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Unfallregulierung/Anmietung eines Ersatzes, oder: Wirtschaftlichkeitsgebot/Bereicherungsverbot

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Die zweite Entscheidung des Tages, das OLG Zweibrücken, Urt. v. 25.01.2023 – 1 U 100/22 – befasst scih ebenfalls mit der Unfallschadenregulierung, und zwar hier mit den Kosten für einen Mietwagen. Gestritten wird um den Schadensersatz aus einem Unfall, für den der Beklagte unstreitig zu 100 % haftet. Das LG hatte der Klage nur teilweise stattgegeben. Das OLG spricht hingegen weiter teilweise zu. Hier sollen nur die Ausführungen des OLG zum Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges eingestellt werden. Dazu das OLG:

„2. Die Kosten der Anmietung von Ersatzfahrzeugen bis zum 29.07.2020 kann der Kläger nur in Höhe von 3.893,71 € ersetzt verlangen. Weitergehende Ansprüche bestehen nicht, da der Kläger insoweit gegen das aus § 254 Abs. 2 BGB folgende Gebot verstoßen hat, den Schaden möglichst gering zu halten.

a) Da der vom Kläger neu erworbene Pkw infolge des Unfalls nicht fahrbereit war, löste die Anmietung der diversen Ersatzwagen grundsätzlich ersatzfähige Unfallfolgekosten aus; diese Vermögenseinbußen (in Form herausgeforderter Aufwendungen) wären ohne den Unfall nicht entstanden. Ohne Erfolg bleibt insoweit der Berufungseinwand des Beklagten, dass Mietwagenkosten nicht zu erstatten seien, weil die zugehörigen Verträge nicht vorgelegt worden sind. Dass – nicht formbedürftige – Mietverträge abgeschlossen worden sind, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass entsprechende Rechnungen nach dem jeweiligem Ende der Nutzungszeit gestellt und bezahlt bzw. erfüllungshalber Abtretungen der zugehörigen Schadensersatzansprüche gegen die unfallgegnerische Versicherung vorgenommen wurden. Für die Schlüssigkeit der Klage genügte der Vortrag, dass während der Dauer der Reparatur in konkreten Zeiträumen (belegt durch die Rechnungen) Mietwagen kostenpflichtig genutzt worden sind.

b) Entgegen der Annahme des Beklagten ist ein Verstoß des Klägers gegen seine Obliegenheit zur Schadensminderung nicht schon darin zu erblicken, dass er über mehrere Wochen Ersatzfahrzeuge anmietet hatte. Dies ist vielmehr vom Beklagten zu verantworten und begrenzt das Schadensersatzbegehren des Klägers nicht.

(1) Die allgemeine Anerkennung der Gebrauchsmöglichkeit eines Pkw als Vermögensgut führt nicht dazu, dass jedwede Nutzungsbeeinträchtigung als Schaden im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB auszugleichen wäre. Auch für den Nutzungsausfallschaden gelten die schadens-rechtlichen Grundsätze der subjektiven Schadensbetrachtung, des Wirtschaftlichkeitsgebotes und des Bereicherungsverbots (vgl. nur BGH. Urteil vom 10.03.2008, Az. VI ZR 211/08, Juris). Außerdem bedarf die Beantwortung der Frage, ob die entbehrte Nutzung einen durch den Unfall verursachten Vermögensschaden darstellt, einer wertenden, auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigende Abwägung im Einzelfall, soll die Regelung in § 253 Abs. 1 BGB nicht ausgehöhlt werden. Der Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Fahrzeug eingetretenen Schadens, sondern es handelt sich (nur) um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch der Höhe nach ohne Einzelfallprüfung feststeht.

Insoweit hat der Vorderrichter allerdings – für den Senat bindend (§ 529 ZPO) – festgestellt, dass der Kläger beabsichtigt hatte, den erst unmittelbar vor dem Unfall erhaltenen Opel künftig für seine Fahrten in den Urlaub, zum Wochenendgrundstück und zur Arbeitsstätte zu nutzen, und dass ihm diese Nutzungsmöglichkeit durch die unfallbedingte Beschädigung des Fahrzeugs — zunächst – genommen wurde. Der Beklagte hat zugestanden, dass eine Benutzung des Fahrzeugs nicht mehr möglich war. Dass bis Ende Juli dem Kläger ein weiteres (eigenes) Fahrzeug zur Verfügung gestanden habe, wurde vom Beklagten nicht geltend gemacht.

