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Glück gehabt: Falsche Erklärung abgegeben, aber kein Schaden beim Mandanten

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Da kann man sagen: Glück gehabt, hat ein Kollege/Rechtsanwalt, der in einem Verfahren, das mit dem OLG Stuttgart, Urt. v. 19.05.2015 · – 12 U 39/14 (ja, schon ganz alt) – geendet hat, von einem ehemaligen Mandanten wegen fehlerhafter Bearbeitung eines Mandats zur Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen von dem Mandanten geleasten Pkw in Anspruch genommen worden ist. Der Mandant hatte von der B. AG Niederlassung S. einen etwa vier Jahre alten B. X3 gekauft. Das Fahrzeug hatte zu diesem Zeitpunkt eine Laufleistung von ca. 79.900 km. Die Finanzierung erfolgte durch den Abschluss eines Leasingvertrages mit der B. L. GmbH, die sodann anstelle des Klägers in den Kaufvertrag eintrat. An dem Pkw traten Mängel auf. Der Rechtsanwalt hat dann für seinen Mandanten als Leasingnehmer den Rücktritt vom „Leasingvertrag“ erklärt, dabei aber übersehen, dass – Zug um Zug gegen Abtretung der Gewährleistungsrechte des Leasinggebers – Gewährleistungsansprüche gegen den Leasinggeber im Leasingvertrag ausgeschlossen waren.

Das OLG sagt: Pflichtverletzung:

„Die Pflichtverletzung des Beklagten liegt darin, den Rücktritt vom Kaufvertrag nicht oder jedenfalls nicht zweifelsfrei erklärt zu haben. Die Aufgabe des Rechtsanwalts, der mit einer Rechtsgestaltung beauftragt wird, ist es, schon durch die Wortwahl seiner Erklärung Klarheit zu schaffen. Der Laie als Auftraggeber schaltet den Fachberater u.a. deswegen ein, damit dieser das erwünschte rechtliche Ergebnis möglichst auch erreicht. Eine Auslegung setzt erst ein, wenn der Wortlaut einer Erklärung zu Zweifeln überhaupt Anlass gibt; dazu darf es der Rechtsanwalt regelmäßig gar nicht kommen lassen (BGH, Urteil vom 04. Juni 1996 – IX ZR 51/95, juris Rn. 24).

Der Beklagte hat im vorangegangenen Rechtsstreit keine vom Land- bzw. Oberlandesgericht als solche anerkannte Rücktrittserklärung vom Kaufvertrag abgegeben. Stattdessen hat er lediglich am 19.05.2009 den „Rücktritt vom Leasingvertrag“ erklärt und auch in der mündlichen Verhandlung vom 22.09.2009 keine eindeutige Erklärung dahingehend abgegeben, dass nicht der Rücktritt vom Leasingvertrag, sondern der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt werde. Die – zwischen den hiesigen Parteien unstreitig – durch die Ehefrau des Klägers abgegebene mündliche Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag wurde erst im Berufungsverfahren und damit verspätet vorgetragen.

2. Der Beklagte hat den ihm erteilten Auftrag fehlerhaft bearbeitet. Die Erklärung, vom Leasingvertrag zurückzutreten, führte ins Leere, da dem Kläger ein solches Rücktrittsrecht schon aus vertraglichen Gründen nicht zustand.…“

Aber, eben „Glück gehabt, denn: Durch die fehlerhafte Rücktrittserklärung ist dem Mandanten jedoch kein Schaden entstanden. Das OLG konnte nämlich „nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststellen, dass an dem Fahrzeug Mängel in einem Umfang vorhanden waren, die zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt hätten.“

Dazu nimmt sich das OLG die vom Kläger geltend gemachten Mängel vor und kommt zu folgender Einschätzung:

  • Übrig bleibt von den geltend gemachten Mängeln ein Defekt am Schiebedach: Die in Ansatz zu bringenden Aufwendungen zur Behebung dieses Mangels betragen 600 €. Das sind im Verhältnis zum Kaufpreis etwa 2 %. Das genügt eben nicht zur Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle, die jedenfalls bei Beseitigungskosten von 5 % anzunehmen wäre (vgl. BGH, Urt. 28.05.2014 – VIII ZR 94/13).
  • Alles andere, nämlich u.a. schmierende Scheibenwischerblätter, poröse Türgummis, Rost an den Türschwellen, ist bei einem vier Jahre alten Pkw normaler Verschleiß und kein Sachmangel eines Gebrauchtwagens. Weitere Mängel hat ein Sachverständiger nicht feststellen können.

