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OWi II: (Un)Wirksamkeit des Bußgeldbescheides, oder: Nur bei wesentlichen Mängeln

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Und dann als zweite Entscheidung hier der OLG Brandenburg, Beschl. v. 30.05.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 144/22. Nicht Besonderes, sondern nur Festschreibung der Rechtsprechung zur Wirksamkeit des Bußgeldbescheides:

„b) Der Bußgeldbescheid vom 21. Dezember 2020 bildet entgegen der Auffassung des Betroffenen eine wirksame Verfahrensgrundlage.

Mängel des Bußgeldbescheides sind im gerichtlichen Verfahren unbeachtlich, wenn der Bescheid nicht unwirksam ist (OLG Düsseldorf VRS 1978, 440; Göhler, OWiG, 18. Auflage, vor § 65, Rz. 9). Unwirksam ist der Bußgeldbescheid nur bei schwerwiegenden Mängeln, liegen solche vor, ist das Verfahren mangels Vorliegens einer Prozessvoraussetzung gemäß §§ 36 Abs. 1 OWiG, 206a, 260 StPO einzustellen (Göhler a. a. O.).

Einen in diesem Sinne schwerwiegenden Mangel weist der verfahrensgegenständliche Bußgeldbescheid nicht auf. Er würde nur dann das Tatgeschehen nicht ausreichend begrenzen, wenn Zweifel über die Tatidentität möglich wären, also nicht eindeutig wäre, welcher Lebensvorgang zur Entscheidung des Gerichts gestellt ist (BGHSt 23, 336; 39, 291; OLG Hamburg wistra 1998, 278; OLG Düsseldorf DAR 1999, 275; Göhler a. a. O., zu § 66, Rz. 39). Die tatsächliche und rechtliche Bezeichnung der Tat gemäß § 66 Abs. 1 Ziff. 3 OWiG soll die Beschuldigung eindeutig kennzeichnen. Wesentlich für die Bezeichnung ist deshalb, dass der Betroffene erkennen kann, welches Tun oder Unterlassen den Gegenstand des Verfahrens bildet, gegen welchen Vorwurf er daher seine Verteidigung richten muss (Göhler a. a. O., Rz. 12). Es kommt darauf an, wie wahrscheinlich es ist, dass der Betroffene zu der angegebenen Zeit und in dem angegebenen Raum weitere gleichartige Ordnungswidrigkeiten verübt hat und eine Verwechselungsgefahr besteht (BGH a. a. O.; Göhler a. a. O., Rz. 12). Gemessen hieran ist der Bußgeldbescheid ausreichend, wenn nach seinem Inhalt kein Zweifel über die Tatidentität bestehen kann, also feststeht, welchen Sachverhalt er erfasst und ahnden soll (BayObLG VRS 1978, 36; NZV 1998, 515; OLG Köln DAR 2018, 338). Ein offensichtlicher Irrtum in der Bezeichnung des Zeitpunktes oder des Ortes der Tat ist unschädlich (OLG Stuttgart Die Justiz 1978, 477; OLG Hamm GA 1972, 60; NZV 2004, 317; Göhler a. a. O., Rz. 39). Bei einer falschen Ortsbezeichnung kommt es darauf an, ob es sich um ein offensichtliches Missverständnis handelt. Ergeben die näheren Umstände zweifelsfrei, welcher Ort gemeint ist, bildet der Bußgeldbescheid eine ausreichende Verfahrensgrundlage (OLG Hamm NZV 1992, 283; OLG Düsseldorf NZV 2000, 89; Göhler a. a. O., Rz. 43).

So liegt der Fall hier. Jedenfalls nach der richterlichen Aufklärung durch Einholung einer dienstlichen Stellungnahme des Messbeamten ergibt sich aus dem Akteninhalt zweifelsfrei, dass sich die Messstelle auf Höhe des Kilometers 3,6 befand und nur in das Messprotokoll versehentlich Kilometer 3,2 eingegeben worden war.

Bedenken hinsichtlich der Beschilderung und des Abstandes der Messstelle zu dieser ergeben sich daraus nicht.“

OWi III: Prüfpflichten bei einem Fuhrparkfahrzeug, oder: Stichproben des Halters erforderlich

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Und zum Schluss dann noch das AG Landstuhl, Urt. v. 15.03.2022 – 2 OWi 4211 Js 1018/22, das zur Pflichtverletzung eines Kfz-Halters im Hinblick auf Überprüfung des (Betriebs)Fahrzeugs auf Mängel Stellung nimmt.