(2) Darüber hinaus ist der Vorderrichter zutreffend davon ausgegangen, dass Mietwagenkosten nach herkömmlicher Rechtsprechung ggfl. auch über die im Schadensgutachten veranschlagte Reparatur- oder die Wiederbeschaffungsdauer hinaus zu ersetzen sind. Denn der Geschädigte ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Schaden aus eigenen Mitteln zu beseitigen oder einen Kredit zur Schadenbeseitigung aufzunehmen (BGH, Urteil vom 16.11.2005, Az. IV ZR 120/04; BGH, Urteil vom 18.02.2002, Az. II ZR 355/00; jeweils Juris). Eine solche Verpflichtung kann im Rahmen des § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB lediglich dann angenommen werden, wenn der Geschädigte über in mehrfacher Hinsicht ausreichende Mittel verfügt, möglicherweise auch dann, wenn er sich einen Kredit ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und er durch die Rückzahlung nicht (übermäßig, d.h. seine bisherige Lebensführung nennenswert einschränkend) belastet wird, wofür der Schädiger darlegungspflichtig ist (BGH, Urteil vom 16.11.2005, Az. IV ZR 120/04 Rn. 37, Juris). Hinreichender Vortrag des Beklagten hierzu fehlt jedoch. Dieser hat lediglich pauschal behauptet, dass Leistungsfähigkeit durch die Erbschaft Anfang 2020 gegeben gewesen sei. Dies hat der Kläger allerdings in Abrede gestellt; er habe „nur“ das Haus der Mutter erlangt, das erst für einen späteren Verkauf habe hergerichtet werden müssen. Einen Beweis für die Verfügbarkeit von liquiden (weiteren) Geldmitteln hat der Beklagte nicht angetreten. Angesichts der Höhe der kalkulierten Kosten geht der Senat auch bei einem berufstätigen Geschädigten nicht davon aus, dass dieser durch eine Vorfinanzierung des Betrages (so sie ihm überhaupt möglich wäre) nicht spürbar in seiner sonstigen Lebensführung beeinträchtigt worden wäre.

Der Geschädigte ist allerdings verpflichtet, den Schädiger unverzüglich darüber in Kenntnis zu setzen, dass er den Schaden nicht vorfinanzieren will oder kann (OLG München, Urteil vom 18.02.2010, Az. 24 U 725/09 Rn. 19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.02.2007, Az. 1 U 53/07; jeweils Juris; Schäpe/Heberlein, in: Himmelreich/Halm/Staab, Handbuch der KFZ Schadensregulierung, 5. Aufl. 2021, Kap. 12, Rn. 377). Die Anzeigepflicht gibt dem Schädiger die Gelegenheit, durch Zahlung eines Vorschusses Gegenmaßnahmen gegen den drohenden weiteren Schaden zu ergreifen (OLG Brandenburg, Urteil vom 11.11.2010, Az. 12 U 33/10, Juris). Dieser Pflicht hat der Kläger genügt. Er hatte bereits im ersten (anwaltlichen) Schreiben an den Beklagten vom 16.06.2020, also zeitnah, darauf hingewiesen, dass er zur Vorfinanzierung der beabsichtigten Reparatur, ggfl. auch zu einer Ersatzbeschaffung, nicht in der Lage sei. Er hatte zwar nur um sofortige Bearbeitung gebeten, ohne auch einen Vorschuss zu verlangen. Da er dies jedoch mit dem Hinweis verbunden hatte, dass bis zum Geldeingang der Nutzungsaus-fallschaden bzw. Mietwagenkosten zu erstatten wären, war der Beklagte auch nach Auffassung des Senats ausreichend vor der Entstehung weiteren, nicht unerheblichen Schadens gewarnt.