Es fehlt also an der Kausaliät – und das war es dann für den Mandanten.

Gebrauchtwagenkauf: Ist ein langer Zeitablauf zwischen Herstellung und Erstzulassung ein Mangel?

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Eine m.E. interessante Frage der Mängelhaftung beim Gebrauchtwagenkauf behandelt das OLG Braunschweig, Urt. v. 23.07.2015 – 9 U 2/15. Es geht darum, ob ein langer Zeitablauf zwischen Herstellung und Erstzulassung als Mangel beim Gebrauchtwagenkauf anzusehen ist. Der Kläger hatte im Juni 2012 von der Beklagten, einer Kraftfahrzeughändlerin, einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 € gekuaft. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik „Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief“ der 18. 02. 2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 01.07.2008 hergestellt worden. Nach Ansicht des Klägers begründet diese Länge der Standzeit vor Erstzulassung (19 ½ Monate) einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises. Beim LG hatte er Erfolg, das OLG hat die Klage abgewiesen. Leitsatz der OLG-Entscheidung:

„Liegt zwischen dem Zeitpunkt der Herstellung und Erstzulassung ein Zeitraum von 19 1/2 Monaten, stellt dieser Umstand beim Kauf eines in dem Zeitraum ab dem „lt. Fzg.-Brief“ mitgeteilten Erstzulassungszeitpunkt von 2 Jahren und 4 Monaten offenbar über 38.616 km als Mietfahrzeug genutzten Gebrauchtwagens kein den Käufer zum Rücktritt berechtigender Mangel dar.“

Ich empfehle die Entscheidung zum Selbststudium und stelle hier keine Auszüge ein. Denn: Das OLG hat die Revision zugelassen und die Revision ist auch beim BGH anhägig (BGH VIII ZR 191/15). Der BGH hat inzwischen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt auf den 29.06.2016. Dann wissen wir also mehr bzw., wie es richtig ist (?).

Der Porsche und das „Sumpfvolumen“, oder: Pack den Tiger in den zu kleinen (?) Tank

entnommen wikimedia.org Urhebernakhon100

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Manche Entscheidungen/Nachrichten lassen den Leser schon stutzen. Jedenfalls ist es mir so bei dem OLG Hamm, Urt. v. 16.06.2015 – 28 U 165/13 – gegangen. Das ist die Entscheidung des 28. Zivilsenats zum zu kleinen „Porschetank“. Obwohl: Zu klein war der Tank ja an sich nicht. Der Porschefahrer konnte nur das Tankvolumen nicht voll ausnutzen. Erworben hatte der Kläger einen Porsche 911 Turbo S Cabriolet zum Preis von ca. 176.500 € mit einem lt. Ausstattungskatalog 67 l Kraftstoff fassenden Tank. Kurze Zeit nach der Fahrzeugübergabe hat er dann beanstandt, dass der Bordcomputer nach einem Verbrauch von 59 l Kraftstoff eine Restreichweite von 0 km anzeige, so dass er das im Katalog angegebene Tankvolumen von 67 l nicht nutzen könne. Der Kläger ist davon ausgegangen, die Konstruktion des Kraftstofftanks einschließlich der Messung des Tankinhalts und die Ermittlung der Restreichweite seien mangelhaft und hat von dem Verkäufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages begehrt.

Das OLG hat gesagt: Kein Mangel, wenn der Bordcomputer nach einem Kraftstoffverbrauch von 59 l und dann im Tank noch vorhandenen 6,4 l Kraftstoff keine Restreichweite mehr anzeigt und wenn die letzten 3,3 l im Tank für die Kraftstoffversorgung des Motors nicht zur Verfügung stehen.:

„HU neu“ = verkehrssicher – auch bei einem alten Möhrchen

entnommen wikimedia.org Urheber GeorgHH

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Samstags ist hier ja der Tag, an dem ich meist kein Straf- oder Bußgeldrecht mache, sondern auch mal ein zivilrechtliches Posting (wage 🙂 ). Ich bin da aber immer ganz vorsichtig und tauche nicht zu tief ins Zivilrecht ein, denn da gibt es inzwischen manche Klippen, an denen ich scheitern könnte. Beim BGH, Urt. v. 15.04.2015 – VIII ZR 80/14 – dürfte mir das aber (hoffentlich) nicht passieren.

