Schlagwort-Archive: Kausalität

Etwas Verkehrzivilrechtliches „aus der Instanz“, oder: Unklare Verkehrslage, falsches Betanken, USt usw.

Und dann kommt hier ein kleiner Überblick zu verkehrsrechtlichen Entscheidungen, die nicht vom BGH stammen, und zwar auch wieder nur die Leitsätze und: Ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

1. Eine unklare Verkehrslage i. S. d. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO und damit ein unzulässiges Überholen kommt in Betracht, wenn das vorausfahrende Fahrzeug bei einem ordnungsgemäß angekündigten Rechtsabbiegen in ein Grundstück zunächst erkennbar – unter Verstoß gegen § 9 Abs. 1 S. 2 StVO – nach links ausholt. In diesem Fall hat der Überholende mit einem weiteren Ausscheren des Vorausfahrenden nach links vor dem eigentlichen Abbiegen zu rechnen.

2. Im Falle einer seitlichen Kollision zwischen einem unter Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO bei unklarer Verkehrslage Überholenden und einem nach rechts in ein Grundstück abbiegenden Vorausfahrenden, der sich entgegen § 9 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 StVO zunächst nach links zur Fahrbahnmitte hin einordnet und unmittelbar vor dem Rechtsabbiegen nach links ausholt, kommt eine Haftungsverteilung von 60 % zu 40 % zulasten des Überholenden in Betracht.

Es ist nicht der Betriebsgefahr i. S. d. § 7 Abs. 1 StVG eines Tanklastwagens zuzurechnen, wenn sich ein eigenständiger Gefahrenkreis aus der Risikosphäre des Bestellers verwirklicht (hier: fehlerhafte Füllstandsanzeige am Tank) und der Schadenseintritt beim Befüllvorgang weder auf ein Verschulden des Tanklastwagenfahrers noch auf einen Defekt des Tanklastwagens oder seiner Einrichtungen zurückzuführen ist.

    1. Nach den AKB 2015 ist eine Mehrwertsteuer in der Kaskoversicherung nur zu erstatten, wenn und soweit diese für den Versicherungsnehmer bei der von ihm gewählten Schadensbeseitigung tatsächlich angefallen ist.
    2. Eine solche Mehrwertsteuer ist nicht angefallen, wenn schon Monate vor dem Unfallereignis ein Nachfolgefahrzeug im Rahmen einer Fahrzeugfinanzierung bestellt worden ist, der Vertrag dann wegen Lieferschwierigkeiten für eine Bereitstellung des Ersatzfahrzeuges verlängert wird und in der Zwischenzeit vor der Lieferung des Ersatzfahrzeuges der Versicherungsfall eintritt.
    1. Es ist anerkannt, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung auch konkludent oder stillschweigend zustande kommen kann. Dabei ist für die Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Beschaffenheit als vereinbart gilt, nicht nur auf die Beschreibung der Beschaffenheit im Kaufvertrag abzustellen, sondern es sind auch weitere schriftliche Angaben des Verkäufers an anderer Stelle des Vertragsformulars oder auch sonstiger Erklärungen des Verkäufers außerhalb der Vertragsurkunde in die Bewertung einzubeziehen.
    2. In dem bloßen Bestreiten von Mängeln kann nicht ohne weiteres eine endgültige Nacherfüllungsverweigerung gesehen werden. Etwas anderes gilt aber dann, wenn neben dem Bestreiten des Vorhandenseins von Mängeln weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer ordnungsgemäßen Nacherfüllungsforderung werde umstimmen lassen.

Fehlerhafte Notierung einer Vorfrist, oder: Kausalität?

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In der zweiten (zivil)verfahrensrechtlichen Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 29.10.2019 -VI ZB 31/19 – behandelt der BGG die Frage der Wiedereinsetzung bei mangelnder Notierung einer Vorfrist.

Der Kläger hat Wiedereinsetzung in die Frist zur Berufungsbegründung beantragt. Das klageabweisende Urteil des AG war ihm am 04.01.2019 zugestellt worden. Seine Berufungsbegründung ging zusammen mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung erst am 25.03.2019 ein.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags hat der Kläger u.a. vorgetragen, dass der erfahrenen, bisher stets zuverlässig arbeitenden Büroangestellten M. seines Prozessbevollmächtigten bei der Eintragung der Frist zur Berufungsbegründung ein Fehler dahin unterlaufen sei, dass sie sich im Monat geirrt und den Ablauf der Frist anstatt für den 04.03.2019 für den 04.04.2019 eingetragen habe.

Das Berufungsgwericht hat den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Rechtsbeschwerde, die beim BGH Erfolg hatte:.