Der Beklagte hätte durch Gewährung eines Vorschusses oder eines zinslosen Darlehens diese Folgeschäden effektiv begrenzen können. Sein Einwand, die späte Reparatur sei allein auf eine Entscheidung des Klägers als des „Herren des Restitutionsgeschehens“ zurückzuführen, geht daher fehl. Dieser musste nicht den (umfangreichen und hohe Kosten auslösenden) Reparaturauftrag aktivieren, solange die Zahlung der entstehenden Kosten nicht gesichert war. Die erforderliche Regulierungszusage kam indes erst im September 2020 im Rahmen der ersten Abrechnung des Unfallschadens. Insoweit ist die Überlegung des Vorderrichters nicht zu beanstanden, dass erst ab dem Eingang des Geldes bei der Werkstatt die kalkulierten 10 Arbeitstage als Begrenzung der notwendigen Ausfallzeit anzusetzen sind. Auch die Schätzungen des Vorderrichters zur Dauer der jeweiligen Gutschrift bzw. Weiterleitung des Geldes lassen keine Denkfehler erkennen.

c) Gleichwohl kann der Kläger nicht die tatsächlich aufgewendeten Mietwagenkosten in voller Höhe ersetzt verlangen.

(1) Der Vorderrichter hat insoweit zutreffend – und mit der Berufung insoweit auch nicht angefochten – festgestellt, dass zumindest der im Juli 2020 angemietete Sprinter keine gleichwertige, durch den Unfall bedingte Ersatzbeschaffung darstellte, da das angemietete deutlich größer als das verunfallte Fahrzeug war. Die hiermit verbundenen erhöhten Kosten sind nicht erstattungsfähig; der Kläger würde andernfalls mehr erhalten, als ihm ohne das Unfallereignis zur Verfügung gestanden hätte. Darauf, dass ihm bei der Fa. pp. die Anmietung eines adäquaten Fahrzeugs nicht möglich gewesen sei, kommt es nicht an; denn der Kläger wäre gehalten gewesen, im ihm zumutbaren Umfeld auch bei anderen Fahrzeugvermietern nach Ersatzfahrzeugen Ausschau zu halten.

Es ist daher im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO zu schätzen, welche Kosten die Anmietung eines vergleichbaren Pkw mit Anhängerkupplung verursacht hätte. Die vom Vorderrichter angestellte Berechnung bindet den Senat insoweit nicht, da sie im Detail nicht nachvollziehbar ist. Insbesondere bleibt offen, aus welcher Quelle der Vorderrichter den in Ansatz gebrachten Wochenmietpreis entnommen hat und warum die Mietpreise für einen der beiden zuvor angemieteten Pkw Kia berücksichtigt wurden. Der Senat ermittelt bei der Schätzung des ersatzfähigen Mietpreises für einen dem unfallgeschädigten Fahrzeug entsprechenden Pkw regelmäßig den Mittelwert zwischen der sog. Fraunhofer-Liste und der sog. Schwacke-Liste und setzt hiervon ersparte Eigenaufwendungen i.H.v. 10% ab. Aus den veröffentlichten Fraunhofer-Listen ergibt sich für einen Opel Insignia (Klasse I nach ACRISS) im Postleitzahlenbereich 66… eine durchschnittliche Wochenmiete von 290,93 € und Tagesmiete von 96,40 € bzw. nach Schwa-cke-Klassifizierung (Klasse 8) ein arithmetisch gemittelter Wochenmietpreis i.H.v. 836,67 € und ein Tagesmietpreis von 151,43 €. Nach Mittelung und Abzug der ersparten Aufwendungen ergibt sich hiernach ein Wochenpreis von 523,62 € und ein Tagespreis von 117,66 €. Da dem Kläger am 30.06.2020 noch der Pkw Kia zur Verfügung stand, können für diesen Tag nicht zu-sätzliche Mietwagenkosten angesetzt werden. Folglich sind 4 Wochen und 1 Tag zu berücksichtigen; dies ergibt einen zu ersetzenden Mietbetrag von 2.212,14 € inkl. MwSt.

Die zusätzlichen Kosten für eine Anhängerkupplung – deren Bedarf der Kläger nachvollziehbar dargelegt hat – sind vom Vorderrichter zu Recht hinzugesetzt worden (täglich 9,30 €, netto 279 € zzgl. MWSt. i.H.v. 16%, insgesamt 323,64 €). Dagegen sind ohne weitergehenden Vortrag zur Versicherungslage des Klägers vor dem Unfall die vom Vorderrichter zugeschlagenen Kosten für eine Haftungsreduktion ebenso wenig als erforderlich anzusehen wie die Kosten eines Navigationsgerätes, zumal in der heutigen Zeit nahezu jedermann ein Smartphone mit entsprechenden Apps zur Navigation besitzt. Auch die zusätzlichen Kosten für einen „Dieselwunsch“ sind ohne entsprechenden Vortrag zur Erforderlichkeit nicht erstattungsfähig.