In dem Urteil ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen dem Käufer beim Gebrauchtwagenkauf eine Nacherfüllung durch den Verkäufer gemäß § 440 Satz 1 BGB nicht mehr zugemutet werden kann und er deshalb zum sofortigen Rücktritt berechtigt ist.

Nach dem Sachverhalt hatte die Klägerin von dem beklagten Autohändler einen 13 Jahre alten Pkw Opel Zafira mit einer Laufleistung von 144.000 km zum Preis von 5.000 € gekauft. Entsprechend der im Kaufvertrag getroffenen Vereinbarung („HU neu“) war am Tag des Fahrzeugkaufs die Hauptuntersuchung (TÜV) durchgeführt und das Fahrzeug mit einer TÜV-Plakette versehen worden. Am Tag nach dem Kauf versagte der Motor mehrfach. Die Klägerin ließ das Fahrzeug untersuchen und erklärte die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt, unter anderem wegen der bei der Untersuchung festgestellten erheblichen und die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Korrosion an den Bremsleitungen. Der Beklagte hat eine arglistige Täuschung bestritten und sich damit verteidigt ein, dass die Klägerin ihm keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben habe und der Rücktritt deshalb unwirksam sei.

Der BGH hat die vom Berufungsgericht angenommene Frage der arglistigen Täuschung offen gelassen und einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises aus dem von ihr hilfsweise erklärten Rücktritt bejaht:

a) Das gekaufte Fahrzeug war bei Gefahrübergang (§ 446 BGB) mangelhaft, weil es sich entgegen der vereinbarten Beschaffenheit nicht in einem Zustand befand, der die Erteilung einer TÜV-Plakette am Tag des Kaufvertrags rechtfertigte.

aa) Die im Kaufvertrag enthaltene Eintragung „HU neu“ beinhaltet bei interessengerechter Auslegung – die der Senat, da keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind, selbst vornehmen kann – die stillschweigende Vereinbarung, dass sich das verkaufte Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe in einem für die Hauptuntersuchung nach § 29 StVZO geeigneten verkehrssicheren Zustand befinde und die Hauptuntersuchung durchgeführt sei (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB). Insoweit gilt nichts anderes als für einen in einem Kaufvertrag enthalte-nen Zusatz „TÜV neu“ (Senatsurteil vom 24. Februar 1988 – VIII ZR 145/87, BGHZ 103, 275, 280 ff. mwN [zu § 459 Abs. 2 BGB aF]; vgl. ferner Senatsurteil vom 13. März 2013 – VIII ZR 172/12, NJW 2013, 2749 Rn. 14, 17 [betr. Unter-suchung nach § 21c StVZO aF – Oldtimer]).

bb) Nach den insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts genügte das Fahrzeug dieser Beschaffenheitsvereinbarung nicht, sondern war aufgrund der fort-geschrittenen Korrosion insbesondere an den vorderen Bremsleitungen ungeachtet der dennoch erteilten TÜV-Plakette nicht verkehrssicher und aufgrund seines schlechten Gesamtzustandes bei Übergabe nicht so beschaffen, dass ein Betrieb des Fahrzeugs und dessen gefahrlose Nutzung im Straßenverkehr möglich gewesen wären.

b) Die Klägerin war gemäß § 440 Satz 1 BGB auch ohne vorherige Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt, weil eine Nacherfüllung für sie nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB unzumutbar war.

aa) Für die Beurteilung, ob die Nacherfüllung für den Käufer unzumutbar ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Zuverlässigkeit des Verkäufers (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 233 f.), diesem vorzuwerfende Nebenpflichtverletzungen (BT-Drucks. 14/6040, S. 223) oder der Umstand, dass der Verkäufer bereits bei dem ersten Erfüllungsversuch, also bei Übergabe, einen erheblichen Mangel an fachlicher Kompetenz hat erkennen lassen (Erman/Grunewald, BGB, 14. Aufl., § 440 Rn. 3; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 440 Rn. 8; BeckOK-BGB/Faust, Stand 1. August 2014, § 440 Rn. 37) und das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien nachhaltig gestört ist (Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB, Neubearb. 2014, § 440 Rn. 25).