Dazu führt das AG aus:

„Der Betroffene hat sich daher eines fahrlässigen Verstoßes gegen § 31 Abs. 2 StVZO i.V.m. §§ 69a StVZO, 24 Abs. 3 Nr. 5 StVG aufgrund eines zugrundeliegenden Verstoßes gegen § 41 StVZO zu verantworten. Dem Betroffenen ist zuzugeben, dass die Pflichtverletzung eines Kfz-Halters nicht schon allein aufgrund der Mängel am Fahrzeug angenommen werden kann; vielmehr sind die konkreten Umstände darzulegen, die in der Person des Betroffenen die Missachtung der Sorgfaltspflichten ergeben (KG 31.7.2007 – 2 Ss 289/063 Ws (B) 60/07, NZV 2008, 51). Zur Überwachungspflicht gehört es grundsätzlich, sich durch gelegentliche, auch überraschende Stichproben davon zu überzeugen, dass Weisungen auch beachtet werden (OLG Frankfurt 1.7.2019 – 2 Ss-OWi 1077/18, juris). Eine stichprobenartige Kontrolle ist auch dann zumutbar, wenn die Mitarbeiter des Betroffenen die Betriebsfahrzeuge häufig wegen des frühen Dienstantritts mit nach Hause nehmen und ihre Fahrten nicht unbedingt vom Betriebssitz aus antreten. Der Betroffene muss dann eben den Fahrzeugzustand ggf. stichprobenartig bei der Anfahrt zum Betriebsgelände oder bei der Abfahrt zu einem Auftrag oder eben am Abstellort des Fahrzeugs überprüfen (vgl. zur Problematik OLG Hamm 25.1.2018 – III-4 RBs 491/17, juris). Dies ist hier nicht geschehen und führt zur Pflichtverletzung des Betroffenen. Der Betroffene hat als Geschäftsführer zwar die Fahrzeugwartung externalisiert und ausweislich der Angaben des Zeugen pp. hat dies auch problemlos funktioniert. Jedoch hat der Betroffene gerade nicht, obwohl von ihm behauptet, dafür gesorgt, dass Fahrzeuge, die sich nicht ständig auf dem Betriebsgelände befinden, durch stichprobenartige Kontrollen überprüft werden. Denn gerade dies ist bei der Fahrzeugkombination, die dem Zeugen pp. zugewiesen war, nachweislich nicht geschehen. Dass der Betroffene diese Pflicht hätte erfüllen müssen, bestätigt auch die Rechtsprechung: Der Halter eines Kfz genügt seiner sich aus § 31 Abs. 2 StVZO ergebenden Überwachungspflicht nicht bereits dadurch, dass er dem Fahrer aufträgt, jeden auftretenden Fahrzeugmangel ihm zwecks Behebung mitzuteilen. Der Halter muss vielmehr durch Stichproben die Erfüllung dieses Auftrages überwachen (OLG Düsseldorf 14.3.1989 – 5 Ss (OWi) 58/89 – (OWi) 30/89 I, juris). Dass solche Stichproben bei dem Zeugen pp. durch die Firma pp., den Betroffenen selbst oder die extern beauftragte Firma pp. durchgeführt worden wären, haben weder der Zeuge pp. berichtet noch wurde es durch den Betroffenen behauptet. Die allgemeine Behauptung, es würden Kontrollen durchgeführt, verfängt also in diesem speziellen Fall gerade nicht, was zum fahrlässigen Verstoß des Betroffenen als Organisationsverschulden führt.“

Rückabwicklung des Neuwagenkaufs, oder: Der Verkäufer muss die Unerheblichkeit des Mangels beweisen

Im „Kessel Buntes“ heute dann zunächst das BGH, Urt. v. 18.10.2017 – VIII ZR 242/16, eine kaufrechtliche Entscheidung. Im Verfahren ging es um Mängel bei einem Neuwagenkauf. Bei dem vom Kläger gekauften Pkw gaben die Scheinwerfer unterschiedlich Licht. Der eine leuchtete dreimal so hell wie der andere. Der Kläger ist dann von der Polizei angehalten und darauf hingewiesen worden, dass sein Fahrzeug deswegen verkehrsgefährdend sei. Er hat Rückabwicklung des Kaufvertrages begeht. In erster Instanz hat Sachverständiger bestätigt, dass die Lichtstärke der Scheinwerfer bei 15,7 lx bzw. 47,2 lx lag. Offen geblieben ist aber, ob die Blendwirkung auf einem Scheinwerferdefekt, falscher Einstellung, einem Softwarefehler oder einer Kombination dieser Ursachen beruhte. Die Klage hatte dann erst beim BGH Erfolg.