(2) Hinsichtlich der beiden im Juni 2020 angemieteten Fahrzeuge ist der Vorderrichter zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte die beiden Rechnungen der Höhe nach nicht bestritten hat. In der Erwiderung auf die Klageerweiterung vom 23.11.2020 wurde insoweit nur gerügt, dass zum Bedarf des Klägers nicht hinreichend vorgetragen worden und zudem eine Abtretung erfolgt sei. Im weiteren Verfahren wurden sodann (nur) die fehlende Vorlage von Vertragsunterlagen, unzureichende Angaben zum Tarif und zur Laufleistung gerügt. Es wurden zudem die hohen Gesamtmietkosten (für knapp 2 Monate) als ersichtlich unwirtschaftlich und übersetzt moniert. Ein Bestreiten der Rechnungshöhe vermag der Senat hierin nicht zu erkennen; es wird nur die Frage der Ersatzfähigkeit unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht diskutiert. Da ohne eine Laufleistungsbegrenzung abgerechnet wurde, ist ohnehin der Mehrwert einer Angabe zu den gefahrenen Strecken nicht erkennbar. In den beiden Rechnungen der Fa. IM sind die gefahrenen Strecken im Übrigen ausgewiesen; es wird auch jeweils der Tarif als „Normaltarif“ und kein spezieller Unfallersatztarif genannt.

Sollte der Beklagte die Kosten für die beiden Mietwagen als überhöht rügen, ist darauf abzustellen, ob eine solche Überhöhung für den Kläger erkennbar war, was regelmäßig nicht der Fall ist. Einen diesbezüglichen konkreten Vortrag hätte der Beklagte halten und einen entsprechenden Nachweis führen müssen; beides hat er indes unterlassen. Der Berufungsangriff wegen der beiden ersten Mietwagenrechnungen bleibt daher ohne Erfolg. Zu erstatten sind dem Kläger 880,70 € und 1.384,01 € abzgl. gezahlter 906,78 €, mithin insgesamt 1.357,93 €.“

Unfallschaden II: Reparaturauftrag aufgrund eines SV-Gutachtens, oder: Werkstattrisiko

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In der zweiten Entscheidung, dem LG Saarbrücken, Urt. v. 22.10.2021 – 13 S 69/21 – geht es um überhöhte Reparaturkosten.

Getritten wird um restliche Reparaturkosten aus einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte allein haftet. Der Kläger holte vorgerichtlich ein Schadengutachten ein, das Reparaturkosten in Höhe von 4.163,80 EUR ausweist. Auf Grundlage des Gutachtens ließ der Kläger das Fahrzeug  reparieren, die ihm hierfür mit – bislang nicht beglichener – Rechnung einen Betrag von 4.190,86 EUR Rechnung stellte. Die Beklagte zahlte vorgerichtlich einen Betrag von 3.905,50 EUR.

Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf restliche Reparaturkosten in Höhe von 285,36 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen in Anspruch. Er hat erstinstanzlich geltend gemacht, die in Rechnung gestellten Reparaturkosten seien zur Schadensbehebung erforderlich. Die Beklagte treffe zudem das Werkstatt- und Prognoserisiko. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die erforderlichen Reparaturkosten beliefen sich lediglich auf 3.905,50 EUR da nicht alle von der Werkstatt vorgenommenen Reparaturmaßnahmen erforderlich gewesen seien. Im Fall einer unbezahlten Rechnung der Reparaturwerkstatt könne sich der Geschädigte nicht auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung berufen, ferner trage der Schädiger auch nicht das Werkstattrisiko. Der Kläger könne einen Ausgleich auch nur Zug um Zug gegen Abtretung seiner etwaigen Ansprüche gegen die Reparaturwerkstatt verlangen.