„Die Rechtsbeschwerde des Klägers hat Erfolg und führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ausgehend von dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers und der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellten M. vom 25. März 2019 könne nicht festgestellt werden, dass der Prozessbevollmächtige ausreichende organisatorische Maßnahmen getroffen habe, um ein Versäumen der Berufungsbegründungsfrist zu vermeiden. Sein Verschulden sei dem Kläger zuzurechnen. Die Fristenkontrolle im Büro des Prozessbevollmächtigten des Klägers sei nicht ausreichend organisiert gewesen. Zwar sei es nicht zu beanstanden, dass er die Eintragung der von ihm selbst vorgenommenen Fristenberechnung einer Angestellten übertrage, soweit er wie er vortrage – eine regelmäßige stichprobenartige Überwachung vornehme. Ein in diesem Zusammenhang vorkommendes Versehen des Büropersonals habe der Anwalt nicht zu vertreten. Ein der Partei zurechenbares Eigenverschulden könne sich aber aus mangelnder Büroorganisation ergeben, was hier der Fall sei. Dem Wiedereinsetzungsantrag lasse sich nicht entnehmen, dass eine Anweisung oder Handhabung in seinem Büro dahin bestehe, dass auch stets zusätzlich eine regelmäßig eine Woche früher zu datierende Vorfrist einzutragen sei. Das gehe zu Lasten des Klägers, weil die Begründung seines Wiedereinsetzungsantrags ein Organisationsverschulden ausräumen müsse.

2. Die gemäß § 238 Abs. 2 Satz 1, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an das, was eine Partei veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, überspannt und dadurch den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 10. April 2018 – VI ZB 44/16, NJW-RR 2018, 1210 Rn. 5 mwN; vom 23. April 2013 – VI ZB 30/12, FamRZ 2013, 1124 Rn. 6 mwN; BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 4 mwN).

3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 233, 234 ZPO zurückgewiesen hat, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Unterstellt man mit dem Berufungsgericht, dass es in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten des Klägers eine allgemeine Anweisung über die Eintragung einer Vorfrist nicht gegeben hat, ist ein darin liegendes Verschulden für die Versäumung der Frist nicht kausal gewesen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 8 ff.; Senatsbeschluss vom 12. April 1988 – VI ZB 5/88, VersR 1988, 941, juris Rn. 7). Ist nämlich – wie hier – eine Rechtsmittelbegründungsfrist versäumt worden, nachdem die in der Handakte notierte Hauptfrist unzutreffend in den Fristenkalender übertragen worden ist, so ist bei der Prüfung, ob die unterbliebene Notierung einer Vorfrist die Versäumung der Frist verursacht hat, davon auszugehen, dass die Vorfrist durch eine von der (unzutreffend) eingetragenen Hauptfrist ausgehende Rückrechnung ermittelt und eingetragen worden wäre (ebenda Rn. 10 bzw. Rn. 7). Aus diesem Grund kann aber im streitgegenständlichen Fall nicht angenommen werden, dass bei Eintragung einer Vorfrist die Akte dem Rechtsanwalt rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt worden wäre.

b) Fehlt es schon an der Kausalität, kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht gehalten gewesen wäre, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vor der Verwerfung der Berufung Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 139 ZPO), und ob der in der Rechtsbeschwerdebegründung erfolgte ergänzende Vortrag zu der Handhabung von Vorfristen allgemein und der Vorfrist im vorliegenden Fall in der Rechtsbeschwerdeinstanz Berücksichtigung finden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2018 – V ZB 227/17, NJW-RR 2018, 1451 Rn. 12)…..“

Verteidigung ist kein „betreutes Wohnen“ oder: Ein bißchen muss man auch schon selber tun, und wenn nicht: Kein Rechtsanwaltsregress wegen unterbliebenen Gnadenerweises.

Die Fragen der anwaltlichen Haftung spielen in der Praxis immer wieder eine große Rolle, obwohl die Bedeutung im Strafverfahrenne längst nicht so groß ist wie im Zivilverfahren, wo dem Mandanten das Verschulden seines Rechtsanwaltes in der Regel zugerechnet wird.

Das OLG Celle hat nun in einem Urt. v. 01.06.2010 – 3 U 59/10 noch früher angesetzt und festgestellt: Ein Rechtsanwalt, der einen mehrfach einschlägig vorbelasteten Mandanten in einem Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr vertritt, muss diesen zwar auf das Erfordernis, seinen Alkoholabusus zu bekämpfen, hinweisen (wegen der Fragen der Bewährung und/oder Gnade), wird aber regelmäßig erwarten dürfen, dass der Mandant von sich aus den Antritt einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie in Betracht zieht.

Also: Ein bißchem muss der Mandant schon selber tun. Weg vom „betreuten Wohnen“. Zudem hat es darauf hingewiesen, dass allein der hypothetische Antritt einer solchen Therapie nicht zur Feststellung der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung genügt. Ohne weitere Anhaltspunkte könne nicht angenommen werden, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder später Gnade erwiesen worden wäre.