Der BGH hebt wegen nicht ausreichender Feststellungen im Berufungsurteil auf. In der „Segelanweisung“ gibt er dem OLG Köln als Berufungsgericht dann mit auf den Weg, wie man bei der Neuverhandlung mit der Sache umgehen muss/soll:

2. Für das neue Berufungsverfahren sieht der Senat unter Heranziehung des Akteninhalts Anlass zu folgenden Hinweisen:

a) Dem Käufer (beziehungsweise hier aus abgetretenem Recht dem Kläger) obliegt es nicht, im Rahmen seines Nachbesserungsbegehrens die genaue Ursache des beanstandeten Mangels zu benennen (vgl. Senatsurteil vom 9. März 2011 – VIII ZR 266/09, NJW 2011, 1664 Rn. 10). Vielmehr genügt es, wenn er die Mangelerscheinung laienhaft beschreibt, also darlegt, in welchen Symptomen sich der Mangel äußert (Senatsurteil vom 26. Oktober 2016 – VIII ZR 240/15, NJW 2017, 153 Rn. 16 [zum Kauf]; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 – VII ZR 276/13, NJW-RR 2014, 1204 Rn. 16 [zum Werkvertrag]; Beschluss vom 21. Februar 2017 – VIII ZR 1/16, NJW 2017, 1877 Rn. 11 mwN [zur Miete]).

Im vorliegenden Fall ist ein Mangel der Frontbeleuchtung betroffen, den der Kläger durch den Hinweis auf eine Blendwirkung dahin beschrieben hat, einer der beiden Scheinwerfer leuchte dreimal so hell wie der andere. Hierin fügte sich der weitere Vortrag des Klägers ein, dass er mit dem Fahrzeug von der Polizei angehalten worden sei, weil diese das Fahrzeug wegen der Blendwirkung als verkehrsgefährdend eingestuft habe. In ähnlicher Weise hat sich im Übrigen auch der vom Landgericht beauftragte Sachverständige geäußert, der bei einem Scheinwerfer eine Lichtstärke von 15,7 lx und bei dem anderen von 47,2 lx festgestellt und das Fahrzeug deswegen als verkehrsunsicher und verkehrsgefährdend bezeichnet hat.

Ob die Ursache dieser Blendwirkung letztlich auf einem Defekt der Scheinwerfer selbst, auf einer falschen Einstellung der Scheinwerfer, auf einem Softwarefehler oder einer Kombination dieser Ursachen beruht, ist für die Gewährleistungspflicht der Beklagten ersichtlich ohne Bedeutung, da sämtliche in Betracht kommenden Ursachen jedenfalls nach derzeitigem Sachstand der Sphäre der Beklagten zuzuordnen sind. Hierauf hat der Kläger im Übrigen bereits in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24. September 2015, mit dem sich die Vorinstanzen nicht auseinandergesetzt haben, zutreffend hingewiesen.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts trägt der Verkäufer und nicht der Käufer die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein Mangel unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist und den Käufer deshalb nicht zur Rückabwicklung des Kaufvertrages berechtigt. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Gesetz den Ausschluss des Rücktrittsrechts bei nur unerheblichem Mangel als Ausnahme formuliert (vgl. OLG Köln, Urteil vom 27. März 2008 – 15 U 175/07, juris Rn. 59 mwN; OLG Düsseldorf, Urteile vom 24. Oktober 2005 – 1 U 84/05, juris Rn. 40; vom 8. Januar 2007 – 1 U 177/06, juris Rn. 24).

c) Anders als das Berufungsgerichts meint, richtet sich die Beurteilung der Erheblichkeit eines Mangels schließlich keineswegs allein danach, ob die Mängelbeseitigungskosten die Grenze von 5 % des Kaufpreises übersteigen. Vielmehr ist – wie der Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 28. Mai 2014 (VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290 Rn. 16 mwN) ausgeführt hat – eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Weiter hat der Senat entschieden, dass im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB) in der Regel nicht mehr auszugehen ist, wenn bei einem behebbaren Mangel der Mangelbeseitigungsaufwand einen Betrag von 5 % des Kaufpreises übersteigt (Senatsurteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13, aaO Rn. 12 mwN).