Das AG hat die Beklagte zur Zahlung von 285,36 EUR verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Geschädigte könne im Fall einer tatsächlich durchgeführten Reparatur die Reparaturkosten stets in dem Umfang verlangen, in dem sie angefallen seien. Die durch die Rechnung ausgewiesenen Kosten indizierten deren Erforderlichkeit auch dann, wenn der Geschädigte die Rechnung noch nicht bezahlt habe. Die Indizwirkung ergebe sich bei der konkreten Schadensberechnung alleine daraus, dass die Reparaturarbeiten auf Grundlage eines zuvor erstellten Gutachtens veranlasst worden seien. Die Beklagte treffe auch im Fall einer unbeglichenen Reparaturrechnung das Werkstattrisiko.

Hiergegen richtet sich die vom AG zugelassene Berufung der Beklagten, mit der sie ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt und hilfsweise eine Verurteilung Zug um Zug gegen Abtretung der dem Kläger gegenüber der Reparaturwerkstatt zustehenden Schadensersatzansprüche begehrt. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.

In der Sache hatte die Berufung beim AG teilweise Erfolg, aber u.a. nur insoweit als die Beklagte zur Zahlung des begehrten Schadensersatzes nur Zug um Zug gegen Abtretung möglicher gegenüber der Reparaturwerkstatt bestehender Schadensersatzansprüche verlangen kann.

Das LG fasst seine Begründung in folgenden Leitsätzen zu der Entscheidung zusammen:

  1. Hat der Geschädigte die Reparaturkostenrechnung noch nicht bezahlt, kann der auf Grundlage eines Schadengutachtens erteilte Reparaturauftrag ein Indiz für den erforderlichen Herstellungsaufwand im Sinne § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sein.

  2. Das Prognose- und Werkstattrisiko trifft den Schädiger ab Erteilung des Reparaturauftrags und unabhängig davon, ob der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat.

Der Vorschaden bei der Unfallschadenregulierung, oder: Darlegungs- und Beweislast

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Bei der zweiten Entscheidung zur Unfallschadenregulierung handelt es sich um das OLG Bremen, Urt. v. 30.06.2021 – 1 U 90/19. Es behandelt eine Vorschadensproblamtik, und zwar die Frage nach der Darlegungs- und Beweisanforderungen im Verkehrsunfallprozess beim Vorliegen von Vorschäden am Fahrzeug des Geschädigten.

Gestritten wird im die Regulierung eines Verkehrsunfalla aus Mai 2018, für den die Beklagten unstreitig haften. Der Kläger hat zur Feststellung der Unfallschäden ein Privat-Sachverständigengutachten eingeholt, welches einen Reparaturaufwand für das Fahrzeug des Klägers i.H.v. 11.161,95 EUR netto ausweist.

Nachdem nicht gezahlt wurde, hat der Kläger Klage erhoben. Er „behauptet, sein Pkw sei durch den Unfall beschädigt worden in den Bereichen Vorderachse, vorderer linker Kotflügel, Fahrertür, hintere linke Tür, hinteres linkes Seitenteil sowie vorderes linkes Rad, und der Reparaturaufwand entspreche dem im Gutachten ausgewiesenen Betrag. Zur Frage von Vorschäden behauptet der Kläger, dass er den Pkw im Jahre 2014 gekauft habe und dass Schäden im vorderen Bereich jedenfalls nicht in seiner Besitzzeit aufgetreten seien. Etwaige Schäden an der Fahrertür und an der vorderen Stoßstange seien nicht bemerkbar gewesen und jedenfalls vollständig und einwandfrei instandgesetzt gewesen. Während der Besitzzeit des Klägers sei lediglich eine Beschädigung durch einen Unfall am 10.08.2016 erfolgt, wobei hier ein anderer Verkehrsteilnehmer von hinten auf den klägerischen Pkw aufgefahren sei, der danach in vollem Umfang gutachtengemäß repariert worden sei. Auch bei der TÜV-Untersuchung 2017 sei kein die Fahrsicherheit betreffender Schaden festgestellt worden, ebenso nicht bei der letzten Wartung des Pkw 2018.“

Der Beklagte „bestreitet, dass die geltend gemachten Schäden unfallbedingt seien und dass hierdurch unfallbedingt Reparaturkosten in der geltend gemachten Höhe entstanden seien. Soweit der Kläger geltend mache, dass etwaige Schäden vor seiner Besitzzeit aufgetreten seien, entbinde ihn dies nicht von seiner Darlegungs- und Beweislast dafür, auszuschließen, dass es sich bei den geltend gemachten Schäden um Vorschäden handele. Die Kosten für das Sachverständigengutachten seien mangels Verwertbarkeit des Gutachtens ebenfalls nicht zu ersetzen und die Auslagenpauschale sei überhöht.“

