kläger 880,70 € und 1.384,01 € abzgl. gezahlter 906,78 €, mithin insgesamt 1.357,93 €.“