Dies schließt es allerdings nicht aus, dass bei Vorliegen besonderer Umstände – etwa einer nur sehr geringfügigen Gebrauchsbeeinträchtigung – trotz eines Mangelbeseitigungsaufwandes von mehr als 5 % des Kaufpreises der Mangel als unerheblich einzustufen ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 27. Juli 2016 – 3 U 70/15, juris) oder umgekehrt trotz eines unter der 5 %-Grenze liegenden Mangelbeseitigungsaufwands aufgrund besonderer Umstände (etwa besondere Schwierigkeiten oder Zeitdauer einer erforderlichen Ersatzteilbeschaffung) die Gesamtabwägung zur Bejahung einer erheblichen Pflichtverletzung führen kann. Denn wie der Senat in seinem Urteil vom 28. Mai 2014 (VIII ZR 94/13, aaO Rn. 38 mwN) bereits betont hat, handelt es sich bei der Schwelle von 5 % des Kaufpreises um eine nicht starre („in der Regel“), sondern – entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – um eine flexible, in eine Interessenabwägung und eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls eingebettete Erheblichkeitsschwelle, die dem Ziel dient, die Interessen der Kaufvertragsparteien zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen.

d) Darüber hinaus hat das Berufungsgericht in grundlegender Weise verkannt, dass sich die Frage der Behebbarkeit eines Mangels nach den Erkenntnissen im Zeitpunkt des Rücktritts beurteilt (Senatsurteile vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 202/10, NJW 2011, 2872 Rn. 21; vom 5. November 2008 – VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508 Rn. 19; vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13, aaO Rn. 16). Deshalb kommt es im Rahmen der Beurteilung der Unerheblichkeit eines Mangels nicht entscheidend auf die Behebbarkeit an, wenn die Mangelursache im Zeitpunkt des Rücktritts noch ungewiss ist, etwa weil es dem Verkäufer – wie der Kläger auch hier geltend macht – in mehreren Nachbesserungsversuchen nicht gelungen ist, die Mangelursache zu finden und den Mangel zu beseitigen. In einem solchen Fall ist vielmehr auf die Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit abzustellen (Senatsurteile vom 29. Juni 2011 – VIII ZR 202/10, aaO; vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13 aaO Rn. 17).

e) Ausgehend von diesen Grundsätzen verbietet sich bei einer schwerwiegenden und in mehreren Nachbesserungsversuchen nicht behobenen Einschränkung der Verkehrssicherheit, wie sie der Kläger hier geltend macht, eine Einordnung als nur unerheblicher Mangel. Es kommt in diesen Fällen gerade nicht darauf an, ob die genaue Mangelursache zu einem späteren Zeitpunkt – nach dem Rücktritt – noch ermittelt wird, etwa im Rahmen der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens, durch das sich dann herausstellt, dass die Beseitigung des Mangels nur einen unerheblichen Betrag erfordert.“

Glück gehabt: Falsche Erklärung abgegeben, aber kein Schaden beim Mandanten

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Da kann man sagen: Glück gehabt, hat ein Kollege/Rechtsanwalt, der in einem Verfahren, das mit dem OLG Stuttgart, Urt. v. 19.05.2015 · – 12 U 39/14 (ja, schon ganz alt) – geendet hat, von einem ehemaligen Mandanten wegen fehlerhafter Bearbeitung eines Mandats zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen von dem Mandanten geleasten Pkw in Anspruch genommen worden ist. Der Mandant hatte von der B. AG Niederlassung S. einen etwa vier Jahre alten B. X3 gekauft. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von ca. 79.900 km. Die Finanzierung erfolgte durch den Abschluss eines Leasingvertrages mit der B. L. GmbH, die sodann anstelle des Klägers in den Kaufvertrag eintrat. An dem Pkw traten Mängel auf. Der Rechtsanwalt hat dann für seinen Mandanten als Leasingnehmer den Rücktritt vom „Leasingvertrag“ erklärt, dabei aber übersehen, dass – Zug um Zug gegen Abtretung der Gewährleistungsrechte des Leasinggebers – Gewährleistungsansprüche gegen den Leasinggeber im Leasingvertrag ausgeschlossen waren.