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Pkw des Klägers Vorschäden im Anstoßbereich aufgewiesen habe. Der insoweit darlegungsbelastete Kläger habe weder substantiiert zur Art der Vorschäden noch zu deren Reparatur vorgetragen, so dass er nicht habe ausschließen können, dass die Vorschäden gleicher Art und gleichen Umfangs wie die streitgegenständlichen Schäden gewesen seien. Dagegen die Berufung, die beim OLG Erfolg hatte.

Hier die Leitsätze zu der recht umfangreich begründeten OLG-Emtscheidung:

1. Wird bei der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen der Beschädigung eines Fahrzeugs durch einen Verkehrsunfall seitens des Schädigers oder seiner Versicherung das Bestehen von überlagerten Vorschäden eingewandt, so obliegt dem Geschädigten die Last der Darlegung und des Nachweises nach dem Maßstab des § 287 ZPO, dass die Beschädigung seines Pkw unfallbedingt ist und nicht als Vorschaden bereits vor dem Unfall vorhanden war.

2. Dieser Darlegungs- und Beweislast kann der Geschädigte zum einen dadurch genügen, dass er darlegt und nachweist, dass vorhandene Vorschäden fachgerecht repariert worden sind. Hierzu genügt es, wenn der Geschädigte die wesentlichen Parameter der Reparatur vorträgt und unter Beweis stellt, während Fragen des Vorhandenseins von Rechnungen oder der Ausführung der Einzelschritte der Reparatur in Übereinstimmung mit gutachterlichen Vorgaben im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können.

3. In Bezug auf vor der Besitzzeit des Geschädigten erfolgte Vorschäden kann der Geschädigte seiner Darlegungs- und Beweislast bereits durch eine unter Beweis gestellte Behauptung genügen, dass der Vorschaden beseitigt worden sei, auch wenn der Geschädigte hiervon keine genaue Kenntnis hat und lediglich vermutet, dass eine fachgerechte Reparatur erfolgt sei.

4. Zum anderen kann der Geschädigte, wenn er nicht die Reparatur der Vorschäden darlegen kann, dem Einwand des Vorhandenseins von Vorschäden dadurch begegnen, dass er nach dem Maßstab des § 287 ZPO über die bloße Unfallkompatibilität hinausgehend nachweist, dass bestimmte abgrenzbare Beschädigungen durch das streitgegenständliche Unfallereignis verursacht worden sind.

5. Kann auch ein solcher Nachweis der Verursachung bestimmter abgrenzbarer Beschädigungen durch den streitgegenständlichen Unfall nicht geführt werden, dann kommt es bei genügenden Anhaltspunkten in Form hinreichend greifbarer Tatsachen in Betracht, das Vorliegen von Vorschäden im Wege der Schadensschätzung nach § 287 ZPO durch einen Abschlag bei der Schadensbemessung zu berücksichtigen.

6. Das Vorhandensein von Vorschäden steht der Ersatzfähigkeit der Kosten eines vom Geschädigten eingeholten vorgerichtlichen Sachverständigengutachtens nur dann entgegen, wenn dieses Gutachten aus vom Geschädigten zu verantwortenden Gründen nicht verwertbar ist, z.B. wenn der Geschädigte ihm bekannte Vorschäden nicht offengelegt hat, so dass diese deswegen im Gutachten nicht berücksichtigt werden konnten.

Unfallschadenregulierung zu Corona-Zeiten, oder: Was ist mit den Desinfektionskosten?

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Zum Wochenausklang – zumindest hinsichtlich der Berichte über Entscheidungen – dnan noch zwei zivilrechtliche Entscheidungen zur Unfallschadenregulierung.