bb) Hiervon ist vorliegend auszugehen….. „

Der Gebrauchtwagenkauf und die Nachlackierung – Mangel?

buch_paragraphenzeichen_BGB_01Im OLG Hamm, Beschl. v. 15.12.2014 – 2 U 97/14, einem sog. Hinweisbeschluss, nimmt das OLG zur Frage Stellung, ob eine  fachgerecht durchgeführte Nachlackierung einen Mangel eines gebraucht verkauften Pkw i.S. von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB darstellt. Der Käufer/Kläger hatte Rückabwicklung des PKW-Kaufvertrages begehrt und behauptet, die Beklagte/Verkäufering habe ihm einen – reparierten – Schaden arglistig verschwiegen. Die Beklagte habe um Nachlackierungen gewusst bzw. darum wissen müssen und nicht darauf hingewiesen. Aus dem Wissen der Beklagten um die Nachlackierungen habe sich deren Verpflichtung ergeben, nachzuprüfen, was für ein Schaden vorgelegen habe. Das sei nicht geschehen. Einen sich aus den Nachlackierungen ergebenden Verdacht eines Unfallschadens hätte die Beklagte mitteilen müssen. Dass sie das unterlassen habe, begründe Arglist.

Das LG hat die Klage abgewiesen und das OLG rät dem Kläger, seine Berufung zurückzunehmen:

„a) Eine Nachlackierung bedeutet, soweit sie fachgerecht durchgeführt worden ist, keinen Mangel im Sinne des § 434 I 2 Nr. 2 BGB, BGH VIII ZR 191/07. Für die Frage, ob eine Nachlackierung an sich einen Mangel bedeutet, macht es, anders als die Berufung möglicherweise meint, keinen Unterschied, ob dem Verkäufer die Nachlackierung bekannt war oder nicht. Dafür, dass die Nachlackierung nicht fachgerecht durchgeführt worden wäre, ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

b) Der Wagen ist auch kein Unfallwagen. Vielmehr ist es – anderes ist jedenfalls nicht feststellbar – zu einer Beschädigung durch einen Transport gekommen. Ob eine derartige – reparierte – Beschädigung ebenso, wie Unfallwageneigenschaft zur Annahme eines Mangels führt, mag dahin stehen. Ein Mangel ist – wie bei der Frage der Unfallwageneigenschaft, Reinking/Eggert, Autokauf, 12. Auflage, Rz. 3097, jedenfalls nur dann gegeben, wenn die – reparierte – Beschädigung als erheblich anzusehen ist. Davon kann bei den von der Zeugin N geschilderten, minimalen Dellen nicht die Rede sein.

c) Ein bloßer Mangelverdacht, der sich nach dem Vorbringen des Klägers im Hinblick auf einen relevanten Vorschaden aus der Nachlackierung ergeben soll, bedeutet im Grundsatz keinen Mangel, Reinking/Eggert, a.a.O. Rz. 3287. Ein Mangelverdacht vermag nur in besonderen Fällen einen Mangel begründen. Voraussetzung dafür ist jedenfalls, dass der Mangelverdacht nicht ausgeräumt werden kann. So liegt die Sache hier nicht. Der Verdacht eines relevanten Vorschadens war durch Untersuchung der Nachlackierungsbereiche auszuräumen. Entsprechend hat der Sachverständige im Beweissicherungsverfahren auch nichts gefunden, was auf einen relevanten Vorschaden hindeutet. Vielmehr hat er in seinem zweiten Ergänzungsgutachten vom 08.07.2013 im Beweissicherungsverfahren ausgeführt: Ersatz von Anbauteilen sei nicht erfolgt, Richtarbeiten seien nicht vorgenommen worden; Anhaltspunkte für den vorgetragenen Unfallschaden im Dachbereich seien den zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen nicht zu entnehmen; festzustellen sei lediglich, dass das Fahrzeug nachlackiert gewesen sei.“

Mehr als deutlich….