Das OLG sagt: Pflichtverletzung:

„Die Pflichtverletzung des Beklagten liegt darin, den Rücktritt vom Kaufvertrag nicht oder jedenfalls nicht zweifelsfrei erklärt zu haben. Die Aufgabe des Rechtsanwalts, der mit einer Rechtsgestaltung beauftragt wird, ist es, schon durch die Wortwahl seiner Erklärung Klarheit zu schaffen. Der Laie als Auftraggeber schaltet den Fachberater u.a. deswegen ein, damit dieser das erwünschte rechtliche Ergebnis möglichst auch erreicht. Eine Auslegung setzt erst ein, wenn der Wortlaut einer Erklärung zu Zweifeln überhaupt Anlass gibt; dazu darf es der Rechtsanwalt regelmäßig gar nicht kommen lassen (BGH, Urteil vom 04. Juni 1996 – IX ZR 51/95, juris Rn. 24).

Der Beklagte hat im vorangegangenen Rechtsstreit keine vom Land- bzw. Oberlandesgericht als solche anerkannte Rücktrittserklärung vom Kaufvertrag abgegeben. Stattdessen hat er lediglich am 19.05.2009 den „Rücktritt vom Leasingvertrag“ erklärt und auch in der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2009 keine eindeutige Erklärung dahingehend abgegeben, dass nicht der Rücktritt vom Leasingvertrag, sondern der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt werde. Die – zwischen den hiesigen Parteien unstreitig – durch die Ehefrau des Klägers abgegebene mündliche Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag wurde erst im Berufungsverfahren und damit verspätet vorgetragen.

2. Der Beklagte hat den ihm erteilten Auftrag fehlerhaft bearbeitet. Die Erklärung, vom Leasingvertrag zurückzutreten, führte ins Leere, da dem Kläger ein solches Rücktrittsrecht schon aus vertraglichen Gründen nicht zustand.…“

Aber, eben „Glück gehabt, denn: Durch die fehlerhafte Rücktrittserklärung ist dem Mandanten jedoch kein Schaden entstanden. Das OLG konnte nämlich „nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass an dem Fahrzeug Mängel in einem Umfang vorhanden waren, die zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt hätten.“

Dazu nimmt sich das OLG die vom Kläger geltend gemachten Mängel vor und kommt zu folgender Einschätzung:

  • Übrig bleibt von den geltend gemachten Mängeln ein Defekt am Schiebedach: Die in Ansatz zu bringenden Aufwendungen zur Behebung dieses Mangels betragen 600 €. Das sind im Verhältnis zum Kaufpreis etwa 2 %. Das genügt eben nicht zur Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle, die jedenfalls bei Beseitigungskosten von 5 % anzunehmen wäre (vgl. BGH, Urt. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13).
  • Alles andere, nämlich u.a. schmierende Scheibenwischerblätter, poröse Türgummis, Rost an den Türschwellen, ist bei einem vier Jahre alten Pkw normaler Verschleiß und kein Sachmangel eines Gebrauchtwagens. Weitere Mängel hat ein Sachverständiger nicht feststellen können.

Es fehlt also an der Kausaliät – und das war es dann für den Mandanten.

Gebrauchtwagenkauf: Ist ein langer Zeitablauf zwischen Herstellung und Erstzulassung ein Mangel?

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Eine m.E. interessante Frage der Mängelhaftung beim Gebrauchtwagenkauf behandelt das OLG Braunschweig, Urt. v. 23.07.2015 – 9 U 2/15. Es geht darum, ob ein langer Zeitablauf zwischen Herstellung und Erstzulassung als Mangel beim Gebrauchtwagenkauf anzusehen ist. Der Kläger hatte im Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 € gekuaft. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik „Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief“ der 18. 02. 2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 01.07.2008 hergestellt worden. Nach Ansicht des Klägers begründet diese Länge der Standzeit vor Erstzulassung (19 ½ Monate) einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises. Beim LG hatte er Erfolg, das OLG hat die Klage abgewiesen. Leitsatz der OLG-Entscheidung:

„Liegt zwischen dem Zeitpunkt der Herstellung und Erstzulassung ein Zeitraum von 19 1/2 Monaten, stellt dieser Umstand beim Kauf eines in dem Zeitraum ab dem „lt. Fzg.-Brief“ mitgeteilten Erstzulassungszeitpunkt von 2 Jahren und 4 Monaten offenbar über 38.616 km als Mietfahrzeug genutzten Gebrauchtwagens kein den Käufer zum Rücktritt berechtigender Mangel dar.“

Ich empfehle die Entscheidung zum Selbststudium und stelle hier keine Auszüge ein. Denn: Das OLG hat die Revision zugelassen und die Revision ist auch beim BGH anhägig (BGH VIII ZR 191/15). Der BGH hat inzwischen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt auf den 29.06.2016. Dann wissen wir also mehr bzw., wie es richtig ist (?).