Zunächst hier das AG Vaihingen, Urt. v. 29.06.2021 – 1 C 129/21 –,  das eine coronabedingte Problematik behandelt, nämlich die Frage, ob nach einer Repartatur von der Werkstatt in Rechnung gestellte Desinfektionskosten auch zu den erforderlichen Wiederherstellungskosten, die vom Schädiger zu ersetzen sind, zählen. Das AG hat das bejaht:

„….. Konkret angefallene Reparaturkosten sind auch dann erstattungsfähig, wenn sie zur Beseitigung des Unfallschadens zwar objektiv nicht erforderlich waren, sich aber aus Sicht des Geschädigten subjektiv als erforderlich dargestellt haben. Dies ist Ausfluss der subjektbezogenen Bestimmung der Erforderlichkeit im Sinne des § 249 BGB. Mehrkosten, die ohne eigene Schuld des Geschädigten durch die von ihm beauftragte Werkstatt infolge unwirtschaftlicher oder unsachgemäßer Maßnahmen verursacht worden sind, hat grundsätzlich der Schädiger zu tragen; ihn trifft das Prognose- und Werkstattrisiko (BGH aaO).

2. Auch Desinfektionskosten sind deshalb erforderliche Kosten und nach den Grundsätzen des Werkstattrisikos zu ersetzen.

Wäre das klägerische Fahrzeug nicht während der Pandemie beschädigt worden und zu reparieren gewesen, so wären die Kosten nicht angefallen. Die zusätzlichen Kosten sind darauf zurückzuführen, dass sich der Unfall gerade in der Zeit des erhöhten Infektionsrisikos ereignete, in der in sämtlichen Bereichen des täglichen Lebens kostensteigernde Hygienemaßnahmen ergriffen wurden, um Viren abzutöten bzw. das Infektionsrisiko zu senken. Weder die Klägerin noch die Beklagte haben einen Einfluss auf das Entstehen dieser zusätzlichen Kosten. Angesichts drohender Schließungen durch die Ordnungsämter bleibt auch Werkstätten nichts anderes übrig, als sich die Erkenntnisse über Möglichkeiten der Minimierung des Infektionsrisikos zu eigen zu machen und in den Betrieben umzusetzen. Dass die dadurch entstehenden Mehrkosten wie sämtliche Beschaffungskosten – ganz gleich ob es sich um Raumkosten, Material- oder Personalkosten handelt, auf die Kunden durch Preiserhöhungen umgelegt werden, entspricht den Grundsätzen der betriebswirtschaftlichen Kalkulation. Es kann dahinstehen, ob es sich um Maßnahmen des Arbeitsschutzes oder um Aufwendungen zum Schutz der Kunden handelt, der komplette Aufwand muss von der Reparaturwerkstatt mitkalkuliert werden (aA: AG Pforzheim, Urteil vom 2.12.2020 – 4 C 231/20). Es spielt im Ergebnis auch keine Rolle, ob diese Mehrkosten z.B. durch eine Erhöhung der Lohnkosten oder durch eine gesonderte Position „Desinfektionsmaßnahme Covid19″ berechnet werden. Die gesonderte Ausweisung schafft mehr Transparenz und dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die zusätzlichen Hygienemaßnahmen eines Tages nicht mehr notwendig sein werden.

3. Zwar wird auch vertreten, dass Desinfektionskosten nicht zum Unfall kausalen Schaden gehören (Landgericht Stuttgart 19 O 145/20 – juris), der Unfall habe sich rein zufällig im Zeitraum der Corona-Pandemie ereignet, so ein Fall trete statistisch nur einmal in einem Zeitraum von 100 -1000 Jahren ein, es handle sich um höhere Gewalt, die das jeweilige Lebensrisiko des einzelnen betreffe, billigerweise könnten dem Schädiger solche gänzlich unwahrscheinlichen Kausalverläufe nicht zugerechnet werden (AG Stuttgart, Urteil vom 30. Dezember 2020 – 43 C 4029/20 –, Rn. 16 – 25, juris).

Diese Einordnung ist mit dem Grundsatz des BGH (aaO) nicht vereinbar. Der Geschädigte hat auf die Entstehung der zusätzlichen Desinfektionskosten keinen Einfluss, sie entstehen nur deshalb, weil er sein Fahrzeug zum Zwecke der Reparatur in eine Werkstatt geben muss. Auch die pandemiebedingten Zusatzkosten gehören deshalb zum erforderlichen Schadensbeseitigungsaufwand. Der Sachverständige hat diese Kostenposition in seinem Gutachten berücksichtigt und die Werkstatt hat sie genauso ausgeführt und in die Rechnung übernommen. Der Geschädigte hatte praktisch keine Möglichkeit, diese Kosten zu vermeiden, da sämtliche Werkstätten Hygienemaßnahmen betreiben und in Rechnung stellen.

4. Der weitere Einwand der Beklagten, die Kosten seien maßlos übersetzt, weil Desinfektionsmittel nicht mehr als ca. 1 € pro Liter kosteten, berücksichtigt nicht, dass die Werkstatt vor allem den Zeitaufwand ihrer Mitarbeiter in Rechnung stellt (4 AW = 66 €), sie ist kein Großhändler für Desinfektionsmittel. Die Position 245 GOÄ ist anders kalkuliert, eine Oberflächendesinfektion des Fahrzeuginnenraumes ist im medizinischen Bereich nicht vorgesehen. Dort sind Hygienemaßnahmen sowieso erforderlich und es geht nur um den erhöhten Aufwand, der mit 6,41 € im Einzelfall (zusätzlich) vergütet wird.“

Unfallschadenregulierung, oder: (Bus)Reparatur in der eigenen Werkstatt

entnommen wikimedia.org
Urheber Busbahnhof

Die zweite Entscheidung des Tages, das OLG Düsseldorf, Urt. v. 15.06.2021 – 1 U 142/20 – ist zu einer Problematik in Zusammenhang mit der Unfallschadenregulierung ergangen.

Bei einem Verkehrsunfall, den der Fahrer eines bei der Beklagten versicherten Pkws allein verschuldet hat und für dessen Folgen die Beklagte dem Grunde nach unstreitig haftet, wurde ein Linienbus der Klägerin erheblich beschädigt. Die Schäden ließ die Klägerin, die Mitglied der Kfz-Innung und als freie Werkstatt in die Handwerksrolle eingetragen ist, in der Zeit vom 02.08.2019 bis zum 23.08.2019 in ihrer hauseigenen Werkstatt reparieren, in der etwa zu 60 % eigene Fahrzeuge und zu 40 % fremde Fahrzeuge repariert werden.

Die durch ein Sachverständigengutachten mit 46.735,20 EUR bezifferten Reparaturkosten erstattete die Beklagte (neben einer entstandenen Wertminderung, Sachverständigenkosten, Vorhaltekosten und einer Kostenpauschale von 25,00 Euro) nur in Höhe von 39.724,29 Euro mit der Begründung, dass von den gutachterlich ermittelten Reparaturkosten ein Gewinnanteil in Höhe von 15 %, mithin 7.010,28 Euro, in Abzug zu bringen sei, weil der Bus in der eigenen Werkstatt kostensparend repariert wurde.

Mit der Klage macht die Klägerin die Differenz zwischen den gutachterlich ermittelten und den durch die Beklagte erstatteten Reparaturkosten geltend sowie eine Pauschale von 25,00 EUR für die Kosten der Erstellung und Vorlage eines Gutachtens über Vorhaltekosten geltend. Das LG hat die Klage abgewiesen. Es dies damit begründet, dass die Klägerin nicht hinreichend dargelegt habe, dass ihre Werkstatt in dem Zeitraum der Reparatur des Busses ausgelastet gewesen sei und dass sie Aufträge habe ablehnen müssen, die sie ohne die Busreparatur durchgeführt hätte. Kosten für das Vorhaltekostengutachten seien nicht zu erstatten, da kein Zusammenhang zwischen dem im Jahr 2008 erstellten Gutachten und dem Unfallereignis zu erkennen sei.

Das hat das OLG „gehalten“. Hier die Leitsätze zu der OLG-Entscheidung:

Nutzt ein Busunternehmen seine eigene Werkstatt zur Reparatur seines bei einem Verkehrsunfall beschädigten Busses, beschränkt sich der zur Herstellung erforderliche Betrag auf die insoweit anfallenden Kosten.

Die höheren Kosten einer externen Werkstatt können grundsätzlich zugrunde gelegt werden, wenn das Busunternehmen einen Teil der Kapazitäten seiner Werkstatt als freie Werkstatt zur Gewinnerzielung verwendet. Voraussetzung ist allerdings, dass es im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast hinreichend dazu vortragen kann, dass es in der Zeit der Reparatur des Busses Fremdaufträge hätte annehmen können.